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Romy

Bewertungen

Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2024
All das Böse, das wir tun
Dazieri, Sandrone

All das Böse, das wir tun


schlecht

Vor dreißig Jahren wurden in Italien drei junge Frauen tot aufgefunden. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Nähe geht die Polizei von einem Serientäter aus, tritt bei den Ermittlungen jedoch auf der Stelle. Der einzige Verdächtige ist der vermeintliche Liebhaber des dritten Opfers. Ihm können die Morde jedoch nicht nachgewiesen werden. Plötzlich bekommt die junge Polizistin Itala Caruso Druck von oben, den Täter ins Gefägnis zu bringen. Dem einzigen Verdächtigen werden also Beweise untergeschoben, er kommt vor Gericht und wird verurteilt.
In der Gegenwart verschwindet die Schülerin Amala auf dem Heimweg von der Schule. Die Ermittler denken zunächst an eine Ausreißerin, vielleicht auch ein Sexualdelikt. Doch ihre Tante Francesca hat direkt einen anderen Gedanken: Sie war damals die Verteidigerin, die den Liebhaber des dritten Opfers nicht vor dem Gefägnis bewahren konnte. Was, wenn man sich damals geirrt hat, und der eigentliche Täter noch auf freiem Fuß ist?
Die Gestaltung des Buches ist wirklich ein Blickfang: Das schwarz-rote Cover und der schwarze Farbschnitt fallen direkt ins Auge. Auch die Andeutung einer Geschichte aus der Vergangenheit, die ihre Klauen bis in die Gegenwart ausstreckt, hat mich neugierig gemacht. Leider haben mir Aufbau und Schreibstil von "All das Böse das wir tun" dann gar nicht zugesagt. Die vielen italienischen Namen (Polizisten, Staatsanwälte, Opfer, Täter, Orte, etc.) haben es mir schwer gemacht, mich zu orientieren. Das allein möchte ich nicht kritisieren, eigentlich mag ich Geschichten, die mich in andere Kulturkreise entführen. In diesem Fall war das Netz aus handelnden Charakteren jedoch so verworren, und die Erzählung so voller Sprünge (zeitlich wie räumlich), dass ich kaum in der Lage war, der Handlung zu folgen. Das Leseerlebnis war daher für mich daher leider von Anstregung und Verwirrung geprägt.
Auch die brutalen Schilderungen haben mir persönlich nicht zugesagt. Der Thriller kommt doch sehr grobschlächtig daher und lässt subtile Entwicklungen vermissen.
Für mich war "All das Böse, das wir tun" von Sandrone Dazieri leider eine große Enttäuschung, und ich kann es nicht weiterempfehlen.

Bewertung vom 21.09.2024
Du kennst sie
Jennett, Meagan

Du kennst sie


schlecht

Die Gestaltung des Buchcovers hat mich direkt angesprochen: Der großformatige Cocktail, das Spiel mit den Farben und Texturen machen neugierig. Der Hinweis im Klappentext, dass die Protagonistin als Barkeeperin arbeitet, zeigt wie stimmig das Motiv gewählt ist. Auch die Idee eines weiblichen Serienkillers hat mir gut gefallen - Frauen können ja schließlich alles, was Männer können, warum sollten wir uns also in diesem Bereich verstecken?
Die Geschichte entwickelt sich ganz so, wie ich es erwartet habe: Sophie arbeitet in einem Restaurant an der Bar, die übergriffigen und maßlos dummen Männer werden ihr irgendwann zu viel, also beginnt sie damit, sie loszuwerden. Nach dem ersten kommt sie auf den Geschmack, und so mordet sie munter weiter. Dabei handelt sie nicht im Affekt, sondern geht planmäßig und kontrolliert vor. Daher hinterlässt sie kaum Spuren, und das örtliche Police Department tappt im Dunkeln. An den Ermittlungen ist auch die junge schwarze Polizistin Nora beteiligt, die die ersten Fälle zwar mit Enthusiasmus bearbeitet, doch aufgrund des Mangels an Beweisen und Rückhalt ihres Vorgesetzten immer frustrierter wird. Um sich ihren Ärger und Kummer von der Seele zu reden landet sie immer öfter auf ein Feierabendbier - ihr habt es geahnt - an Sophie's Bar. Wie lange wird Sophie mit ihrem neuen Hobby unentdeckt bleiben?
Leider hat mir, bis auf die Idee der Geschichte, die im Klappentext vermittelt wird, wirklich gar nichts an dem Buch gefallen. Ich habe den Großteil nur widerwillig gelesen, und dabei häufig die Stirn gerunzelt und den Kopf geschüttelt. Der Schreibstil hat mir nicht zugesagt, und die Vorliebe der Autorin für die menschliche Anatomie und Analogien rund um Insekten hat mich überwiegend angeekelt. Der Fokus der Erzählung liegt sehr stark auf Sophie und ihren Taten, die Ermittlungen rund um Nora werden kaum geschildert, wodurch kein Katz-und-Maus-Spiel entsteht, sondern die beiden Handlungsstränge weitgehend unabhängig voneinander vor sich hinplätschern. Die Geschichte will zu viel, und doch erreicht sie kaum etwas. Rückblickend ist mir auch aufgefallen, dass der Klappentext Informationen verrät, die erst am Ende des Buches Teil der Geschichte werden. Also nicht einmal der Klappentext wurde wirklich gut geschrieben.
So leid es mir tut, ich habe wirklich schon lange kein Buch mehr in der Hand gehabt, bei dem ich so mit mir kämpfen musste, um es fertig zu lesen. Entsprechend kann ich "Du kennst sie" wirklich nicht weiter empfehlen.

