Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Julia Goldfeuer

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2024
Es spukt in Craven Manor
Coates, Darcy

Es spukt in Craven Manor


sehr gut

Daniel braucht dringend einen Job, da kommt ihm das mysteriöse Angebot, als Hausmeister das verwilderte Craven Manor auf Vordermann zu bringen, gerade recht. Doch die lokalen Gerüchte und die knappen Nachrichten seines Arbeitgebers beunruhigen ihn. Warum wurde er in dieses unheimliche Anwesen gelockt, und welche Geheimnisse verbergen sich in Craven Manor?
Darcy Coates stellt uns in "Es spukt in Craven Manor" zunächst Daniel vor, einen liebenswerten Kerl, bei dem es nicht so toll läuft. Die Einblicke in sein karges Leben und die zwischenmenschlichen Beziehungen, die er pflegt, berührten beim Lesen mein Herz und liefern ausreichend Motivation, das seltsamste Jobangebot aller Zeiten anzunehmen.
Schon der erste Blick auf seinen neuen Arbeitsplatz sät Zweifel in Daniel... Riesige, überwucherte Gärten, ein verlassenes, verstaubtes Anwesen und geheimnisvolle Notizen, die ihn immer weiter hineinziehen... Die Bedrohung liegt förmlich in der Luft. Im örtlichen Pub hört er von düsteren Familienflüchen und Geistern, die durchs Haus streifen sollen. Zwar glaubt er nicht wirklich an Spuk, aber die Dinge werden schnell unheimlicher als gedacht.
Daniel ist ein süßer, sympathischer Protagonist, doch seine schnelle Akzeptanz der schaurigen Situation ließ mich schmunzeln. Etwas mehr innerer Konflikt wäre schön gewesen. Die Ermittlungsarbeit, die ich mir von Daniel gewünscht hätte, übernehmen andere Personen, was ich etwas schade finde.
Das Buch ist keine klassische Spukhausgeschichte und bietet einen frischen Ansatz. Trotzdem könnte es ein wenig mehr Grusel und Spannung vertragen, um den Leser noch tiefer zu packen. Ein paar zusätzliche Seiten hätten dem Buch sicher gut getan, um Daniels Entdeckungen und seinen persönlichen Prozess intensiver zu gestalten.
Alles in allem war es super unterhaltsam und richtig flott durchgelesen! Kein absolutes Highlight, aber ein fesselnder Horror-Spaß, der mich motiviert hat, alles von Darcy Coates lesen zu wollen!

Bewertung vom 20.10.2024
Ich fürchte, Ihr habt Drachen
Beagle, Peter S.

Ich fürchte, Ihr habt Drachen


weniger gut

Prinzessin Cerise von Bellemontagne hat endlich einen Prinzen gefunden, den sie heiraten möchte. Doch ihr Schloss wird von einer Drachenplage heimgesucht. So kann nicht gefeiert werden! Außerdem muss der verwöhnte Prinz Reginald erst einmal beweisen, dass er ein richtiger Held ist, und nimmt daher den Drachenfänger Robert nach der Schlossreinigung mit auf große Drachenjagd...
Charmant, märchenhaft und mit einem guten Schuss Humor – das war mein Eindruck von den ersten Kapiteln. Einige Szenen sind sogar überraschend düster. Drachenjägerleben ist eben kein Zuckerschlecken! Leider verblasste mein Anfangsschwung ziemlich schnell. Ich hatte eine erfrischend neue Storyline erwartet und bekam einen absoluten Standard-Plot. Und damit wäre ich auch völlig zufrieden, wenn es packend geschrieben wäre, aber es hat mich leider überhaupt nicht erreicht. Die anfängliche gemütliche Stimmung weicht einer eher finsteren Geschichte, die so gar nicht zum Stil des Buches passen will.
Roberts Verbindung zu den kleinen Drachlingen hat mir gut gefallen und davon hätte ich gerne mehr gelesen. Allerdings erfährt man nur das Nötigste über das Leben, die Vergangenheit und die Beweggründe der Charaktere. Da ist keine Chemie, kein Tiefgang und auch an Struktur fehlt es. Die Handlungsstränge einiger Nebenfiguren werden ab einem gewissen Punkt einfach fallengelassen und dadurch total irrelevant. Obwohl der Plot eh nicht komplex ist, kam mir der Roman undurchdacht und unfertig vor.
Da „Das letzte Einhorn“ so ein Riesenerfolg ist, hatte ich offen gestanden deutlich mehr von Peter S. Beagle erwartet. Allerdings kenne ich die Romanvorlage nicht, nur den Film. Das möchte ich demnächst auf jeden Fall ändern und herausfinden, ob er einfach nicht mein Autor ist oder es nur an „Ich fürchte, ihr habt Drachen“ liegt.
So leid es mir angesichts der wunderschönen Aufmachung tut, kann ich das Buch nicht empfehlen.

