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Insgesamt 160 Bewertungen
Bewertung vom 23.05.2024
Ein kleines Geheimnis - Spiel mit mir und ich verrat es dir!
Ofner, Agi

Ein kleines Geheimnis - Spiel mit mir und ich verrat es dir!


ausgezeichnet

Was lässt sich nicht alles mit einem Buch anstellen, wenn es so tolle Ideen bereithält wie „Ein kleines Geheimnis“ von Agi Ofner! Das niedliche Eichhörnchen hält nämlich so einige Mini-Aufgaben für die kleinen Lesenden (ab ca. 24 Monaten) bereit und die stabilen Pappseiten werden das alles spielend aushalten.
Es ist ein richtiges Aktiv-Mach-Buch: Die Kleinen dürfen mit dem Eichhörnchen nicken, drauftippen, werfen, klatschen, zeigen, streicheln, füttern, pusten und ganz nah kommen. Das Buch bewegt also doppelt, erst den Körper, und dann auch ein wenig das Herz, denn das Geheimnis ist zuckersüß.
So entsteht Bücher-Liebe! Denn auch mit Büchern müssen wir uns beschäftigen, damit sie uns ihre Geheimnisse verraten.

Bewertung vom 17.05.2024
Totentanz – 1923 und seine Folgen (ungekürzt) (MP3-Download)
Hoffritz, Jutta

Totentanz – 1923 und seine Folgen (ungekürzt) (MP3-Download)


ausgezeichnet

Spannendes Eintauchen in die Geschichte

In „Totentanz – 1923 und seine Folgen“ gelingt es Jutta Hoffritz mit ihrem Sachbuch auf ganz außergewöhnliche Weise, in die Geschichte einzutauchen – besonders eindrucksvoll in der ungekürzten Hörbuchfassung, die von Stephan Schad gesprochen wird.

Die großen politischen Gegebenheiten der Zeit beeinflussen das Leben der einzelnen Menschen, Hoffritz hat ihr Figureninventar aber so geschickt zusammengestellt, dass wir merken, wie sehr auch einzelne die Geschichte beeinflussen. Nehmen wir beispielsweise die berühmte Malerin Käthe Kollwitz. Obwohl sie seit Jahren SPD-Mitglied war, malte sie aus Mitleid mit den schlimmen Zuständen immer wieder Plakate für die Kommunist*innen, wie die Arbeiterhilfe des „kreativen Jungkommunisten“ Willi Münzenberg. Dieser wird ab September 1923 auch Revolutionsbestrebungen in Thüringen und Sachen unterstützen. Neben Kollwitz sind weitere Hauptcharakters des Buchs der Ruhrbaron Hugo Sinnes, die (Nackt-)Tänzerin Anita Berber, Schriftsteller Kurt Tucholsky, der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer und Reichsbankchef Rudolf Havenstein. Autorin Hoffritz bildet einen Reigen aus diesem Figureninventar, um das herum sie die zentralen Ereignisse dieses Jahres ebenso erzählt Weggefährt*innen und Kontrahent*innen, Putschist*innen und Demokrat*innen, Verlierer*innen und Gewinner*innen der Zeit. Das Buch behandelt nach und nach jeden Monat des Jahres 1923, zentral ist die Hyperinflation, und die historischen Personen werden so geschickt verflochten, dass Hoffritz mit ihnen ein geschlossenes Ganzes erschafft.

Gerade weil aktuell international der Rechtspopulismus erstarkt, die letzten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts durch Krisen gekennzeichnet sind und die Armut auch in Deutschland zunimmt, lohnt es sich zusätzlich mit Jutta Hoffritz den Blick ins Jahr 1923 zu wagen.

Ich habe zuerst das Hörbuch gehört und später dann in die Buchausgabe hineingeguckt, die mit einigen schwarz-weiß Fotografien aufwartet und sich außerdem durch sehr knappe Absätze von nur wenigen Zeilen auszeichnet. Aber im Hörbuch ist sich für mich das Jahr 1923 besonders eindringlich lebendig geworden. Sprecher Stephan Schad gibt den jeweiligen historischen Figuren nicht übertrieben unterschiedliche Stimmen, aber er hat oft feine Nuancen in der Stimme, die die einzelnen Abschnitte doch den jeweiligen Personen zuordnet. Bei einigen kommt eine gewisse Ironie über deren Handeln zum Tragen. So waren die Personen ab ihrem ersten Erscheinen für mich total plastisch und lebendig. Wirklich toll.

