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Benutzername: 
Carola
Wohnort: 
Zwickau

Bewertungen

Insgesamt 19 Bewertungen
12
Bewertung vom 06.06.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


ausgezeichnet

Der Inhalt
ist gut verpackt: Schon mit dem Handbuch eines gewissen Rostow aus dem Jahr 1880 (die Handlung spielt nicht viel später) wird das Signal zur Abfahrt gegeben - von Peking nach Moskau, wo der Transsibirien-Express Teil einer Ausstellung werden soll. Wer diese Reise in seinem Leben nicht machen kann, erfährt trotzdem viel über die Landschaft, die durchquert wird. Auch der Express wird bildhaft beschrieben. Auf den Vorsatzblättern vorn und hinten ist sehr anschaulich der Zug dargestellt, und man kann immer mal nachschauen, wo sich die Protagonisten von Wagen zu Wagen bewegen.
Verschiedene Personen, verschieden in ihren Absichten, ihrer Geschichte und ihrer Persönlichkeit, kommen abwechselnd in einzelnen Kapiteln zu Wort. Das ist sehr geschickt gemacht, denn auf spannende Weise verbindet die Autorin Sarah Brooks deren Wege und ihre Beweggründe mit der Handlung.
Man fiebert mit, wann endlich die Geheimnisse der letzten Durchquerung gelüftet werden.
Die Sprache
von Sarah Brooks, deren erster Roman hier vorliegt, ist so, dass man auch manchmal ein, zwei Sätze nochmal lesen muss, um zu merken, ob es Fantasie oder Realität ist. Oder wer jetzt seine Gedanken ausspricht.
Aber es geht flüssig voran, der Stil ist träumerisch-realistisch, und die Beweggründe der Personen werden oft eingestreut, sodass man mitleidet oder miterlebt.
Die Empfehlung
für dieses Buch ist einfach: Wer etwas über ein wenig bekanntes Transportmittel erfahren möchte, wer Spannung und Schicksale sowie die Natur liebt und auch gern seine Vorstellungskraft bemüht, liegt mit diesem Buch richtig. Man braucht keine Bilder, um sich den Weg durch besondere, abwechslungsreiche und geheimnisvolle Landschaften vorzustellen. Man muss nur die Worte der Autorin bedächtig, aufmerksam und interessiert aufnehmen.

Bewertung vom 09.03.2024
Queen of Fashion - Für ihre Mode wird Vivienne Westwood gefeiert, doch sie will die Welt verändern (MP3-Download)
Holden, Stephanie

Queen of Fashion - Für ihre Mode wird Vivienne Westwood gefeiert, doch sie will die Welt verändern (MP3-Download)


