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Benutzername: 
Thomas Alba
Wohnort: 
Herbrechtingen

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 15.02.2024
Das Lächeln der Königin
Gerhold, Stefanie

Das Lächeln der Königin


gut

Fast jeder kennt die Büste der Nofretete, die 1924 erstmals im ägyptischen Museum der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Doch kaum jemand kennt heute noch den jüdischen Textilfabrikanten James Simon, der als Kunstmäzen in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Kunstszene Berlins geprägt hat wie kaum ein anderer. Stefanie Gerhold holt mit ihrem ersten Roman „Das Lächeln der Königin“ nun diesen Mann, ohne den die Berliner Museumsszene heute deutlich ärmer wäre, zurück ins Licht der Öffentlichkeit. Und diese Würdigung hat der Philanthrop James Simon, der Armen- und Waisenhäuser unterstützte und seine Sammlung an Renaissance-Kunst dem König-Wilhelm-Museum (heute Bode-Museum) als Schenkung überließ, längst verdient.

Dass die Nofretete heute in Berlin zu sehen ist, ist nicht selbstverständlich, stritten sich damals doch England (das Besatzungsmacht in Ägypten war), Frankreich (das den ägyptischen Antikendienst, den „Service d’Antiquités Égyptiennes“, leitete und Deutschland, das die Grabungsleitung bei der archäologischen Expedition innehatte, um die Büste. Bezeichnenderweise kam keiner der Streithähne auf die Idee, dass die Büste eigentlich Ägypten gehört.

„Das Lächeln der Königin“ ist eine Liebeserklärung an die Kunst, eine Würdigung des Mäzens James Simon, der nach der Machtergreifung der Nazis trotz seiner Verdienste gezielt aus dem Gedächtnis Berlins gestrichen wurde (was er nicht mehr erleben musste, da er 1932 verstarb) und nicht zuletzt ein Porträt der jüdischen Gesellschaft in Berlin und Deutschland, die maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung Deutschlands als Kulturnation im Kaiserreich und der Weimarer Republik hatte. Dabei hält sich die Autorin weitestgehend an die bekannten Fakten und fühlt lediglich die Leerstellen der Geschichte mit fiktionalen Szenen.

Teilweise hat „Das Lächeln der Königin“ einen reportagehaften, fast an ein Sachbuch erinnernden Stil, insgesamt ist das Buch aber gut lesbar. Wer mehr über den Mann, der die Nofretete nach Berlin gebracht hat, erfahren möchte, liegt hier richtig.

Bewertung vom 07.02.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

Manchmal findet die Leserin oder der Leser ein besonderes Buch und manchmal findet ein besonderes Buch sein Publikum. So ging es mir mit „Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver, einem Obelisken von Roman, der von einigen Kritikern schon als „David Copperfield“ für das aktuelle Jahrhundert beziechnet wurde. Und ja, dieser Vergleich liegt nahe, nicht umsonst haben beide Protagonisten die gleichen Initialen. Und ähnlich wie das Meisterwerk von Dickens entwickelt die Geschichte um Demon, der eigentlich Damon heißt, aber nur von der Nachbarsfrau so genannt wird, einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.

Demon hat es von Anfang an nicht leicht. Der Vater stirbt vor seiner Geburt, die Mutter kämpft ständig mit ihrer Sucht und heiratet den falschen, weil gewalttätigen, Mann. Geborgenheit findet er nur bei den Nachbarn, der Familie Peggot, die im gleichen Trailerpark irgendwo in den Apalachen lebt. Und hier beginnt auch seine Odyssee durch Armut, Drogensucht, Pflegefamilien und Gewalt. Aber Demon ist ein Kämpfer, ausgestattet mit einem knochentrockenen Humor. Und er nimmt den Kampf an, auch wenn das Leben ihm jedesmal aufs Neue Steine in den Weg legt.

