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Julia Goldfeuer

Bewertungen

Insgesamt 57 Bewertungen
Bewertung vom 12.07.2024
Die Hazienda
Cañas, Isabel

Die Hazienda


sehr gut

Während des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges wurde Beatriz' Vater hingerichtet und ihr Elternhaus niedergebrannt. Rettung soll die Heirat mit Don Rodolfo Solórzano bringen. Doch als Rodolfo sie auf seinem Anwesen San Isidro allein lässt, bekommt Beatriz den Eindruck, dass es in der Hazienda spukt . Ihre Schwägerin Juana nimmt sie nicht ernst, doch sie und die Haushälterin scheinen mehr zu wissen, als sie zugeben. Auf der Suche nach Hilfe wendet Beatriz sich an den jungen Padre Andrés aus dem Ort.
Isabel Cañas liefert mit "Die Hazienda" eine klassische Spukhausgeschichte vor einer ungewöhnlichen, neuen Kulisse, mit interessanten Figuren, die sich den gesellschaftlichen Problemen zwischen spanischstämmigen Mexikanern und Ureinwohnern stellen müssen. Wer keine Vorkenntnisse über Mexiko und seine Geschichte hat, sollte bereit sein, selbst nachzuforschen. Die Autorin thematisiert häufig historische Gegebenheiten, ohne diese näher zu erklären. Trotz dieser Lücken bleibt die grobe Handlung nachvollziehbar, doch für ein besseres Verständnis der Situation und Figuren lohnt es sich, eine Suchmaschine zurate zu ziehen. Mir persönlich hat diese Eigenrecherche riesigen Spaß gemacht und ich konnte viel Neues lernen.
Wegen meiner mangelnden Kenntnisse und ein paar holpriger Formulierungen hatte ich ein wenig Startschwierigkeiten, doch als ich einmal in der Geschichte angekommen war, las sich das Buch wie von selbst.
Beatriz und Padre Andrés sind sympathische und vielschichtige Protagonisten, deren Wohl mir sehr am Herzen lag.
Der Horror ist hervorragend beschrieben, man bekommt oft eher ein Gefühl als ein konkretes Bild vermittelt. Beim Lesen kommt echter Grusel auf und die ein oder andere Szene gestaltet sich auch sehr explizit. Isabel Cañas beschreibt vor allem das Haus auf einzigartige Art und Weise. Das bleibt einem noch lange im Gedächtnis hängen.
Leider verläuft die Handlung relativ geradlinig und große, schockierende Wendungen bleiben aus. Der Klappentext verrät bereits viel, daher empfehle ich, ihn lieber nicht zu lesen.
Das Ende empfinde ich als besonders, irgendwie anders als bei den meisten gängigen Horrorgeschichten.
Ich empfehle das Buch wegen seiner düsteren und gelungenen Atmosphäre allen Freunden von Spukhausgeschichten.

Bewertung vom 23.06.2024
Schlafenszeit - Albträume erwachen, wenn diese Tür sich schließt
Rekulak, Jason

