Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Pitty318
Wohnort: 
Lahn-Dill

Bewertungen

Insgesamt 55 Bewertungen
Bewertung vom 21.05.2023
Samuels Buch
Finzi, Samuel

Samuels Buch


ausgezeichnet

Nicht nur die eigene Geschichte sehr lebendig erzählt

Das Cover besteht aus einem alten Foto aus der Jugendzeit von Samuel Finzi und zeigt ihn bei einem Kopfstand im Freundeskreis. Da das Foto ebenfalls auf dem Kopf steht, ist es ein irritierender Anblick, wodurch das Titelbild meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.

In Samuel Buch erzählt Samuel Finzi aus seinem Leben als kleiner Junge, Teenager und junger Erwachsener im kommunistisch regierten Bulgarien.

Geboren 1966 in eine Künstlerfamilie, sein Vater ist Schauspieler, seine Mutter Opernsängerin, verlebt Samuel eine unbeschwerte Kindheit in Plovdiv und in Sofia. In kleinen Geschichten und Anekdoten lässt er sehr plastisch die Zeit der 70er und 80er Jahre in Bulgarien wieder aufleben. Die Geschichten sind in kurze Kapitel eingeteilt und handeln von familiären Begebenheiten, aber auch von europäischen Ereignissen.

Samuel Finzi erzählt mit Witz und Charme und einer Portion Ironie aus seinem Leben, von den persönlichen Begebenheiten, aber auch von europaweiten Ereignissen. Ich habe viel über Bulgarien, eine mir völlig unbekannte künstlerische Welt gelesen und viel nachgeschlagen und gelernt. Samuel Finzi versteht es, die Geschichten zu vernetzen und einen übergeordneten Rahmen zu geben. Auch sehr traurige Ereignisse aus der jüngeren Geschichte Bulgarien erhalten ebenso einen Platz in seinem Buch.

Mir hat das Buch sehr gefallen und ich empfehle es uneingeschränkt für Personen, die sowohl über das Leben des Schauspielers mehr erfahren möchten und/oder sich für Bulgarien in der Zeit zwischen 1970 bis 1989 interessieren.

Bewertung vom 21.05.2023
Mademoiselle Eiffel und der Turm der Liebe
Villard, Sophie

Mademoiselle Eiffel und der Turm der Liebe


ausgezeichnet

Die spannende Entstehung eines Wahrzeichens

Das Buch handelt von der Zeit zwischen 1886 bis zur Eröffnung des Eiffelturmes im Zuge der Weltausstellung im Jahre 1889. Das Cover zeigt den fertigen Eiffelturm mit einer jungen Frau eingerahmt von rosa farbenen Kirschblüten und filigranen Eisentüren. Das Cover ist sehr schön gestaltet und hat mir vom ersten Blick an sehr gut gefallen.

Die Geschichte des Eiffelturms wird aus der Sicht von Claire, der ältesten Tochter Gustave Eiffels, erzählt. Sie und ihr Mann, der für Gustave Eiffel arbeitet, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Bau des Turmes gelingen konnte.

Sophie Villard hat mit der Geschichte der Familie Eiffel in der Zeit der Entstehung des Eiffelturms erneut ein Buch geschrieben, das sehr spannend und sehr gut recherchiert den Zeitgeist einfängt.
Ich lese sehr gerne die gut geschriebenen und supergut recherchierten Bücher von Sophie Villard. Es mag nicht immer einfach sein, normales bürgerliches Leben in eine Geschichte zu gießen, die für Spannung und Aufregung beim Lesen sorgt. Aber bei Sophie Villard vertraue ich einfach darauf, dass es gelingt und ich bin auch diesmal nicht enttäuscht worden. Sie hat eine tolle Geschichte speziell zum Eiffelturmbau, aber auch zusätzlich mit vielen interessanten historischen Details (u.a. Sufragetten-Protest im Zusammenhang mit der Freiheitsstatue, Bau des Panama-Kanals) in diesem Buch herausgearbeitet und dargestellt. Die Geschichte ist gespickt mit zahlreichen geschichtlichen Details angefangen von der Idee zur Entstehung der Freiheitsstatue über Schriftsteller Alexandre Dumas jun. bis hin zu Theo van Gogh, den Bruder von Vincent, der es übernommen hatte für seinen malenden Bruder die Bilder zu verkaufen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da es mich angeregt hat, mich mit den Persönlichkeiten und Figuren, dem Bau des Eiffelturms und dem Zeitraum intensivst zu beschäftigen. Ich bin eingetaucht in die Geschichte des Eiffelturms mit all seinen Problemen und in eine Zeit des Aufbruches und der zahlreichen, technischen Erfindungen, die die Welt für immer verändert haben (elektrisches Licht, Sendeanlagen, Telefone).

