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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Chrihart
Wohnort: 
Wuppertal

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 21.10.2022
Hey, hey, hey, Taxi!
Stanisic, Sasa

Hey, hey, hey, Taxi!


ausgezeichnet

Drachenhängematten und Heidelbeerregen

Saša Stanišić, der 2019 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, entführt in seinem Buch „Hey, hey, hey Taxi!“ in eine andere poetische Welt, in der man gerne leben würde. Hier wimmelt es von wundervollen Figuren, z. B. sehr kleinen Riesen mit schlagzeugspielenden Hüten und Drachen, die in der Hängematte liegen. In dieser Welt regnet es auch schon mal Heidelbeeren. Das „Ich“, das in den Kürzestgeschichten (meist nur auf einer illustrierten Doppelseite platziert) mit dem Taxi fährt, fährt mal zur Bibliothek, mal in einem Käsetaxi zum Mond und am Ende immer wieder nach Hause, zu seinem „Du“.

In einer der Lieblingsgeschichten singt eine kurzhalsige Giraffe mit tiefer Stimme ein trauriges Lied vom Anderssein. Die Taxifahrer sind eigenwillige Geschöpfe, die nicht immer dahin fahren, wohin man fahren will. Sie fahren sogar bis ins Mittelalter oder in die Zukunft. Sie fahren sehr schnell oder auch nur „blitzig“ und reden des Öfteren ein merkwürdiges Kauderwelsch. Der kindliche Leser fährt begeistert mit und erweitert dadurch seine eigene Welt. Ab und an wird ein Begriff erklärt, wie z. B. Sehnsucht. Es werden oft Fragen gestellt oder die Möglichkeit geboten, eigene Dinge in die Geschichten einzubauen.

Fazit: Die Reisegeschichten mit dem Taxi, die sich an Leser ab 6 Jahren richten, machen Spaß! Sie beflügeln die Fantasie. Man fährt durch eine schillernde Welt, in der sich kichernde Piraten in der eigenen Badewanne breit machen können. Es bereitet großes Vergnügen, diese Geschichten zu lesen oder vorzulesen und dabei die liebevoll erfundenen Figuren in den leuchtenden Farben der bezaubernden Illustrationen von Katja Spitzer zu entdecken. Ich kann das Buch jedem nur wärmstens empfehlen, der in unserer heutigen technikdominierten Welt mal wieder seine Fantasie befeuern möchte, und gebe die volle Punktzahl!

Bewertung vom 26.05.2022
Papyrus
Vallejo, Irene

Papyrus


ausgezeichnet

Spannende Geschichte des Buchs: Von Bücherjägern und Schreibsklaven

Der Leser des Buches mit dem Titel Papyrus, im Diogenes-Verlag erschienen, taucht sofort ungebremst in die Welt der Antike ein. Buchbeschaffer aus Alexandria streifen durch Griechenland, um jedem Exemplar habhaft zu werden. Sie haben den Auftrag, die Bücher der damaligen Welt zusammenzutragen, notfalls mit viel Geld oder sogar mit Gewalt. Ptolemaios erschafft mit der Beute „die“ Bibliothek in Alexandria. Fesselnd erzählt die Autorin Irene Vallejo von den Anfängen der Bibliotheken und der Herstellung der Schriftrollen aus Papyrus-Pflanzen. Sie streut leichtfüßig alle Informationen in eine Lektüre ein, die sich anfühlt, als sei es ein Roman. Die Sprache ist verständlich und mit den vielen geschichtlichen und persönlichen Anekdoten macht es Spaß, all das Wissen in sich aufzunehmen. Vallejo lässt an der rasanten Entwicklung des Buchs teilhaben und die Zeiten miterleben. Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt (jeweils die Zeit der Griechen und Römer).

Die Römer haben vorerst viele Errungenschaften von den Griechen übernommen. Erste Intellektuelle in Rom sind nämlich griechische (ehemalige) Sklaven, die kultivierte Gönner aus dem Adel haben. Als dann doch auch Römer zu großen Schriftstellern werden, gibt es immer noch keine Verlage. Die Bücher kursieren als Luxusgeschenke unter Bekannten in aristokratischen Kreisen, die von Sklaven vervielfältigt werden. Den aufkommenden Buchhandel in Rom nimmt Vallejo zum Anlass, ein Loblied auf die „magischen Orte“ der Buchläden und auf die Buchempfehlungen der Buchhändler zu singen. Der Autorin gelingt der Spagat zwischen Antike und heutigem Alltag mit Bravour! Sie zeigt einmal mehr die Begeisterung zum Buch und ihre ausgesprochene Fähigkeit, mit überzeugenden Porträts und deren Geschichten die Entwicklungen dieses Mediums und die damit verbundenen Berufe früher und heute den Lesern aufs Beste zu vermitteln.