Bewertung vom 14.05.2024
Revier der Raben / Das geheime Leben der Tiere - Wald Bd.4
Walder, Vanessa

Revier der Raben / Das geheime Leben der Tiere - Wald Bd.4


ausgezeichnet

Voller Poesie tauchen wir in das Leben dieser klugen und wundervollen Vögel ein. Und erfahren gleichzeitig ganz viel über ihr Leben.

Geschichten gibt es, damit wir in den Kopf von anderen schlüpfen können. Denn das Menschsein ist als allererstes Empathie. Dieses hehre Ziel der Kunst gelingt mal besser, mal schlechter. „Revier der Raben“ hat es gemeistert: Ich war ein Rabe!
„Was Raben nun wirklich sagen, fühlen und denken, sehen und riechen, das werden wir vermutlich nie wissen, solange wir nicht als Raben wiedergeboren werden. Und dann werden wir wohl lieber fliegen, als Bücher schreiben.“
Diese Einschränkung gibt Autorin Vanessa Walder zwar selbst am Ende des Buches. Aber ihre Geschichte um das Rabenpaar Chree und Graak und ihre Jungen Krrik und Roah fühlt sich trotzdem so an, als würden wir mit ihnen fliegen, lieben und lachen.
„Also erzählt Chree den beiden Jungvögeln die Geschichte, wie er fliegen lernte. Das ist ein Brauch: Nestgeschichten. Alle Kolkraben teilen mit ihren Jungen Geschichten.“
Diese klugen Vögel sind so faszinierend. Wusstet ihr, dass die Kolkraben als der ganz wenigen Vogelarten sind, die sich mitten im Flug auf den Rücken drehen und von dort Raubvögel abwehren können? In den spannenden Plot um die Rabenfamilie webt Walder die faszinierenden Fakten um die Raben so dicht und stimmig ein, dass sie völlig in der Poesie aufgehen. Obwohl mein Sohn schon 12 ist, lesen wir uns immer noch gegenseitig vor. Und darum kann ich sagen: Dieses Buch ist auch zum Vorlesen wundervoll, weil die Sprache so schön von der Zunge geht wie ein Gedicht. Besonders wirkt dabei die Rabensprache, die immer wieder eingestreut unsere Menschenkehlen und -zungen ein wenig beim Artikulieren herausgefordert hat. Mein Sohn hat es geliebt zu dechiffrieren, was die Raben meinen, wenn sie Menschenlaute nachahmen. Die schwarz-weißen Aquarell-Illustrationen von Simona M Ceccarelli lassen uns zusätzlich ganz nah an die Kolkraben heran.
Die Geschichte der Rabenfamilie ist auch eine über das Leben selbst, über Zuneigung, Erwachsenwerden, Abschiednehmen und Neues-Finden.
„Wie so vieles im Leben der Kolkraben bedeutet das zwei Dinge, die miteinander verwoben sind, wie Baumwurzeln im Wald.“
Voller Poesie tauchen wir in das Leben dieser klugen und wundervollen Vögel ein – und erfahren gleichzeitig ganz viel über ihr Leben. Eine große Empfehlung von uns – wir nehmen nur Leute aus, die Anthropomorphisus anfangen können – und vergeben begeisterte 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 06.05.2024
Diebe der Nacht
Corzilius, Thilo

Diebe der Nacht


sehr gut

Diese Diebe sind mir ans Herz gewachsen

Es ist ein düsteres Buch mit einer gewissen Langsamkeit, das seine ganz eigene Faszination hat. Und kleine Vorwarnung, da der nächste Satz auch etwas von einem Spoiler hat:

Achtung Spoiler:
Es sterben sehr viele von den Figuren und so blieb immer viel Unsicherheit, wen es noch alles erwischen wird.

Im Zentrum steht die Truppe der Herbstgänger, eine wandernde Theatertruppe, die neben ihren spektakulären Stücken auf- auch spektakuläre Diebesstücke ausführt. Die Protagonist*innen sind damit per se moralisch grau, sie stehlen zwar von den Reichen, behalten aber den Gewinn selbst. Und diese Truppe mochte ich wirklich gerne, auch, wenn einige Charaktere nur angerissen werden. Nach und nach erfahren wir auch in Zwischenspielen ihre tragischen Vorgeschichten.

CN: Da gibt es dann auch einiges an Gew*lt, auch s*ggualisierter, Kinderh*ndel, u.ä.