Bewertung vom 21.09.2024
Unsere Jahre auf Fellowship Point
Dark, Alice Elliott

Unsere Jahre auf Fellowship Point


sehr gut

Fellowship Point ist eine Halbinsel an der Küste Maines mit einer beeindruckenden Flora und Fauna. Es ist ein besonderer Fleck Erde, der einer Gruppe von jungen Männern bereits vor vielen Jahrzehnten aufgefallen ist. Sie beschlossen, das Land gemeinschaftlich zu kaufen und dort Anwesen zu errichten, die ihren Familien und deren Nachkommen in den Sommermonaten einen Zufluchtsort fernab der städtischen Betriebsamkeit bieten würde. Und so kehrten die fünf Familien Sommer für Sommer zurück nach Fellowship Point, um dort unbeschwerte Zeiten zu erleben. Egal wie sich die Leben der einzelnen Personen entwickelten, wenn der Frühling zu Ende ging kehrten sie zurück nach Fellowship Point und fanden sich dort von einer wohlwollenden Gemeinschaft umgeben. So auch Polly und Agnes, beste Freundinnen und Nachbarinnen auf Fellowship Point. Obwohl die beiden sehr unterschiedliche Leben gelebt haben, verbindet sie ein tiefes und untrennbares Band der Freundschaft. Inzwischen sind sie über 80 und vor allem Agnes wird sich ihrer Sterblichkeit mit jedem Tag mehr bewusst. Sie hat sich dagegen entschieden, eine Familie zu gründen, blickt jedoch auf eine erfolgreiche Karriere als Kinderbuchautorin zurück. Ihre Werke sind beliebt und sie arbeitet noch heute regelmäßig an Fortsetzungen. Doch neben ihren Büchern gibt es ein anderes Thema, das sie beschäftigt: Die Zukunft von Fellowship Point. Auch, und besonders, nach ihrem eigenen Ableben. Sie sorgt sich, dass die Gemeinschaft um Fellowship Point zerbrechen könnte, und seine Teile an Investoren verkauft werden, die das ganze Areal für Yachthäfen und touristische Unterkünfte nutzen wollen - ungeachtet der schützenwerten Tier- und Pflanzenwelt. Ihr Ziel ist es deshalb, das Land an einen Trust zu übertragen, der es erhalten wird. Agnes versucht Polly für ihr Anliegen zu gewinnen. Schnell hat sie Erfolg, doch Polly selbst ist gar nicht das Problem, sondern ihre Söhne, die ihr Erbe in Gefahr sehen. Polly steht plötzlich zwischen den Stühlen und muss erkennen, dass ihre Söhne ihr nicht den Respekt entgegen bringen, der ihr ihrer Meinung nach zusteht. Agnes und Polly müssen einen Weg finden, ihre Freundschaft, die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Geister der Vergangenheit und ihre eigenen Wünsche in Einklang zu bringen - ein üppiges Potpuorri aus Einflüssen, die für eine Vielzahl an Verwicklungen und Differenzen sorgen.
"Unsere Jahre auf Felloship Point" ist ein wirklich außergewöhnliches Buch - schon allein aufgrund seiner Länge von über 700 Seiten, die die Autorin ganz wunderbar nutzt, um uns Lesern nicht nur die Landschaft auf Fellowship Point, sondern auch die verschiedenen Charaktere nahezubringen. Dabei lernen wir die handelnden Personen nicht nur oberflächlich kennen, sondern bekommen Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelten, ihre Beziehungen und Lebensgeschichten. Wir bekommen die Chance wirklich zu verstehen, warum ein Protagonist eine bestimmte Lebensentscheidung getroffen hat, und welche Einflüsse ihn oder sie zu dem Menschen gemacht haben, der er oder sie geworden ist.
Diese elementare Erzählweise hat mich schwer beeindruckt und hat mir gut gefallen. Ich wünsche mir meist, mehr zu erfahren - mehr Hintergründe, mehr Gedanken, mehr Gefühle - doch in diesem Buch habe ich zum ersten Mal das Gefühl, wirklich alles erfahren zu haben, was ich wollte. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass andere Leser diese Erzählweise als langatmig empfinden, da die vielen tiefgehenden Schilderungen die Handlung natürlich entsprechend träge werden lassen.
Ich bin in der Geschichte vollkommen versunken und sie hat mich tief fasziniert. Trotzdem hat mir das gewisse Etwas gefehlt, das mich wirklich begeistert hat. Außerdem war das Ende für mich nicht ganz stimmig. Es passt für mich einfach nicht zum Stil der Erzählung davor, ich hatte fast den Eindruck, man wollte etwas aus diesem Roman machen, das einfach nicht zu seiner Substanz passt. Das hat den Lesegenuss für mich jedoch nur leicht geschmälert, und ich kann das Buchen allen weiterempfehlen, die es lieben zu schmökern und durch eine Geschichte Teil einer anderen Welt zu werden.