weniger gut

Die Autorin lässt das Leben von Vivienne Westwood vor unserem geistigen Auge sehr lebhaft entstehen. Von ihrer Kindheit bis zum reifen Alter erleben wir, wie Vivienne sich ihren Kindheitstraum erfüllt, fleißig, zielstrebig, unbeirrt, aber immer von der Sehnsucht nach Wissen getrieben. Man spürt den Spaß und die Energie der Modeschöpferin förmlich und hautnah.
Man kann sie nur bewundern, und es ist schade, dass die meisten bei der Nennung des Namens Westwood immer Vorurteile haben. Das ging mir genauso. Dabei hat sie klare Visionen, lässt sich nicht unterkriegen und hat vor allem ein begnadetes Talent. Sicher, ihr Stil ist außergewöhnlich, provoziert und geht vor allem der englischen Gesellschaft gegen den Strich, aber sie traut sich, zu ihren Ideen und Ansichten zu stehen. Das macht sie so authentisch.
Nach dem Hörbuch ist man froh, das alles erzählt bekommen zu haben.
Stephanie Holden hat sehr gut recherchiert, ich habe oft im Internet nachgelesen. Sie schaffte es auch, die Gefühle, Zweifel, Wünsche und Schattenseiten im Leben der Modeschöpferin lebhaft rüberzubringen, sodass man immer mitgefühlten konnte und sich unterhalten fühlte.
Manchmal hätte ich mir noch Informationen z.B. zu den Kindern von Vivienne gewünscht: Welche Eigenschaften hatten/haben sie? Wie reagierten sie in manchen Situationen?
Stephanie Holden springt ab und zu in der Lebensgeschichte von Rückblende zur Gegenwart und wieder zurück. Man musste sehr konzentriert zuhören. Dafür hätte man sich ein Konzept gewünscht, sozusagen einen roten Faden, der die Biografie und den Erzählfluss zusammenhält.
Die positiven Nebenfiguren waren auch sehr wenig charakterisiert worden. Der Teilhaber und Partner Malcolm McLaren wird als „Bösewicht“ sehr ausführlich dargestellt und verschiebt den positiven Gesamteindruck etwas. Aber er war nun einmal eine tragende Figur im Leben von Vivienne Westwood.
Dem Roman wurde durch die Sprecherin Kaja Sesterhenn Leben eingehaucht, aber manchmal las sie zu schnell vor. Ich stellte die Geschwindigkeit zurück, das war aber auf Dauer auch keine gute Qualität.
Alles in allem kann man den Genuss des Hörbuches unbedingt weiterempfehlen.

Bewertung vom 12.09.2023
12 Gesetze der Dummheit
Beck, Henning

12 Gesetze der Dummheit


sehr gut

Der Titel hat mich sofort angesprochen, der Untertitel lässt hoffen, dass H. Beck uns helfen kann, aus der gegenwärtigen Misere herauszukommen.
Die 12 Gesetze verpackt der Autor in 12 Kapitel. Es liegt jetzt schon am Leser, darüber erstmal nachzudenken, um dann den Inhalt zu lesen und zu verstehen. Das ist gar nicht so einfach, aber H. Beck bringt viele Beispiele an, verweist auf Studien und deren Ergebnisse, spricht vor allem den Leser an, so, als ob er im gleichen Raum mit ihm wäre.
Das ist sehr angenehm und schafft ein Vertrauensverhältnis, und man liest gerne weiter.
Hier liegt aber der Pferdefuß: Man kann schnell die Übersicht verlieren und wartet darauf, dass er uns sagt, wie es denn nun weitergehen soll. Oder dass über das Phänomen Dummheit am Anfang mehr Klarheit geschaffen wird.
Aber ich denke, Henning Beck will uns nicht nur über die Dummheit aufklären, sondern die Situation der Deutschen im gegenwärtigen Weltgeschehen erklären. Das Wort Dummheit ist der Aufhänger.
Wenn man z.B. an einem Denkexperiment teilnehmen soll,ist es nicht immer leicht zu verstehen, welches Ergebnis der Leser daraus nehmen kann.
Henning Beck schreibt flüssig, informativ, mit vielen aktuellen Quellen gestützt und mit einem Augenzwinkern.
Er ist aber auch schonungslos ehrlich, und dafür gebührt ihm Dank! Man muss es für sich aussprechen: Kehrt die Gesetze der Dummheit zu eurem Vorteil um, macht es besser! Das steht zwischen den Zeilen.
Man kann nur hoffen, dass viele, vor allem Unternehmer, dieses Buch zur Diskussionsgrundlage ihrer Teamarbeit/ Weiterbildung etc. machen.
Denn - und das hätte der Autor am Schluss noch mehr zusammenfassen können - Optimismus allein wird in der Praxis nicht helfen.