Thilo Corzilius baut ein faszinierendes Magiekonstrukt für diese Welt. Vieles läuft eher wie verschiedene Handwerke ab, die Effekte sind trotzdem wundervoll und mächtig. Manchmal war mir die Mächtigkeit der verwendeten Mittel allerdings zu groß, erst recht, wenn die Hauptcharaktere dann an anderen Stellen wieder recht hilflos waren. Ich hatte das Buch schon einmal angefangen und dann kam das Leben dazwischen. Beim Zweiten Anlauf hat mich die komplexe Welt meist ganz schön gepackt.

Was ich allerdings nicht mochte …

Achtung: Spoiler:
Vom Plot her ist mir schon klar, warum genau die eine Figur sterben musste. Aber musste diese Figur genau schwul sein? Und dann sterben auch noch weitere queere Figuren. Da hätte ich mir schon mehr Achtsamkeit erwartet, allerdings sterben wirklich seeeehr viele Figuren.

Die düsternen Geschehnisse hatten eine ganz eigene Faszination. Ich vergebe 3,5 von 4 Sternen.

PS: Thilo Czorzilius hat mit „Diebe der Nacht“ sein Romandebüt geschrieben und ich will auf alle Fälle sein zweites Buch lesen, auch, wenn das – soweit ich weiß – beides Einzelbände sind. Aber die Art zu schreiben hat mich wirklich angesprochen.

Bewertung vom 01.05.2024
Ich bin doch gar nicht gruselig!
Kaduji, Raahat

Ich bin doch gar nicht gruselig!


sehr gut

Warme Farben, schöne Botschaft

Vorurteile erzeugen Angst. So geht es auch der kleinen Fledermaus, die die anderen Tiere für ein gruseliges Monster halten. Dabei backt und kocht die Fledermaus gerne und hätte gerne Freund*innen.
Dieses wichtige Thema kommt häufiger in Kinderbüchern vor. „Ich bin doch gar nicht gruselig!“ gefällt besonders wegen seiner niedlichen Illustrationen, in warmen Farben, die sicherlich auch schon Kinder ab 3 Jahren begeistern werden. Für die Altersgruppe passt auch, dass die Geschichte von vornherein aus der Sicht der Fledermaus erzählt wird und sie sich nie vor ihr fürchten müssen, als der Bär durch den Wald stolpert und bei ihr durchs Fenster guckt.
Ein schönes Bilderbuch mit niedlichen Illustrationen in warmen Farben mit einer wichtigen Botschaft.

Bewertung vom 30.04.2024
Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Foer, Esther Safran

Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind


ausgezeichnet

Sehr persönlicher Blick wie viele Leben, wie viele Erinnerung durch die Shoah zerstört wurden. Und wie einige wiedergefunden wurden.

Für die Überlebenden wirkte die Shoah fort, auch in die nächsten Generationen. Neben den traumatischen Erfahrungen wurden dadurch viele Verbindungen und Erinnerungen abgerissen und zerstört. Esther Safran Foer ist die Mutter von Jonathan Safran Foer, der aus der Enkelgeneration heraus seine erfolglose Suche in dem Roman „Alles ist erleuchtet“ fiktionalisiert hat. Esther Safran Foer schildert nun in diesem sehr persönlichen Bericht ihre reale Suche, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte, und nach der Romanveröffentlichung ihres Sohnes doch noch weitere Ergebnisse ergab.

Sie zeigt eindrucksvoll, dass die Suche nach den Verwandten, ihren Erinnerungen und Geschichten, eine Art Heilungsprozess in Gang setzt. Ihre Suche und ihre Reflexion sind sehr bewegend und sie zeigt mit einem so liebevollen und oft auch humorvollen Blick, auch welche Eigenheiten ihre Weggefährt*innen hatten. Diese menschliche Wärme macht das Buch auch zu einer viel leichteren Lektüre, als man vielleicht vermuten möchte.

Dennoch hat braucht das Buch themenbedingt eine Content Note.

CN: Genozid, Hunger, Folter, Suizid

Zugegebenermaßen, manchmal war ich mit den Großcousinen und angeheirateten Tanten oder Ziehgeschwistern überfordert, wer eigentlich wer war. (Darum 4,5 Sterne.) Foer gibt allen ein Gesicht und holt sie aus jenem Vergessen, in das die Nazi-Verbrechen diese Menschen alle stoßen wollte. Foers bewegendes Buch wird so auch ein aktives Eintreten gegen die Auslöschung.