Es war ein großes Vergnügen, das Buch zu lesen. Ich kann die wunderschön erzählte Geschichte uneingeschränkt empfehlen.

Bewertung vom 26.01.2023
Vanessa und die Kunst des Lebens / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.2
Martin, Stefanie H.

Vanessa und die Kunst des Lebens / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.2


ausgezeichnet

Ein toller Roman mit einem sehr guten Einblick in die Zeit von 1910 bis 1918

Über Vanessa, die Schwester von Virginia Woolf, hatte ich bisher überhaupt keine Kenntnisse, auch über deren Bedeutung für eine neue Kunstrichtung war mir nichts bekannt. Von daher habe ich durch den Roman eine mir völlig neue, faszinierende Frau kennengelernt. Es geht überwiegend um Vanessa, aber auch an Virginias Leben kann die Leserin/der Lesen teilhaben.

Der Schreibstil ist sehr gut lesbar, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Die Orte sind so beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, die Häuser und auch teilweise die Einrichtung vor meinem geistigen Auge zu sehen.

Begeistert hat mich aber auch, wie viele Personen die Autorin als Charaktere in dem Roman mit einbezogen hat: Maler, Dichtern und bekannte Personen aus politischen Kreisen der Zeit. Es fühlte sich so an, als ob ich als Leserin mit zu der Bloomsbury-Gruppe gehört habe. Das war ein tolles Gefühl und ich war etwas traurig als das Buch zu Ende war. Dieser Band gefiel mir noch besser als der erste Band.

Faszinierend war es für mich mitzuerleben, wie Vanessa Bell nicht nur ihr Privatleben nach ihren Wünschen lustvoll organisierte, sondern auch, wie sie es schaffte, ihre "Männer" nicht zu verärgern. Eine Menage à trois ist nichts dagegen und auch für heutige Verhältnisse würde man diese Lebensweise mehr als nur modern bezeichnen.

Sehr gerne hätte ich allerdings noch erfahren, wie Virginia und ihr Mann auf die Idee kamen eine Druckpresse anzuschaffen und woher sie diese bekommen haben. Dieser Lebensbereich von Virginia und Leonard hätte für mich etwas ausführlicher sein können. Aber das ist eindeutig Jammern auf hohem Niveau.

Ich kann das Buch sehr empfehlen, wenn man sich für das Leben der Schwestern Vanessa und Virginia interessiert. Aber auch, wenn man in diese Zeit des Aufbruches in die Moderne eintauchen möchte, ist es empfehlenswert, da zahlreiche kulturelle und politische Ereignisse eingewoben wurden.

Bewertung vom 12.11.2022
Die guten Frauen von Safe Harbour. Ein lebensbejahender Roman über Freundschaft und Versöhnung
French, Bobbi

Die guten Frauen von Safe Harbour. Ein lebensbejahender Roman über Freundschaft und Versöhnung


ausgezeichnet

Von Liebe und Versöhnung nach traumatischen Erlebnissen - ein Lesehighlight

Frances und Annie sind als Kinder und Jugendliche ein Herz und eine Seele. Danach nimmt Frances Leben eine ganz andere Entwicklung und Richtung als das von Annie. Nach Jahrzehnten begibt sich Frances ausgelöst durch eine Krebserkrankung und geschubst von einer neuen Freundin auf Spurensuche in die Vergangenheit. Dabei öffnen sich unversehens seelische Tresore.