Bewertung vom 06.03.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Daniel Glattauer hat eine schöne feingeistige Sprache, sie wirkt locker und flüssig. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Es hat mir sehr gut gefallen.
Glattauer erzählt, was eine Katastrophe mit den Menschen macht, denn nachdem die Binders und Strobl-Martineks das somalische Mädchen mit in den Urlaub in die Toskana genommen haben, wird sehr schnell der Höhepunkt erzählt, und man denkt: Mmh, was soll jetzt noch kommen?
Aber es kommt noch viel: Konflikte, Traumata, Verwirrungen, Kommentare, Zweifel, Selbstzweifel, Reaktionen der Opfer, Streitereien.
Zielsicher entwickelt Glattauer einen neuen Spannungsbogen, den er dann auch mit einem weiteren Höhepunkt beendet, wobei er den Opfern endlich eine Stimme gibt. Man erfährt dabei hautnah, was nicht in den Schlagzeilen an erster Stelle steht und was für uns so weit weg ist, sodass wir schon abgestumpft sind. Und nun müssen wir endlich das Leid anderer wahrnehmen.
Der Autor hat bei der Charakterisierung seiner Figuren zwar jede Menge Klischees eingebaut, z.B. der besserwisserische Universitätsdozent, die Selfie verrückte Teenagerin. Aber er zeichnet die Personen menschlich, sie dürfen sich irren und sich auch zu ihren Fehlern bekennen.
Es werden viele Probleme benannt, wie das Rechtssystem, die Ausländerkultur, die Internetgefahren. Obwohl die Handlung in Österreich spielt, kann man alles eins zu eins auf Deutschland anwenden.
Daniel Glattauer verwendet Überschriften, die neugierig machen, und verschiedene Schreibstile: Kommentare im wörtliche-Rede-Stil, Bild-(Foto)beschreibungen , Perspektivwechsel, Ironie. Auch das trägt dazu bei, dass man unbedingt wissen will, wie es ausgeht.
Außerdem begleitet er die Dialoge mit der Beschreibung von Gestik und Mimik der Protagonisten, sodass deren Gefühle und Ungesagtes erkennbar wird.
Ich finde, das Buch sollten Junge und Ältere (Eltern) lesen und dann miteinander darüber reden. Damit wir mehr auf unsere Mitmenschen bzw. Nachbarn schauen.

Bewertung vom 24.07.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


sehr gut

Durch die Romane von Alex Capus kann man Geschichte leicht und lebendig erleben. Und meist schwingt auch ein leicht ironischer Ton mit.
In diesem Roman über Susanna, die Malerin aus der Schweiz, die sich Caroline Weldon nannte und ins Dakota-Territorium reiste, tut sich Alex Capus mit dem Erzählen der Verknüpfungen von gesellschaftlichen und persönlichen Ereignissen etwas schwer. Zu viele Fakten müssen erzählt werden, damit man das Leben und die gesellschaftlich rasante Entwicklung in Amerika versteht.
Wirklich erlebbar wird es erst, wenn Capus die Figuren einführt und deren Entwicklung in ihrer Zeit und ihrer Umgebung erzählt. Dann fühlt man mit, dann sieht man alles durch ihre Augen.
Susanna ist schon als kleines Mädchen eigenwillig. Sie behauptet sich gegen alle Bedrohungen und wächst behütet heran. Ehe sie wieder in den Fokus des Geschehens rückt, erfahren wir, wie ihre Familie lebt. Als Kind kommt Susanna mit ihrer Mutter nach Amerika und vervollkommnet dort das Zeichnen und Malen. Sie malt gern Menschen und stößt eines Tages auf indianisch aussehende Männer, die sie fasziniert.
Wie wird der Bogen zu Sitting Bull geschlagen? Es dauert noch zwei Lieben und eine Geburt, bis sie durch ihren halbwüchsigen Sohn genau darauf gebracht wird, nämlich den Indianerhäuptling zu malen, der General Custers Armee am Little Bighorn vernichtend geschlagen hat. Es erschließt sich mir nicht, was sie außer dem Wunsch ihres Sohnes folgend, bewogen hatte, dorthin zu reisen, wo Sitting Bull später lebte.
Das Buch „Susanna“ liest sich trotzdem flüssig, und manchmal muss man schmunzeln. Humor bis hin zum Sarkasmus machen das Lesen durchaus vergnüglich. Fast der alte Capus.