Das Grauen hörte nicht einfach auf, nachdem die Lager befreit wurden. Foer wurde kurz nach Ende des Krieges in Polen geboren und hat die Zeit in den sogenannten DP-Lagern (DP für Displaced Persons) noch miterlebt, die teilweise verherenden Zustände dort und wie ihre Eltern sich abmühen mussten, um aus Deutschland ausreisen zu können. Diese Zeit wird vergleichsweise selten in Büchern abgebildet. „Die Teillacher“ von Michel Bergmann steht daher schon länger auf meiner Leseliste.

Viele von uns sind in dem Glauben aufgewachsen, dass „Nie wieder Auschwitz“ nie wieder in Frage gestellt werden würde. Aber in den letzten Jahren sind viele zuvor unsagbare antisemtische Aussagen wieder lauter geworden. Foers Buch zeigt, wie viel Verlust und Schmerz die Shoah auslöste und wie viel Mühe auch die Aufarbeitung und Heilung für die Überlebenden bedeutet. Darum bitte lesen! Wir müssen uns erinnern.

Bewertung vom 30.04.2024
A Dark and Hollow Star - Nichts ist gefährlicher als ein Märchen (Hollow Star Saga 1) (Erstauflage mit Farbschnitt)
Shuttleworth, Ashley

A Dark and Hollow Star - Nichts ist gefährlicher als ein Märchen (Hollow Star Saga 1) (Erstauflage mit Farbschnitt)


gut

Tolle Protagonist*innen mit queerer Repräsentation, die mir ans Herz gewachsen sind. Zieht sich am Ende, trotzdem möchte ich weiterlesen.

Multiperspektivisch mit tollen Protagonist*innen

Oh, die Protagonist*innen sind mir richtig ans Herz gewachsen. Das multiperspektivische Erzählen funktionierte für mich supergut, erst recht, weil sich die meisten erst an ihr Held*innen-Dasein gewöhnen müssen. Besonders hat mir gefallen, wie selbstverständlich Ashley Shuttleworth queere Aspekte einflicht und auch Neopronomen total organisch verwendet. In their Urban Fantasy mischt they gekonnt verschiedene Aspekte aus Fay-Welten, Gött*innen-Sagen, den verschiedensten magischen Wesen oder moderner Technik. Das Worldbuilding wird sehr ausführlich erklärt, und das hat mir auch bis maximal zur Mitte Spaß gemacht. Danach wurde das zu viel. Immer wieder wurden Plot- und Zeitaspekte aus dem Blick verloren, die Dialoge schwächelten und das Korrektorat hat auch ab und an was übersehen. Darum hatte ich dann beim Lesen immer wieder kleine Durchhänger. Beim Showdown hat mich z.B. kirre gemacht, dass zwar immer wieder erwähnt wird, dass sie vom Gegenspieler belauscht werden können, aber leider haben sie dann doch seeehr viel gequasselt. Das Buch hat sich irgendwann wirklich gezogen, besonders – da ein Hintermensch schon seit längerem so klar war und dieses Wissen dennoch für die Protagonist*innen wie in Zeitlupe aufgedeckt wurde. Trotzdem: Ich finde die Welt spannend und vor allem mag ich die Protagonist*innen. Ich möchte wissen, wie es mit ihnen weitergeht, dass ich plane den nächsten Band auch noch zu lesen .
Ich schwankte zwischen 3 und 3,5 von 5 Sternen. Pro: die Protagonist*innen sind wirklich toll und ich werde der Reihe noch eine Chance geben. Contra: Am Ende war es schon ein arges Geziehe. Lande bei 3,25 Sternen.

Bewertung vom 30.04.2024
Drei Magier und eine Margarita
Marie, Annette

Drei Magier und eine Margarita


ausgezeichnet

Fetzige, cosy Fantasy, die Spaß macht!

Tori hat ein Bisschen Probleme mit ihrer Impulskontrolle, obwohl ich ihre Gründe wirklich nachvollziehen kann. Deswegen hat sie schon den xten Job als Kellnerin verloren. Darum verschlägt sie ein ominöses Flugblatt mit Stellenausschreibung in ein etwas gefährlicheres Viertel, aber das ist nicht das wirklich Besondere am „Crow and Hammer“, das mehr ist als eine schrabelige Bar…