Schlafenszeit - Albträume erwachen, wenn diese Tür sich schließt


sehr gut

Sie hat es endlich geschafft: Mallory ist seit längerer Zeit clean und tritt ihren ersten richtigen Job seit dem Entzug an. Diese neue Aufgabe bringt sie als Babysitterin zu Teddy, einem fünfjährigen Jungen, der leidenschaftlich gerne malt. Das fröhliche Kind beginnt, immer häufiger beunruhigende und gewaltvolle Szenen zu zeichnen. Während Teddys Eltern diese Phase als normal abtun, ist Mallory tief
beunruhigt. Sie möchte dem Ganzen auf den Grund gehen und hat keine Ahnung, was sie dadurch heraufbeschwört...
Mallory ist eine sympathische Protagonistin, die ich gerne durch die Geschehnisse verfolgt habe. Ihre Beziehung zu Teddy ist liebevoll und authentisch dargestellt. Durch detailreiche Beschreibungen lernt man Mallorys Inneres gut kennen und fühlt intensiv mit ihr mit. Ihre Vergangenheit als Suchtkranke spielt immer eine Rolle, denn ihr wurde eine verantwortungsvolle Tätigkeit übertragen und es stellt sich immer wieder die Frage, ob sie dem gewachsen ist. Dieser tiefe Einblick sorgt dafür, dass einem ihr Schicksal wirklich nahe geht.
Auch die anderen Figuren sind vielschichtig und interessant gestaltet. Teddys privilegierte Eltern, die exzentrische Nachbarin und der hübsche, nette Gärtner – auf den ersten Blick Klischees, aber mit unerwarteter Tiefe.
Jede Figur wird sorgfältig beschrieben, was dem Leser hilft, eine klare Vorstellung von ihrer Welt zu bekommen und sich in sie hineinzuversetzen.
Der Schreibstil von Jason Rekulak ist angenehm zu lesen und äußerst einnehmend. Die Geschichte entfaltet sich langsam, wobei viel Wert auf Mallorys Alltag gelegt wird. Trotz dieses gemächlichen Tempos bleibt die Spannung stets erhalten, da man ständig mehr erfahren möchte. Der Autor nimmt sich Zeit für liebevolle Details, wodurch man sich vollständig in der netten Vorstadt "Spring Brook" einfindet und eine lebendige Vorstellung von allen Schauplätzen und Charakteren bekommt. Das Ganze wird super durch die eingefügten schwarz-weiß-Zeichnungen ergänzt, die mir sehr gut gefallen und zur schaurigen Stimmung des Buches beitragen.
Für mich persönlich war die Lektüre aber nicht so unheimlich wie erhofft. Ich hatte mir einen größeren Gruselfaktor gewünscht.
Der große Twist gegen Ende konnte mich nicht überraschen, denn ich habe aus ein paar Bemerkungen ziemlich weit vorne im Buch bereits herausgelesen, wie der Hase läuft.
Nichtsdestotrotz wurde ich extrem gut unterhalten und das Buch zog mich regelrecht an. Es hat sogar etwas Herzerwärmendes – nicht die typische Beschreibung für einen Thriller oder Horror-Roman, aber genau das macht den Reiz dieses Buches aus. Ich habe es nur ungern aus der Hand gelegt. Insgesamt ist es ein eher sanfter Vertreter seines Genres, der jedoch durch starke Charaktere und eine fesselnde Erzählweise besticht. Das Gesamtpaket konnte mich voll und ganz überzeugen, und ich kann dieses Buch definitiv weiterempfehlen.
Schnappt es euch aber Vorsicht, ihr müsst am Ende vielleicht das ein oder andere Tränchen verdrücken.
Sehr wohlwollend gemeinte 4 Sterne von mir!

Bewertung vom 12.06.2024
Der Orden des geheimen Baumes - Die Magierin / Königin von Inys Bd.1
Shannon, Samantha

Der Orden des geheimen Baumes - Die Magierin / Königin von Inys Bd.1


ausgezeichnet

Wenn Königin Sabran von Inys ohne Nachkommen stirbt, kehren die Lindwürmer zurück und überziehen das Land mit Feuer. Es heißt, allein ihre Blutlinie könne die Bestien abhalten. Ead, eine Magierin des Ordens des geheimen Baumes, lebt verdeckt als Sabrans Kammerfrau im Palast und tut ihr Möglichstes, um sie zu schützen.
Während der Westen Drachen fürchtet, werden sie im Osten als Götter verehrt. Die junge Drachenreiterin Tané trifft in der letzten Nacht vor Antritt ihrer Ausbildung eine folgenschwere Entscheidung...

