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Benutzername: 
Tom
Wohnort: 
Rieseby

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 26.07.2021
Noch haben wir die Wahl
Neubauer, Luisa;Ulrich, Bernd

Noch haben wir die Wahl


ausgezeichnet

Privilegiert
Was für eine Freude, wenn zwei Gesprächspartner die deutsche Sprache derart künstlerisch beherrschen. Wortgewandtheit und Eloquenz, ganz wie eine mag. Das Lesen ist ein Genuss. Vielleicht gerade weil beide aus unterschiedlichen Töpfen ausgeben. Luisa mischt Jugendsprache mit Denglisch, Bernd trägt sein Handwerkszeug professionell, zeitgemäß und unaufgeregt vor. Selbst das Thema Gender kommt wie selbstverständlich um die Ecke, ohne die feministische Fußnote. Ganz in Konsequenz, wie Luisa dies in den Talkshows dieser Tage verbal artikuliert: unaufgeregt selbstverständlich. Nicht effektheischend wie bei Anne Will oder Petra Gerster. Offensichtlich ist das Autorenpaar tatsächlich gut begleitet worden von Profis aus der Verlagsszene. Da stimmt einfach alles und ist dennoch nicht einschränkend am Werk. Bravo Eins.
Dass es sich hier um ein Interview handelt, als wäre es so nebenbei mitgeschnitten, kann ich dagegen nicht glauben. Zu geschickt werden Bälle einander zugespielt. Nuancen dem jeweils anderen gegönnt und Rollen bewusst eingenommen. Das macht es der Leserin leicht. Kein Satz, der zweimal gelesen werden muss, weil sich in dem Formulierungsendlos die Zusammenhänge verlieren. Eine moderne Form des Diskurses, des Dialogs. Es gibt genug Inhaltliches zu bedenken, da soll kein literarisches Format stören. Bravo Zwei.
Schon ganz vorn im Buch wird diese Wahrheit mehrmals thematisiert und benannt: Hier besprechen sich zwei, die in hohem Maße privilegiert sind. Wenn auch aus anderen Generationen, dennoch ohne die Situation einer bedrohlichen Fallhöhe. So lässt sich im aristotelischen Sinne trefflich streiten. Ohne je tatsächlich die Folgen des Diskutierten als persönliches Leid befürchten zu müssen. Leidenschaft im Diskurs gibt es trotzdem. Perspektivwechsel auch. Das Gesagte (Geschriebene) ist ja in aller Regel nicht neu oder Folge neuer Erkenntnisse. Dass vierzig Jahre nahezu nichts wirklich voran gebracht wurde in Sachen Umwelt- und Klimaschutz machen auch diese beiden Protagonisten nicht ungeschehen. Sie leugnen auch nicht ihren Frust darüber. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Aufgeklärteste im ganzen Land? Im Angesicht der Mitbewerber im Literatur-Wirrwarr dieser Tage - von Habeck bis Annalena, von Winter bis Schäuble - ist mir dieser Vortrag der liebste. Bravo Drei.
Als durchaus beeindruckter Leser frage ich mich nach der Lektüre: Wie nun weiter? Nochmal vierzig Jahre frustriert teilhaben an Ankündigungen und Versagen? Das gibt (m)ein Leben biologisch nicht mehr her. Dennoch bleibt mir die Option, die Handelnden zu unterstützen. Das nährt Hoffnung und Zuversicht. Zwischenzeitlich genieße ich die Privilegiertheit der Boomergeneration. Für eine Transformation ist es tatsächlich schon viel zu spät und ein Wahlkampf geht auch zu ende. Nichtstun verändert nichts zum Besseren. Nur Zuschauen auch nicht. Sich etwas wünschen, vielleicht. Die Generation von morgen wird zurückschauen auf die Jahre der Babyboomer und dann Kopfschütteln. Gleichzeitig stellt sie die Lösung dar. Darauf setze ich. Bravo Vier.
Dieses Buch ist der erste Schritt. So lesenswert!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2021
Jetzt
Baerbock, Annalena

