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KTh
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Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 18.06.2024
Toskanisches Verhängnis
Trinchieri, Camilla

Toskanisches Verhängnis


gut

Ein amerikanischer Ermittler in der Toskana
„Toskanisches Verhängnis“ war für mich der erste – und wohl auch der letzte – Teil der Krimiserie von Camilla Trinchieri. Während der Nachname der Autorin basketballerische Emotionen bei mir weckt, war ich erstaunt, dass es sich um eine US-Autorin handelt, die offenbar Donna Leon nachahmen möchte mit ihren Krimis, die die italienische Lebensart auffangen sollen.
Weder das üppige Personal konnte mich in seinen Bann ziehen noch die Geschichte. Bis zum Schluss hatte ich Probleme, die Beziehungsgeflechte zu durchdringen, auch wenn diese häufig thematisiert wurden. Aber warum z.B. hat ein Hund gleich zwei Namen? Während mich verzweigte Personenkonstellationen in skandinavischen Krimis nicht stören, fand ich das „Maresciallo“ hier, „Signorina“ da unangenehm und den Lesefluss behindernd.
Die Vermischung von Rezeptideen und Krimihandlung kann vielleicht dazu führen, dass das Buch von „Eat – Read – Sleep“ besprochen wird, aber mir hat es nicht gefallen. Zumal die Rezepte nicht wirklich ausgeführt werden – okay, bis auf das hinten im Buch …
Arge Probleme hat mir die Lösung des Mordfalls bereitet – lapidar wird über die Tötung des Freundes weggegangen – und auch die Hintergründe der Taten werden nicht wirklich deutlich.
Grundsätzlich hat mich die Geschichte nicht abholen können – und zwar in keiner Weise. Liegt es vielleicht daran, die Vorgängerbände nicht zu kennen?

Bewertung vom 23.05.2024
Krähentage
Cors, Benjamin

Krähentage


sehr gut

Der schlechte Ruf der Krähe
Krähen und Raben gelten hierzulande als Unglücksbringer und werden oftmals mit dem Tod assoziiert. So auch im Thriller „Krähentage“ von Benjamin Cors. Der geht sogar noch weiter, denn die ausgehungerten Krähen tragen eine entscheidende Botschaft mit sich, die den neuen Ermittler*innen aus der „Gruppe 4“ lange Zeit zu schaffen macht.
Jakob Krogh und Mila Weiss sind die Protagonist*innen im Thriller, die gleich in zwei komplexen Fällen ermitteln müssen. Junge Frauen werden missbraucht und gleichzeitig finden sich Tote, die nachweislich nach ihrem Tod noch lebend gesehen wurden. Der erste Fall wird allerdings im Laufe des Buches immer weiter in den Hintergrund gedrängt – die sogenannten „Krähenmorde“ dominieren das Geschehen.
Interessant ist der Wechsel der Erzählperspektive zwischen den Ermittler*innen und dem ungenannten Täter – so wird viel Spannung erzeugt und der Wissensvorsprung der Leser*innen erhöht.
„Krähentage“ ist ein packender Auftakt zu einer neuen Thrillerreihe – mit den Insignien, die ein Thriller braucht: Gänsehautmomente, etwas Brutalität und Härte, blutige – aber nicht zu blutige – Elemente und interessant gezeichnete Charaktere. Spannend geschrieben ist es dazu auch noch – so dass man die Lektüre kaum unterbrechen mag. Das Ende des Romans birgt nicht nur einen Cliffhanger, sondern eine wirkliche Überraschung, mit der selbst erfahrene Leser*innen wohl nicht gerechnet haben.

