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Verena

Bewertungen

Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 24.10.2024
Der längste Schlaf
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf


ausgezeichnet

Sweet Dreams

Ein bisschen mulmig war mir schon, als ich mit dem Buch begann. Schließlich handelt es sich um Schlafstörungen – ein Thema, das mir leider nicht fremd ist. Mara, die Protagonistin des Romans, leidet ebenfalls unter Schlafstörungen, während sie als Wissenschaftlerin zum Thema Schlaf forscht, sich selbst aber nicht helfen kann. Sie erhält anfangs die Nachricht, dass ihr eine Villa in Deutschland, dem Land ihrer Kindheit, vermacht wird – von einem Mann, mit dem sie nicht verwandt ist und der keinen Kontakt zu ihr wünscht. Skeptisch, aber neugierig, reist sie dorthin, um das Anwesen schnellstmöglich zu verkaufen.

Doch die Villa hat andere Pläne mit Mara. Kaum betritt sie das Haus, wird sie von einer merkwürdigen Anziehungskraft ergriffen, die tief in ihr etwas aufwirbelt. Der Verkaufsplan gerät ins Wanken, während sie zunehmend alles in Frage stellt. Kann sie den Menschen in dem kleinen Ort wirklich vertrauen? Was ist mit ihren eigenen Gedanken? Sind ihre ständigen Halluzinationen und düsteren Vorahnungen einfach nur das Resultat von Schlafentzug, oder steckt mehr dahinter?
In kurzen Einschüben wird zudem die Geschichte zweier verunglückter Kinder erzählt, die sich zunächst nur schwer einordnen lässt, sich aber schließlich mit Maras Geschichte verwebt und schließlich ein stimmiges Gesamtbild ergibt.

Die Sogwirkung von „Der längste Schlaf“ ist enorm; während ich unter der Woche nur Zeit für die ersten 70 Seiten hatte, verschlang ich den restlichen Roman an einem Sonntag, weil ich unbedingt wissen musste, wie es weitergeht. Die Themen Schlaf und Träume sind ohnehin spannend und das Übernatürliche ist so geschickt in die Erzählung eingebaut, dass es durchaus realistisch wirkt. Diese wirklich gelungene Mischung aus Thriller und Schauerroman machen das Buch für mich zur perfekten Herbstlektüre.

Bewertung vom 08.10.2024
La Louisiane
Malye, Julia

La Louisiane


gut

Spannende Thematik, zähe Umsetzung

„La Louisiane“ ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie aus einer faszinierenden Grundidee nicht immer eine fesselnde Geschichte wird. Was für ein einnehmender historischer Roman hätte das sein können, der die Schicksale von Frauen beleuchtet, die einst im Schatten der Gesellschaft lebten, weggesperrt, deren Stimmen nie gehört wurden. Doch leider verliert die Autorin sich in langen, zähen Passagen, während das Leben der Protagonistinnen vor sich hinplätschert.

Im Jahr 1720 ist die berüchtigte Anstalt Salpêtrière in Paris überfüllt mit Frauen, die aus den unterschiedlichsten Gründen der Gesellschaft ein Dorn im Auge sind. Schließlich werden „Freiwillige“ gesucht, um in die Neue Welt zu reisen und dort den Männern als Ehefrauen zu dienen. Unter den Ausgewählten sind Charlotte, Pétronille und Geneviève, die sich mit vielen anderen auf den Weg in die Kolonie La Louisiane machen. Der Roman begleitet sie über viele Jahre, von Paris bis ins heutige Louisiana und darüber hinaus in den nordamerikanischen Kontinent.

Die langen Kapitel, durchzogen von häufigen Perspektivwechseln, machen das Leseerlebnis mühsam. Ein character-driven Ansatz wäre hier dringend notwendig gewesen, und mir ist nicht klar, warum dieser nicht gewählt wurde. Die Biografien der drei Frauen hätten vielschichtig und spannend gestaltet erfolgen können, jedoch bleiben sie leider oft flach und stereotyp. Es fehlt an Tiefe und Emotion. Immer wieder gibt es Szenen, die mit emotionaler Wucht und packendem Erzählfluss begeistern, nur um abrupt durch Wechsel in Perspektive oder Ort unterbrochen zu werden.