Eine sehr bewegende, aus dem Leben gegriffene Geschichte über Zuneigung, Freundschaft und Liebe. Ich habe noch nie ein Buch gelesen, dass so prallvoll war mit Liebe, Liebe in allen möglichen Formen. Ein Buch, bei dem ich am Ende Tränen vergossen habe, weil es so voller Liebe ist. Liebe zu einer Tochter, Liebe zu einer jungen Frau, Liebe zu einer alten Freundin usw. ..... und das Ende zeugt von sehr viel Liebe und Zuneigung von Frances zu sich selbst. Sie will diesmal die Kontrolle über ihr Leben behalten. Wird es ihr gelingen?
An keiner Stelle wirkt das Buch sentimental, da es eher sachlich, beschreibend und schnörkellos geschrieben ist.
Die Dialoge der auftretenden Personen haben mir besonders gut gefallen. Sie sind schlicht, begrenzen sich auf das Wesentliche und ermöglichen trotzdem einen tiefen Zugang füreinander. Zudem sprechen die Handlungen sowohl von Frances, der Protagonistin, als auch von Edie und Annie eine eindeutige Sprache und sie zeigen so ihre freundschaftlichen und liebevollen Gefühle füreinander.

Das Buch hat mich sehr überrascht, da ich vom Titel her einen größeren Personenkreis erwartet hatte. Trotzdem hat es an nichts gefehlt. Das Leben von Frances hatte viele unschöne Überraschungen für sie bereit gehalten, die im Verlauf der Geschichte erzählt werden. Aber die freundschaftliche Liebe und Versöhnungsfähigkeit, die im Verlauf des Buches, auch in Briefen, entfaltet wird, ist unglaublich bewegend. Von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung für Menschen, die sich an ein so ernstes Thema trauen.

Bewertung vom 09.10.2022
Das Versprechen von Glück / Töchter der Speicherstadt Bd.3
Marschall, Anja

Das Versprechen von Glück / Töchter der Speicherstadt Bd.3


ausgezeichnet

Ein toller, letzter Band der Hamburger Kaffee-Saga

Das Versprechen von Glück ist der letzte Band der Trilogie „Die Töchter der Speicherstadt“ von Anja Marschall. In diesem Band wird die turbulente Geschichte von Cläre, Anna und der Tochter und Enkelin Frieda erzählt. Die Kaffeehandelsfirma Behmer & Söhne wird vor einige Herausforderungen gestellt. Welche Lösungen wird es geben? Aber auch in den Liebesbeziehungen läuft nicht alles rund. Und Erna, die Hausangestellte, muss unfreiwillig einige kribbelige Abenteuer überstehen.

Auch der dritte Band der Hamburger Kaffee-Familien-Saga hat mir sehr gut gefallen.
Das Buch las sich für mich als würde ich die Familie Behmer persönlich kennen, so lebensnah erzählt Anja Marschall. Nichts wirkte künstlich oder aufgesetzt. Zahlreiche geschichtliche Ereignisse sind wieder passend in die Erzählung eingewoben.
Die spannungsreichen Situationen, die die Teilung Deutschlands an den Grenzübergängen der innerdeutschen Grenze für alle Beteiligten spürbar werden ließ, sind so realistisch wiedergegeben, dass ich mich fragte, wie konnte sie „meine Gefühle“ kennen. Die Autorin hat die Stimmung auf den Punkt getroffen. Auch der Erzählstrang um Irma wirkt mit ihren Erfahrungen in der DDR sehr authentisch.
Was mich an allen drei Bänden der Reihe besonders überzeugt hat, sind die zahlreichen ausgearbeiteten Charaktere - auch von den Figuren, die Nebenrollen innehaben, erfahren wir ihre Sorgen und Nöte. Somit ist eine kleine Lebenswelt entstanden, in der ich mitgelebt und mitgefiebert habe und die ich als Leserin nur ungern verlassen habe. Zum Ende des Buches habe ich daher immer langsamer gelesen, damit es nicht so schnell zu Ende geht. Von dieser Reihe hätte ich gerne mehr als drei Bände gelesen!
Es ist mein erstes Buch, bei dem ich im letzten Kapitel ein Gänsehaut-Feeling bekam, weil die erzählte Situation so stimmig und sehr anrührend für mich war. Sehr gerne empfehle ich nicht nur Band 3, sondern die ganze Reihe der Hamburger Kaffee-Saga uneingeschränkt weiter.