Das hier gehört verfilmt!
Die Handlung und das Worldbuilding von Samantha Shannons "Der Orden des geheimen Baumes" gehen angenehm Hand in Hand, was dem Leser ermöglicht, sich nach und nach in die komplexe Welt hineinzufinden.
Was die Autorin großartig gemacht hat, ist, die Welt grob in zwei Lager zu teilen, ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Sie gibt uns neutrale Einblicke in alle Sicht- und Lebensweisen der verschiedenen Länder und Charaktere und man urteilt selbst.
Ead ist meine Lieblingsfigur, denn sie ist eine ruhige, kompetente Person, mit dem Herz auf der Zunge. Das hilft ihr schließlich auch dabei, an die Seite der Königin zu gelangen.
Diese kämpft trotz der matriachalen Machtstruktur mit den altbekannten Problemen wohlgestellter Frauen, politisch vorteilhafte Ehen schließen und Erben gebären zu müssen.
Für Spannung sorgt Loth, der aus politischen Gründen zu ehemaligen Verbündeten des Königinnenreiches gesandt wird, um seinen verschollenen Vorgänger zu finden.
Niclays Roos, ein aus dem Westen verbannter Alchemist, der im Osten im Exil lebt, ist eine interessante Persönlichkeit, der seine Rolle in den Geschehnissen spielt, doch Tané, die Drachenreiterin, hätte mehr Raum in der Geschichte verdient, um ihre Ausbildung und ihren Alltag besser zu beleuchten.
Besonders gefallen hat mir, dass die Drachen optisch an chinesische Drachen erinnern, wie man auf dem Cover erkennen kann. Die Autorin hat zudem viele kreative Fantasy-Wesen entworfen, von denen manche Variationen bekannter Kreaturen sind, während andere mir völlig neu waren.
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die abenteuerlichen Szenen meist etwas zu kurz geraten sind.
Die Autorin wollte wohl mehr Gewichtung auf die sozialen Aspekte legen, denn sie geht queere und feministische Themen an. Das Buch hätte einfach ein paar Seiten mehr vertragen.
Trotzdem 5 Sterne von mir!

Bewertung vom 10.06.2024
Der Angstsammler
DeWitt, Jasper

Der Angstsammler


sehr gut

Seit seinem sechsten Lebensjahr ist der 30-jährige „Joe“ in einer düsteren Nervenheilanstalt in Neuengland untergebracht und gilt als nicht therapierbar. Er hat bereits mehrere Mitpatienten und Therapeuten buchstäblich in den Wahnsinn getrieben. Trotz aller Warnungen nimmt der neue Arzt Parker seinen Fall an, ohne zu ahnen, welcher Schrecken ihn erwartet...
Ich bin unsicher, ob die irreführende Optik ein Fluch oder ein Segen für das Buch ist. Man erwartet einen klassischen Psycho-Thriller, der sich um eine Arzt-Patienten-Beziehung dreht und natürlich bekommt man das in gewisser Weise auch. Für mich gehört das Buch jedoch eindeutig ins Horror-Genre, was für mich von außen nicht ersichtlich ist. Je nach Lesertyp kann dies entweder Enttäuschung oder Begeisterung hervorrufen. Ich persönlich war hocherfreut, als ich merkte, dass ich
Horror-Stoff in den Händen hielt.
Joe ist ein faszinierender, intellienter Charakter, der sowohl mich als auch Parker an der Nase herumführen konnte. Es hat Spaß gemacht, sein Schicksal aufzudecken, während es gleichzeitig erschütternd war, zu erfahren, was ihm zugestoßen ist.
Parker, der Protagonist von "Der Angstsammler", weist eine gute Mischung aus Naivität und Mut auf, die den Plot unterstützt, ohne nervig zu wirken. Die Geschichte wird aus seiner Ich-Perspektive erzählt, als ob er seine Erfahrungen im Nachhinein in einem Blog oder Online-Forum festgehalten hätte. Diese Erzählweise finde ich erfrischend und originell, auch wenn der Schreibstil teilweise zu klassisch für diese Form wirkt. Jasper DeWitt nutzt manchmal eine Ausdrucksweise, die ein junger Mann online wohl nicht verwenden würde. Spannung erzeugen kann der Autor jedoch hervorragend. Von Anfang an hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen und die Wendungen, die der Plot nimmt, konnten mich begeistern. Immer wenn man denkt, jetzt versteht man es, hat man es doch noch nicht durchschaut. Es gibt Momente, bei denen ich mich tatsächlich richtig gegruselt habe, obwohl ich beim Lesen nicht so leicht emotional werde.
Für mein Empfinden sind ein paar Szenen zu knapp gehalten, während andere sich etwas in die Länge ziehen. Insgesamt hätte das Buch, das mit seinen nur 256 Seiten recht kurz ist, von einigen zusätzlichen Seiten profitiert. Besonders das bewusst uneindeutige Ende, das mir gut gefällt, wird leider etwas zu hastig abgehandelt. Ein paar raffinierte Formulierungen mehr hätten den letzten Schockeffekt noch intensiver machen können. Alles in allem ist „Der Angstsammler“ jedoch ein gelungenes Debüt. Ich empfehle das Buch allen Horrorfans.