Es ist so schade, denn ich hätte diesen Roman wirklich gerne mehr gemocht. „La Louisiane“ bietet inhaltlich und erzählerisch viel Potenzial, das jedoch leider nicht voll ausgeschöpft wird.

Bewertung vom 08.10.2024
Das Comeback
Berman, Ella

Das Comeback


weniger gut

Rückkehr ins Rampenlicht?

Grace Turner, einst ein Kinderstar und dem Filmgeschäft und v.a. ihrem „Entdecker“ ausgeliefert, kämpft in „Das Comeback“ um ihre Rückkehr. Leider konnte mich der Roman trotz der eigentlich spannenden & aktuellen Thematik nicht überzeugen.

Die Autorin begann 2017 mit ihrem Roman, ließ jedoch den aufkommenden Weinstein-Skandal und die #MeToo-Bewegung außer Acht – eine unglückliche Entscheidung. Kurz nach der Veröffentlichung 2020 wurde auch der Machtmissbrauch in der Produktion von Kinder- und Jugendserien offengelegt. Diese Entwicklungen lassen den Roman, der sich viel mit Machtgefällen in der Filmindustrie beschäftigt, veraltet wirken. (Auch Anspielungen auf Britney Spears' „Absturz“ haben einen bitteren Nachgeschmack.)

Soziale Medien spielen kaum eine Rolle; stattdessen dominieren Klatschblätter und Paparazzi, wodurch der Roman endgültig wie ein Relikt aus den 2010er Jahren wirkt. Die Darstellung von Abel als Indie-Filmheld ist fragwürdig. Seine Kooperation mit Grace, u.a. an einer Reihe über Teenie-Auftragskiller, erweckt eher den Eindruck von großem Blockbuster-Kino. Angesichts des Erfolgs und Reichtums, den die beiden mit ihren Projekten erlangen, wird dieser Eindruck noch verstärkt.

Die Erzählweise leidet unter zähem Tempo und langen Dialogen, die die Handlung kaum voranbringen. Es scheint, als wolle die Autorin ein bereits bekanntes Geheimnis künstlich lange aufrechterhalten. Graces „Befreiungsschlag“, nachdem das Buch dann auch abrupt endet, fühlt sich eher wie eine Erleichterung für die Leser:innen an, als ein richtiger Wendepunkt für die Protagonistin. Trotz des vielen Unrechts, das ihr widerfährt, kam kaum echtes Mitgefühl auf. Graces Emanzipation bleibt zwischen den Zeilen verborgen. Die Beziehungen zu ihrer Familie, zu Dylan, ihrem Team sowie die merkwürdige Verbindung zu Emilia (die sehr viel Raum in der Erzählung einnimmt) bleiben zu oberflächlich und klischeebehaftet.

Leider ist auch die Übersetzung stellenweise holprig; die englischen Vorlagen einiger Formulierungen sind deutlich zu erkennen.

Insgesamt sehr schade, denn „Das Comeback“ hätte das Potenzial zu einem packenden und aktuellen Roman gehabt hätte.

Bewertung vom 02.10.2024
In den Wald
Vaglio Tanet, Maddalena

In den Wald


sehr gut

Zurück ans Tageslicht

Inspiriert von wahren Begebenheiten versucht dieser Roman, Geheimnissen zu enträtseln, die im Inneren der Menschen schlummern und oftmals so tief vergraben sind, dass sich die Betroffenen ihrer tragenden Kraft nicht einmal bewusst sind. Unterdrückte Gefühle und längst vergangene Erinnerungen wirken wie Schatten, die das Leben der Protagonist:innen bestimmen.

Maddalena Vaglio Tanet greift auf eine reale Geschichte in ihrer eigenen Familie zurück und weist dennoch auf die Fiktionalität ihres Werkes hin.