Bewertung vom 24.04.2024
Nachspielzeiten
Vogelsang, Lucas

Nachspielzeiten


sehr gut

Fußball als persönliches Esperanto

„Nachspielzeiten“ ist eine Sammlung von Geschichten und Geschichtchen über mehr oder weniger bekannte Fußballer – und so finden sich auch auf dem Cover nur stilisierte Männerfiguren, in denen man allerdings nach Lektüre durchaus Vinnie Jones und Paul Gascoigne sowie Franz Beckenbauer und Pelé erkennen kann.
Lucas Vogelsang schreibt flüssig und kenntnisreich, er hat die vermeintlichen Helden offenbar auch getroffen und mit ihnen gesprochen – denn so voller Heldentum sind die Geschichten nicht immer. Viele der beschriebenen Fußballer weisen durchaus Brüche in ihrer Biografie auf, die sie vielleicht sogar menschlicher machen.
Starten möchte ich jedoch mit meiner Hauptkritik: Vogelsang beschreibt oftmals ein charakteristisches Bild, das er mit den skizzierten Personen verbindet. Diese können sich Interessierte natürlich per Suchmaschine auf den Rechner/Tablet oder Co. holen, aber es wäre ein absoluter Mehrwert gewesen, diese in einem Bildanhang im Buch zu haben.
Sprachlich hat mich Vogelsang häufig durch seine deutliche und doch blumige Art fasziniert: Zu Oliver Bierhoff schreibt er z.B.: „Ein Neuanfang in Nadelstreifen, mit Brief und Siegel. Er beherrschte die Sprache des Verbandes. Und hatte dieses Dreiwettertaftige, dieses Bügelfaltige eines FDP-Spitzenkandidaten. Bierhoff hätte auch Versicherungen verkaufen können. Oder Anleihen.“
Mich haben – natürlich – vor allem die Geschichten um die Fußballer abgeholt, die ich selbst live im Stadion gesehen habe: Ailton, Tim Wiese und natürlich König Otto. Und Ioannis Topalidis ist mir sehr sympathisch geworden.
Die Situation, über gemeinsame Sporthelden auch abseits des Sprachlichen mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, kenne ich auch aus dem Basketball – und erlebe sie immer wieder als sehr bereichernd. Einen Basketballvergleich gibt es auch in Stil und Form, erinnert Lukas Vogelsang mich doch sehr an Thomas Pletzinger, dem kongenialen Biographen von Dirk Nowitzki.
Es sind sicherlich nicht die „besten Geschichten“, die der Fußball schreibt, aber diese von Vogelsang zusammengetragenen Geschichten bieten auf jeden Fall einige Stunden Lesegenuss – vielleicht sogar für Nicht-Fußballfans.

Bewertung vom 08.04.2024
Was das Meer verspricht
Blöchl, Alexandra

Was das Meer verspricht


sehr gut

Wen die Meerjungfrau verzaubert
Ein sehr einprägsames Cover: wie mit Öl gemalt ist das Meer zu sehen, darin eine schwimmende oder tauchende Frau im Bikini. Sehr schön – und doch passt es nur zum Teil zum Inhalt des Buches.
Denn in „Was das Meer verspricht“ ist es Marie Quindt, die als Meerjungfrau die kleine Insel N. verzaubert – insbesondere Vida und Zander, die so ungleichen Geschwister. Und da wäre eine – meinetwegen auch stilisierte – Meerjungfrau oder zumindest einer dieser selbsterstellten Meerjungfrauenschwänze doch passender für das Cover gewesen.
Auch wenn Vida schon 27 ist und kurz vor der Hochzeit mit ihrem Jugendfreund Jannis steht, ist „Was das Meer verspricht“ für mich ein Coming-of-Age-Roman. Durch ihre Begegnung mit Marie stellt Vida nämlich zum ersten Mal ihren eigenen Lebensweg in Frage. War sie doch davon ausgegangen, Jannis zu heiraten, Kinder zu bekommen und Laden und Café der Eltern weiter zu führen. Nun steht alles zur Disposition.
Alexandra Blöchls Roman ist nicht laut, aber kraftvoll geschrieben, gut zu lesen und mitreißend. Insbesondere die Figur Vida wird gut ausgearbeitet, ihre Unsicherheiten, Fragen und Entscheidungen sind nachvollziehbar und sympathisch. Andere Figuren bleiben eher blass, wie z.B. Zander oder die Eltern.
Und obwohl der Roman wirklich gut lesbar und die Story gut aufgebaut ist, fehlt mir etwas – um im Wortspiel zu bleiben – Tiefgang.

Bewertung vom 08.04.2024
Mord unterm Reetdach / Kristan Dennermann ermittelt Bd.1
Weißmann, Eric