Selbst anhaltende Unruhen, Kriege und Bücherverbrennungen sowie die in solchen düsteren Zeiten wachsende Nichtleserzahlen haben Bücher überdauert. Oft wurden sie schon totgesagt. Das Buch endet mit Menschen zu Pferde, so wie es auch angefangen hat, nur dass es am Anfang Bücherjäger sind. Der Kreis schließt sich. 1934 gibt es in Kentucky, wegen der für Wagen unpassierbaren Wege, durch ein Regierungsprojekt bezahlte Bibliothekarinnen, die Bücher auf Pferden transportieren und so zu den Bewohnern bringen. Vallejo hat ein faszinierendes Werk zum Thema Buch geschaffen. Es bereitet Vergnügen, all den Erlebnissen der von ihr beschriebenen Menschen zu folgen und immer wieder Neues zu erfahren. Selbst ausgesprochene Bücherfans und Buchexperten können von neuen Erkenntnissen überrascht werden. Trotz des Umfangs mit über 600 Seiten Text (ohne Literaturangaben) lohnt sich das Buch auf jedem Fall. Ich vergebe 5 Punkte!

Bewertung vom 09.05.2022
Waldinneres
Subietas, Mónica

Waldinneres


ausgezeichnet

Spannung um verschollene Raubkunst im winterlichen Zürich

Waldinneres, das Buch von Mónica Subietas, das vom Verlag S. Fischer schön gestaltet wurde, fängt mit einem niedergestreckten Maler an. Max liegt bewusstlos am Boden seines Ateliers. Es ist ein bildgewaltiger Auftakt. Dann gibt es verschiedene Zeitsprünge, die unter anderem von der Flucht vor den Nazis eines erfolgreichen jüdischen Kunstsammlers erzählen. Jakob trägt nur ein kleines Klimtbild mit Waldmotiv versteckt bei sich. Er hat es, wie alle seine Bilder, mit seinem Siegelring auf der Rückseite gestempelt. Ihm wird bei der Flucht geholfen, aber dann verliert sich seine Spur im Wald, wo ihn ein Fluchthelfer verletzt zurücklassen muss.

Nach der Vorgeschichte erhält Gottfried ein ungewöhnliches und unerwartetes Erbe, er wird von der Bank aufgespürt und findet das Bild in einem Schließfach: der verschollene Klimt ist nach Jahrzehnten wieder aufgetaucht. Wie geht man damit um? Gottfried, der erst nicht weiß, dass es sich überhaupt um so ein teures Bild handelt und dem Geld nicht wichtig ist, möchte den Wunsch seines Vaters, den wahren Besitzer zu finden, erfüllen. Einziges Problem: er weiß nicht, wie dieser heißt. Wie ist sein Vater wirklich an das Bild gekommen? Gottfried plagen Zweifel.

Dennoch hängt es Gottfried in seine Kneipe, die er in Zürich betreibt. Er wird daraufhin von mehreren Leuten auf das postkartengroße Bild angesprochen. Einige anonyme Anrufer bedrohen ihn und seine Freundin Julia sogar. Gottfried bekommt Angst und versteckt das Bild. Ausgerechnet zwei seiner Stammkunden, der Maler Max und der Galerist Lucas, gehören zu den Interessenten. Aber wer will ihnen etwas Böses? Wer will das Bild um jeden Preis? Wer steckt dahinter? Gottfried gesteht Julia die Geschichte mit dem Bild, weswegen er und auch sie nun bedroht werden.

Die Geschichte liest sich flüssig. Ich konnte mich in die Figuren gut hineinversetzen. Die Szenen im winterlichen Zürich werden lebendig, die Sprache ist sinnlich und legt langsam die vielen Puzzleteile frei. Am Ende führt Mónica Subietas alle Fäden zusammen und klärt nicht nur das Rätsel um das Bild, sondern auch die Tat an Max auf. Das große Finale findet während der Ausstellung von Max statt, obwohl er währenddessen im Krankenhaus liegt. Das Ende ist meiner Meinung nach ein gutes Ende und Gottfried kann am Schluss mit der Sache guten Gewissens abschließen. Das Buch war kurzweilig und spannend zu lesen! Mir hat das Debüt von Subietas sehr gut gefallen. Ich würde es weiterempfehlen.