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Bavvaria123

Bewertungen

Insgesamt 46 Bewertungen
Bewertung vom 16.06.2024
Seinetwegen
Buono, Zora del

Seinetwegen


sehr gut

Im Kaffeehaus und im Kopf

Das Cover ist sehr schlicht in blau und grau gehalten. Ein Mann auf einer Straße. Und genau dieses Cover passt zum einen zum Titel und zum anderen auch zu dem Thema des Buches.

In "Seinetwegen" erzählt Zora del Buono von ihrem bei einem Autounfall im heimatlichen Zürich gestorbenen Vater, den Oberarzt Manfredi del Buono. Sie war in jenem Jahr 1963 gerade mal ein paar Monate alt. Ihre Mutter hat danach nicht mehr geheiratet und ist mittlerweile an Demenz erkrankt.
60 Jahre nach dem einschneidenden Ereignis begibt sich die Autorin auf die Suche des damals 28jährigen Unfallverursachers und teilt ihre Gedanken auf 201 Seiten mit.

Mich hat die Inhaltsangabe berührt, denn ich musste als 10jähriges Kind erleben, wie meine Mutter nach einem Autounfall verstorben ist. Allerdings war es in unserem Fall so, dass auch die Verursacherin, die unter Alkohol- und Tabletteneinnahme stand, den Unfall nicht überlebt hat und es somit keinen Grund zur Suche gab.

Und das war für mich eigentlich auch eine Frage, die sich schnell auftat. Warum hat Zora del Buono 60 Jahre gewartet, bis sie sich auf die Suche gemacht nach jenem E.T. gemacht hat? Das kann nicht nur der Schmerz gewesen sein, den sie ihrer Mutter nicht antuen wollte.

Die Autorin schreibt einiges über ihre Kindheit und das Heranwachsen. Wie es ist, wenn jemand fehlt, der doch zur kleinen Familie gehört. Sie berichtet von diversen Kaffeehausbesuchen und dabei geführten tiefgründigen Gesprächen mit befreundeten Menschen. Und dann werden unter anderem noch Dudenzitate oder Aktennotizen aufgeführt.
Insgesamt kommt mir das vor, wie Gedanken, die sprunghaft ins Gedächtnis kommen und aufgezeichnet werden, vermischt mit Tatsachen und Fakten. Zudem kommen einige schwiitzerdütsche Ausdrücke vor. Es ist sprunghaft und das macht es zum Teil auch nicht gerade einfach zu lesen. Deshalb waren die nicht gerade üppigen 201 Seiten, auf denen teilweise auch Fotografien eingefügt sind, für mich nicht schnell zu lesen. Manches hat einen langen Nachhall, weil ich nach dem Tod meiner Mutter ähnliche Gedanken hatte.

Ich gebe diesem Buch, was zum einen sehr gefühlvoll und fast poetisch ist, aber auch einige ganz präzise und glasklare Abschnitte hat, vier Sterne und denke, es ist kein Buch für jeden und auch nicht um es mal so nebenbei zu lesen.

Bewertung vom 03.06.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


sehr gut

Ich mag es, allein zu sein

Von Romy Fölck hatte ich "Die Rückkehr der Kraniche" gelesen und war davon sehr angetan. So habe ich mich gefreut, dass nun ein weiterer Roman abseits der Krimis, von ihr erschienen ist.

Die Geschichte bringt uns zu Benno Findeisen und seinem hoch verschuldeten Gnadenhof der Tiere in der Lüneburger Heide. Thea, eine Frau Mitte 50, zieht mit ihren zwei Ziegen von Portugal in einer der Wohnungen auf diesem Hof. Und dann stößt noch die junge Juli dazu, die sich auf ihrer Wanderung vom Norden Richtung Amsterdam den Fuß verletzt.

Die Beschreibung der Landschaft ist äußerst gelungen, wie auf dem Cover sehe ich die Nebelschwaden am Morgen aufsteigen oder den Sternenhimmel am Abend leuchten. Der Gnadenhof gefällt mir besonders gut. Würde ich jünger sein, wäre genau das mein Traum.
Bei den Charakteren hätte ich nichts gegen etwas tiefere Ausflüge in das Seelenleben der drei Hauptfiguren gehabt.