Bewertung vom 03.06.2022
Jenseits von Eden
Steinbeck, John

Jenseits von Eden


ausgezeichnet

Muss man die Literaturvorlage kennen, wenn man eine Adaption erlebt wie das Hörspiel von „Jenseits von Eden“ von John Steinbeck? Der NDR hat den Roman als Hörspielserie umgesetzt, und es ist gelungen.
Man wird vom Erzähler, wunderbar gesprochen von Ulrich Nöthen, in das Leben zweier Farmerfamilien mitgenommen, ausgehend vom amerikanischen Bürgerkrieg bis zum 1. Weltkrieg. Adam Trask als eine zentrale Figur hat eine komplizierte Kindheit und Beziehung zu seinem Bruder, man wird hier bereits an die Kain-und-Abel-Geschichte erinnert. Adam meistert seine Armeezeit und kehrt in die Heimat zu seinem Bruder Charles zurück. Später möchte er für seine Liebe, für Cathy, den Garten Eden aufbauen. Ganz im Banne des Guten erkennt er das Böse von Cathy nicht. Thomas Loibl verkörpert ihn, und er vermag die Sensibilität und Konsequenz der Figur eindrucksvoll wiederzugeben. Samuel Hamilton, Oberhaupt der anderen Familie, möchte Adam helfen und ihm die Augen öffnen. Auch der Diener, der Chinese Lee - Matthias Bundschuh spricht ihn so gut, dass man ihn gern als Freund hätte - ist ein wichtiger Protagonist: Bis zum Schluss führt er die Handlung voran, vermittelt und hilft den Söhnen von Adam, genau wie Will, ein Sohn von Samuel Hamilton, Caleb hilft. Caleb ist der Zwillingsbruder von Aron. In ihnen wird die Kain-und-Abel-Symbolik verdichtet. Das Böse kämpft gegen das Gute und umgekehrt. Caleb ist der Gegenspieler seines schönen Bruders Aron und möchte doch ganz anders sein. Was er dann aus Eifersucht tut, endet in einer Katastrophe mit mehreren Verlierern.
Diese große amerikanische Familiensaga wird durch hervorragende Schauspieler, auch junge Darsteller sind dabei, erlebbar gemacht. Ich wurde sehr gut unterhalten, die Sprecher sind überwiegend gut zu verstehen.
Die 8 Teile des Hörspiels werden musikalisch untermalt und begleitet. Stephanie Nilles, eine amerikanische Jazzsängerin, hat die Musik komponiert, jeweils einen Song zu jedem Teil eingesungen und am Klavier begleitet. Die Musik unterstützt die Aussagen, gibt die Stimmungen gut wieder und lässt den Zuhörer mit eigenen Gedanken zurück - das ist wichtig, denn hier spricht die Musik, den englischen Text muss man nicht unbedingt vollständig verstehen.
Oft wurde die Handlung mit Geräuschen untermalt, einige wären nicht notwendig gewesen, sie wirkten manchmal störend und ablenkend.
Besonders schön fand ich die Songs, auch wenn man sich mit der rauchigen Stimme von Stephanie Nilles anfreunden muss, aber es hat seinen Reiz und wirkt geheimnisvoll.
Wer amerikanische Geschichte anhand von Schicksalen lebendig erleben möchte und gute Schauspieler einmal nur hören will, dem sei dieses Hörbuch wärmstens empfohlen. Außerdem bekommt man das Wichtigste des Inhalts von John Steinbecks Bestseller „Jenseits von Eden“ in angemessener Kürze (9 Stunden) mit und ist genauso beeindruckt von der Sprache und von der Ausdrucksfähigkeit Steinbecks, als hätte man ca. 730 Seiten gelesen.