Bewertung vom 16.10.2024
A Breath of Winter / Rabenwinter Saga Bd.1
Schnell, Carina

A Breath of Winter / Rabenwinter Saga Bd.1


gut

Nordisches Setting, Knochenmagie, Fantasy-Wesen und ein düsterer Söldner, der mit der toughen Hexe Smilla Jagd auf einen Hexenmörder macht. Das sind doch mal vielversprechende Ansätze. Doch trotz der soliden Prämisse holpert die Story an einigen Stellen ganz gewaltig.
Ich kenne von Carina Schnell schon „Die Todesbotin“, das ich echt gut finde. Auch dieses Mal ist mir ihr Schreibstil wieder sehr positiv aufgefallen: locker, lebendig und angenehm zu lesen oder zu hören.
Das Worldbuilding dagegen ist leider simpel gehalten. Alles hat mit „Raben“ zu tun – Rabengold als Währung, Rabenschwinge als Maßeinheit, Rabenstahl als Material usw. Anfangs cool, irgendwann eher fantasielos.
Die Art und Weise, wie Smilla Magie wirkt und welchen Wesen sie begegnet, lässt das Herz jedes Fantasy-Liebhabers höher schlagen. Schade, dass an dieser Stelle nicht mehr investiert wurde, denn die Wilde Jagd als bekannte Kreaturenjäger jagt im ganzen Buch niemals wirklich Kreaturen.
Die Beziehungen zwischen sämtlichen Figuren haben mich leider nicht überzeugt. Gent bezeichnet die Wilde Jagd als seine Familie, aber keiner von ihnen kann dem mürrischen Kerl jemals auch nur ein schwaches Grinsen entlocken. Doch kaum taucht Smilla auf, ist bei ihr natürlich alles anders.
Er tritt meist unsympathisch, aggressiv und egozentrisch auf, verhält sich dann aber Smilla gegenüber plötzlich viel zu vertraut, obwohl ihre Gespräche nie zu einem nennenswerten Ergebnis führen. Zu niemandem gibt es eine Hintergrundgeschichte. Man hat zwar einen übergeordneten Erzähler, erhält aber Einblicke in die Köpfe beider Hauptfiguren, was in diesem Fall den Reiz zwischen ihnen völlig ausbremst. Dass die Wilde Jagd die „Found Family“ von Smilla werden soll, habe ich auch nicht gefühlt. An die, die es schon gelesen haben – ich bin voll und ganz Team Leif.
Insgesamt kommt mir alles einfach etwas zu wenig durchdacht vor. Das geht bei kleinen Details los, bis hin zu den großen Themen. Zum Beispiel, warum sich Smilla als Hexe überhaupt verstecken muss, wenn alle Welt offenbar den Hexenschlächter jagt und niemand etwas gegen Hexen hat?
Glücklicherweise kam dann der Twist, der sich angedeutet hat und kommen musste, und den finde ich gewagt und genial. Ich war im ersten Moment richtig aus dem Häuschen, dass die Autorin sich wirklich so entschieden hat. Doch das, was sie aus dem Twist gemacht hat, war dann leider wieder nicht mein Fall.
Schade, dass Autoren oder vermutlich eher den Verlagen oft der Mut fehlt, mal andere, neue Wege zu gehen.
Dennoch ist die Ausgangslage für Band 2 total spannend, und ich überlege, ob ich mir den noch anhören soll. Corinna Dorenkamp liest ganz wunderbar vor.
Man könnte etwas richtig Geiles daraus machen, aber so, wie die Autorin Band 1 enden ließ, bezweifle ich, dass ich bekommen werde, was ich suche...

Bewertung vom 08.10.2024
Was die Toten bewegt (Eine packende und atmosphärische Nacherzählung von Edgar Allan Poes Klassiker
Kingfisher, T.