Demon Copperhead ist ein tragisches, aber auch komisches Buch, das das Leben in all seinen Facetten und Grausamkeiten zeigt, dem aber auch immer ein Funken Hoffnung innewohnt. Denn Demon entwickelt sich, allen Widrigkeiten zum Trotz zu einem starken Charakter, der entschlossen und klug seinen Weg geht.

Barbara Kingsolver gelingt es dabei, dem Publikum ein zutiefst gespaltenes Amerika aus einer Perspektive zu zeigen, die man so in der Regel nicht kennenlernt. Sie schreibt übe soziale Ungerechtigkeiten, Armut, Drogensucht und Gewalt, aber sie verurteilt die Protagonisten nicht. Im Gegenteil, in jeder Zeile schwingt auch Verständnis für ihre tragischen Helden mit. Für mich ein Buch, das trotz mehr als 800 Seiten nie langweilig wurde und Blickwinkel eröffnet, die ich so noch nicht kannte. Dies wurde auch schon gewürdigt, die Autorin erhielt für „Demon Copperhead“ den Pulitzer-Preis 2023 in der Kategorie „Belletristik“.

Bewertung vom 15.01.2024
Der Spurenfinder
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder


gut

Unterhaltsame Geschichte

Marc-Uwe Kling hat mit dem Känguru eine der unterhaltsamsten Figuren der neueren deutschen Literatur geschaffen und auch sein Neinhorn hat seine Fans gefunden. Mit "Der Spurenfinder" wendet sich der Autor nun an ein kugendliches Publikum und unterhält dabei gut, allerdings ohne bei mir einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Die Geschichte um den Spurenfinder (nicht Spurensucher!) Elos von Bergen, der mit seinen Kindern, den Zwillingen Ada und Naru im selbstgewählten Exil im langweiligen Dorf Friedhofen lebt, seit ein nachtragender Nachtmagier ihm und seiner Familie ans Leder wollte, strotzt vor Albernheiten und grotesken Ideen und macht dabei wirklich Spaß, zumindest zu Beginn. Doch je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr scheint es, als habe das Autorentrio (neben ihm werden Johanna und Luise Kling genannt) sein Pulver zu früh verschossen. Denn die Auflösung des Kriminalfalls ist wirklich schwach in meinen Augen, da hätte ich mir mehr erhofft.
Insgesamt eine nette Lektüre für Zwischendurch, mehr leider nicht...

Bewertung vom 09.01.2024
Essex Dogs
Jones, Dan

Essex Dogs


ausgezeichnet

Der hundertjährige Krieg "von unten"

Bislang war Dan Jones vor allem als Historiker und TV-Host bekannt. Nun hat er sich mit „Essex Dogs“ erstmalig an einen Roman gewagt. Für mich ein folgerichtiger Schritt, denn schon seine Sachbücher sind spannender und lebendiger als viele historische Romane geschrieben.

In „Essex Dogs“ lernen wir eine Gruppe von Söldnern kennen, die im Hundertjährigen Krieg in Frankreich als Vorhut der regulären englischen Truppen kämpft. Dabei nimmt sich Jones die Zeit, die einzelnen Charaktere einzuführen und ihnen Tiefe zu verleihen. Und so gewinnt man als Leserin oder Leser den bunt zusammengewürfelten Haufen aus Engländern, Walisern und Schotten schnell lieb, auch wenn die Geschichte der Truppe oftmals durchaus brutal ist.

Jones nimmt dabei konsequent die Perspektive der Söldner ein, er beschreibt den Krieg aus der Sicht der Soldaten und nicht aus der Sicht des Adels. Diese Perspektive unterscheidet sich von vielen anderen Romanen, die oft nach dem Motto „junger Krieger kämpft sich nach oben und rettet schließlich dem König oder einem hohen Adligen das Leben“ ablaufen. Denn die Protagonisten in „Essex Dogs“ kämpfen in erster Linie darum, den Konflikt zu überleben und Beute zu machen. Das mag weniger heroisch sein als in vielen anderen Romanen, wirkt dafür aber umso authentischer.