Bewertung vom 11.05.2022
Papyrus
Vallejo, Irene

Papyrus


sehr gut

Schon das Buch selbst mit seinem Einband, dem Cover, dem Druck, mit den feinen Blättern und dem Lesebändchen beeindruckt. Wenn immer von der Faszination des gedruckten Buches gesprochen wird, bei Irene Vallejos „Papyrus“ wird sie lebendig.
Es ist kein Buch zum schnellen Durchlesen, aber es ist etwas für sehr Neugierige und Geschichtsfans. Wie viele Quellen und Bücher Irene Vallejo, die in Spanien zuhause ist, gelesen und studiert hat, lässt einen ehrfürchtig werden. Die Autorin geht bis in die allerersten Anfänge des Schreibens zurück und beendet das Buch mit dem Untergang des Römischen Reiches im 5.Jahrhundert. Dabei schildert sie zum Teil sehr unterhaltsam und plastisch die damaligen Gegebenheiten, sodass man sich gut in die Geschichte hineinversetzt fühlt. So kleine Dialoge hätte ich mir öfter gewünscht. Dann wieder springt sie in die Gegenwart und vergleicht die Errungenschaften der Menschheit in Bezug auf Wissen, Bildung, Streben und Macht. Manchmal ist das ganz schön anstrengend, aber dann erzählt Irene Vallejo wieder plastisch von Ereignissen und historischen Tatsachen, die man vielleicht schon mal gehört, aber wieder vergessen hat, z.B. wie man früher gelesen hat, wie man auf den Computer kam, wozu Therme gut waren, welche Macht die Männer in der Antike hatten. So, wie sie das wiedergibt, kann man das Staunen neu erfinden.
Das Buch „Papyrus“ offenbart auch Beziehungen zwischen Sprache und Menschheit, zwischen gesellschaftlichen Mächten und dem jeweiligen Zeitgeist. Über die Antike kann man sehr viel erfahren, Irene Vallejo schreibt anschaulich, mit ausgefeiltem Ausdruck, manchmal auch ironisch. Man fühlt mit Kleopatra und Cäsar mit, man erfährt, dass es Asketen gab, die sogar Wasser verschmähten. Ich war so angeregt, dass ich oft im Internet zu bestimmten Dingen weiter gelesen habe.
Gut fand ich zum Beispiel auch, dass die Autorin viele Romane und epische Werke benennt, die in irgendeiner Beziehung zum Wort, zur Sprache, zum Buch, zum Lesen stehen. Wenn man möchte, hat man eine ganze Liste interessanter Bücher zum Weiterlesen.
„Papyrus“ ist eine eindeutige Liebeserklärung an das gedruckte Buch und an die Menschheit, die das zustande gebracht hat, denn gerade am Anfang, in der Antike war das nicht einfach.
Man muss diese Liebe teilen, dann kommt man auch über die kleinen Schwachstellen hinweg - wo das Buch zu sehr beim Sinnieren abschweift, wo man den roten Faden sucht, wo Fakten wiederholt werden.
Insgesamt ist „Papyrus“ absolut empfehlenswert, weil man so viele interessante Kleinigkeiten über unsere Ahnen und die Rolle der Bildung und des Wissens erfährt. Und weil man das Buch von Irene Vallejo gern wieder zur Hand nimmt.

Bewertung vom 23.03.2022
Ein Mann namens Ove
Backman, Fredrik

Ein Mann namens Ove


ausgezeichnet

Das Buch ist so herrlich einfach geschrieben, und doch muss man manchmal innehalten und nachdenken. Backman ist hier eine wundervolle Lebensbeschreibung gelungen, die auch von lustigen Figuren lebt. Wir erleben Oves Gedanken und Wünsche, und auch sein bisheriges Leben taucht vor uns auf. Wir nehmen Anteil an seinem „Ärger“ und schütteln den Kopf. Und dann taucht jemand auf, der Ove wieder runterholt und mit neuen Aufgaben betraut. Manche Reaktion ist ein wenig überzeichnet, man weiß auch manchmal vorher schon, was passieren könnte, aber dann gibt es doch wieder eine Überraschung in der Handlung. Das Ende ist dennoch nicht vorhersehbar, denn dieser schrullige Charakter Ove erfreut uns auch in seinen seltsamen Handlungen mit Herzenswärme und guten Hintergedanken. Möge es mehr solche Menschen auf der Welt geben! Das Buch ist das beste von Backman, finde ich.