Schauplatz der Erzählung ist die kleine Stadt Biella im Piemont. Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Lehrerin Silvia sowie die beiden elfjährigen Kinder Giovanna und Martino, wobei Silvia als verbindendes Element fungiert. Eines Morgens verschwindet sie spurlos. Spurlos, jedoch keineswegs grundlos. Morgens erfährt sie auf dem Weg zur Schule vom tragischen Suizid ihrer Schülerin Giovanna. Von Schuldgefühlen zerfressen, begibt sich Silvia auf eine ziellose Wanderung durch den Wald, wobei längst vergessene Erinnerungen und unterdrückte Emotionen an die Oberfläche drängen. In einer einsamen Hütte verschmilzt sie förmlich mit der Natur und ihren eigenen Gefühlen. Bis Martino sie findet. Der Junge aus der Großstadt, ein Außenseiter und aus gesundheitlichen Gründen nach Biella gekommen, wünscht sich nichts sehnlicher, als wieder nach Hause zu können; Silvia hingegen weiß nicht, ob sie überhaupt je zurückkehren möchte.

Währenddessen ist die Dorfgemeinschaft in Aufruhr: die Suche nach Silvia, die Frage, warum ein Kind sich das Leben nimmt.

In eindrucksvollen Episoden wird das Innenleben von Silvia und Martino entfaltet; zwei Seelen, die aus unterschiedlichsten Gründen unglücklich sind, doch vielleicht gemeinsam einen Ausweg aus dem dunklen Wald finden können? Parallel wird Giovannas Geschichte in Rückblenden erzählt.

Ein fesselnder Roman, der mit einer perfekten Mischung aus magischem Realismus, Nature Writing und Gesellschaftskritik aufwartet. Große Empfehlung!

Bewertung vom 25.09.2024
Sing, wilder Vogel, sing
O'Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing


gut

Zunächst fesselnd, dann repetitiv

Der historische Roman „Sing, wilder Vogel, sing“ begleitet Honora, die in einem Dorf im Westen Irlands lebt. Von Geburt an ist sie eine Außenseiterin, von den Dorfbewohnern als Unglücksbringerin gemieden, denn bei ihrer Geburt flatterte ein Rotkehlchen durchs Haus – ein Symbol drohenden Unheils. Da die Menschen um sie herum Abstand halten, findet sie Trost in der Natur, wo sie einfach sie selbst sein kann. Doch ganz der Gemeinschaft entkommen kann sie nicht. So auch 1849, als die Dorfbewohner während der verheerenden Hungersnot eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß erleben.

Der Anfang des Romans übt einen starken Sog aus und basiert auf der Doolough-Tragödie, die sich am 30. März 1849 ereignete. Die Autorin gelingt es, sowohl ihre Protagonistin als auch deren Einbettung in die Erzählung eindrucksvoll zu gestalten. Honora überlebt und träumt von Glück und Freiheit in Amerika. Sie lässt nicht nur den Hunger hinter sich, sondern auch die Menschen, die sie ausgegrenzt haben. Nur sich selbst kann sie nicht zurücklassen. Das Muster aus Hoffnung, Enttäuschung und der ständigen Suche nach Befreiung wiederholt sich in Amerika: auf der Überfahrt, bei ihrer 1. Anstellung in New York, auf der Reise in den Westen, auf der Farm oder als sie schließlich mit dem Indigenen Joseph in die Freiheit reitet. Das Ende mag auf den 1. Blick etwas kitschig erscheinen, doch genauso empfand ich die Darstellung.

Eine Verbindung zu ziehen, zwischen der Unterdrückung der Iren durch die Briten und der der Ureinwohner Amerikas durch europäische Siedler, ist durchaus nachvollziehbar. Leider gelingt es der Autorin nicht, diese Aspekte mit der nötigen Tiefe und Authentizität darzustellen; sie wirken zu gewollt und oberflächlich. Besonders Honora scheint gefangen im ewigen Strudel der Außenseiter-Heldin; ab einem gewissen Punkt fehlt ihr die nötige Tiefe für eine Protagonistin.

Das mag auch daran liegen, dass nach dem fulminanten Beginn und den tollen Nature-Writing-Elementen meine Erwartungen sehr hoch waren. Ein ausbaufähiges Debüt.

Bewertung vom 21.09.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


gut

Intensives Debüt mit Luft nach oben

„Die schönste Version“ hat auf Bookstagram große Wellen geschlagen, war auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024 und behandelt ein ebenso relevantes wie intensives Thema.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive der Protagonistin Jella: ihr Aufwachsen in einer ostdeutschen Kleinstadt, die Begegnung und Beziehung zu Yannick, das harte Erwachen und die Rückkehr in ihr Kinderzimmer.