Bewertung vom 05.09.2022
Denk ich an Kiew
Litteken, Erin

Denk ich an Kiew


ausgezeichnet

Sehr schockierender Teil der Geschichte der Ukraine

„Denk ich an Kiew“ ist in großen Teilen die wahre Geschichte der Familie der Autorin, die ukrainische Wurzeln hat. Über Katja, die Großmutter, und Cassie, ihre Enkelin, wird in zwei Erzählsträngen berichtet. Ein Erzählstrang beginnt 1930 und spielt in der Ukraine, der zweite 2004 in Illinois (USA). Einen großen Abschnitt nimmt die stalinistische Umerziehung und Säuberung in der Ukraine ein, die sehr persönlich und hautnah geschildert wird. Die Auswirkungen des Holodomor sind grausam, es ist daher kein einfach zu lesendes Buch.

Der Schreibstil ist sehr eingängig und die Geschichte liest sich sehr flüssig. Aufgrund der einschneidenden Ereignisse habe ich das Buch öfters aus der Hand legen müssen, um durchatmen zu können. Mich hat dieser Teil der Geschichte der Ukraine sehr schockiert. Dass das Buch so aktuell zum Angriff der Ukraine durch Putin herausgekommen ist, war offenbar nicht beabsichtigt, aber es gibt dem Buch eine hohe Aktualität. Die einzelnen Kapitel sind sehr spannend erzählt. Erin Litteken sprach während der Recherche für das Buch mit vielen Überlebenden der Familie in der Ukraine und die ausgiebige Recherche merkt man ihrer Erzählung auch an.

Viele mir unbekannte Zusammenhänge hat Erin Litteken in diese beeindruckende und spannende Erzählung gepackt. Es ist ein Buch, das Spuren hinterlässt und für mich ein Lesehighlight des Jahres 2022 ist. Ich gebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Wer tief in die Geschichte der Ukraine einzutauchen möchte, wird nicht enttäuscht werden.

Bewertung vom 30.08.2022
Die 718. Braut
Stobbe, Dory

Die 718. Braut


ausgezeichnet

Ein mutiges, sehr persönliches und spannend geschriebenes Buch

Dory Stobbe erzählt in ihrem Buch sehr authentisch ihre ganz persönliche Geschichte. Sie beschreibt, wie sie in den 70er Jahren in Berlin als 17-jährige junge Frau ein Mitglied der weltbekannten Moon-Sekte/Vereinigungskirche wurde, welche Erfahrungen sie im Verlauf der Zeit innerhalb der Sekte gemacht hat, welche Überzeugungen sie über Jahrzehnte hatte und berichtet von ihrem langen Weg aus der Sekte heraus.

Das Buch hat vom Cover her eher eine schlichte Aufmachung. Als Foto wurde eines der wichtigen öffentlich wirksamen Ereignisse der Sekte gewählt: eine Massenhochzeit, welche in unregelmäßigen Abständen von der Vereinigungskirche bis heute (besonders in Südkorea) veranstaltet werden. Da ich mich noch genau an den Moment erinnern konnte als ich als Jugendliche Fotos einer Massenhochzeit im Fernsehen sah, war mein Interesse für das Buch und die Geschichte von Dory geweckt.

Der Schreibstil des Buches ist sehr flüssig und sehr gut lesbar. Die ganze Geschichte war für mich so spannend beschrieben, dass ich das Buch nur wenige Male aus der Hand legte. Die Spannung war allein dadurch gegeben, dass entweder etwas passierte (z. B. Umzug in ein anderes Land, eine neue Aufgabe, eine Änderung der Lebensumstände) oder einschneidende emotionale Erlebnisse für Dory (Vermählung, Hochzeit, Geburt der Kinder) eingetreten sind..