Dabei gelingt es Jones sehr gut, die Abenteuer seiner Truppe in das historisch verbürgte Geschehen einzubauen, so dass der er ein durchaus schlüssiges Bild zeichnet. Sein Roman schafft dabei mühelos die Balance zwischen brutalen Szenen und nachdenklichen, teilweise sogar gefühlvollen Episoden. Ich fand den Perspektivwechsel, den er mit seiner Geschichte vollführt, wirklich spannend und freue mich schon auf die nächsten Bände seiner Trilogie, denn den hundertjährigen Krieg „von unten“ kannte ich bisher noch nicht.

Bewertung vom 28.12.2023
Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1
Gold, Robert

Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1


ausgezeichnet

„Twelve Secrets – Niemand sagt die Wahrheit“ von Robert Gold bedient sich eines altbekannten Themas in Krimis und Thrillern: eine Kleinstadt und ihre Geheimnisse. Und das ziemlich ausgiebig, der Titel „Niemand sagt die Wahrheit“ darf durchaus wörtlich genommen werden.

Die Ausgangslage, die der Autor hier bereitet, könnte kaum dramatischer sein: vor 20 Jahren wurden Ben Harpers älterer Bruder und dessen bester Freund scheinbar grundlos von zwei Mitschülerinnen ermordet, zehn Jahre später beging seine Mutter angeblich Selbstmord, nachdem sie Kontakt mit einer der Mörderinnen aufgenommen hatte. Ben, der sich als Journalist auf True-Crime-Fälle spezialisiert hat, weigert sich aber beharrlich, über die Tragödie seiner Familie zu schreiben. Doch als es zu einem weiteren Mord, der in Verbindung zu den Geschehnissen der der Vergangenheit steht, kommt, beginnt Ben, in seiner Heimatstadt zu recherchieren und stößt bald auf zahlreiche Ungereimtheiten.

Ben ist ein durchaus sympathischer Charakter, dessen Handlungen und die anfängliche Weigerung, über das persönliche Drama zu schreiben, absolut glaubwürdig sind. Das Problem an der Geschichte sind meines Erachtens die Nebenfiguren, die alle irgendwelche Geheimnisse verbergen, die direkt oder indirekt mit den Morden vor 20 Jahren zusammen hängen. Dies führt zu einer verwirrenden Anzahl von Personen, die man als Leser*in erst einmal sortieren und zuordnen muss. Außerdem kommt es dadurch zu einigen unglaubwürdigen Wendungen, man hat das Gefühl, als sei dem Autoren die Handlung teilweise entglitten und er versucht, sie irgendwie einzufangen.

Ein zweiter Schwachpunkt ist die relativ farblose Polizistin Dani Cash, die Gold als Partnerin von Harper etablieren möchte, die aber von der Präsenz des Journalisten geradezu erdrückt wird. Hier hätte ich mir einen stärkeren Gegenpol zu Ben gewünscht.

Insgesamt ist das Buch durchaus spannend, hat aber einige unglaubwürdige Wendungen zu verkraften und bietet noch viel Luft nach oben. Insofern ist es kein totaler Ausfall, über eine mittelmäßige Bewertung bei mir aber nicht hinaus. Aufgrund der vorhandenen Ansätze würde ich Gold noch einen zweiten Roman zubilligen, wenn der mich aber wieder nicht überzeugt, wäre die Reihe um Harper und Cash für mich erledigt.

Bewertung vom 08.11.2023
Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1
Åslund, Sandra

Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1


gut

Als die neunjährige Frida im verschneiten Wald die Leiche des bekannten Umweltschützers Mats Anderberg findet, werden die Stockholmer Kriminalinspektorin Maya Topelius und ihr Partner Pär Stenqvist nach Östersund geschickt, um die Ermittlungen vor Ort zu unterstützen. Schnell stellt sich die Frage, ob der Aktivist für die örtliche Holzlobby zu unbequem geworden ist. Oder liegt das Motiv ganz woanders? Als es einen zweiten Mord gibt und Frida im Wald verschwindet, während ein Schneesturm aufzieht, spitzt sich die Lage dramatisch zu.