Was mir an dem Roman gefiel? Er verdeutlicht, wie schon im frühsten Jugendalter Mädchen und jungen Frauen ihr Dasein unter dem Male Gaze eingetrichtert wird. Jellas ganzes Coming-of-Age scheint darauf ausgelegt zu sein. Auch die toxische Dynamik zwischen Jella und Yannick wird überzeugend dargestellt – vom romantischen Kennenlernen über die Gewaltausbrüche bis hin zur Scham und der inneren Zerrissenheit, diese Beziehung zu verlassen.

Was mir weniger zusagte? Der Stil. Was als „stilistische Brillanz“ angepriesen wird, entpuppt sich als ein weiterer Roman, dessen vulgäre Ausdrucksweise wohl provozieren möchte? Inzwischen habe ich einige derartige Werke, meist Debütromane, gelesen und kann dieser Sprache leider wenig abgewinnen. Warum das so ist? Das lässt sich schwer greifen – es liegt nicht am Vulgären an sich, vielmehr an der plakativen und plumpen Umsetzung, die keinen echten stilistischen Mehrwert bietet.

Darüber hinaus konnte mich „Die schönste Version“ auch inhaltlich nicht komplett abholen, da mir die Figur der Jella zu unvollständig erschien. Sie beginnt zwar, ihr eigenes Handeln zu reflektieren und wird sich klar über die Gewalt in der Beziehung (physischer und psychischer Natur), doch all das wird nur oberflächlich angeschnitten. Ich denke, das entspricht leider häufig der Realität, aber gleichzeitig blieb unklar, welche Botschaft der Roman vermitteln möchte.

Bewertung vom 10.09.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Eine Geschichte wie ein Fluss

"Gestern war ich ein Fluss. Morgen komme ich vielleicht als Regentropfen zurück."

„Am Himmel die Flüsse“ war mein erster Roman von Elif Shafak und hat mich absolut begeistert. Ihre poetische Sprache, die Fähigkeit, komplexe Themen miteinander zu verweben, sodass am Ende alles harmonisch zusammenläuft, sind beeindruckend.

In viktorianischem London lernen wir Arthur kennen und begleiten ihn von seiner Geburt bis zu seinem Lebensende. Im Jahr 2014 reisen wir in die Türkei und den Irak, wo die kleine jesidische Narin durch ihre Großmutter über ihre Vergangenheit lernt. Im Jahr 2018 kehren wir nach London zurück und treffen Zaleekhah, eine Hydrologin, die vor ihrer eigenen Vergangenheit flieht.

Der Roman behandelt zentrale Themen wie Identität, Zugehörigkeit, Liebe, Verlust, Kunst, Tradition und Moderne, Heimat und Exil und all die damit verbundenen menschlichen Erfahrungen über Jahrhunderte hinweg. Die drei drei Protagonist:innen haben eigene Träume, Sehnsüchte und Herausforderungen, die oft auf brutalste Weise spürbar sind. Shafaks Kunst, die Geschichten am Ende zu einem großen Ganzen zu vereinen, ist eindrucksvolles. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto klarer werden die Verbindungen – sei es der Grabstein von Arthur oder ein zartes, verstecktes Tattoo in Keilschrift.

Das zentrale verbindende Element im Roman ist Wasser; es spielt in den Biografien von Arthur, Narin und Zaleekhah eine bedeutende Rolle. Auch die historische und gesellschaftliche Wichtigkeit des Wassers wird immer wieder deutlich. Die Themse, der Tigris, „verlorene“ Flüsse, künstliche Staudämme und die Klimakrise als globale Wasserkrise veranschaulichen eindrücklich, welchen Einfluss unsere Handlungen auf die Natur und auf zukünftige Generationen haben.

Ich möchte nicht zu viel über die Handlung verraten, um Spoiler zu vermeiden. Hervorheben ist aber die wundervolle Übersetzung, die die poetische, beinahe lyrische Sprache und die vielen teils subtilen Verbindungen zwischen den Erzählsträngen meisterhaft ins Deutsche überträgt. Eine absolute Leseempfehlung!