Bewertung vom 27.08.2024
Partikel
Harlander, Wolf

Partikel


gut

Melissa arbeitet als junge Journalistin und arbeitet daran, sich in ihrer Redaktion einen guten Ruf zu verdienen. Doch das ist nich leicht - schließlich gibt es viele Schreiberlinge da draußen, die nach einer guten Story hungern. So kommt es, dass sie sich entscheidet, einen Follow-Up-Bericht über eine Hochzeitsfeier zu schreiben, die komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Nicht alle Gäste haben die Feier überlebt, viele sind im Krankenhaus gelandet. Lange ist unklar, was ihnen zugestoßen ist, doch schließlich steht fest: Der edle Fisch, der der Hochzeitsgesellschaft serviert wurde, war mit Mikroplastik verseucht. Melissa taucht tief in die Recherche ein, denn durch einen traurigen Zufall interessiert sie das Thema auch persönlich. Ihre kleine Nichte Zoe ist schwer erkrankt, und nach endlosen Tests sind die Ärzte sich nun sicher, dass Zoe Krebs hat - ausgelöst durch Mikroplastik, das sich in ihrem Körper angereichert hat. Bei ihren Nachforschungen stößt Melissa auch auf das StartUp Cyaclean, das eine innovative Methode entwickelt hat, um Mikroplastik aus Wasser zu entfernen. Und nicht nur das: Der Gründer von Cyaclean bietet sogar an, die Behandlung von Zoe zu finanzieren - als Teil seines persönlichen Engagements gegen Mikroplastik. Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse, und Melissa weiß nicht mehr, wem sie noch trauen kann.
Wolf Harlander hat mit "Partikel" einen spannenden und aufrüttelnden Thriller geschrieben, der unterhält und gleichermaßen zum Nachdenken anregt. Ich habe an seiner Art, zu schreiben und eine Geschichte zu erzählen, Gefallen gefunden - doch begeistert hat sie mich nicht. Zwar wirken die zahlreichen Erzählstränge auf den ersten Blick wie die Zahnräder eines Uhrwerks, die ineinander greifen, doch je weiter man die Geschichte durchdringt, desto mehr Stellen fallen auf, an denen die Mechanik knirscht und klemmt. Manche Zufälle sind zu groß, manche Wendungen zu vorhersehbar. Außerdem führen manche Erzählstränge ins Leere - wie die Geschichte um den BND-Ermittler, der den Tod seiner Eltern recherchiert. Ich habe den Eindruck, diese Perspektive könnte in einem weiteren Band fortgesetzt werden, doch das geht nicht aus der Gestaltung von "Partikel" hervor, daher hat es mich eher verwirrt, als mich neugierig auf eine Fortsetzung zu machen.
Insgesamt hatte ich höhere Erwartungen für einen derart bekannten Autor und für ein solch umfangreiches Werk. Diese wurden leider nicht erfüllt.