Der Roman wird abwechselnd aus Sicht der Protagonisten verfasst. Das ist kein neuerfundener Stil, passt hier aber sehr gut, denn dadurch wird die Geschichte ausgesprochen lebendig und lässt sich flüssig lesen. Richtig weglegen mochte ich das Buch kaum.

Benno, Thea und auch Juli tragen jeweils ein familiäres Problem mit sich durchs Leben und sind sich damit ähnlicher, als sie zunächst denken. Zudem gibt es weitere Komplikationen, denen sie sich stellen müssen. Und das ist mein zweiter Kritikpunkt. Auch wenn ich mich freue, dass sie jeweils eine Lösung finden, ist der Prozess doch immer arg rasch. Und dann gibt es zudem den einen oder anderen Zufall, der schon etwas vorherzusehen ist.

Alles in allem habe ich das Buch gerne gelesen und fühlte mich auch gut unterhalten. Aufgrund meiner angesprochenen Kritikpunkte vergebe ich 4 Sterne und empfehle "Das Licht in den Birken" gerne als ansprechende Sommerlektüre weiter.

Bewertung vom 06.05.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


ausgezeichnet

Cape Cod - nicht nur Idylle

Ach, so ein schönes Cover. Da träumt man vom Sommer am Strand. Oder sollte man eher die dunklen Wolken betrachten?

Die Autorin Adrienne Brodeur ist mir bekannt durch ihr Buch "Wild Games", welches mich fasziniert hat. So war ich gespannt auf das aktuelle Werk "Treibgut".

Wir Lesenden werden mitgenommen nach Cape Cod und lernen dort die Familie Gardner kennen. Zunächst ist da Adam, der knapp 70jährige Familienvater. Ein Meeresbiologe, der sich besonders auf Wale spezialisiert hat, manisch-depressive Schübe erleidet und seit vielen Jahren Witwer ist.
Sein Sohn Ken ist ein erfolgreicher Immobilienmakler, Vater der Zwillingsmädchen Tessa und Frannie und Mann von Jenny.
Auf sein Wohlwollen ist Abby angewiesen, seine 3 Jahre jüngere Schwester. Eine feinsinnige Künstlerin, die von ihrem Geliebten ein Kind erwartet.
Und dann ist da noch Steph Murphy, junge Mutter eines Sohnes, die gerne ihre Familiengeschichte aufklären möchte.

Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht dieser Personen geschrieben und man erkennt früh, dass keine paradiesischen Zustände an diesem schönen Ort herrschen.
Die Charaktere sind facettenreich gewählt und gut erdacht.
Ganz wunderbar empfinde ich die Beschreibungen der Natur, da sehe ich vieles bildhaft vor mir.

Adrienne Brodeur hat einen sehr angenehmen, lebendigen, manchmal poetischen Schreibstil, der dem Buch einen kurzweiligen Charme gibt.

Es werden viele Seiten einer verstrickten Familiengeschichte angesprochen, mit Träumen und Hoffnungen, aber auch mit Schmerz und ausgesprochenen oder verschwiegenen Verletzungen.

Der Autorin ist ein vielschichtiger, gut unterhaltender Roman gelungen, den ich gerne gelsen habe und der auch noch in meinen Gedanken Nachhall findet. Ich vergebe gerne die volle Sternanzahl und empfehle das Buch nicht nur als Sommerlektüre.

Bewertung vom 04.05.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


sehr gut

Der Preis der Hoffnung

So ein schönes Cover - bei dem Anblick habe ich zunächst nicht an Krieg und dessen Folgen gedacht.