Was die Toten bewegt (Eine packende und atmosphärische Nacherzählung von Edgar Allan Poes Klassiker "Der Untergang des Hauses Usher")


gut

In dieser atmosphärischen Neuerzählung von Edgar Allan Poes "Der Untergang des Hauses Usher" erhält der Soldat Alex Easton die Nachricht, dass seine alte Jugendfreundin Madeline Usher im Sterben liegt. Sofort reist er zum düsteren Anwesen der Ushers und stößt dort auf unheimliche Phänomene: Die Flora und Fauna verhält sich seltsam, Madeline ist nur Haut und Knochen, schlafwandelt und spricht mit fremder Stimme, während ihr Bruder Roderick von einer rätselhaften Nervenkrankheit gequält wird. Gemeinsam mit einer britischen Mykologin und einem ratlosen Arzt versucht Alex, das Geheimnis des Hauses Usher zu entschlüsseln, bevor es sie alle verschlingt.
Obwohl der spitzenmäßige Schreibstil von T. Kingfisher an vielen Stellen zu fesseln weiß und sogar humorvolle Akzente setzt, hat mich die Geschichte insgesamt nicht so richtig umhauen können. Die Handlung verläuft recht vorhersehbar. Von Anfang an hat man eine Ahnung, wohin sich die Dinge entwickeln, selbst wenn man das Original von Poe nicht kennt.
Ein weiteres Manko ist die Figurenzeichnung, ich bekam keinen Draht zu ihnen.
Vielleicht, weil es sich wie ein von Easton geschriebener Erlebnisbericht liest und sich dadurch sehr auf diesen einen Charakter konzentriert, vielleicht hätte das Buch aber auch einfach ein paar Seiten mehr vertragen.
Mir ist natürlich klar, dass sich Novellen auf wenige Figuren fokussieren aber dennoch. Die Autorin sagt über das Original, dass ihr aufgrund der Kürze Erklärungen gefehlt haben, die sie liefern wollte, allerdings fehlen mir die in ihrer längeren Variante (192 Seiten) nach wie vor.
Ich erfuhr fast nichts von Maddy und Roderick und konnte deren Beziehung zu Easton nicht nachempfinden. Und auch er selbst blieb mir irgendwie fremd.
Ich weiß, es ist ein heikles Thema, aber ich muss ehrlich sagen, dass mich die Handhabung der Pronomen, die mit Eastons Herkunft und Beruf als Eidsoldaten in Verbindung stehen, verwirrt hat. Mir wurde nicht ganz klar, wie Easton zu verorten ist und konnte keine klare Vorstellung von seiner (?) Optik entwickeln.
Die Horrorszenen sind allerdings absolut großartig geschrieben und jagten mir einen Schauer über den Rücken. Für die Beschreibung der Umgebung findet sie geniale, äußerst treffende Vergleiche.
Diese herausragende, bildhafte Schreibweise hat mich neugierig auf weitere Werke von T. Kingfisher gemacht, doch "Was die Toten bewegt" bleibt für mich eine mittelmäßige Erfahrung. Auf die Fortsetzung verzichte ich. Wahrscheinlich werde ich mit den seitenstärkeren Romanen von ihr eher glücklich.