Jetzt


gut

Ich will
Das sind die wichtigsten beiden Worte in diesem Buch, das sich an politisch sehr interessierte Leser wendet. Die anderen schaffen die zweistündige Lektüre nicht. Fesselnde Lektüre liest sich anders. Hier hat die Autorin zu viel auf einmal versucht. Der Zeitdruck vor der nur noch drei Monate auf sich warten lassenden Bundestagswahl hatte wahrscheinlich den deutlichsten Effekt. Aktuelles hat sie deshalb noch hier und da dazwischengeschoben. Der Zusammenhang und der Lesefluß leidet darunter. Auch der Genderstern. Halbherzig mit zum Teil abstrusen Häufungen, die die Kritik erst auf den Plan rufen. Schade. Zum Schluß dann ein abruptes Ende, die Zeit reichte nicht …
Nun jedoch auch hier ein Schluß mit dem Negativen. Das Buch hat seine guten Seiten. Im Wortsinne. Annalena kennenlernen. Ja, auch das geht hier. Manche ihrer Texte zeigen persönliche Aspekte, die wichtig sind. In jedem Leben. Auch wenn jemand ganz nach oben will. Kraftvoll ist sie, wenn auch bei weitem nicht so radikal, wie weit verbreitet wird. Radikal im Sinne von zurück zu den Wurzeln schon gar nicht. Wenn eine politische Autorin dieser Zeit nicht im Gestern stecken geblieben ist, dann sie. Allein, es fehlen die nuancierten Vorschläge, wie es konkret besser machen. Andeutungen sind ein Anfang, nicht mehr. Die Zeit der Macherinnen ist vorbei, doch Sie will machen. Gut so.
Die Grüne hat ihre klaren Schwerpunkte, da schreibt sie sicher und detailliert. Da, wo ihr fehlende Kompetenz zugeschrieben wird, insbesondere von den Journalistinnen, da bleibt sie unvorteilhaft plump. Eine begeisterte Europafrau liest sich anders, leidenschaftlicher. Jedoch ist sie da. Bereit, ihr „Ich will“ durchzusetzen.
Ist kämpferische Rhetorik wirklich noch zeitgemäß? Mir gefallen ihre Anmerkungen zum Thema Kooperation da viel zukunftsweisender. Europa als ein Ort der Zusammenarbeit. Beides formuliert sie auf gleicher Augenhöhe. Schwerter zu Pflugscharen galt auch in der Sprache. Aus meiner Sicht ein Verbesserungspotential auch in ihren öffentlichen Auftritten.
Interessant lesen sich die Einlassungen zu ihrer Emotionalität. Die heutige Journalismusbewertung geht auf Konfrontation. Wer weint, „kann nicht Kanzlerin“. Dümmlich. Frau Baerbock bezieht hier klar Stellung. Die richtige. Es gibt sie nur so. Möglicherweise ermutigt das auch die eine oder andere Leserin.
Wer also diese Hoffnungsgestalt kennenlernen möchte, kann dieses Buch als ersten Versuch dazu hernehmen. Ich hoffe allerdings auf noch weitere Publikationen von ihr, in denen mehr davon drin ist, was sie und weniger die offensichtlichen Mitschreiber ausmacht. Schließlich steht nur ihr Name auf dem Titel.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.05.2021
Mondays for Future
Kemfert, Claudia

Mondays for Future


ausgezeichnet

Mindestens alle zehn Jahre ist das Thema Klimawandel auf der Agenda. Alle zehn Jahre die Hoffnung groß. Der Frust über so viel erlebte Ignoranz und tatsächliche Untätigkeit der nicht Handelnden folgt dann als Ernüchterung. Vierzig Jahre erlebe ich das nun schon so. Dennoch, Claudia Kemfert schaffte es, nicht nur als Überzeugungstäterin nochmals Aufmerksamkeit bei mir herzustellen, sondern auch Motivation zu initialisieren. In einer erstaunlich jugendlichen Sprache liefert sie fünf Stunden Lesestoff, der wieder Mut macht, dass am Ende doch alles gelingen könnte.
Wer also, zumal als sehr junger Mensch, einen Einstieg finden möchte in dieses natürlich extrem vielschichtige und komplexe Thema, dem sei das gelungene Werk von Frau Kemfert empfohlen. Sie legt durchaus verständlich und unaufgeregt die Zusammenhänge frei und vertritt dabei nicht nur die eine Perspektive auf die Dinge. Die nämlich kann es auch aus ihrer Sicht nicht geben. Das macht das Buch lesenswert. Wenig Ideologie, mehr selbst nachdenken. Wenig Beschuldigung, mehr Ideen zum Bessermachen. Wenig Politik, mehr Verantwortlichkeit in Sinne einer reifen Weltbürgerin.
Es reicht nicht, wenn wir umweltbewusst unseren Anteil beisteuern zu einer gerechten und nachhaltigen Welt von Morgen. Die eigene Reichweite und Wirkung unseres Handelns bleibt zu begrenzt. Nach der Autorin ist immer auch eine weltweite Solidarität im Sinne weltweiter Gesetze und lenkender Vorschriften notwendig, ja zwingend. Demokratisch könn(t)en wir das realisieren.
Viele Beispiele unterstreichen diese These und dennoch verliert sich Frau Kemfert nicht im Zahlendschungel. Wer zum Thema Klimawandel gut informiert sein möchte, findet hier eine glaubwürdige und authentische Basisinformation. Zusätzlich zahlreiche Ideen zu engagiertem Handeln vor der Haustür und weiter weg davon. Eine überzeugte und sogar glühende Demokratin argumentiert lebensbejahend und hoffungsvoll. Damit erreicht sie nicht nur die Herzen der Jugendlichen.
Ich wünsche ihr viele Leser und Leserinnen, die sich inspiriert fühlen zu kleinen wie großen Schritten zum Gelingen. Sie zitiert Ban Ki-moon, der 2015 sagte: „Wir sind die erste Generation, die globale Armut abschaffen und die letzte, die den Klimawandel aufhalten kann.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bewertung vom 23.04.2021
Wer wir sein könnten
Habeck, Robert