Bewertung vom 27.08.2024
Unser Buch der seltsamen Dinge
Godfrey, Jennie

Unser Buch der seltsamen Dinge


sehr gut

Miv ist 12 Jahre als und lebt mit ihren Eltern und ihrer Tante in Yorkshire. Miv lebt in einfachen Verhältnissen, doch ihre Freundschaft zu Sharon macht sie glücklicher, als es alles Geld der Welt könnte. Als Miv's Vater andeutet, dass die Familie vielleicht umziehen wird, ist Miv todunglücklich. Doch ihr Vater macht sich Sorgen um die drei Frauen im Haus, denn der Yorkshire Ripper, der schon etliche Frauen angegriffen und getötet hat, wurde noch immer nicht gefasst. Eigentlich kein Thema, mit dem Miv sich beschäftigen sollte, und doch hat sie sich in den Kopf gesetzt, den Ripper zu finden - und so ihre Freundschaft mit Sharon zu retten. Die Mädchen beginnen also, Beobachtungen anzustellen, zu recherchieren und ihre Erkenntnisse zusammenzutragen. Dabei erfahren sie automatisch mehr über ihre Nachbarn, Lehrer und Mitmenschen, als sie je erwartet hätten.
Ich wusste nicht genau, was ich von "Unser Buch der seltsamen Dinge" erwarten sollte, da ich mir die Story nur schwer vorstellen konnte. Wie sollte ein kleines Kind ermitteln? Wie passt das in den gleichen Kontext wie ein Serienmörder, der sich an Frauen vergeht?
Doch die Geschichte funktioniert, da der Fokus eindeutig auf Miv und ihrer Familie liegt. Die allgegenwärtigen Taten des Yorkshire Rippers lassen gemeinsam mit der wirtschaftlichen Lage und den familiären Problemen eine schwermütige und bedrückende Atmosphäre entstehen. In dieser Atmosphäre erleben Miv und Sharon ihre Freundschaft, und es gelingt ihnen, Lichtblicke zu finden und schöne Momente zu schaffen. Diese positiven Funken machen das Buch lesenswert. Sie entstehen aus der Interaktion von Miv mit ihren Mitmenschen, wobei Miv entsprechend ihrem Alter kindlich handelt und denkt, aber nie kindisch. Sie ist teilweise naiv, aber nicht dumm. Diese Unschuld stellt einen diametralen Kontrast zur Suche nach dem Schuldigen der Ripper-Morde da.
Darüber hinaus verspinnt die Geschichte viele thematische Fäden, wie zum Beispiel Armut, häusliche Gewalt oder Fremdenfeindlichkeit, ohne überladen zu wirken oder sich dabei zu verheddern. Diese thematische Vielfalt macht das Buch interessant und lässt es authentisch wirken. Mein einziger Kritikpunkt: Miv und Sharon werden von vielen Erwachsenen mit etwas zu offenen Armen aufgenommen, und schließen eine ganze Reihe von Freundschaften mit Erwachsenen, was mir etwas suspekt und zu romantisiert vorkommt. Davon abgesehen hat mir "Unser Buch der seltsamen Dinge" wirklich sehr gut gefallen und ich habe Miv gerne durch die Geschichte begleitet.

Bewertung vom 28.07.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

Jella und Yannick sind ein Paar, wie es abertausende gibt. Jeder kennt ein Paar ihrer Sorte: Sie sind verliebt, aufbrausend, emotional. Eine falsche Bemerkung, und die Stimmung zwischen den beiden kippt, ein Wort zu viel und das Knistern verwandelt sich in eine Explosion. Doch wenn der Staub sich legt, schlafen die beiden Arm in Arm ein. Deshalb ist Jella überzeugt davon, dass sie eine rosige Zukunft vor sich haben, wie aus dem Ikea-Katalog. Doch als ein weiterer Streit eskaliert und nicht in Versöhnungssex, sondern mit Yannicks Händen um Jellas Hals endet, findet sie sich plötzlich in ihrem Kinderzimmer wieder. Nix mit Ikea-Katalog. Und Jella fragt sich, wie es so weit kommen konnte. Wie es jetzt weiter geht. Und welche Rolle ihr selbst in diesem Drama zuteil wird.