Beim Lesen wechselte ich ab zwischen Print und Hörbuch; letzteres ist zwar leider ein bisschen gekürzt, aber dennoch ebenfalls eine große Empfehlung, denn einerseits half es mir, die Namen und Orte mit der richtigen Aussprache zu verbinden, andererseits war Pegah Ferydoni die ideale Wahl, zur Vertonung dieses Romans. Ihr schauspielerisches Können gibt den drei Erzählsträngen mit Arthur, Narin und Zaleekhah je eine eigene Dimension. Ihre Stimme, melancholisch und weich, trägt die Emotionen, ist angenehm zu hören und das perfekte Pendant zu Shafaks wundervoller Sprache.

„Wir schaffen Kunst, um eine Spur für die Zukunft zu hinterlassen, eine kleine Krümmung im Fluss der Geschichten, der viel zu schnell fließt und viel zu wild ist, als dass wir ihn erfassen könnten.“

Bewertung vom 16.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


gut

Nett für Zwischendurch

In „Pi mal Daumen“ trifft Oscar auf Moni. Oscar ist 16, hochbegabt, hat einen Adelstitel und sehr wohlhabende, einflussreiche Verwandte, ist aber noch nie mit der U-Bahn gefahren. Moni hingegen, eine über 50-jährige Frau mit mehreren Jobs, drei Enkeln und einer Leidenschaft für Glitzer sowie High Heels, umgeben von einer Parfümwolke, ist in jeder Hinsicht das Gegenteil von Oscar. Beide starten als Erstsemester im Mathematikstudium.

Oscar hält Moni zunächst für die Putzfrau, dann sieht er in ihr die perfekte Lösung, die verpflichtende Gruppenhausaufgabe erfüllen zu können, ohne wirklich Kontakt mit den Kommiliton:innen haben zu müssen, denn das mag er gar nicht. Von Moni als Person hält er fast genauso wenig wie von ihren Mathefähigkeiten.

Natürlich kommt es ganz anders und obwohl Moni große Lücken hat was das Mathewissen aus der Schule betrifft, zeigt sich schnell, dass sie Oscar mathematisch gesehen absolut ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen ist (das sage ich als Geisteswissenschaftlerin, die die Matheanspielungen 0,0 verstanden hat^^). Komplizierte Mathematik fällt ihnen leicht, doch beide kämpfen mit dem Alltag – ihre Probleme sind jedoch ganz unterschiedlicher Natur. Es entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft, die im Laufe des Semesters auch die Familien der beiden einschließt.

Es ist eine schöne Idee und ich habe den Roman gerne flott gelesen, man möchte wissen, wie es weitergeht, aber richtig abholen konnte mich Bronsky leider nicht. So sehr sich die Autorin auch bemüht, die Botschaft zu vermitteln, dass Menschen nicht über Klischees oder Stereotypen definiert und gar reduziert werden sollten, so nutzt sie selbst zu oft diese Klischees und es gelingt ihr leider nicht, sich im Verlauf der Handlung von ihnen zu befreien.
(Ein bisschen zu verworren war mir auch der Erzählstrang um Jan/Mr Brown/Daniel/Monis Schulzeit.)

Insgesamt bleibt es jedoch ein unterhaltsamer, leicht lesbarer Roman, der sich gut für Zwischendurch lesen eignet.

Bewertung vom 02.08.2024
Und dahinter das Meer
Spence-Ash, Laura

Und dahinter das Meer


schlecht

Inspiriert von schlechten Jugendroman-Dreiecks-Lovestories?

Die persönliche Geschichte der Autorin, die in der 2. Lebenshälfte zum Schreiben kam und sich damit einen Herzenswunsch erfüllte, berührt mich mehr als der Roman selbst. Ich freue mich wirklich für sie, deshalb fällt es mir schwer, diese Rezension zu schreiben.

Um sie während des Zweiten Weltkriegs vor Luftangriffen zu schützen wird Beatrix, 11, von London in die USA geschickt. Fünf Jahre verbringt sie bei Familie Gregory: Sie genießt dort ein glückliches Familienleben, doch die Abwesenheit ihrer Eltern schmerzt. Diese innere Zerrissenheit beeinflusst die familiären Beziehungen nachhaltig, selbst als Bea schließlich nach London zurückkehrt.