Wer wir sein könnten


gut

Zu viele politische Bücher bewegen nur einen einzigen Gedanken. Den nämlich, der gerade hype ist. Drumherum manchmal bis zu 300 Seiten und Beleuchtung unterschiedlichster Couleur. Falschfarben. Am Ende bleibt: nur dieser eine Gedanke. Gefühlte Halbwertszeit: sechs Wochen.
Vor dem Hintergrund des derzeitigen Durcheinanders unserer Zeit war ich also gespannt auf einen hoffentlich anderen Autor. Mit mehr substanziellem Inhalt, mehr als nur monothematischer Pirouette. Gleichzeitig fragte ich mich, woher ein Politiker mit derartiger Medienpräsenz in der ersten Reihe der Politik die Zeit nimmt zu einem Buch mit Tiefgang. Ist das ein überhaupt zu erfüllender Anspruch? In einer Zeit der Spekulationen wollte ich keine Antwort dieser Art selbst kreieren: da schreibt jemand für jemanden …
Eingestiegen stolperte ich in die Formulierungen des Autors und mühte mich durch die ersten hundert Seiten. Was kommt nach der nächsten Ecke? Viel Vertrauensvorschuss, der sich zunehmend abnutzte. Habeck arbeitete sich ab, fand kaum Zeit für wirklich schöne, anregende und beeindruckende Formulierungen und Gedanken. Wer auch etwas Poesie erwartet, wird definitiv enttäuscht. Jedoch, die zweite Hälfte des Buches gibt dem Leser eine Ahnung davon, wie Habeck denkt, atmet, was ihn motiviert. Woran er sich abarbeitet in der politischen Kaste. Der Nukleus bleibt immer hinter einem unsichtbaren Vorhang. Mehr Klarheit, mehr Liebe zu den Details der Sprache hätten das Buch reicher gemacht. Es fehlt die Nuance. Sie bleibt liegengebliebenes Opfer am Rande des Weges. Zeitnot ließ sie dort, oder ein nachlässiger Korrekturleser und Coautor?
Etwas enttäuscht beendete ich. Hoffend auf sein neuestes Buch. Die zweite Chance.
Er endet mit: „Das ist die wahre Herausforderung: Zuversicht.“

Bewertung vom 01.05.2020
Ein lautes Ja zum Leben sagen!
Scheurl-Defersdorf, Mechthild R. von;Stockert, Theodor R. von

Ein lautes Ja zum Leben sagen!


ausgezeichnet

Ein Lichtblick in diesen Zeiten!
Dass jedes Wort wirkt und die bewusste Sprache ein unvergleichlich wertvolles Werkzeug in unserer modernen Welt darstellt, ist sicherlich demjenigen bekannt, der sich mit diesen Fragen professionell auseinandersetzt. Doch auch für den Laien sind derlei Erkenntnisse von hohem Wert. Hier stellen die erfahrenen Autoren nicht nur ausgereiftes Handwerkszeug zur Verfügung. Sie präsentieren auch einen bunten Strauß an lebensfreundlichen Hilfen, die sie selbst als Erkenntnisse in der Lebenswirklichkeit von heute gesammelt haben. So wird die Lektüre zu einem Spaziergang durch die vielfältigen Möglichkeiten der Sprache. Gleichzeitig zeigt der Rahmen darum, welchen wohltuenden Effekt es hat, wenn nicht nur Wissen, sondern auch Weisheit präsent sein darf.
Es dauert lange, all die Hinweise und Tipps im Alltag umzusetzen. Jedoch lohnt sich jeder Versuch und jede Seite. Am Ende wird der Leser belohnt mit einem anderen In-der-Welt-sein. Er verabschiedet sich vom naiven Umgang mit seiner Sprache und erkennt die sicher bisher nicht ausreichend und unbewusst zu wenig genutzten Möglichkeiten. Dies alles fernab von den manipulativen Ansätzen der vergangenen Jahrzehnte. Dieses Kommunikationsmodell fußt auf den Erfahrungen der Vergangenheit und ist dennoch erfreulich zukunftsorientiert. Ein wohlwollendes Menschenbild erscheint dabei zentral.
Dies alles haben die Autoren literarisch selbst ideal umgesetzt. Eine einfache Sprache mit der Orientierung an Fallbeispielen und inneren Bildern verhilft dem Leser zu einem einfachen Einstieg. Das inhaltliche Gewicht bleibt davon unbenommen. Die Lektüre transportiert die Inhalte leicht, nie besserwisserisch oder gar selbstverliebt.
Konsequent sind die abschließenden Worte der Autoren: „So entsteht Raum für Frieden und eine zutiefst befreiende Lebensfreude. Das Leben darf leicht sein. Wenn es leicht geht, stimmt es.“
So gelesen, so erlebt. Meine ausdrückliche Empfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.