Der Klappentext von "Die schönste Version" hat mich direkt an "Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux erinnert. Die Geschichte ist eine gänzlich andere, und doch gibt es Parallelen. Es geht um die Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern, darum was die Gesellschaft als "normal" erachtet, darum was wir tolerieren. Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder seine Ex-Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt es. Diese Statistik zeigt auf, dass es gar nicht genug Bücher geben kann, die das Thema Partnerschaftsgewalt beleuchten, erzählen, enttabuisieren. Wir alle werden im Leben die Chance bekommen, einem Menschen zu helfen, dem in seiner Partnerschaft Gewalt angetan wird. Das kann auch unangenehm sein, denn nicht immer weiß man, was zu tun ist, welche Option für das Opfer die beste ist. Die Schilderung in "Die schönste Version" sind bedrückend, und sie sind es auch, weil wir als Leserinnen in die Intimsphäre von Jella und Yannick eindringen, was in der Regel hinter verschlossen Türen geschieht, passiert hier mitten auf der Bühne, im Scheinwerferlicht.
Mir hat "Die schönste Version" sehr gut gefallen. Zwar ist die Erzählung in weiten Teilem beklemmend, doch gibt es auch immer wieder Lichtblicke, starke Momente und Widerstand. Jellas Erfahrungen hatten eine hypnotisierende Wirkung auf mich, sodass ich das Buch an nur einem Tag gelesen habe, und es auf jeden Fall weiter empfehlen würde!

Bewertung vom 28.06.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


ausgezeichnet

Die 16-jährige Lena verschwindet spurlos über Nacht. Ihr Vater, ihre Mitschülerinnen – ganz Deutschland steht vor einem Rätsel. Und Yasira Saad soll nun genau dieses Rätsel lösen. Sie arbeitet beim BKA und wird mit dem Fall der verschwundenen Lena betraut. Nach kurzer Zeit taucht ein Video auf, das zeigt, wie Lena brutal vergewaltigt wird. Die Täter sind dunkelhäutig, somit ist das Video Öl in das Feuer der Fremdenfeindlichkeit, das in weiten Teilen Deutschlands bereits lodert. Welches Motiv steckt hinter dieser Tat? Warum gibt es ein Video der Tat, aber sonst keinerlei Spuren? Und wo ist Lena? Während die Stimmung in der Bevölkerung immer weiter hochkocht, muss Yasira dringend Antworten auf diese Fragen finden.
Marc-Uwe Kling ist Vielen sicher durch seine „Känguru Chroniken“ bekannt, in denen er mit viel Witz seinen Alltag mit dem kommunistischen Känguru schildert. Der Roman „Views“ geht da in eine diametral andere Richtung – deshalb war ich sehr gespannt, was mich erwarten würde, auch wenn ich mir kaum vorstellen konnte, welche Geschichte Kling in seinem neuen Roman erzählen wird. Ich hatte gehofft, dass auch im Setting einer spannungsgeladenen Erzählung sein Wortwitz und seine charmante Erzählweise durchscheinen würden. Diese Hoffnung wurde voll erfüllt, und sogar übertroffen, da Kling dabei auch noch einen fesselnden Kriminalroman geschrieben hat. Ihm gelingt es dabei, authentische Charaktere zu entwickeln, obwohl die Geschichte auf weniger als 300 Seiten passt. „Views“ ist einerseits ein unterhaltsames Buch, das mich als Leserin nur so durch die Seiten fliegen ließ. Andererseits behandelt es ein brandaktuelles Thema, dessen wahre Auswirkungen wohl noch niemand mit absoluter Sicherheit benennen kann. Er nimmt sich einem Thema an, das bereits gelegentlich in der Gegenwartsliteratur vorkommt, und doch noch nicht breit vertreten ist. Wer an „Die Burg“ von Ursula Poznanski oder „Der Wald“ von Tibor Rode Gefallen gefunden hat, der wird auch von „Views“ begeistert sein“