Doris Stubbe lädt uns ein, mit ihr hautnah einen großen Teil des Lebensweges zu gehen und auch sie stellt sich selbst die Frage, warum bin ich so viele Jahre in der Gemeinschaft geblieben und habe sie nicht früher verlassen können? Was hat mich dort gehalten? Was hätte mir geholfen auszusteigen? Sie hat in der Vereinigungskirche viel gesehen, viel erlebt und ist so manches Mal über ihren eigenen Schatten gesprungen, berichtet zudem auch über viele schockierende Ereignisse innerhalb der Sekte. An zahlreichen Stellen stößt sie auf Ungereimtheiten und bleibt doch weiter in der Gemeinschaft.

Das Buch hat mich sehr nachdenklich gestimmt, da es für mich zentrale Fragen für einen Menschen aufgeworfen hat. Woher habe ich meine Überzeugungen? Wie kann ich sie hinterfragen? Warum glaube ich, dass ich mich nicht irre? Wie weit gehe ich, um nicht außerhalb einer Gemeinschaft zu stehen?
Obwohl es ein Buch über eine religiöse Gemeinschaft/Sekte ist, ist der Mechanismus des Verhaftens in irrigen Überzeugungen von Menschen wahrscheinlich universell. Überzeugten Anhängern von manchen Gruppierungen oder Gemeinschaften die Augen zu öffnen, kann eine schier unmögliche Aufgabe sein. Solche blind überzeugten Anhänger gibt es heute auch (wieder) sowohl auf religiöser als auch politischer Ebene. Daher handelt es sich nicht um ein altes Thema, sondern um ein sehr aktuelles.

Ein sehr reflektiert geschriebenes Buch über die Vorgänge im Inneren der Vereinigungskirche an Hand persönlicher Erlebnisse. Ich spreche sehr gerne dafür eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus. Meiner Ansicht nach kann das Buch auch sehr gut als Diskussionsgrundlage in Schulen verwendet werden.

Bewertung vom 11.07.2022
Winterschwestern (eBook, ePUB)
Hannah, Kristin

Winterschwestern (eBook, ePUB)


gut

Tolles Thema, aber ich habe mir schwer getan mit dem Lesens des Buches.

Winterschwestern erzählt die Geschichte zweier Schwestern und ihrer ca. 80-jährigen Mutter nachdem der Vater verstorben ist. In Rückblicken werden die sehr emotionalen und traumatischen Erlebnisse der Mutter in ihrem früheren Leben nach und nach erzählt. Eine sehr dramatische und emotional bewegende Geschichte kommt zum Vorschein.

Das Cover gefällt mir gut. Magnolienblüten, die noch verschlossen sind, deuten an, dass es noch kalt ist und anschließend aber der Frühling beginnt. Wir befinden uns also zeitlich am Übergang, es entwickelt sich etwas.

Der Schreibstil wirkte für mich über weite Kapitel hinweg wenig flüssig, eher abgehackt. Lag es an der Übersetzung, dass diese eventuell nicht so gelungen war? Erst bei der Erzählung des ersten Märchens durch die Mutter ist es anders und das Märchen wurde spannend und ohne Brüche flüssig erzählt. Daher ist die unterschiedliche Erzählweise vermutlich ein Stilmittel der Autorin, um die Brüche, Ecken und Kanten in den Lebenswegen der Schwestern und ihrer Mutter zu verdeutlichen.

Meredith und ihre Schwester Nina haben sehr unterschiedliche Lebensentwürfe, beide sind erfolgreich und doch gibt es unterschwellig Verhaltensweisen, die verwundern. Ganz dezent hat die Autorin Ungereimtheiten eingebaut, die mich an den Inhalt des Buches „Kriegsenkel“ erinnerten.

