Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Ms Tanita

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 08.08.2021
In diesen Sommern
Hecht, Janina

In diesen Sommern


ausgezeichnet

Teresa’s Kindheit wirkt auf den ersten Blick ganz normal und behütet: zusammen mit dem Bruder und ihren Eltern verbringt sie die Ferien mal am Gardasee, mal auf dem Bauernhof in Bayern. Doch wenn man genau hinschaut, ist nicht alles so, wie es sein sollte, denn die Familie ist wegen dem unvorhersehbaren Verhalten des gewalttätigen Vaters immer angespannt - eine Situation kann von einem Moment zum nächsten kippen. Der Leser begleitet die Hauptperson Teresa von der Kindheit zum Erwachsenwerden bis zum Tod des Vaters, eine Zeit, die geprägt ist von der dominanten Person des Vaters, einer Person, die eine so wichtige Rolle in Teresa’s Leben spielt und ihr doch immer auch fremd bleibt.

Der Roman ist mit 168 Seiten eher kurz und in viele, oft sehr kurze Kapitel eingeteilt, die sich sehr leicht hintereinanderweg lesen lassen. Das liegt auch an der Sprache, denn diese ist einfach, kurz, prägnant und doch hat sie gleichzeitig etwas Poetisches. Während manche Handlungen detailliert beschrieben werden und so Bilder entstehen, ist die Sprache immer wohldosiert, nie überladen oder ausschweifend.

In der Rückblende auf das Leben mit ihrem Vater liegt der Schwerpunkt auf den Sommern mit ihm, die eher eine bittersüße Zeit sind, denn die gute Stimmung in der Familie ist nie von langer Dauer. Der Vater findet, je länger der Tag fortgeschritten ist und je mehr er trinkt, immer etwas, das ihm nicht passt. Gleichzeitig kommt er aber auch in vielen Szenen seiner Rolle als Vater nach, erklärt, lobt, bringt den Kindern das Schwimmen bei und rettet zum Beispiel ein fremdes Kind vor dem Ertrinken. Teresa hat eine besondere Rolle im Familiengefüge: der Vater traut ihr mehr zu als ihrem Bruder Manuel und gleichzeitig begehrt sie auch am stärksten auf, wenn er gewalttätig wird. Während in der Kindheit Bewunderung für und Furcht vor dem Vater vorherrschend sind, ist in Teresa’s Erzählung als junge Erwachsene auch Mitleid mit dem Vater zu spüren, als dieser von der Mutter verlassen wird und alleine lebt, jedoch nie wirklich vom Alkohol wegkommt. Nach seinem Tod merkt sie, wie fremd er ihr blieben wird. Ihr wird bewußt, dass sein Tod auch bedeutet, dass ihr eine weitere Auseinandersetzung mit ihm und dem Geschehenen verwehrt bleibt.

Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, gerade wegen des ruhigen, unaufgeregten Erzählstils und der kurzen, häufig wechselnden Szenen. Das Stillschweigen das Teresa, ihre Mutter und ihr Bruder auch untereinander über das Geschehene bewahren, wird dem Leser auf fast unangenehme Art deutlich. Trotz allem wird der Vater nicht als eindimensionale Figur dargestellt, sondern als Mensch mit vielen Facetten, von denen manche gar nicht zusammenpassen wollen.

Bewertung vom 22.05.2021
Jaffa Road
Speck, Daniel

Jaffa Road


sehr gut

Üppiger Roman voller Geschichte(n)

Auf Sizilien begegnen sich Nina, Joëlle und Elias, drei Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die auf den ersten Blick nicht viel gemein haben, die aber ein Mann verbindet: Moritz/Maurice. Ein Mann, den wohl niemand wirklich kannte, und der sich zwischen Deutschland, Israel und Palästina bewegte, ohne wirklich Spuren zu hinterlassen.

Dieses Buch liest sich sehr gut, man kann sehr gut in die Geschichte „abtauchen“ und obwohl es mit über 660 Seiten sehr umfangreich ist, wird es nie langweilig und da man so viel Zeit mit den Figuren des Romans verbringt, fand ich es fast schade, als ich es ausgelesen hatte. Verschiedene Kapitel führen zu verschiedenen Zeiten in verschiedene Länder und werden aus den Perspektiven der jeweiligen Charaktere erzählt. Die Erlebnisse der Charaktere und die historischen Ereignisse werden sehr detailliert beschrieben und man ahnt, dass der Autor sich viel und tiefgehend mit der israelischen und der palästinensischen Geschichte befasst hat.

Hier werden die Geschichte von Israel und Palästina einander gegenüber gestellt, jedoch ohne Wertung. Es gibt viele Hintergrundinformationen zur Gründung von Israel und zum Leben der Generation, die die Staatengründung miterlebt hat und sowohl die israelische als auch die palästinensische Perspektive kommen anhand jeweils einer Familie zu Wort. Über diese wichtige Geschichtsepoche wird meiner Meinung nach viel zu wenig geschrieben und gesprochen, vielleicht auch, weil sich diese konfliktreiche Geschichte nicht als leichte Entspannungslektüre eignet, aber in diese Kategorie würde ich „Jaffa Road“ auch nicht einordnen.

Mich hat es beim Lesen etwas „gestört“, dass die Geschichte von hinten aufgerollt wird. Der Leser erfährt, genau wie Nina, immer mehr über das Leben ihres Großvaters, und über Joëlle’s und Amal’s Leben und Leiden in Haifa, wobei die Rahmenhandlung mit Moritz’s geheimnisvollem Tod und dem Aufeinandertreffen von Joëlle, Elias und Nina etwas zu kurz kommt, obwohl dieser Teil der Geschichte das meiste Spannungspotenzial hat. Aufgrund der Menge an verschiedenen Geschichten, die sorgfältig miteinander verwoben sind und der daraus resultierenden Länge des Romans fand ich das Ende etwas abrupt, denn die Hintergrundgeschichte wird anfangs sehr ausführlich erzählt und am Schluss scheint es so, dass vieles unerzählt bleibt, beziehungsweise schnell abgehandelt wird. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass die Geschichte von Nina, Joëlle und Elias in einem Nachfolgeband weitergeht.

Abschließend ist noch zu sagen, dass ich den ersten Band der Reihe nicht kenne, dies hat mich aber nicht bei der Lektüre des Buches nicht gestört. Am besten hat mir an „Jaffa Road“ gefallen, dass der Roman sich mit einem so interessanten Thema beschäftigt und dass über Moritz/Maurice alle Fäden der Geschichte zusammenlaufen und man durch die langsame Entwicklung des Plots intensiv in diesen Roman eintauchen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.