Sandra Åslund packt in den ersten Roman um Maya Topelius sehr viele verschiedene aktuelle Themen hinein. Umweltschutz im Konflikt mit Gewinnstreben der Holzindustrie, von der große Teile Östersunds wirtschaftlich abhängig sind, toxische Männlichkeit, Frauen, die unter dem Machismo der Männer leiden und eine Ermittlerin, die vor den Trümmern ihrer Beziehung steht, während sich am Horizont eine Liebesgeschichte andeutet. Viel Stoff also für knapp 400 Seiten Kriminalroman. Und leider muss ich sagen: in meinen Augen zu viel Stoff, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass keines der Themen wirklich befriedigend aufgelöst wurde. Zwar wird der Fall gelöst, aber das passiert eher nebenbei und zufällig, weil Maya zufällig zur rechten Zeit am richtigen Ort ist und der Täter sich seltsam dilettantisch anstellt, und sich selbst in den Mittelpunkt der Ermittlungen stellt, obwohl ihn weder die Polizisten noch die Leserinnen und Leser wirklich auf der Rechnung haben.

Maya selbst definiert sich zum einen über ihren deutschen Vater und zitiert ständig deutsche Sprichwörter, die in Schweden selten verstanden werden und zum anderen über ihre Freundinnen, von denen vor allem Sanna, die vor kurzem einen sexuellen Übergriff erlebt hat, im Vordergrund steht.

Über Pär erfährt man kaum etwas, außer, dass er am New York-Marathon teilnehmen möchte und verheiratet ist. Und die Östersunder Kollegen bleiben fast durchgehend farblose Provinzpolizisten, die natürlich nicht über die Einmischung aus Stockholm begeistert sind und teilweise sogar wie inkompetente Dorftrottel wirken, die den Fall lieber heute als morgen begraben würden. Lediglich der Polizist Hilding bekommt die Möglichkeit, im Rahmen der Ermittlungen etwas mehr Profil zu gewinnen.

Ähnliches gilt für den Gerichtsmediziner Christoffer, der als potentielles Love-Interest von Maya etabliert wird. Er ist natürlich intelligenter und aufgeschlossener als die örtlichen Polizisten und unterstützt Maya von Anfang an. Letztendlich erscheint er so perfekt, dass er auf mich einfach nur langweilig gewirkt hat.

Und auch die anderen Personen, die in Östersund im Rahmen der Ermittlungen auftreten, sind eher uninteressant und farblos, lediglich Frida und ihre alleinerziehende Mutter werden genauer ausgearbeitet.

Insgesamt hat mich „Im Herzen so kalt“ nicht wirklich überzeugt. Zwar schreibt die Autorin angenehm und flüssig, aber die Spannung bleibt doch zu oft auf der Strecke. Und dass der Fall eher zufällig gelöst wurde, hat mich auch nicht überzeugt. Insofern ist „Im Herzen so kalt“ ein Serienauftakt, der noch viel Luft nach oben lässt…
 

Bewertung vom 22.10.2023
Wie Sterben geht
Pflüger, Andreas

Wie Sterben geht


ausgezeichnet

Mehr Le Carré als Fleming

Eine alte Filmregel lautet: „Beginne einen Film mit einer Explosion und steigere dich dann.“ Und genau das hat Andreas Pflüger in seinem neuen Thriller „Wie Sterben geht“ beherzigt. Denn das Buch beginnt mit einem wahren Knalleffekt.

Andreas Pflüger ist im Bereich Krimi und Thriller in Deutschland kein Unbekannter, konnte er doch mit Büchern wie „Operation Rubikon“ oder seiner Trilogie um die blinde Polizistin Jenny Aaron die Bestsellerlisten stürmen und schrieb mit den Drehbüchern der Weimarer Tatorte einige der unterhaltsamsten Folgen der langlebigen Krimiserie. Und nun führt er uns mitten in die Zeit des kalten Krieges.