Bewertung vom 04.10.2024
Die flüsternde Muse
Purcell, Laura

Die flüsternde Muse


ausgezeichnet

In "Die flüsternde Muse" wird man von Laura Purcell in eine düstere, faszinierende Version der historischen Theaterwelt entführt.
Im viktorianischen London beginnt die junge Jenny eine neue Arbeit im Mercury Theater als persönliche Assistentin der aufstrebenden Schauspielerin Lilith Erikson. Jennys Aufgabe ist es, sie anzukleiden und für die Bühne vorzubereiten. Gerüchte besagen, Lilith habe ihren Erfolg einem düsteren Pakt mit der Muse Melpomene zu verdanken, doch Jenny zweifelt daran und sieht in ihr eher eine Frau mit einer gestörten Persönlichkeit. Als jedoch immer mehr Unheimliches geschieht, stellt sich die Frage: Könnten wirklich dunkle Mächte im Spiel sein, und welcher Preis muss dafür bezahlt werden?
Jenny ist eine Protagonistin, die mir im ersten Moment fast ein wenig sauer aufgestoßen ist, aber ihre direkte Art ist genau der Grund, weshalb ich sie am Ende doch sehr mag. Sie trägt unverschuldet die alleinige Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister und ist auf ihre neue Stelle dringend angewiesen. Daher nimmt sie kein Blatt vor den Mund, um zu erreichen, was sie will und was sie voranbringt. Ordentlich Gegenwind erhält sie allerdings von Lilith, die ebenfalls nicht auf den Mund gefallen ist. Durch die Kämpfe zwischen den beiden Frauen und gegen sich selbst lässt Laura Purcell einen die innere Zerrissenheit der Hauptfiguren miterleben.
Die Autorin versteht es meisterhaft, historische Elemente mit einer Prise übernatürlichen Schauderns zu verweben und dabei eine Spannung zu erzeugen, die einen bis zur letzten Seite gefangen hält. Ihre lebendigen, einzigartigen Beschreibungen lassen die viktorianischen Szenen geradezu vor den Augen entstehen.
"Die flüsternde Muse" ist mein fünftes Buch von Laura Purcell. Sie schafft es immer wieder, in die 400–500 Seiten, die ihre Romane im Schnitt haben, so viel Handlung, Spannung, Atmosphäre und faszinierende Figuren zu packen, dass ich jedes Mal aufs Neue darüber staune. Die flüsternde Muse ist ihr bisher blutigstes Werk. Da gibt es so einige Schockmomente, die drastisch aber nicht billig daher kommen.
Kenner der im Buch erwähnten Theaterstücke werden einige Anspielungen entdecken, man kann dem Geschehen aber auch wunderbar folgen, wenn man davon keine Ahnung hat (so wie ich).
Es ist eine Geschichte über Obsession und die dunklen Seiten der menschlichen Seele – und es ist definitiv eines dieser Bücher, die man nicht so leicht aus der Hand legen kann.
Nicht mein liebstes Buch von Laura Purcell aber, wie alle anderen Werke von ihr, absolut 5⭐️ wert!

Bewertung vom 30.09.2024
Der schlafende Prinz / Ever & After Bd.1
Tack, Stella

Der schlafende Prinz / Ever & After Bd.1


ausgezeichnet

Rain White hat es schon schwer genug mit ihrer Abstammung von Schneewittchen. Jetzt soll sie auch noch einen schlafenden Prinzen küssen! Doch als sie an ihrem 18. Geburtstag in die Gruft unter dem Tower of London hinabsteigt, entfesselt ihr Kuss eine Katastrophe: Sieben Prüfungen muss sie bestehen, um den entfesselten Fluch zu brechen...
Bald wird der zweite Band von "Ever & After" veröffentlicht (Nov '24), deshalb habe ich den ersten Band mithilfe des Hörbuchs endlich von meinem SUB befreit. Schon nach ein paar Minuten dachte ich, ich hätte einen Fehlgriff gemacht und das Buch würde schnell wieder aus meinem Regal fliegen. Ich erwartete typische, mittelmäßige YA-Fantasy von vor 15 Jahren – mit einer übertrieben "rebellischen" Protagonistin, die zwischen zwei Männern hin- und hergerissen ist und nebenbei die Welt rettet, obwohl sie die dafür notwendigen Fähigkeiten aus dem Nichts zu haben scheint.
Zum Glück habe ich weitergelesen, denn ich lag völlig falsch!
Ja, es gibt zwei Love Interests, was normalerweise nicht mein Fall ist, aber die beiden jungen Männer, die Rain, der Protagonistin, den Kopf verdrehen, haben beide eine Vergangenheit mit ihr. Das macht das Gefühlschaos nachvollziehbarer und die Romance-Szenen sind alle sehr angenehm geschrieben, ohne expliziten Spice.
Rain selbst wirkt wie eine reale Person mit Stärken und Schwächen, die ungewollt in die Apokalypse stolpert und sehen muss, wie sie irgendwie mit der überwältigenden Situation klar kommt.
Die Truppe, die sie um sich schart, sind keine billigen Statisten. Sie alle haben vielschichtige Persönlichkeiten, eigene Ziele und Fähigkeiten. Egal ob Rain, ihr Cousin Avery oder die hotten Jungs Cole und Edward, ich mochte jeden!
Und apokalyptisch ist das, was Rain unfreiwillig aufweckt, allemal. Wow, ich bin echt begeistert davon, wie unheimlich finster und blutig diese Story ist, das habe ich wirklich nicht kommen sehen!
Was Stella Tack aus altbekannten Märchenfiguren macht ist der Wahnsinn.
Sie schickt einen mit ihrem einnehmenden, bildhaften Schreibstil in einen märchenhaften Albtraum hinein, lockert die Atmosphäre aber immer wieder durch passend dosierten Humor auf. Dieses Schreibtalent und der grandiose Ideenreichtum haben mir große Lust auf "Black Bird Academy" gemacht und auch die "Ever & after" - Reihe werde ich mit Freuden weiterverfolgen!
Eine riesige Empfehlung wenn du düstere Fantasy und schaurigen Märchen-Horror magst!