Bewertung vom 04.06.2024
Das Geflüster
Audrain, Ashley

Das Geflüster


ausgezeichnet

Da "Der Verdacht" von Ashley Audrain zu meinen Lieblingsbüchern gehört, war "Das Geflüster" eine Pflichtleküre für mich. Das Cover, in zarten Farbtönen gehalten, unterstreicht die scheinbare Harmonie der Nachbarschaft, um die sich die Geschichte dreht.
Alles beginnt mit einem idyllischen Gartenfest in der Harlow Street, das jäh unterbrochen wird, als Gastgeberin Whitney wegen ihres ungehorsamen neunjährigen Sohnes Xavier die Fassung verliert. Wenige Monate später stürzt Xavier aus dem Fenster und fällt ins Koma. Dieser Vorfall bringt Dinge ins Rollen, die die Fassade der perfekten Nachbarschaft bröckeln lässt.
"Das Geflüster" erzählt von vier Frauen, deren Leben durch unerwartete Ereignisse und schwerwiegende Entscheidungen aus den Fugen geraten, während Xavier um sein Leben kämpft.
Es geht um Whitney, die Mutter von Xavier und zwei kleineren Kindern, der ihre Karriere sehr wichtig ist und die daher mit ihrer Mutterrolle zu kämpfen hat.
Ihre beste Freundin Blair von gegenüber ist das genaue Gegenteil: die klassische Hausfrau mit schier endloser Geduld für ihre Tochter. Doch auch sie hadert mit ihrer Rolle.
Rebecca, eine Nachbarin und Ärztin in dem Krankenhaus, in das Xavier nach seinem Sturz eingeliefert wird, wünscht sich sehnlichst ein Kind mit ihrem Ehemann, konnte aber bisher keines bekommen.
Die vierte im Bunde ist Mara, eine ältere Dame, die die Geschehnisse in ihrer Straße lieber aus sicherer Entfernung beobachtet und ihren kranken Mann pflegt. Ihre Perspektive bleibt im Vergleich zu den anderen kürzer, aber nicht weniger bedeutsam.
"Mutterschaft" in all ihren Facetten ist ein zentrales Thema in Ashley Audrains Werken und da ich selbst Mutter bin, kann ich mich problemlos in die Lebenslagen der Figuren einfühlen. Ich habe beim Lesen eine Achterbahn der Gefühle durchgemacht, von Verständnis über Mitleid bis hin zu Wut. Der Autorin gelingt es ganz wunderbar, alle Facetten ihrer Persönlichkeiten offen zu legen, die Frauen sind äußerst greifbar und lebendig dargestellt.
Ein grandioses Buch, dass, obwohl kein Thriller, trotzdem viel Spannung aufbaut und einen hohen Unterhaltungswert besitzt. Es hält den Leser durch geschicktes Streuen von Informationen, Zeitsprünge und Perspektivwechsel in Atem.
Zwar gefällt mir Audrains erster Roman „Der Verdacht“ wegen der stärkeren Thriller-Elemente etwas besser, doch auch „Das Geflüster“ ist ein echtes Highlight. Ich freue mich auf zukünftige Veröffentlichungen der Autorin und werde definitiv alles Weitere von ihr lesen.
Wer gerne weibliche Figuren begleitet und schmutzige Geheimnisse aufdeckt, der ist mit diesem Buch hier richtig.