Das Verhältnis der Schwestern zur Mutter ist sehr angespannt, große Enttäuschungen über deren liebloses Verhalten sind vorausgegangen. Mich hat das Thema, wie traumatische Erfahrungen und nicht verarbeitete Erlebnisse der Eltern sich auf das Familiengefüge und auf die Lebenswege der Kinder auswirken, sehr bewegt. Beim Inhalt hatte ich jedoch oft die Frage, ist das realistisch? Warum hat die Mutter sich nicht noch einmal gekümmert? Wie kann eine Ehefrau ihren Mann lieben, aber die Kinder nicht? Es sind so viele Fragen offen geblieben, so dass die Geschichte nicht rund auf mich wirkte. Auch das Ende ist nicht mein Fall und passt psychologisch betrachtet so gar nicht hinein.

Die Erlebnisse der Mutter vor der Familiengründung in Amerika wurden dagegen ausgesprochen intensiv, glaubhaft und realistisch geschildert. Mit so einer dichten, berührenden Geschichte in der Geschichte hatte ich nicht gerechnet.
Ich habe das Buch, das auf historischen Ereignissen der Kriegszeit des II. Weltkrieges beruht, sehr gerne gelesen. Es lässt eine Zeit lebendig werden, die zu gerne vergessen wird. Leider gab es aber kein Nachwort, das erklärte, welche Anteile Fiktion und welche Realität waren.

Ich kann das Buch empfehlen für Menschen, die hautnah erfahren möchten, wie unbewältigte, verschwiegene Traumaerlebnisse Einfluss auf das Leben nachfolgender Familienmitglieder nehmen können.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.07.2022
Virginia und die neue Zeit / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.1
Martin, Stefanie H.

Virginia und die neue Zeit / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.1


ausgezeichnet

Bewegend und berührend: eine Kindheit und Jugend unter erschwerten Bedingungen

Das Buch ist der erste Band aus einer Trilogie über die englische Schriftstellerin Virginia Stephen (spätere verheiratete Woolf) und deren Verwandtschafts- und Freundeskreis. Ihre Mutter hatte nach dem frühen Tod ihres ersten Mannes den Witwer Leslie Stephen geheiratet. Die Familie war daher eine Patchworkfamilie und bestand aus vier eigenen Kindern (Virginia, ihre Schwester Stella und die beiden Brüder Adrian und Thorby) und vier Kindern aus den früheren Ehen der beiden Ehepartner. Ihre Mutter verstarb als sie 13 Jahre alt ist, der Vater als sie 17 ist. Auf sich allein gestellt gründen die vier Stephen-Geschwister eine Wohngemeinschaft. Dort kommen später berühmte Schriftsteller, Wissenschafter und Künstler zum Verweilen und Diskutieren zu Besuch, die die Brüder Stephen von der Universität kennen.

Das Cover des Buches ist sehr ansprechend gestaltet. Es zeigt ein Foto von Virginia Woolf in jungen Jahren und man erkennt eine sehr attraktive Frau.
Gegliedert ist das Buch nach Kapiteln, die den Aufenthaltsorten der Familie entsprechen. Die verschiedenen Wohnorte und Kulissen sind sehr gut beschrieben, so dass man sich die Orte und Begebenheiten sehr gut vorstellen kann.

Der Schreibstil des Buches ist außergewöhnlich schön, klar und in einer besonderen Weise poetisch. In kursiv sind einige Zitate eingebaut und Briefe von, später bekannt gewordenen, Schriftstellern abgedruckt. Leider gibt es keinen Hinweis, ob es sich tatsächlich um Originalbriefe handelt, das bleibt daher eine Vermutung.

Viele interessante Informationen hielt das Buch über die Kindheit und Jugend von Virginia Woolf für mich bereit. Dadurch konnte ich sie viel besser verstehen. Ich bin mit dem Buch eingetaucht in das Leben in dieser Zeit des Umbruches von einem stark vorgeschriebenen Weg einer Frau zu mehr Selbstbestimmung und Mitbestimmung. Die Frauen in der Gruppe der Bloomsberries sind entscheidende Schritte vorausgegangen, allen voran Virginia und ihre Schwester Stella.

Ich kann das Buch sehr empfehlen für Lesende, die sich für die Zeit am Anfang des 20. Jahrhunderts (hier von 1903-1909) interessieren und mehr über Virginia Woolf erfahren möchten.