Bewertung vom 19.09.2024
Love Letters to a Serial Killer
Coryell, Tasha

Love Letters to a Serial Killer


sehr gut

Hannah ist frustriert, weil ihre beste Freundin heiratet und ihr eigenes Leben anders läuft als erhofft. In einem True-Crime-Forum sucht sie Ablenkung. Die Mitglieder versuchen, Morde an vier Frauen aufzuklären, die allesamt in derselben Schlucht in Atlanta gefunden wurden. Als ein gutaussehender Anwalt verhaftet wird und immer mehr Beweise gegen ihn sprechen, beginnt Hannah ihm wütende Briefe ins Gefängnis zu schreiben... und erhält Antwort...
Letzten Monat (Aug'24) war das Thema in den sozialen Medien allgegenwärtig, das Tasha Coryell in ihrem Debüt aufgreift. Unzählige Menschen schwärmten unverhohlen und öffentlich über den inzwischen verurteilten, mehrfachen Frauenmörder Wade Wilson. Man könnte meinen, es handle sich um Einzelfälle, doch der Prozess und der aktuelle Hype um Dark Romance vermitteln den Eindruck, dass das sexuelle Interesse an Schwerverbrechern, die sogenannte Hybristophilie, zunehmend salonfähig wird.
"Love Letters to a Serial Killer" gewährt uns Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt einer "dieser Frauen".
Tasha Coryell schreibt in einem leicht verständlichen und flüssigen Stil kurze Kapitel, durch die man nur so durchfliegt. Der Prolog wirkt durch seinen beinahe humorvollen Ton etwas befremdlich und provokativ, doch nach und nach wird uns die Protagonistin Hannah nähergebracht, und man kann sich in ihre Ansichten aus ihrer Perspektive durchaus hineinversetzen – mal mehr, mal weniger. In der ein oder anderen Alltagssituation erkennen sich bestimmt viele von uns mit einem Schmunzeln oder einem Stirnrunzeln wieder. Das macht die Entwicklung des Charakters um so faszinierender. Durch die Ich-Perspektive spürt man förmlich, wie der Frust über die Mittelmäßigkeit ihres Lebens eine Tür aufstößt und Hannah allmählich die vermeintliche Kontrolle verliert, wodurch sie ihre besondere Vorliebe in sich entdeckt.
Andere Sichtweisen gibt es nicht, nur in dem Briefverkehr bekommt man auch ein paar Einblicke in das Innere unseres begehrten Mörders William.
Hannah ist ein Charakter, für den ich Mitgefühl empfinden konnte, ich fand sie aber auch häufig zum Fremdschämen. Abgesehen von ihrer offensichtlichen Paraphilie, die Dreh- und Angelpunkt des Werkes ist, haben mir einige ihrer anderen Eigenheiten ein gewisses Unwohlsein verursacht. Ihre ständige, extreme Selbstkritik und Unsicherheit, vor allem, aber nicht nur in Bezug auf ihr Äußeres, waren auf Dauer etwas anstrengend. Doch mit seinen 352 Seiten hat das Buch eine ideale Länge, um die Leselust aufrecht zu erhalten.
Hannahs zum Teil nachvollziehbare, zum Teil bizarre Gedankengänge machen den Reiz des Romans aus. Es ist eher Neugier als Spannung, die einen anzieht. Für Thriller-Leser kommt der Twist gegen Ende nicht überraschend aber trotzdem muss ich sagen, etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gelesen und ich wurde richtig gut unterhalten.
Wie die Geschichte für Hannah endet, entspricht zwar nicht meinem Geschmack, aber abgesehen davon ist "Love Letters to a Serial Killer" ein empfehlenswerter Roman für True Crime Fans und alle anderen, die das Thema interessiert.