Mord unterm Reetdach / Kristan Dennermann ermittelt Bd.1


gut

Was zu erwarten war
Ein Krimi auf Sylt – aufgemacht mit reetgedecktem Friesenhaus, Bohlenweg durch die Dünen und Leuchtturm – und genau wie das Cover vermuten lässt, ist auch die Geschichte eines Cosy-Crimes würdig. Ein Immobilienmakler, der zum Detektiv wird, weil der alte Herr, dessen Haus er vermarkten soll, erst verschwindet und dann doch tot aufgefunden wird.
Dabei ist die Hobby-Detektivarbeit nicht ohne Gefahren für Kristan Dennermann und seinen geliebten Corgi, der für mich viel zu viel Raum einnimmt.
Gespielt wird in „Mord unterm Reetdach“ mit allzu vielen Klischees – die Schönen und Reichen sind korrupt und hinterhältig, haben Dreck am Stecken und sagen nur selten die Wahrheit. Dazu wird in diesen Kreisen geprasst, was das Zeug hält.
Die „einfachen Menschen“, zu denen Dennermann sich und seine Mitarbeiterin wie auch das Mordopfer, den kauzigen Hinnerk Petersen, zählt, sind hingegen ehrlich, fleißig und rechtschaffen.
Nein, ich muss sagen, dieser Krimi hat mir nicht gefallen – gut, es gab keine groben handwerklichen Schnitzer, aber sowohl Geschichte als auch Setting sind nicht meins. Vielleicht auch, weil ich das Buch nicht im Strandkorb gelesen habe ...

Bewertung vom 14.03.2024
Das Jahr ohne Sommer
Neumann, Constanze

Das Jahr ohne Sommer


gut

Auf der Suche nach der Heimat
Vorweg sei gesagt, dass ich den Titel des Buches nicht verstehe und ihn auch nicht mit dem Gelesenen in Einklang bringen kann. „Ein Jahr ohne Sommer“ – wo doch viele Sommer beschrieben werden, in denen die Ich-Erzählerin ihre Ferien im „sozialistischen Ausland“ verbringt, um dort ihre Großmutter zu treffen.
Doch beginnen wir am Anfang: Die kurze Erzählung beginnt mit den Erinnerungen eines dreijährigen Mädchens an die misslungene Flucht der Eltern aus Leipzig in den Westen. Sie selbst kommt zunächst ins Heim, anschließend lebt sie bei den Großeltern, während die Eltern im Gefängnis sind. Diese werden „freigekauft“ und gelangen in den Westen – und zwar so richtig: Nach Aachen, die beinahe westlichste Stadt der BRD. Auch die namenlose Ich-Erzählerin kommt mit sechs Jahren nach Aachen.
Im Anschluss werden aus der Perspektive des Mädchens in chronologischer Abfolge die Ereignisse bis zum Mauerfall geschildert – ziemlich ruhig und emotionslos werden Probleme mit der neuen Heimat, mit der rheinischen Art und dem Zusammenleben und -arbeiten geschildert. Angesichts der Tatsache, dass der Roman nur gut 180 Seiten umfasst, ist klar, dass es keine ausführliche Beschreibung gibt, sondern nur Flashlights gesetzt werden.
Eine wiederkehrende Geschichte ist das schon erwähnte Treffen mit der Großmutter, die in Leipzig verblieben ist, in der Tschechoslowakei oder in Ungarn. Wiederkehrend ist auch die Klage der Mutter über die Gefängnisstrafe, in deren Folge sie nicht mehr Geige spielen kann.
Die Sätze von Constanze Neumann sind einfach und kurz gehalten – Emotionen finden sich nur selten und der Tiefgang ist auch gering. Nichtsdestotrotz ist es eine ganz angenehme Lektüre, die für mich als Zeitzeugin jedoch nur wenig Neues gebracht hat. Aber es wird deutlich, dass es für Neumann wichtig war, sich mit diesem Teil ihrer Biografie auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 05.02.2024
Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
Tsokos, Anja;Tsokos, Michael