Bewertung vom 08.05.2024
Der Blutkünstler / Tom-Bachmann-Serie Bd.1
Meyer, Chris

Der Blutkünstler / Tom-Bachmann-Serie Bd.1


ausgezeichnet

In "Der Blutkünstler" trifft Tom Bachmann, ein brillanter Ermittler, der sich darauf spezialisiert hat, die dunklen Abgründe der menschlichen Seele zu durchdringen, auf einen grausamen Mörder, der seine Opfer zu makabren Kunstwerken formt. Er setzt alles daran, den Täter zu stoppen, doch dabei muss er sich auch einer persönlichen Wahrheit stellen.
Tom Bachmann ist auf den ersten Blick der Klischee-Protagonist eines Ermittler-Thrillers, ein herausragender Profiler mit einer komplexen Vergangenheit und sozialen Schwierigkeiten. Und trotzdem empfand ich ihn nach und nach doch als "anders", irgendwie erfrischend. Er ist so
herrlich gleichgültig anderen gegenüber, ich hab's geliebt. Während Tom und seine
Teamkollegin Ira mit ihren persönlichen Dämonen kämpfen, bleibt das restliche Ermittlerteam im Hintergrund. Ich hoffe, dass man von ihnen mehr in den weiteren Bänden erfährt.
Als der führende „Seelenleser“ des BKA setzt Bachmann alles daran, den Blutkünstler zur Strecke zu bringen, doch der macht es ihm nicht leicht. Besonders interessant ist die Entscheidung des Autors, auch die Perspektive des Täters einzubeziehen, ohne dessen Identität preiszugeben. Durch diese Einblicke in die Gedankenwelt des Bösewichts entsteht eine beklemmende Atmosphäre, die den Leser noch tiefer in die Handlung hineinzieht.
Obwohl der Plot nicht die ausgefeiltesten, absolut neuen Wendungen bietet, ist die Art und Weise, wie Chris Meyer Spannung aufbaut und seine Charaktere zum Leben erweckt, beeindruckend. Längen habe ich keine gefunden.
Insgesamt verdient "Der Blutkünstler" eine klare Leseempfehlung für Fans von blutigen Thrillern, die sich auf eine packende, kurzweilige Reise durch menschliche Abgründe einlassen möchten.