„Ein Batzen Crushed Ice glitt über Aarons Gesicht und fiel in seinen Schoß. »Nicht cool, Neuli…«
»Nicht cool?«, brüllte ich und knallte die Hände auf die Theke. »Ich arbeite mir hier den Arsch ab, ohne dass auch nur eine gottverdammte Person dafür Danke sagt, und du veralberst mich wie ein Fünfjähriger ohne Impulskontrolle. Wenn du noch ein Mal den Mund aufmachst, stopfe ich dir meine Schankpistole in den Hals. Wollen wir doch mal sehen, ob du dann noch Witze reißen kannst.“

Wer schon etwas länger bei mir mitliest, weiß vielleicht, dass ich immer wieder auf der Suche nach leichten Büchern bin, die mich einfach flott in der Geschichte mitnehmen und dabei gut unterhalten. Doch meist versuche ich das, um die Bücher kurz darauf nach vierzig, fünfzig Seiten genervt in die Ecke zu schmeißen, weil mich die Klischees, toxischen Tropen oder schlechter Schreibstil einfach fix und alle machen. Bei „Drei Magier und eine Margarita“ haben mich schon der charmanteTitel und das gelungene Cover trotzdem so neugierig gemacht, um mal wieder einen wagen Versuch zu wagen. Und was soll ich sagen: Diese Magier haben sich bei mir das Prädikat „Charmante Unterhaltung“ absolut verdient!

Das „Crow and Hammer“ ist nämlich eine Gilde für magische Wesen und obwohl Tori ein Mensch ist, kann sie mit dem Haufen beherzt mithalten. Dabei entwickelt sie nicht etwa Superkräfte (und wird auch nicht zu einer Chosen One oder ähnlichem), sondern ihr Mut ergibt sich immer total aus der Geschichte und den Figuren. Ich konnte jedes Mal wirklich gut nachvollziehen, warum und wie sich Tori wie genau einmischt. Aus ihrer Ich-Perspektive kommt das mit Schwung und Charme rüber, und dass ich ihre Chuzpe auch gerne hätte, ließ mich so richtig gut in die Geschichte eintauchen. Und auch die Love Interest-Abteilung lässt die attraktiven Jungs zwar mit den Klischees spielen, Autorin Annette Marie tritt dabei aber in keine nervigen Fallen. Drei kleine misogyne Beleidigungen (B*stard, T*ssy, Shoppen als Girlie-Beschäftigung) gab es dann zwar doch, aber ansonsten haben wir hier ein sehr gleichberechtigtes Bild (wenn auch keine queeren Charaktere, die explizit erwähnt werden).
Eine kleine Content Note für Gewalt/Vernachlässigung in der Kindheit, aber ohne explizite Ausführungen.

Fazit: Fetzige, cosy Fantasy, die mir wirklich Spaß gemacht hat. 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 29.12.2023
Die Rosa-Hellblau-Falle
Verlan, Sascha;Schnerring, Almut

Die Rosa-Hellblau-Falle


ausgezeichnet

„Die Rosa-Hellblau-Falle“, dieser Begriff ist so naheliegend für das gesellschaftliche Phänomen, in dem wir stecken: Der Sexismus, der alle Geschlechter einschränkt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass erst das Autor*innen-Duo Almut Scherring und Sascha Verlan mit ihrem gleichnamigen Buch von 2014 diesen Begriff geprägt haben. Ich habe in den letzten Jahren viel von den beiden gehört und gelesen und bin nun auch endlich dazu gekommen, ihr Buch zu lesen.

Es sind eben nicht nur Farben, wie das Buch zeigt, sondern ganz bestimmte Rollenerwartungen, die damit verknüpft werden. Mädchen und Frauen sollen anschmiegsam sein, Jungs und Mädchen hart und stark. Und die Falle wirkt sich auf viele Bereiche aus: Ernährung und Über- bzw. Untergewicht, Adultismus von Kindern, Stringtangas und Push-up-BHs in Größe 116, ungerechte Bezahlung, Schulerfolg oder -misserfolg. Den Kindern wird da wenig Spielraum gelassen und im Klamottenladen kommt man auch als Eltern der Falle kaum aus. Andere Länder gehen da längst aktiv dagegen vor:
„In Norwegen gibt es bereits seit 1978 ein Verbot von geschlechtsdiskriminierender Werbung, auch in Irlang Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland, Kroatien, Griechenland, Portugal und Spanien. Doch für Deutschland ist keine gesetzliche Regelung in Aussicht.“

Das ist 2020 leider immer noch so. Im Werberat sitzen nicht mal Pädagogen oder Entwicklungspsychologen, so verwundert es nicht, dass mit „Ironie“ argumentiert wird. Aber wie sollen die 5-, 7- oder 11jährige Kinder dechiffrieren, wenn wir das als Erwachsene nicht immer schaffen? Das Autor*innen-Duo ist auch privat ein Paar und greift immer wieder auf ihre persönlichen Erfahrungen mit den drei Kindern zurück und zeigen damit, dass es eben nicht reicht, wenn man als Eltern bewusste Kaufentscheidungen trifft oder gegen diese Genderbilder ankämpft, wenn Marketing und Gesellschaft die immer gleichen rosa-hellblauen Bilder reproduzieren.