Ehrlicherweise muss ich zudem sagen, dass ich mich mit dem Vietnamkrieg nicht richtig gut auskenne. Aus dem Schulunterricht weiß ich, dass dieser grausame Krieg in den Jahren von 1955 bis 1975 zunächst zwischen Nordvietnam und der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams stattgefunden hat.
Nach dem sogenannten Tonkin-Zwischenfall im August 1964, bei dem ein US-Marineschiff im Golf von Tonkin von nordvietnamesischen Torpedobooten grundlos beschossen worden ist, griff die USA auf der Seite des Südens ein. Wobei sich herausstellte, dass es sich um einen inzenierten Angriff handelte damit die USA die Möglichkeit für ein Einschalten hatte, um gegen das Vordringen des Kommunismus in Südostasien anzutreten.
Gebracht hat der Krieg mit Millionen Toten, Verletzten und Traumatisierten nichts, schon gar nicht die Demokratie für Südvietnam.

In diesen Krieg und seine Auswirkungen nimmt uns die 1973 in Vietnam geborene Autorin Nguyễn Phan Quế Mai mit. Sie schreibt die Geschichte "Wo die Asche blüht" in drei Erzählsträngen und zwei Zeitebenen.
Wir lernen die Schwestern Trang und Quỳnh im Jahr 1969 kennen. Sie leben im Mekongdelta mit ihren Eltern. Der Vater ist Kriegsinvalide und die Familie hoch verschuldet. Die Schwestern gehen nach Saigon, um dort als Barmädchen Geld zu verdienen.
Im Jahr 2016 versucht Phong ein Ausreisevisum für sich und seine Familie von Vietnam nach Amerika zu bekommen. Er ist ein "Amerasier", ein Kind einer vietnamesischen Mutter und eines Amerikaners. Früh kam er in ein Heim und wird aufgrund seiner dunklen Hautfarbe aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Ebenfalls im Jahr 2016 reisen Dan und seine Frau Linda nach Vietnam. Dan ist ein ehemaliger Hubschrauberpilot, noch immer traumatisiert von den Erlebnissen im Vietnamkrieg.

Die Figuren sind alle sehr feinfühlig und glaubhaft dargestellt. Ich habe jeden auf seine Art verstehen und das Handeln nachvollziehen können. Allerdings hatte ich zu Beginn mit den Namen und der ungewohnten Schreibweise meine Probleme. Das hat sich dann im Verlauf des Lesens aber wesentlich gebessert.

Die Autorin beschreibt dramatische historische reale Begebenheiten ausgesprochen undramatisch, aber spannend und empathisch. Ich wurde in die Erzählung förmlich eingesogen und konnte das Buch nur schwer aus den Händen legen.

Es handelt sich um eine brisante und leider wieder aktuelle Thematik. Krieg, mit seinen direkten aber auch vielen indirekten Folgen.

Zum Ende verweben sich die Stränge miteinander, wobei mir das ein wenig zu unzufällig ist.

Ich vergebe eine unbedingte Leseempfehlung für ein Buch, das einem nicht so schnell aus dem Kopf geht.

Bewertung vom 19.04.2024
25 letzte Sommer
Schäfer, Stephan

25 letzte Sommer


ausgezeichnet

Abarbeiten statt Leben

Bei diesem Buch hat mich als erstes das Cover angesprochen. Ein Sommertag am See. Und das ausgesprochen schöne hat sich hinter dem Papiereinband versteckt, den auch auf dem direkten Bucheinband befindet sich das Gemälde.

Die Geschichte wird von einem namenlosen Ich-Erzähler berichtet. Er ist ein hektischer optimierender Worcaholic. Er fühlt sich im Moment beengt, lebt sein Leben nicht, sondern arbeitet es ab. Hat seine Freiheit gegen Verpflichtungen eingetauscht. Eines Morgens lernt er am See Karl kennen. Karl ist ein naturverbundener Genussmensch, der auf seinem Land Kartoffeln anbaut.

Ja, unterschiedlicher können die Männer gar nicht sein. Und doch verbringen sie ein paar Stunden miteinander und führen sinnvolle Gespräche.

Im Prinzip passiert nicht viel in diesem eher leisen Buch. Und doch passiert letztlich eine ganze Menge, zumindest im Kopf des Hektikers.