Im Winter 1983 soll es auf der Glienicker Brücke zum spektakulärsten Agentenaustausch der Geschichte kommen. Der hochrangige KGB-Offizier Rem Kukura, der unter dem Decknamen „Pilger“ lange für den BND spioniert hat, soll gegen den Sohn eines Politbüromitglieds ausgetauscht werden, der in den USA eine junge Frau bestialisch ermordet hat. Die junge Agentin Nina Winter, die Rem in Moskau geführt hat, kann ihn als Einzige identifizieren. Doch ein brutaler Anschlag lässt den Austausch scheitern und die Welt steht am Rande eines neuen heißen Krieges zwischen der Sowjetunion und dem Westen…

Pflüger versetzt seine Leserinnen und Leser direkt zurück in die frühen 80er Jahre. Dabei erschafft er eine Atmosphäre, an die man sich, wenn man damals in Westdeutschland lebte, sicher noch gut erinnert. Und auch seine Schilderung Moskaus, wo ein großer Teil der Geschichte spielt, wirkt so lebensnah, als stünde man als Leser selbst an den Ufern der Moskwa. Man lebt, liebt und leidet mit seiner Protagonistin Nina, die sich im Laufe der Handlung von einer jungen Datenanalystin sehr schnell zu einer Spitzenkraft des BND entwickelt, mit, hasst ihren Gegenspieler „Motte“ und bangt um Rem. Er hat Protagonisten erschaffen, die niemanden kalt lassen. Deren fiktive Geschichte verknüpft er gekonnt mit den historischen Ereignissen der damaligen Zeit, so dass das Ergebnis absolut stimmig ist. Pflüger erzählt dabei keine James-Bond-Geschichte, sondern vermittelt ein glaubwürdiges Bild der Agententätigkeit im kalten Krieg. Dabei kommt es zwar zur einen oder anderen Gewalttat, aber Gewalt ist hier nie Selbstzweck, sondern immer nur ein Werkzeug aus dem Werkzeugkasten der Spionagetätigkeit. Dadurch ist „Wie Sterben geht“ deutlich näher an Klassikern wie den Büchern von John Le Carré angesiedelt als an Ian Fleming. Wer also einen spannenden, aber auch realistischen Agententhriller aus der Zeit des kalten Krieges mit starken Charakteren sucht, kann hier unbesorgt zugreifen.

Bewertung vom 19.09.2023
Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3


ausgezeichnet

Wieder ein packender Fall für von Hertzfeld und Rothmayer...

Mit „Der Totengräber und der Mord in der Krypta“ legt Oliver Pötzsch den dritten Teil seiner Reihe um den Kriminalisten Leopold von Hertzfeld und den Totengräber Augustin Rothmayer vor. Und auch dieser Band hat mich komplett überzeugt.

Pötzsch gelingt es auch dieses Mal, ein lebendiges Bild der Wiener Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts zu zeichnen. Dabei bewegt er sich mühelos zwischen der „besseren Gesellschaft“, der Hertzfeld selbst angehört und dem einfachen Volk, hier vertreten durch Polizeifotografin Julia, Augustin Rothmayer und dessen Ziehtochter Anna. Dazu gibt es neben den bereits aus den ersten beiden Bänden bekannten Akteuren einen besonders prominenten Gast: den britischen Autor Arthur Conan Doyle, der sich ausnehmend gut mit Leopolds Mutter, die gerade zu Besuch ist, versteht.

Als in der Krypta des Stephansdoms ein bekannter Arzt, der sich dem Kampf gegen den Spiritismus verschrieben hat, tot aufgefunden wird und auf einer Photographie, die Julia von der Leiche am Fundort gemacht hat, eine geisterhafte Gestalt zu erkennen ist, stellt sich die Frage, ob der Mörder tatsächlich aus der Welt der Geister stammt. Außerdem ist der Tote, Dr. Lichtenstein ein persönlicher Freund von Leopolds Vorgesetztem bei der Polizei, Moritz Stukart und war ebenso wie Stukart und Hertzfeld Jude, so dass Hertzfeld Druck von Stukart hat, den Fall schnell zu lösen und gleichzeitig den Antisemitismus in Wien zu bekämpfen.

