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Benutzername: 
MargotH
Wohnort: 
Stuttgart

Bewertungen

Bewertung vom 14.04.2020
Ganz nebenbei
Allen, Woody

Ganz nebenbei


ausgezeichnet

Der erste Teil über Woody Allens Kindheit und Jugend in einer jüdischen Brooklyner Familie ist so, wie man's vom Manhattan- und Stadtneurotiker-Regisseur erwartet. Chronologisch und langatmig folgt dann sein Aufstieg als Witzelieferant für andere bis hin zu eigenen Auftritten als Komiker, gespickt mit Tausend Namen von Showgrößen, die nur denjenigen etwas sagen, die ihre Jugend in den 50er, 60er Jahren erlebt haben - und das in den USA. Zumindest für die deutsche Ausgabe wäre hier ein energischer Lektor und übrigens auch ein penibler Korrektor nötig gewesen. Ein wenig interessanter wird's, wenn Allen von seiner Filmarbeit berichtet. Er hat so viele großartige Filme gedreht: Sweet and Lowdown, Blue Jasmine, Matchpoint... Wer allerdings Erhellendes oder Tiefgründiges erwartet, wird enttäuscht sein. Stattdessen schreibt der Autor zu oft einfach "sie war wunderbar" oder "er war wirklich göttlich" oder "brillant wie immer". Er war eben ein Workaholic, nicht nur Regisseur, sondern auch Drehbuchautor und Schauspieler und kann gar nicht anders als im Überschalltempo durch sein Riesenwerk zu rasen.
Manchmal befremdlich ist seine Art des namedropping. Fellini hat ihn angerufen und er hat sich verleugnen lassen. Bergmann hat ihn nach Schweden eingeladen und er hat die Einladung nicht angenommen. Mit Huston hat er Poker gespielt usw. Eitel streitet er ab, ein herausragender Filmemacher zu sein. Ebenso wie er abstreitet, Kritiken über sich und seine Filme zu lesen, was er jedoch selbst an anderer Stelle widerlegt, was wiederum unfreiwillig komisch ist.
Was den Titel dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Bestsellerlisten bringen wird, ist natürlich "ab Seite 260". Manche Rezensenten neigen in diesem Fall dazu, sich über die Literaturkritik hinaus als Schiedsrichter pro oder contra Mia Farrow oder Woody Allen zu gerieren. Egal, welcher Seite in diesem Drama mehr Glauben geschenkt wird: Der Rufmord ist gelungen. Das Buch nicht.