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Bewertung vom 28.06.2024
Die Sache mit Rachel
O'Donoghue, Caroline

Die Sache mit Rachel


sehr gut

Es ist das Jahr 2008. Rachel studiert an der Uni in Cork und arbeiter nebenher in einem Buchladen. Sie fühlt sich dort wohl, auch wenn ihr Verdienst eher mager ist. Angesichts der um sich greifenden Finazkrise ist sie froh, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen überhaupt noch einen Job hat. Da kommt ihr der Vorschlag ihres Kollegen James, gemeinsam in ein etwas heruntergekommenes Haus zu ziehen gerade gelegen. Die WG-Gründung markiert auch den Beginn einer engen Freundschaft zwischen Rachel und James. Die beiden feiern gemeinsam, geben einander Halt und unterstützen sich gegenseitig. Sei es mit einem offenen Ohr, einer Flasche Schnaps oder einer Tasse Tee. Als Rachels Professor Fred Byrne in das Leben der beiden tritt, verändern sich die Dinge jedoch, und plötzlich finden sich Rachel und James in einer unerwarteten Dreiecks-Konstellation wieder, die ihre Leben gehörig auf den Kopf stellt.
Die Geschichte rund um James, Rachel und Fred Byrne und außerordentlich unterhaltsam und sehr einnehmend. Auch wenn es keine Spannungs-Elemente gibt, die an einen Krimi oder Thriller erinnern, schafft es die Autorin allein durch die Intensität ihrer Erzählung, mich als Leserin in ihren Bann zu ziehen. Durch die vielen Bezüge auf die kulturelle Umstände Irlands in den 2000er Jahren bekommt das Buch eine gewisse Tiefe und Substanz. Diese steht in einem gewissen Kontrast zur Lebenswirklichkeit von Rachel und James, welche von Alkohol-Exzessen, Sex und ausschweifenden Parties geprägt ist. Hier war mir die sprachliche Gestaltung teilweise etwas zu derb, was die Autorin aber durch viel Witz und Humor wieder wettmachen konnte.
Ein weiterer Punkt, der mich beim Lesen hin und wieder stutzen ließ, war der Wechsel der Zeitebenen. Dieser passiert im laufenden Fließtext, teilweise ohne eindeutigen Hinweis für mich als Leserin. Doch dieser Umstand hat meine Lesefreude keinesfalls getrübt, sondern eher meine Konzentration beim Lesen verstärkt.
Insgesamt kann ich "Die Sache mit Rachel" auf jeden Fall weiterempfehlen - es erzählt eine Geschichte der ganz anderen Art, von denen ich gerne mehr lesen würde!

Bewertung vom 01.06.2024
Experienced. Die Liebe bietet unbegrenzte Möglichkeiten
Young, Kate

Experienced. Die Liebe bietet unbegrenzte Möglichkeiten


sehr gut

Bette erlebt gerade eine Art zweite Pubertät: Sie hat sich gerade erst als homosexuell geoutet und auch direkt die Frau gefunden, mit der sie ihr Leben verbringen will. Mei ist sexy, smart, witzig - und schon deutlich erfahrener als Bette. Also schlägt sie vor, dass die beiden eine kleine Pause einlegen, sodass Bette nachholen kann, was sie in ihrer Jungend verpasst hat. Mei denkt an spontane Treffen, Online-Dating und unverbindlichen Sex. Doch Bette denkt eigentlich nur an Mei und ist von der Idee alles andere als angetan. Doch Meis Entscheidungen steht fest, also lässt Bette sich auf die Sache ein. Was sind schon drei Monate wilde Dates für ein Leben mit Mei?

Bette erlebt allerhand in ihrer von Mei verordneten Beziehungspause. Da gibt es Höhen und Tiefen, prickelnde Dates und unangenehme Momente. Dabei sind die misslungenen Dating-Versuche nicht nur komödiantische Episoden, sondern echte und authentische Rückschläge, inklusive peinlicher Momente und Gewissensbisse. Das gibt der Geschichte Tiefgang und eine Ernsthaftigkeit, die mir gut gefallen hat. Ich habe die Liebesgeschichte um Bette sehr genossen und hatte Freude daran, mit ihr an ihren Erfahrungen zu wachsen. Insgesamt würde ich "Experienced" als moderne Love Story mit einem gewissen Twist beschreiben. Dabei steht Bettes queere Identität nicht im Mittelpunkt, sondern ist auf eine wunderbar unaufgeregte Art und Weise Teil der erzählten Realität.
Insgesamt empfehle ich die Geschichte rund um Bette gerne weiter!