Bewertung vom 13.03.2024
Nature Guide Wildpflanzen
Ester, Theresa

Nature Guide Wildpflanzen


sehr gut

Das poppige Cover mit der großen Schrift sorgten dafür, dass mir „Wildpflanzen“ von Theresa Ester-Nacke aus der großen Auswahl von eher biederen, ähnlich aussehenden Naturführern ins Auge sprang. Die Autorin fasst alles Nennenswerte über 89 heimische Wildpflanzen knackig und in einem modernen Gewand zusammen.
Nach einem kurzen „Willkommen“, wo ein paar grundsätzliche Dinge zum Sammeln geklärt werden, geht es ab Seite 15 direkt mit den Pflanzenportraits los. Diese sind ganz einfach gegliedert, damit man beim draußen herumspazieren nicht lange suchen muss. Schritt 1 ist die Blütenfarbe, Schritt 2 die Blattform. Ansprechende Fotos unterstreichen die kompakt formulierten Informationen. Die Portraits erklären einem alles Wichtige und helfen auch dabei, die Pflanzen von ihren giftigen Zwillingen zu unterscheiden. Zwischen denn Portraits sind immer wieder in rot gehaltene Infoseiten eingestreut. Diese bieten zwar weitere spannende Fakten und ein paar Rezepte für eine Salbe, Essig und Sauerhonig, es hätte mir aber besser gefallen, das alles gebündelt am Anfang oder Ende des Buches zu finden. Da man ein Nachschlagewerk in der Regel nicht am Stück durchliest, ist mir Ordnung lieber als Abwechslung. Die Gliederung auf den ersten Seiten lässt einen aber trotzdem alles problemlos finden. Das Buch wird von einem Register abgeschlossen, dass eine Suche nach Namen ermöglicht.
Wer Kochrezepte oder andere Verarbeitungstipps sucht, ist hier übrigens falsch aber das ist auch gut so, denn man soll hier kurz und knapp alles Wissenswerte finden, um direkt beim Sammeln keinen Fehler zu machen. Da will man keinen dicken Klopper mit sich herumtragen. Das kleine, stabile Format und die moderne, erfrischende Gestaltung macht einem Lust, das Büchlein bei jedem Gang nach draußen in die Tasche zu stecken. Wer sich für das Thema interessiert, sollte auch auf dem Instagram-Profil der Autorin, @wildpflanzen , vorbei schauen. Es werden einem die Augen geöffnet für das eigene Lebensumfeld und man bekommt einen neuen, wunderbaren Bezug zu der Natur.

Bewertung vom 10.02.2024
The Fort
Korman, Gordon

The Fort


sehr gut

Das Cover gibt mir Retro-Vibes und auch wenn "The Fort" in der Gegenwart spielt, kriegen alle Nostalgiker etwas 70er und 80er-Popkultur in diesem Buch.
Fünf etwa 13-jährige Jungen finden im Wald einen alten Bunker, ausgestattet mit einem Plattenspieler, einem Röhrenfernseher, VHS-Kassetten und 40 Jahre alten Dosen. Der perfekte Ort zum Abhängen!
Die Geheimhaltung ihres neuen Forts hat von nun an oberste Priorität, doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht...
Evan lebt mit seinem großen Bruder bei seinen Großeltern, weil ihre Eltern sich nicht um sie kümmerten, Ricky ist der „Neue“, der „Schlaue“, der sich erst beweisen muss, Mitchell hat Zwangsstörungen, Jason will seiner Freundin gefallen und C. J. leidet unter den Gewalteskapaden seines Stiefvaters. Fünf unterschiedliche Charaktere mit ihren eigenen Problemen und doch sind sie bedingungslos loyal.
Kapitelweise begleitet man je einen anderen der Jugendlichen in der Ich-Perspektive und lernt so alle gut kennen. Manchmal überschneiden sich einige Szenen kurz und man bekommt zwei Blickwinkel auf dieselbe Sache, wodurch lustige Momente entstehen. Auch die liebevollen Sticheleien zwischen den Jungs entlockten mir beim Lesen das ein oder andere schmunzeln.
Trotz bedrückender Themen versprüht das Buch Freude und Witz. Mir persönlich als erwachsene Leserin fehlte etwas der Tiefgang aber für die Zielgruppe ist das völlig in Ordnung so. Man bekommt eine gefühlvolle, unaufgeregte Geschichte. Die Probleme, die die Jugendlichen zuhause haben, wie Armut, Scheidung, Gewalt etc. werden angemessen behandelt und in einem unvorhersehbaren Finale aufgelöst.
Die Sprache ist relativ einfach gehalten, eindeutig ein Jugendroman aber trotzdem hatte ich meine Freude daran. Ich hab die Jungs schnell in mein Herz geschlossen.
Die vom Sturm zerstörte Kleinstadt hätte ein geniales Setting abgegeben, auf das nach den ersten Seiten leider nicht mehr weiter eingegangen wurde. Auch den nostalgischen Flair des Forts hätte man noch ein wenig besser ausreizen können.
4 Sterne deshalb von mir und eine Empfehlung für Jugendliche und Erwachsene, die Lust haben auf eine süße, schnell zu lesende Coming-of-Age-Geschichte.