Ein spannendes Thema, dachte ich mir. Leider wird der Krieg und dessen Auswirkungen auf die Menschen lediglich als Mittel genutzt, um das Kind in die USA zu bringen. Nach den vielversprechenden ersten Kapiteln sinkt die Qualität stark: kurze Kapitel, aus der Perspektive von acht Figuren erzählt, stilistisch unterscheiden sie sich kaum; unklare Zeitsprünge; wichtige Ereignisse, die im Off geschehen. Wenn die Handlung stagniert stirbt eine Person, doch der Tod der Figuren wird wie der Krieg nur als Mittel genutzt, um die Handlung voranzutreiben. Echtes Mitgefühl bleibt aus, da die ständigen und schlecht gestalteten Perspektivwechsel die Charaktere flach wirken lassen.

Das Schlimmste kommt jetzt. Im Laufe des Romans deutet sich bereits der klischeehafte Verlauf an, doch ich dachte, so platt wird es nicht. Kennt ihr diese Jugendromane, in denen ein Mädchen viel Zeit mit einer anderen Familie verbringt und mit deren Söhnen aufwächst, bis das Mädel in die Pubertät kommt? Plötzlich verlieben sich beide Söhne in das Mädchen und es entsteht ein ewiges Hin und Her, bis schließlich einer der beiden ihr das Herz gewinnt – ein vertrautes Muster. (looking at you, Jenny Han)

Nun ja. Leider passiert hier genau das, und zwar auf äußerst langatmige Weise. Obwohl das Buch nur 350 Seiten hat, zog es sich endlos langweilig hin. Anfangs wollte ich 2 Sterne für die tolle Grundidee vergeben, doch das Ende (argh!!) bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen – daher nur 1 Stern.

Bewertung vom 02.08.2024
Wir treffen uns im nächsten Kapitel
Bickers, Tessa

Wir treffen uns im nächsten Kapitel


sehr gut

Die Liebe zum Lesen, zu sich selbst und zueinander

Anfangs hatte ich keine großen Erwartungen an dieses Buch (pun intended). Doch 2 Aspekte weckten mein Interesse: die Idee des Büchertauschs zwischen zwei Fremden, die sich dabei verlieben, und die Erwähnung meines Lieblingsklassikers „Große Erwartungen“ direkt im Klappentext.

Tessa Bickers schafft es, die Themen Familie, Freundschaft, Liebe und Verlust kreativ zu verweben. Die Protagonisten Erin und James haben verschiedene Ansätze, mit ihren Entscheidungen umzugehen. Erin hat Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen und kündigt schließlich impulsiv ihren ungeliebten Job, was sie zwingt, sich ihrer Vergangenheit zu stellen um ihre Zukunft gestalten zu können. James hingegen entscheidet rational, was ihn jedoch nicht glücklich macht. Beide Charaktere tragen ein schweres Päckchen, und obwohl ich kein Fan von ständigem Drama in Liebesgeschichten bin, wurde dies hier glaubhaft dargestellt – wenngleich etwas weniger auch nicht geschadet hätte. (Wermutstropfen: Es werden heikle Themen behandelt, weshalb Triggerwarnungen sinnvoll gewesen wären, trotz des respektvollen Umgangs der Autorin)

Mit James konnte ich mich teils gut identifizieren; Erin fand ich nicht immer sympathisch. Dennoch gelingt es Bickers, die inneren Konflikte ihrer Figuren nachvollziehbar darzustellen. Positiv überrascht haben mich auch die gut entwickelten Nebenfiguren, die die Geschichte wirklich bereichern, was in diesem Genre nicht selbstverständlich ist.

Der Schreibstil von Tessa Bickers ist angenehm leicht und flüssig – beeindruckend für einen Debütroman. Die Bücher, die Erin und James austauschen, spielen eine wichtige Rolle in der Erzählung, und die Liebe zum Lesen zieht sich durch das gesamte Werk. Ich bin gespannt auf zukünftige Veröffentlichungen von Tessa Bickers und kann „The Book Swap“ / „Wir treffen uns im nächsten Kapitel“ empfehlen.