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zitronenhund.de

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 09.01.2017
ASH - Rückkehr der Helden
Havas, Harald

ASH - Rückkehr der Helden


sehr gut

Hier kommt Kurt. Ohne Helm und ohne Gurt, dafür jedoch mit der Maske und dem Cape seines Vaters, dem legendären Captain Austria, der während des Kalten Krieges die Wiener Wächter, Österreichs Antwort auf amerikanische Heldentruppen wie die Justice League oder die Avengers, anführte. Die große Zeit der europäischen Helden ist seit dem Ende des Krieges aber längst vorbei, das große Spektakel ist der Normalität gewichen und auch Captain Austria Jr. hat es in seinem Vigilantenalltag nur noch mit verhältnismäßig harmlosen Kleinkriminellen zu tun.

Als jedoch eines Tages ein riesiges Monster in der Stadt auftaucht, das für Angst und Schrecken in der Bevölkerung sorgt, erscheint die titelgebende Rückkehr der Helden alternativlos. Kurt trommelt mit dem Muskelpaket Lady Heumarkt, dem Wasserwesen Donauweibchen und dem seltsamen Bürokraten (der bestimmt einen deutschen Migrationshintergrund hat, haha) die letzten verbliebenen Wiener Superhelden zusammen, um die Stadt fortan mit vereinten Kräften wieder zu einem sichereren Ort zu machen.

Wer jetzt bloß einen billigen US-Helden-Abklatsch befürchtet, kann ruhigen Gewissens weiter lesen. Die Austrian Superheroes, die ursprünglich als Parodie angedacht waren, entwickeln hier recht schnell einen ziemlich eigenständigen Charme und können nicht nur mit schrägem Humor, sondern auch mit einem großen Maß an Detailverliebtheit überzeugen. So gab es den hier thematisierten, zwischenzeitigen Konzertabbruch beim Falco-Auftritt während des Donauinsel-Festivals 1993 tatsächlich. Laut Wikipedia war ein Blitz dafür verantwortlich, im Comic ist es hingegen der Kollateralschaden eines Superheldeneinsatzes.

In Österreich hat man die Story zunächst in Form von vier Heften veröffentlicht, deren Finanzierung durch eine Crowdfunding-Aktion realisiert wurde. Dank Cross Cult gibt es den ganzen Spaß nun aber auch als Softcover-Paperback mit reichlich Bonusmaterial. Eine Fortsetzung ist bereits in Arbeit und ich bin echt gespannt, wie man das ASH-Universum noch weiter ausbauen wird. Das Ganze hat definitiv Potenzial und Superhelden-Fans, die auch gern mal den einen oder anderen Blick über den Tellerrand werfen, können hier wirklich bedenkenlos zugreifen.

Bewertung vom 08.01.2017
Vision - Eine (fast) normale Familie
King, Tom

Vision - Eine (fast) normale Familie


ausgezeichnet

Der Android Vision, der seit dem zweiten Avengers-Film endlich auch einem breiteren Publikum ein Begriff ist, hat nun also auch seine eigene Serie bekommen und diese bringt direkt auch mal einen elendig schweren Rucksack voller Vorschusslorbeeren mit.

Kritiker und ungeduldige US-Leser hatten diese Reihe bereits im Vorfeld der deutschen Veröffentlichung mit Lob überschüttet und das auch wirklich vollkommen zurecht. Ich bin zudem mit einer völlig falschen Erwartungshaltung an diesen Comic heran gegangen, was den "Wow-Effekt" wohl nochmal zusätzlich verstärkt haben dürfte. Das Cover, der Zusatztitel, sowie das Fundament der Geschichte, in der Vision eine synthetische Familie erschafft, um mit dieser ein idyllisches Leben in einer ruhigen Kleinstadt verbringen zu können, hat mich eigentlich eher etwas Witziges vermuten lassen, womit ich dann aber komplett daneben lag.

Viel mehr hat Autor Tom King (Grayson, The Sheriff of Babylon) hier einen düsteren, sowie fesselnden Psychothriller geschrieben, der sich auf eine ebenso groteske wie tragische Art und Weise mit Themen wie Xenophobie, Ausgrenzung und dem Streben nach Glück befasst. Das mag unterm Strich sicher keine leichte Kost sein, ist für mich aber bis jetzt eindeutig der beste Titel des brandneuen Marvel-Universums. Ganz klare Empfehlung!

Bewertung vom 08.01.2017
Rover Red Charlie
Ennis, Garth;DiPascale, Michael

Rover Red Charlie


ausgezeichnet

Wenn man diesen Comic hier nur mal kurz grob und oberflächlich durchblättert, könnte man bei einem nicht unwesentlichen Teil der Panels glatt denken, dass man es hier mit einem netten Tierfantasy-Abenteuer mit süßen, kleinen Hunden zu tun hat, den man ja auch mal problemlos seinen Kindern mitbringen könnte. Dies sollte man jedoch tunlichst vermeiden, sofern man keinen Bock auf traumatisierten Nachwuchs hat. Denn bei einem etwas genaueren Blick wird relativ schnell klar, dass dieser Comic hier wirklich alles andere als kindgerecht ist.

Garth Ennis (da hätte es ja eigentlich schon "klick" machen müssen) stellt uns hier die drei Hunde Rover, Red und Charlie vor, die mit ansehen müssen, wie die Menschen (oder "Fütterer", wie die Tiere sie hier nennen) plötzlich allesamt völlig am Rad drehen und sich gegenseitig bzw. sich selbst auf brutale Art und Weise quälen und umbringen. Die drei tierischen Titelhelden verstehen nicht im Ansatz, was da um sie herum geschieht, machen sich auf die Suche nach einem neuen Sinn in ihrem Leben und treffen auf ihrer Reise durch die Trümmer der menschlichen Zivilisation neben heimtückischen "Faucherinnen" (Katzen) vor allem auch auf diverse Artgenossen, die nicht nur mit der neuen Weltordnung, sondern auch mit schweren persönlichen Schicksalen zu kämpfen haben. Besonders drastisch und schockierend wird hier das Thema Sodomie behandelt, als die drei Freunde auf einen ehemals abgerichteten und sexuell misshandelten Kampfhund treffen, der den Spieß umgedreht hat und nun selbst einen Menschen mit sich herum schleppt, den er dazu nötigt, ihm regelmäßig das... nun ja... Arschloch sauber zu lecken.

Neben dem Ekelfaktor und der Brutalität ist es aber vor allem der kindlichen Naivität, mit der die drei Vierbeiner die Apokalypse erleben, geschuldet, dass es mir persönlich kaum möglich war, jeweils mehr als ein Kapitel am Stück zu lesen, ohne die Geschehnisse erstmal in Ruhe sacken lassen zu müssen. Drei so liebenswerte und fantastisch miteinander agierende Charaktere einer dermaßen verstörenden Story ausgesetzt zu sehen, ist schon eine heftige Nummer und hat mich zum Teil tatsächlich richtig mitgenommen.

"Rover Red Charlie" hat ohne wenn und aber das Zeug zum zukünftigen Klassiker und ist für mich persönlich der beste Comic des Jahres 2016. Leute mit einem schwachen Nervenkostüm sollten es sich jedoch besser zwei mal überlegen, sich das Teil anzuschaffen, denn es ist teilweise wirklich extrem krasser Lesestoff.