In einem zweiten Handlungsstrang erfährt Anna, die mittlerweile bei Rothmayer wohnt, von einem ihrer Freunde, dem Straßenjungen Jossi, dass in Wiens Waisenhäusern Jungen verschwinden, die angeblich vom Nachtkrapp, einer mythischen Sagengestalt entführt worden sind. Jossi, der bei der Suche nach dem Nachtkrapp schwer verletzt wurde, stirbt in Annas Beisein und das Waisenmädchen setzt alles daran, seinen Mörder zu finden. Denn Leos Kollege bei der Polizei, Leinkirchner, der im Fall der verschwundenen Kinder ermitteln soll, nimmt den Fall nicht besonders wichtig, da doch vor allem arme Jungs verschwunden sind.

Pötzsch dreht dieses Mal das ganz große Rad: Spiritismus war eines der Modethemen am Ende des 19. Jahrhunderts und selbst Männer wie Arthur Conan Doyle, der den rationalen Detektiv Sherlock Holmes erschaffen hat, waren Verfechter der Idee, dass es Kontaktmöglichkeiten zu den Verstorbenen geben würde. Der immer mehr zunehmende Antisemitisimus in der Gesellschaft ist wie in den Vorgängerbänden ein Thema und die Schädellehre eines Franz Joseph Gall, der Kriminelle anhand der Schädelform identifizieren wollte, wird thematisiert. Und auch privat stehen in der Beziehung zu Julia Veränderungen an, so dass Leo nicht zur Ruhe kommt.

Mich hat der Roman begeistert, ich hoffe schon bald auf weitere Abenteuer des Totengräbers und des Inspektors...

Bewertung vom 18.08.2023
Die Schwarze Königin
Heitz, Markus

Die Schwarze Königin


ausgezeichnet

Heitz und Vampire - das passt einfach...

Mit seinem neuen Roman „Die schwarze Königin“ entführt uns Markus Heitz einmal mehr in die Welt der Vampire und Wandelwesen. Und wieder einmal gelingt es ihm, historische Begebenheiten und Fantasy gekonnt zu einem schlüssigen Gesamtwerk zu verbinden.

Der historische Teil der Geschichte führt sein Publikum dieses Mal an den Beginn des 15. Jahrhunderts, wo wir Barbara von Cilli, die zweite Gattin von Sigismund, dem König von Ungarn kennen lernen, die zusammen mit Vlad II., der als Geisel am ungarischen Hof lebt, im Verborgenen einen Krieg gegen die Strigoi (Vampire) führt, die die Menschen beherrschen. Interessant ist dabei der Nebenaspekt, dass Vlad II. der Vater des Woiwoden Vlad III. Draculea ist, den Bram Stoker als Dracula zum berühmtesten aller Vampire gemacht hat.

In der Gegenwart treffen wir auf den jungen Len, der in Vertretung seiner erkrankten Großmutter an einer Rundreise durch die Tschechische Republik, die frühere Heimat seiner Familie, teilnimmt und feststellt, dass die Geschichten seiner Großmutter, er sei ein Nachfahre von Vlad II., möglicherweise wahr sind. Denn Len findet sich plötzlich mitten in einem Krieg zwischen Vampiren und anderen magischen Wesen wieder und es scheint, als sei für ihn eine besondere Rolle in diesem Krieg vorgesehen.