Es ist ein eher dünnes Buch, das man sicherlich in einigen Stunden lesen kann. Ich habe mir aber bewusst Zeit genommen und manchmal auch Passagen mehrfach gelesen.

Der Schreibstil ist bildlich, unaufgeregt und an einigen Stellen poetisch. Stephan Schäfer war lange ein erfolgreicher Manager und Journalist und ich kann mir vorstellen, dass letztlich er dieser "Ich-Erzähler" selbst ist.
Mit Karl denkt er darüber nach, was im Leben wirklich wichtig ist, wieviel Platz die Arbeit darin einnimmt und welche Ziele für jeden selbst maßgeblich sind.

Mir hat das Buch sehr gefallen, obwohl ich kein Fan von Selbstfindungsbücher bin. Aber dieses hier kommt ohne Ermahnungen, erhobene Zeigefinger und Plattitüden aus.
Es hat mich zum Nachdenken angeregt, denn ich weiß nicht, ob mir noch 25 letzte Sommer bleiben werden. Ich hoffe, jeder, der ein wenig zu hektisch durchs Leben eilt, trifft zur richtigen Zeit einen Karl.

Bewertung vom 18.03.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


sehr gut

Biste hier zum Vorsprechen?

Jörg Hartmann... der Name hat mir zunächst nichts gesagt.
Aber dann beim Lesen über ihn und Ansehen eines Fotos kam mir der Stasi-Offizier aus der TV-Serie "Weissensee" doch bekannt vor.

Das Bild auf dem eher unspektakulären Cover zeigt eigentlich eher die Freude, als den Lärm des Lebens. Es sei denn, der fliegende Junge schreit gerade sehr kräftig.

In dem Buch "Der Lärm des Lebens" erzählt der Autor aus seinem Leben. Dabei hat er keine Autobiografie verfasst, sondern eher seine Erinnerungen zusammen gefasst.

Anstoß zu dem Buch lieferte ihn nach seiner Aussage der Tod seines demenzkranken Vaters, der früher als Dreher arbeitete und leidenschaftlicher Handballer war.
Der 1969 geborene Jörg Hartmann berichtet über seine gehörlosen Großeltern, die Wirtschaftswunderjahre, seine eigene Jugend, den mühevollen Beginn seiner Karriere und auch Corona. Er zeiht also auch ein Band durch die Geschehnisse in der Bundesrepublik.

Die Kapitel sind episodenhaft ohne direkte zeitliche Gliederung. Dieser eher sprunghafte und übergangslose Wechsel gefällt mir nicht ganz so gut, ich mag chronologisches dann eher.

Insgesamt ist Jörg Hartmann ein gehaltvolles und doch bodenständiges Buch gelungen, voller Anekdoten aus einem Leben mit diversen Höhen und Tiefen. Ich empfehle es gern mit 4 Sternen weiter, vor allem auch für Fans, die den Menschen hinter dem Schauspieler kennen lernen möchten.

Bewertung vom 16.03.2024
Ein falsches Wort
Hjorth, Vigdis

Ein falsches Wort


sehr gut

Jeder macht Fehler, schreibst du, schrieb ich

"Ein falsches Wort" wird berichtet von der Ich-Erzählerin Bergljot. Sie ist geschiedene Mutter dreier Kinder, Akademikerin um die 50 Jahre. Ihre Geschichte beginnt dramatisch, mit dem Tod ihres hochbetagten Vaters, einem Streit ums Erbe und dem Selbstmordversuch ihrer Mutter.
Nach und nach lernt man ihre Familie kennen, so die Schwestern Astrid, Asa und den Bruder Bard. Und in diversen Zeitsprüngen erfährt man einiges aus dieser Gemeinschaft.
Es geht um Schmerz und Zweifel, Ratlosigkeit, Scheitern, Missbrauch nicht nur von Drogen wie Alkohol und Moral. Es führt weit in die Vergangenheit zurück, in die Zeit als Bergljot ein kleines Mädchen von etwa 5 Jahren war.