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge


sehr gut

Der 79-jährige, der in einen Flixbus stieg, um nach Warnemünde zu kommen

Heinz Labensky lebt in einem Feierabendheim, hat eigentlich mit seinem Leben abgeschlossen – und begibt sich doch ganz plötzlich auf eine weite Reise – von Erfurt nach Warnemünde. Statt in die Bahn steigt er in einen – ihm bis dahin unbekannten – Flixbus, ist irritiert vom offenbar indischstämmigen Busfahrer, von seinen Mitreisenden und auch von sich selbst.
Der Roadtrip über Leipzig, Berlin und Rostock ist vielleicht nicht so spektakulär wie seine Vorbilder in den USA und Schweden – und doch erzählen Anna und Michael Tsokos virtuos von einer Welt, in der so vieles anders war als in der BRD: in der DDR. Und Heinz Labensky war immer mittendrin statt nur dabei. So fuhr er die Köpfe der RAF zum Flughafen Schönefeld, die von dort in den bewaffneten Kampf in Jordanien starteten, suchte er in Carinhall das berühmte Bernsteinzimmer oder war an Spionageaktionen gegen Bundeskanzler Willy Brandt beteiligt.
Alles unwissentlich, denn Motor des als bereits in der Grundschulzeit als „förderunfähig“ abgestempelten Heinz Labensky ist seine große Liebe: Rita, die er als Junge kennen- und liebengelernt hat. Außenseiterin wie er im Dorf, dabei aber wild und unberechenbar, klug und mit einem Plan für ihr weiteres Leben. Das sollte nicht in Briesen stattfinden, sondern in Berlin – und so zieht sie mit 17 in die Hauptstadt der DDR, wohin ihr Heinz dann auch folgt. Allerdings ist die Liebe nicht beiderseitig – Rita fühlt sich eher belästigt von Heinz. Sie will dann sogar die Flucht in die BRD wagen – und verschwindet dann von Heinzens Radar, obwohl er doch noch alles tut, um einen Reisepass für Rita zu bekommen.
Erst ein Brief von Ritas Tochter, in dem vom Tod der Mutter viele Jahre zuvor berichtet wird, bringt Heinz zunächst auf den Roadtrip und dann auch dazu, seinen Mitreisenden von seinen „wilden“ Geschichten zu erzählen.
Der Roman ist toll, keine Frage – und doch ist das grundlegende Setting für mich zu konstruiert. Die Anklänge von „Forrest Gump“ und dem „100-jährigen“ sind sicherlich gewollt und auch okay. Aber es sind ja nicht einmal Erzählungen oder Gespräche mit den Mitreisenden, sondern eine Art Selbstgespräch. Heinz ist hierin eloquent, aber eigentlich doch „förderunfähig“ und wird als nicht-lesend, nicht-schreibend und doch etwas zurückgeblieben dargestellt. Da klafft für mich eine intellektuelle Lücke. Zudem wird dieser Aspekt m.E. ein wenig zu häufig aufgeführt.
Stilistisch hat mir Heinzens Sicht auf die Dinge sehr gut gefallen – auch die historischen Anspielungen und typischen ostdeutschen Begrifflichkeiten waren mir bekannt. Aber trotz allem bin ich nicht vollständig begeistert – und das hängt nicht nur mit dem Ende des Romans zusammen.

Bewertung vom 12.12.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


gut

Lasset das Tanzbein schwingen
Anne Stern war mir als Autorin vor der Lektüre von „Lindy Girls“ nur namentlich bekannt, gelesen hatte ich von ihr maximal ihre Insta-Posts. Erzählt wird im Roman die Geschichte von einigen jungen Frauen, deren Namen ich permanent verwechselt habe. Sie sind unter anderem Teil einer von Wally gegründeten und trainierten Tanzgruppe, die allerdings noch auf ihren Durchbruch wartet. Der Charleston ist das bestimmende musikalische Element – leider im Buch häufig auf „Scream for Icecream“ reduziert.
Die grundlegende Stimmung der zwanziger Jahre, der roaring twenties, wird ganz gut eingefangen: Der große soziale Unterschied, die Hinterhofwohnungen, der Dreck und vielfach unhygienische Verhältnisse – kontrastiert durch die Feierlaune, den Champagner und die Tanzvergnügungen z.B. im Friedrichstadtpalast.
Auch gesellschaftliche Fragen wie die Folgen des (Ersten) Weltkriegs, der aufkommende Nationalsozialismus und die Frauenbewegung werden aufgegriffen. Es gibt nur leider kaum neue Aspekte, so dass sich „Lindy Girls“ für mich wie eines von vielen Büchern liest. Es fehlt mir an Tiefgang – die beschriebene Handlung ist doch ziemlich oberflächlich und kratzt nur ab und zu etwas in die Tiefe.
Insbesondere die Vielzahl der Personen hat mich irritiert – zu keiner konnte ich eine emotionale Bindung aufbauen. Auch der Wechsel der Perspektive, der durch die unterschiedlichen Geschichten erreicht wird, hat mich meist eher verstört.
Mein Fazit: Ein ganz gutes Buch, aber mehr leider nicht.