Barbara von Cilli war eine für ihre Zeit äußerst moderne Frau, die bei ihren Zeitgenossen einen ziemlich schlechten Ruf hatte, weil sie sich nicht an das damals übliche Rollenbild gehalten hat, sondern als praktisch gleichberechtigte Mitregentin neben ihrem Gatten Sigismund herrschte, was damals sehr ungewöhnlich War und zu ihrem Ruf beitrug, sich mit der schwarzen Kunst zu beschäftigen. Heitz nutzt dies geschickt, um aus ihr eine Alchemistin zu machen, die bereit ist, auch Magie gegen ihre Feinde einzusetzen. Dass sie höchstwahrscheinlich auch Vlad II. kannte, der als Geisel am Hof ihres Gatten lebte, ermöglicht dem Schriftsteller natürlich auch, sein Faible für Vampire und Gestaltwandler auszuleben.

Len hingegen als Protagonist des zweiten Erzählstrangs bleibt lange Zeit eher farblos. Erst, als er seinen Platz im Kampf der magischen Wesen gefunden hat, entwickelt er mehr Profil, was aber auch zu der Geschichte passt. Denn wer erwartet schon von einem jungen Mann, der plötzlich mit übermächtigen Gegnern, die er nur aus Büchern und Horrorfilmen kennt, ein selbstbewusstes, charismatisches Auftreten. Unterstützung findet Len dabei durch die geheimnisvolle Gelehrte Jolana und der jungen Klara, die mit ihm an der Rundreise teilnimmt.

„Die schwarze Königin“ fügt sich nahtlos in die Horror/Mystery-Werke von Markus Heitz ein. Das einigermaßen offene Ende und ein kurzer Auftritt der Meisterin Geneve Cornelius bieten dabei Anknüpfungspunkte an seine anderen Bücher, so dass ein weiterer Auftritt von Len, Klara und der schwarzen Königin durchaus möglich erscheint.

Bewertung vom 14.08.2023
Ingenium
Trussoni, Danielle

Ingenium


ausgezeichnet

Mystik trifft auf KI...

Nach einem Sportunfall entwickelt Mike Brink eine besondere Fähigkeit: er kann die komplexesten Rätsel in sekundenschnelle lösen. Deshalb bittet ihn eine Gefängnispsychologin, sich mit einer Patientin zu treffen, die seit Jahren mit niemandem mehr kommuniziert hat, nun aber in einer Zeichnung einen Hinweis auf den Rätsellöser gegeben hat. Schnell stellt sich heraus, dass dies die größte Herausforderung ist, vor der Mike je gestanden hat.

Was als solider Mystery-Thriller beginnt, entpuppt sich schnell als komplexe Geschichte voller Geheimnisse, bei der man immer konzentriert am Ball bleiben muss, um keine Hinweise zu übersehen. Hier verbindet die Newcomerin Trussoni uralte jüdische Zahlenmystik mit moderner Technologie und nicht zuletzt durch diese Verbindung, die den Weg zu einem uralten Rätsel weist, erinnert „Ingenium: das erste Rätsel“ an die Romane Dan Browns, wobei sich Mike Brink als durchaus würdiger Nachfolger Robert Langdons präsentiert. Dabei wechselt der Protagonist teilweise sogar die Dimensionen, so dass die Welt, in der Ingenium spielt, noch deutlich vielschichtiger ist als die in Dan Browns Thrillern.

Mike selbst ist ein durchaus faszinierender Protagonist, Trussoni macht aber zum Glück nicht den Fewhler, sich nur auf das Charisma ihres Helden zu verlassen. Durch geschickte Perspektivwechsel von Mike zum Antagonisten Sedge und seinem Handlanger hält sie die Spannung hoch. Außerdem erfahren die Leser:innen durch eingeschobene Briefe und Tagebucheinträge immer mehr über das Rätsel, so dass man mit ein wenig Konzentration Mike auf seiner Entdeckungsreise gut folgen kann.

Das Ende der Geschichte ist schlüssig, zufriedenstellend und rund, lässt aber die Möglichkeit einer Fortsetzung offen.Insofern könnte ich mir durchaus vorstellen, dass das erste Rätsel nicht das letzte sein wird. Ich könnte mir durchaus vorstellen, mich ein weiteres Mal mit Mike Brink auf eine Rätselreise zu begeben und hoffe, dasss dieser ungewöhnliche Thriller sein Publikum finden wird.

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