Bewertung vom 16.09.2024
Der Gesang des Wassers / Fable Bd.1
Young, Adrienne

Der Gesang des Wassers / Fable Bd.1


sehr gut

Nachdem ich vor einigen Jahren schon Eelyn in "Das Herz der Kämpferin" gerne begleitet habe, war ich begeistert, mich nun mit Adrienne Young und ihrer Protagonistin Fable auf hohe See zu begeben.
Seit ihr Vater sie als Kind auf einer Insel zurückließ, kämpft Fable ums Überleben. Mit dem Tauchen nach wertvollen Steinen, dem "Schürfen", hält sie sich über Wasser. Sie heuert schließlich auf einem Handelsschiff an, um ihren Vater zu finden, doch das Meer birgt Gefahren und der Kapitän West verbirgt seine wahren Absichten. Fable muss alles aufs Spiel setzen, für ihr Erbe und ihre Zukunft...
Sie erzählt ihre bewegende Geschichte aus der Ich-Perspektive. Ihre Vergangenheit und die starke Persönlichkeit, zu der sie wurde, gefallen mir sehr. Alle Nebenfiguren haben ihre eigenen Beweggründe, aber über sie hätte ich gerne noch mehr erfahren, um den schon ganz gut umgesetzten Found-Family-Trope innerhalb der Schiffsbesatzung noch stärker zu fühlen.
Die Handlung bietet nichts bahnbrechend Neues, ist aber dennoch so fesselnd, dass ich das Hörbuch gar nicht unterbrechen wollte. Adrienne Young kann ECHTE Slow-Burn-Romances schreiben. Man erfährt nicht schon in den ersten fünf Seiten, wen sie heiß findet... Stattdessen bleibt die Romanze angenehm dezent und überlässt der eigentlichen Geschichte den Vorrang – zumindest in diesem ersten Teil der Dilogie.
Ich bezweifle, dass die Autorin viel zum Thema Tauchen recherchiert hat, denn die angegebenen Tauchtiefen wirken alles andere als realistisch und wurden leider auch nicht magisch erklärt. Es gibt zwar kleine magische Aspekte in der Geschichte, aber die betreffen eine andere Thematik.
Eine wichtige Aktion gegen Ende wurde für meinen Geschmack viel zu knapp beschrieben, obwohl die Erzählgeschwindigkeit im Allgemeinen eher gemächlich ist. Doch gerade dadurch entsteht eine bezaubernde, maritime Atmosphäre.
Der Spannungsbogen hätte einfach etwas straffer gespannt sein dürfen.
Insgesamt ein gelungenes Hörbuch, angenehm vorgetragen von der Sprecherin Sarah Dorsel, die mit ihrer Stimme perfekt zu Fable passt.
"Fable - Der Gesang des Wassers" bleibt mit den minimalen Schwächen sympathisch und hat mir große Lust auf den 2. Band gemacht!

Bewertung vom 11.09.2024
Der Krieg der Zwerge / Die Zwerge Bd.2
Heitz, Markus

Der Krieg der Zwerge / Die Zwerge Bd.2


sehr gut

"Die Zwerge" ist ein wahres Highlight für mich und nachdem ich diesen ersten Band schon zum zweiten Mal als Hörbuch gehört hatte, musste ich endlich erfahren, wie es mit dem Geborgenen Land weitergeht.
Markus Heitz startet mit einer atemberaubenden Anfangsszene, die mich sofort wieder in die Welt der Zwerge hineinzog. Johannes Steck, der die Hörbucher wunderbar vertont, lässt die Spannung förmlich spürbar werden. Ein besonderes Lob gebührt dem Autor dafür, dass er uns gekonnt auf den vorherigen Band zurückführt, ohne zu viel zu wiederholen. Perfekt für alle, die eine Auffrischung brauchen.
Die erste Hälfte des Buches konnte meinen hohen Erwartungen allerdings nicht zu 100% gerecht werden.
Mir hat das Beziehungsdrama nicht besonders gefallen und mir fehlte es etwas an Klarheit, wohin der Weg eigentlich gehen soll. Ich hätte mir eine kürzere erste Hälfte und eine längere zweite gewünscht.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Markus Heitz packt ein paar unvorhersehbare Wendungen aus und schreckt nicht davor zurück, seine Charaktere in dramatische Situationen zu stürzen – manchmal mit schmerzhaften Ergebnissen, die einen schockieren, manchmal mit coolen Entwicklungen, die einen begeistern.
Eine Sache werde ich ihm nie verzeihen 😭 aber ich bin trotzdem schon sehr gespannt, wie es in Band 3 weitergeht.
Trotz kleinerer Schwächen hat mich "Der Krieg der Zwerge" insgesamt wieder gefesselt. Markus Heitz gilt zurecht als ein Meister des Fantasy-Genres 🥰
4⭐️