Bewertung vom 01.11.2021
Diebe des Lichts
Blom, Philipp

Diebe des Lichts


gut

Der Roman „Diebe des Lichts“ von Philipp Blom umfasst ca. drei Jahrzehnte des 16. bzw. 17. Jahrhunderts in Italien. Zwei Brüder erleben die Brandschatzung spanischer Soldaten in Flandern und nehmen dieses Trauma mit auf ihrer Flucht bis nach Rom. Sander, der ältere Sohn einer bestialisch ermordeten Bauernfamilie, möchte endlich gern als Blumenmaler Anstellung und Anerkennung haben. Er kümmert sich liebevoll um seinen jüngeren Bruder Hugo, der stumm und im Hintergrund für Sander Farben mischt. In Rückblenden erfahren wir, was die Brüder erlebten, durchlitten und verbrochen haben, ehe sie nach Rom kamen. Aber auch dort war das Glück nicht auf ihrer Seite, und sie folgten dem Angebot des Kardinals Guzmán nach Neapel. Dort muss sich Sander mehr um politische Dinge kümmern, weil er dafür Talent zeigt. Als er nach Palermo beordert wird, gerät er zwischen die Fronten und muss die Brutalitäten und Machenschaften der Inquisition der päpstlichen Kirche und der Gerichtsbarkeit Siziliens am eigenen Leib schrecklich erfahren. Als man endlich denkt, jetzt bekommen die Brüder auch einen Zipfel vom Glück ab, wendet sich das Blatt, und durch Hugos Unberechenbarkeit wird Sander vor die Wahl gestellt, seinen Bruder zu opfern oder in den Krieg zu ziehen. Das Ende ist überraschend, aber geschickt herausgearbeitet und schlägt den Bogen zum Anfang.
Historische Romane leben von zügiger Spannung und der realfantastischen Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Blom hat erfreulich viel recherchiert, es lassen sich unzählige historische Fakten und Persönlichkeiten nachweisen, und er hat ein fantasiereiches Sitten- und Lebensgemälde des italienischen Barocks gezeichnet. Die realen Persönlichkeiten bringen jedoch die Handlung nicht voran, und Erfindungen wie das Mikroskop werden eingestreut, haben aber keine dramaturgische Funktion. Die Hauptpersonen werden gut charakterisiert, sind aber nicht immer schlüssig in der Einheit von Wort und Tat. Auch von einem zum anderen Abschnitt wundert es den Leser schon mal, warum Sander plötzlich Sandro genannt wird und nicht so handelt wie vorher angedeutet. Und welchen Sinn machen die Anlehnungen an Dantes Göttliche Komödie mit ihren Höllenbeschreibungen im ersten Teil, wenn sie dann als Konfliktverstärkung nicht mehr einbezogen werden? In diesem Roman zieht sich das große Thema der Gerechtigkeit durch die Handlung. Die Diskussion und Reflexion darüber stört jedoch manchmal den Handlungsfluss und wirkt dadurch zu langatmig.
Denn grundsätzlich liest sich der Roman von Philipp Blom „Diebe des Lichts“ flüssig und fantasiereich. Durch die detailreiche Beschreibung, wie ein Deckengemälde entsteht, hebt sich der Roman von anderen historischen Büchern ab. Der Stil ist größtenteils dem Thema und der Epochenbeschreibung angemessen. Alles in allem ist es ein interessanter Roman mit gutem Potential.

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