Bewertung vom 02.05.2024
Funny Story
Henry, Emily

Funny Story


sehr gut

Daphne steht vor dem Scherbenhaufen ihres bisherigen Lebens: Gerade noch hat sie mit ihrem Verlobten Peter ihre Traumhochzeit geplant, sündhaft teure Deko geshoppt und ihr Designer-Brautkleid abgeholt, dann ist mit einem Mal alles anders. Peter eröffnet ihr, dass ihm bei seinem Junggesellenabschied klar geworden ist, dass sein Herz eigentlich und unsterblich für seine beste Freundin Petra schlägt. Daphne komplementiert er kurzerhand aus dem gemeinsamen Haus und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich mit gebrochenem Herzen und ein paar Umzugskisten bei Miles einzuquartieren. Miles war bisher der Verlobte von Petra, und ist sozusagen ein weiterer Kollateralschaden der gerade entdeckten Liebe zwischen Peter und Petra. Miles und Daphne haben wenig gemeinsam, außer dass sie beide frisch verlassen wurden und sich nun in einer ungewöhnlichen Liebeskummer-WG wiederfinden. Daphnes Entschluss steht fest: Den Sommer wird sie noch überstehen, schließlich hat sie schon seit Ewigkeiten einen Lesemarathon in der Bibliothek geplant, wo sie als Kinderbibliothekarin arbeitet. Doch danach ist sie weg. Egal wohin, Hauptsache dort gibt es einen Job für sie und keine Erinnerungen an ihr gemeinsames Leben mit Peter. Doch sie hat die Rechnung ohne Miles gemacht: Denn der blüht nach und nach auf und hat sich in den Kopf gesetzt, Daphne von ihren Umzugsplänen abzubringen – dafür zeigt ihr ihr seine liebsten Strände, Bauernhöfe und auch einige Seiten an ihm, von denen Daphne bisher nicht einmal geahnt hat.
Schon der erste Satz des Klappentext liefert uns als versierten Leserinnen alle Informationen die wir brauchen, um die grobe Entwicklung der Beziehung zwischen Daphne und Miles vorherzusehen – und genau so soll es sein. „Funny Story“ ist ein leichter Liebesroman, der einem das ein oder andere Lächeln entlockt, der ein wenig auf die Tränendrüse drückt und ab und an auch Herzklopfen verursacht. Er erfüllt genau die Erwartungen, die er weckt, liefert Herzschmerz und sich zaghaft entwickelnde Gefühle. Dabei spielen auch Daphnes Liebe zu Büchern (und Kindern, die Bücher lesen!) sowie Miles‘ tiefe Verbundenheit mit seinem Wohnort Waning Bay eine wiederkehrende Rolle, die der Erzählung einen ganz besonderen Charme verleihen. Ich habe die Zeit zwischen den Bücherregalen, bei der Vorlesestunde, aber auch auf der Lavendelfarm und am Strand der Locals sehr genossen. Auch wer sich eine gewisse Spannung zwischen den Protagonisten wünscht, wird hier auf seine Kosten kommen. Mein einziger Kritikpunkt: Im letzten Viertel der Geschichte kommt eine meinem Empfinden nach unbegründete Dramatik auf, die wohl das Finale der Erzählung unterstützen soll. Für mich wirkt das etwas übertrieben und gekünstelt, und eben auch überflüssig. Sonst hat mir der Spannungsaufbau und die logische Entwicklung der Story gut gefallen.
Ein weiterer Punkt, der mit aufgefallen ist: An der ein oder anderen Stelle hat die Übersetzung einen Schnitzer, der einen stutzen lässt. Das tut dem Lesevergnügen zwar keinen Abbruch, lässt das Buch aber einen Moment wie Massenware auf dem Wühltisch wirken. Das passt nicht zum Gesamteindruck, den der Roman vermittelt. Insgesamt kann ich „Funny Story“ guten Gewissens empfehlen und bin mir sicher, dass noch viele Leserinnen damit ihre Freude haben werden!