Das Buch bringt immer wieder Meinungen und Sätze aus der Hölle, wie vom Leiter eines international erfolgreichen Marktforschungsinstituts oder von einer Münchner Mutter, die ihre 5jährige Tochter bei einem Beautysalon speziell für Kinder angemeldet hat:

„Ich find’ das schön, dass man das auch mal gemeinsam machen kann und die Mädels an das Thema so sanft herangeführt werden, also sich zu pflegen und hübsch zu machen.“

Inhaltlich ist das Buch leider immer noch aktuell, manches hat sich aber sogar meiner Meinung nach seit 2014 noch verschärft. Die feministische Antithese „Germany’s next Topmodel“ wird zwar stark beleuchtet, Instagramer und Influencer aber noch kaum.

Das Sachbuch lässt sich schnell und unkompliziert lesen, obwohl die Autor*innen oftmals Bezug zur Forschung nehmen. Ihr toller Schreibstil macht auch immer wieder die Absurdität der Rosa-Hellblau-Falle deutlich. Lässt sich schnell lesen. Ich persönlich habe jetzt nicht so viel Neues mitgenommen – und das Buch dennoch sehr gerne gelesen.

Als Grundlagenwerk für das Thema Gendersensibilität vergebe ich 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 29.12.2023
Ein Baum für Tomti
Blazon, Nina

Ein Baum für Tomti


ausgezeichnet

Erst kürzlich wurde ich mal wieder nach einem Weihnachtsgeschenktipp für Kinder gefragt, und irgendwie fällt mir da oft zuerst dieses Buch ein. Zum Vorlesen geht es sicherlich schon ab 5, lässt sich aber auch noch später ganz toll selber lesen.
Wir hatten zuerst die wundervolle Lesung von Katharina Thalbach gehört (da war mein Sohn vielleicht. 5 oder 6). Danach haben wir das Buch aber zweimal noch gelesen und auch mit 10 fand er das Buch ganz wundervoll. Dieses wundervolle Buch mit Sinn für Naturschutz können wir nur wärmstens weiterempfehlen. Denn auch in Buchform mit den tollen Illustrationen von Karin Lindermann ist die Geschichte ein echtes Kleinod.
Der kleine Baumgeist Tomti taucht in der Zimmerpalme von Maja und ihrer kleine Schwester Fini auf. Er braucht dringend einen neuen Baum zum Wohnen und die beiden Mädchen und ihr Freund helfen ihm bei der Suche. Gemeinsam mit den Held*innen reisen wir direkt ins Herz der Bäume hinein. Denn auf der Suche nach einer neuen Wohnung nimmt Baumgeist Tomti die Kinder mit in die Bäume hinein.
Nina Blazon schafft eine zauberhafte Mischung aus modernem und klassischen Erzählen. Klassisch ist die Konstellation mit dieser Kindergruppe, die zwar einem fantastischen Wesen begegnen, diesem aber mit sehr kindtypischen Mitteln helfen. Und gleichzeitig siedelt Blazon die Geschichte um Tomti in unserer modernen Welt an, und kritisiert geschickt in die Geschichte verwoben die Umweltverschmutzung unserer Gesellschaft. Diese Kritik ist nie didaktisch, sondern sehr stimmig in diese warmherzige, witzige Geschichte integriert. Wissen und Moral wird hier nebenbei vermittelt.
Zusätzlich flicht Blazon viele echte Informationen und Besonderheiten der Baumarten ein, wie z.B. dass Linden immer ganz viel Blütennektar verlieren, macht sie für Tomti als Heimstatt ziemlich ungeeignet. Oder, dass die Bäume über Netzwerke verbunden sind und so sogar miteinander kommunizieren. Auch die Kinder zeigen sich empathisch und hilfsbereit. Besonders hat mir gefallen, dass die Mädchen und der Junge gleichberechtigt geschildert werden und ohne Klischees.
Absolute Leseempfehlung und 5 von 5 Sternen.