Bewertung vom 27.01.2024
Die Hexen von Cleftwater
Meyer, Margaret

Die Hexen von Cleftwater


sehr gut

In Cleftwater, dem malerischen, kleinen Örtchen am Meer, ist nichts mehr wie zuvor, als der Hexenjäger Makepiece (welch passender Name) dort Einzug hält und nach und nach mehrere Frauen verhaften lässt. Die Anklage lautet auf Hexerei. Die stumme Hebamme und Hausdienerin Martha Hallybread wird unversehens in die Hexenprozesse hineingezogen, als erst ihre Kollegin Prissy mitgenommen wird und sie selbst aufgrund ihrer Kenntnisse des weiblichen Körpers dazu bestimmt wird, bei der leiblichen Begutachtung der mutmaßlichen Hexen zu helfen.
Martha ist eine bescheidene, zufriedene Frau von 47 Jahren, die ihren Herren wie einen Sohn liebt und ihrer Arbeit gerne nachgeht. Gleich im ersten Kapitel wird ihr Leben durch die Verhaftung der Küchenhilfe Prissy auf den Kopf gestellt, woraufhin sie ein Wachspüppchen hervorholt, das sie einst von ihrer Mutter geschenkt bekam und magische Eigenschaften besitzen soll. Mit dem „Atzmann“ in der Tasche kehrt sie zunächst einmal zu ihrem Alltagsgeschäft zurück und erlebt erste unschöne Dinge.
Aufgrund des eher nüchtern gehaltenen Schreibstils schleppte ich mich durch die ersten 120 Seiten, die die Lebenssituation der Protagonistin und das Dorf beschreiben, in dem sie lebt. Ich konnte mir Cleftwater und seine Bewohner nur schwer vorstellen und einprägen, was dazu führte, dass ich bei späteren Erwähnungen gewisser Figuren immer wieder einmal zurück blätterte, um zu überprüfen, ob ich gedanklich bei dem oder der Richtigen bin.
Der Rest des Buches wurde in meinen Augen dann aber besser, als es um die eigentlichen Hexenprozesse und Marthas Rolle darin geht. Das letzte Drittel sog ich in einem Rutsch auf.
Im weiteren Verlauf passt der nüchterne Schreibstil, da einem dadurch eine bedrückende, hoffnungslose Stimmung beim Lesen auferlegt wird. Margaret Meyer findet einerseits sehr malerische, stimmungsvolle Beschreibungen für kleine Details, wie das Rauschen des Meeres etc., während sie die eigentlichen Geschehnisse distanziert, aber schonungslos darlegt.
Marthas Unfähigkeit zu sprechen ist meiner Ansicht nach ein faszinierendes Stilelement, um die Schwierigkeit aufzuzeigen, sich als Frau Gehör zu verschaffen. Sie ist hin- und hergerissen zwischen eigenem Überlebensinstinkt und dem Wunsch, das ungerechte Martyrium zu beenden, durch das die Frauen gehen. Das Ziel des Buches, einen drastischen, realistischen, historisch möglichst korrekten Eindruck von den Hexenverfolgungen zu vermitteln, ist auf jeden Fall erfüllt.
Der „Atzmann“, Marthas Hexenpuppe, spielt bis zum Schluss eine große Rolle für die Protagonistin aber ich habe ihre ambivalente Beziehung dazu und die Symbolik nicht immer auf den Handlungsstrang beziehen können.
Kein Problem, ich konnte trotzdem meinen Teil daraus mitnehmen und empfehle das Buch jedem, der kein Problem mit schwerer Kost hat und einen detailliert recherchierten historischen Roman zu schätzen weiß.