Bewertung vom 03.09.2024
Five Broken Blades
Corland, Mai

Five Broken Blades


gut

Unter dem tyrannischen Gottkönig Joon werden die Armen ärmer und die Reichen reicher. Statt der erwarteten fünf Protagonisten machen sich in "Five broken blades" sechs Attentäter auf, um ihn zu töten und müssen lernen, sich gegenseitig zu vertrauen.
Man begleitet sie allesamt aus der Ich-Perspektive im Präsens, was dem Ganzen eine nahbare, saloppe Erzählweise verleiht. Die Anpassung der Sprache an die jeweilige Figur, unterstützt durch den Einsatz von gleich drei Übersetzern, finde ich gelungen.
Grundsätzlich haben mir die Figuren, ihre Hintergründe und die Dynamiken zwischeneinander gut gefallen aber all das bleibt oberflächlich. Die Sechs reisen anfangs in drei Paaren durch Yusan und es enspinnen sich greifbare Romanzen, die leider etwas von Klischees getrübt werden. Nachdem alle ab ca. 200 Seiten aufeinander treffen, konnte ich die "found family", die freundschaftlichen Bande, nicht wirklich fühlen.
Regelrecht enttäuscht hat mich die Ausarbeitung der beiden weiblichen Hauptfiguren. Aeri hat in den anfänglichen Szenen einen wunderbaren ersten Eindruck auf mich gemacht aber das änderte sich recht bald, denn ihre Motivation bleibt bis zum Ende schwer nachvollziehbar und ihre unpassenden sexuellen Anspielungen ließen mich die Stirn runzeln. Sora wiederum verfolgt einen Plan, der so offensichtlich keinen Sinn ergibt, dass ihre ganze Glaubwürdigkeit wankt.
Über die finale Bewertung musste ich mir eine Weile Gedanken machen. Einerseits hat es mich stellenweise gut unterhalten und es lässt sich leicht lesen, andererseits hatte ich das Gefühl, ich lese schon ewig daran und werde nicht fertig. Das Buch wird ja als erster Teil einer "epischen High-Fantasy-Trilogie" beworben und enttäuscht leider komplett, wenn man es in diesem Genre verorten möchte.
Für ein episches Fantasy-Buch ist die Handlung zu zäh, die Sprache zu plump und der Fokus liegt zu wenig auf dem Worldbuilding und zu sehr auf den drei (!) Romanzen. Bis auf wenige Begrifflichkeiten habe ich den koreanischen Flair vergeblich gesucht.
Kurzfristig veröffentlichte der Verlag ein Schaubild der Tropes, bei dem "Five broken blades" auf einmal als "Spicy Romance" betitelt wird.
Leute, die erotische Romantasy erwarten, werden aber genauso enttäuscht, denn die spicy Szenen werden nur angedeutet und nie explizit ausgeschrieben. Dass es gleich drei Pärchen sein mussten, geht auf Kosten des Tiefgangs.
Schlussendlich bin ich der Ansicht, dass die Ideen, die Mai Corland einfließen lässt, großes Potenzial haben aber für das, was es letztlich ist – mittelmäßige, klischierte Romantasy ohne expliziten Spice mit einem für das Genre leider typischen, oberflächlich gehaltenen Worldbuilding – vergebe ich 3⭐️
Mein Leseerlebnis war ganz gut, nachdem ich meine Erwartungshaltung angepasst hatte aber den Rest der Reihe werde ich nicht weiter verfolgen.
Ich würde mir wünschen, dass Verlage künftig eine klarere Linie in der Vermarktung finden, damit Fantasy-Leser genau das erhalten, was sie suchen und die Bücher passende Leser bekommen, die sie zu schätzen wissen...