Vigdis Hjorth schreibt in einem eher nüchternen Stil, wobei sie auch auf diverse Zeichen verzichtet. Letzteres macht das Lesen für mich nicht gerade einfacher. Dazu kommen besagte Zeitsprünge und Wiederholungen.
Trotzdem ist das Buch lesenswert. Und das liegt eindeutig an der Thematik und den daraus folgenden Gedankengängen. So wie es die Autorin auch selbst beschreibt: "Was sie interessiert, sind nicht die Fakten, sondern die Effekte, die diese Fakten auf eine Familie haben, die es sich in einer Lebenslüge bequem gemacht hat."

Das Buch ist schon einmal 2017 auf dem deutschen Büchermarkt erschienen, da wurde es jedoch kaum nachgefragt. Das ändert sich mit der vorliegenden Übersetzung von Gabriele Haefs.

In Hjorths Heimat hat das Buch und sein Vorgänger eine größere Welle ausgelöst, fühlte sich doch ihre Schwester Helga dazu aufgerufen, eine Art Gegenroman zu verfassen.

Ich empfehle das Buch mit vier Sternen, möchte aber darauf hinweisen, dass man mit einigen Dingen konfrontiert wird, die wenig alltäglich sind. Vielleicht wäre eine Warnung angebracht.
Es lässt den Leser / die Leserin auf jeden Fall eine ganze Zeit nicht mehr los.

Bewertung vom 04.02.2024
Geteilte Träume / Kinderklinik Weißensee Bd. 4
Blum, Antonia

Geteilte Träume / Kinderklinik Weißensee Bd. 4


ausgezeichnet

Kuchenkrümel


Da ist er nun. Der von mir lange erwartete vierte Teil der Saga um die Kinderklinik Weißensee.

Der erste Band startete im Jahr 1911 - beim Streuselkuchenessen der beiden Schwestern Marlene und Emma. Der jetzige Band endet 1950 - ebenfalls mit einem Teller voller Streuselkuchen. So schließt sich der Kreis, so endet die Geschichte.

"Geteilte Träume " befasst sich vorwiegend mit Elisabeth "Lissi" Vogel, und ihre Stellung als Assistenzärztin an der Klinik Weißensee. Leider begegnet sie dort nicht nur einem knurrigen, unsympathischen Klinikdirektor sondern auch vermehrt auftretenden Fällen von Kinderlähmung. Jener Krankheit, der auch Lissi ein Beinleiden zugefügt hatte.

Schon nach wenigen Sätzen war ich mitten in der Geschichte. Das lag zum einen daran, dass mir einige aus den vorhergehenden Bänden bekannte Personen wieder begegneten. Zum anderen aber auch an dem äußerst angenehmen, bildhaften und flüssigen Schreibstil der Autorin.

Mit viel Empathie und sicher einer ganzen Menge Recherchearbeit spickt Antonia Blum "Geteilte Träume" mit menschlichen Emotionen, wie Stolz, fehlendem Selbstbewusstsein, Missverständnissen und Egozentrik. Wobei auch eine gute Prise Liebe und Zusammenhalt zu spüren ist. Zudem erfährt man einiges über den Fortschritt der Medizin, wie Operationstechniken oder den Gebrauch der Eisernen Lunge. Letztere habe ich mir erst vor kurzem an der Charitè ansehen können.
Und wie gewohnt bleibt auch die politische Entwicklung nicht außen vor. Berlin ist 1948 noch in vier Sektionen aufgeteilt. Während Emma mit ihrer Familie im sowjetischen Teil bleibt, muss Marlene mit ihren Lieben in den Westen fliehen. Eine aufgezwängte Entscheidung, die auch das Verhältnis der beiden Schwestern aufwühlt und ins Wanken bringt.

Ich habe dieses Buch wieder mit großem Genuss gelesen. Schade, dass nun nichts weiteres über die Kinderklinik Weißensee von Antonia Blum erscheinen wird.
Aber für 2025 kündigt sie immerhin eine neue Reihe an. Ich bin gespannt.