Bewertung vom 12.12.2023
Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen
Engel, Henrike

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen


sehr gut

Schon der vierte Teil einer kurzweiligen Lektüre
Obwohl ich seit Anfang der Serie mit dem Cover fremdele, gefällt mir der Inhalt umso besser. Natürlich ist es irritierend, dass Anne von der Zwaan, wie sich die Protagonistin jetzt wieder nennt, so viel in so kurzer Zeit erlebt, was die Polizei und mit ihr Kommissar Berthold Rheydt auf den Plan ruft. Aber mit ihrer Arbeit als Hafenärztin lässt sich vieles erklären.
Im vierten Teil spielt Heroin, das Erkältungs- und Stärkungsmittel des frühen 20. Jahrhunderts, eine große Rolle. Denn falsch eingenommen, kann es zu Suchtkrankheiten und zum Tod führen. Eine Tatsache, die sich erst langsam durchsetzt.
Unklar ist zunächst, woher das viele Heroin kommt, das nicht in den Apotheken verkauft und gerade den Ärmsten zur Verfügung gestellt wurde. Der Hinweis im Nachwort auf weiterführende Literatur zum Thema war sehr gut – mich hat diese Geschichte des Heroins nämlich sehr verwundert.
Allgemein ist „Die Hafenärztin“ ein gutes Kaleidoskop der beschriebenen Zeit – noch vor dem ersten Weltkrieg in der Hafenstadt Hamburg – mit den Themen, die relevant sind: Auswanderung, soziale Ungleichheit, Abtreibung, Frauenrechte uvm. Neu im vierten Teil ist die Beschäftigung mit der Psychoanalyse, die Helene Curtius umtreibt.
Ich mag die Verquickung von persönlichen und gesellschaftlichen Themen – auch der schlussendliche Ausbruch des „Alsterschwans“ und die Beschäftigung mit dem weit verbreiteten Thema „häusliche Gewalt“ ist ein wichtiger Aspekt, der m.E. auch im Roman zu finden sein sollte.
Henrike Engel ist in allen vier Bänden, die auch jeweils ohne Vorkenntnis der anderen Bände lesbar sind, eine detailreiche Schilderung des Hamburgs im frühen 20. Jahrhunderts gelungen. Die Charaktere entwickeln sich im Laufe der Handlung, die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe sind gut recherchiert.
Mein Fazit: Eine Reihe von historischen Romanen, die sich einer Zeit widmen, die normalerweise nicht so stark im Fokus steht. Eine spannende Handlung, interessante Charaktere und ein gut lesbarer Schreibstil machen „Die Hafenärztin“ in allen vier Bänden zu einer gelungenen Mischung aus historischem Roman und Krimi.

Bewertung vom 02.11.2023
Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1 (eBook, ePUB)
Åslund, Sandra

Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Serienauftakt in Östersund
Ähnlich wie viele Biathlon-Weltcupsaisons in Östersund beginnen, so startet auch die dreibändige Reihe um Maya Topelius ist der tief verschneiten nordschwedischen Stadt. Das war’s dann aber auch schon mit Parallelen zum Sport – auch wenn die Biathlon-Rennstrecke zumindest noch auf der Vorsatzkarte auftaucht.
Maya Topelius und ihr Kollege Pär Stenqvist kommen eigentlich aus Stockholm – werden nun aber zur Verstärkung bei der Aufklärung eines Mordfalls nach Östersund geschickt. Mordopfer ist Mats Anderberg, ein bekannter und offenbar sehr charismatischer Umweltaktivist, dem es um die Rettung der Wälder in seiner Heimat geht.
Genauso wenig wie Anderberg von der einheimischen Forstwirtschaft gemocht wird, werden Topelius und Stenqvist (oder besser: Maya und Pär) von ihren Kolleg:innen zunächst akzeptiert. Hat die örtliche Polizei doch alles versucht, den Mord als Jagdunfall einzustufen. Im Laufe der Ermittlungen verändert sich dieses Verhältnis jedoch.
Neben dem Thema „Wald“ und „Abholzung“, das m.E. sehr gut informiert dargestellt wird, nimmt auch sexueller Missbrauch in verschiedenen Facetten einen breiten Raum ein. Sanna, eine der Freundinnen von Maya, stellt sich nicht nur einer schrecklichen Jugenderfahrung, sondern muss auch aktuell entscheiden, wie sie die Übergriffe eines Kollegen abwehren kann.
„Im Herzen so kalt“ ist ein gelungener Auftakt zu einer neuen Schwedenkrimi-Serie. Die Protagonist:innen werden umfangreich vorgestellt – Orte und Personen sind gut beschrieben. Besonders positiv ist für mich die Literatursammlung zum schwedischen Wald. Das Rezept für die Smorgastorta hat mich schmunzeln und überlegen lassen, ob das Absicht war, um im NDR-Literaturpodcast „Eat. Read. Sleep.“ aufgenommen zu werden.