Natürlich gebe ich alle 5 Sterne und kann das Buch einfach rundherum weiter empfehlen. Es eignet sich durchaus, als Einzelband gelesen zu werden... aber dadurch verpasst man viel zu viele wunderbare Lesemomente.

Bewertung vom 05.01.2024
Der Schacherzähler
Pinnow, Judith

Der Schacherzähler


ausgezeichnet

Was machen wir morgen?

Morgen machen wir es besser.

Das ist das Motto von der alleinerziehenden Mutter Malu und ihrem neunjährigen Sohn Janne, der wegen Hyperaktivität Schwierigkeiten in der Schule hat.
Die beiden lernen bei ihren täglichen Besuchen im Park "Oldman" kennen, einen Witwer, der eigentlich Walter heißt und zum Schachspielen mit sich selbst ebenfalls täglich in den Park geht.

Die Figuren sind wunderbar authentisch und warmherzig beschrieben. Jeder hat einen interessanten Charakter.

Judith Pinnow hat ein sehr einfühlsames Buch mit "Der Schacherzähler" geschrieben. Die Geschichte wird von den unterschiedlichen handelnden Personen erzählt, meist in der "Ich-Form". Dabei nimmt der Lesende viel auf, was Freundschaft, Miteinander und das alltägliche Leben betrifft. Manche Sätze sind so schön, dass ich sie gerne mehrfach gelesen habe. Und das ganz ohne in den Kitsch dabei abzurutschen. Dafür sorgen unter anderem auch die Sorgen um dem Coffeeshop "Blue Hour" in dem Malu arbeitet oder auch die Probleme, die Janne in der Schule hat. Und nebenbei habe ich auch einiges vom Schach gelernt.

"Der Schacherzähler" ist ein vordergründig leichtes, angenehm zu lesendes Buch. Es hat aber einen langen Nachhall und der tut gerade in der momentanen Zeit richtig gut. Und deshalb empfehle ich das Buch auch ausgesprochen gern mit allen 5 Sternen.

Das Cover finde ich sehr gelungen und es passt hervorragend zu der Geschichte.

Bewertung vom 31.10.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


sehr gut

Dreierlei

Das Cover ist sehr schön. Dieser Greifvogel, der in der Luft schwebt. Ist er gerade auf Beutefang oder muss er selber fliehen?

Ich bin ein absoluter Schwedenfan. Ich mag die Natur dort, die Städte und auch die Schriftstellenden.
So habe ich überlegt, ob es eine Stadt namens Malma gibt. Ich kenne den Malmasjön, einen kleinen See im Einzugsgebiet von Gnesta. Dort gibt es die Malma-Burg, die aktuell als Kongresszentrum und kleines Restaurant genutzt wird, und ein Schloss Öster-Malma. Es ist mittlerweile die Zentrale des Schwedischen Jägerverbundes mit Konferenzsälen und Kursen über Naturpflege. Aber einen Ort Malma kenne ich nicht.

Nun nimmt uns Alex Schulman mit auf eine Reise mit dem Zug. Eine Reise? Nein, es sind mehrere zu verschiedenen Zeitpunkten, aber auf der selben Strecke, aber das begreift man erst nach einigen Kapiteln. Dabei lernt man vorwiegend drei Personen kennen. Harriet, Oskar und Yana, von denen aber der männliche Part eher blass bleibt.
Vordergründig handeln die beiden Frauen sehr rational, aber im Verlauf des Buches zeigt es sich, dass sie durchaus voller Emotionen stecken.

Der Autor schreibt eher ruhig und leise, die Themen gehen dadurch umso mehr unter die Haut. Er führt in die Kindheit der Protagonistinnen und damit verarbeitet er auch ein Stück seiner eigenen (heftigen) Familiengeschichte. Er zeigt auf, wie manche frühen Erlebnisse oder Geheimisse sich auf die späteren Charaktere aller Beteiligten auswirkt.

Ich gebe dem Buch gerne vier Sterne, einen ziehe ich ab aufgrund meiner anfänglichen Verwirrtheit. Empfehlen kann ich es jedem, der große Liebesgeschichten und starke Tragödien mag.