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Benutzername: 
Darren
Wohnort: 
Heidelberg

Bewertungen

Insgesamt 12 Bewertungen
12
Bewertung vom 22.07.2024
Biblioteca Obscura: Frankenstein
Shelley, Mary

Biblioteca Obscura: Frankenstein


weniger gut

Frankensteins Monster, eine Geschichte, die zur klassischen Kultur gehört, ist wohl jedem im gewissen Maße vertraut. Ein Wissenschaftler, der Gott spielt, ein Wesen erschafft, dem er nicht mehr Herr wird, aber das er auch nicht loswerden kann, und mit den Konsequenzen umgehen lernen muss.
Die Handlung teilt sich auf in Briefromane, die der abenteuerlustige schiffsreisende Robert Walton, der eine Forschungsexpedition an den Nordpol leitet, an seine zu Hause gebliebene Schwester schreibt, und in die Ich-Erzählung des jungen Schweizers Victor Frankenstein, der den künstlichen Menschen kreiert. Dieses Wesen sehnt sich nach menschlichen Kontakt, nach Nähe, Zugehörigkeit und Liebe, doch durch sein Erscheinungsbild und seine etwas ungeschickte Art erfährt es nur Zurückweisung und Ablehnung, wodurch das Übel seinen Lauf nimmt, da dessen Seele in Schmerz und Trauer ertrinkt.
Sehr spannend an dem Buch finde ich das Vorwort, wie der Roman entstanden ist, die Entwicklung und ein kleines Stückchen Biografie der Mary Shelley. Auch dass sie ihre Geschichten nicht zu fantastisch gestaltet, sondern der Horror eher auf der Wirklichkeit beruht, auch bei ihren weiteren Geschichten, ist für mich ein großer Pluspunkt. Denn sowohl die schönsten als auch die gruseligsten Sachen schreibt das Leben selbst und das ist, was für mich persönlich den größten Schrecken ausmacht, wozu Menschen fähig sind, was sie in anderen auslösen können...

Die Ausgabe an sich ist etwas Besonderes. Gestaltet mit düsteren und dennoch ästhetischen Illustrationen passend zur Handlung. In der eBook-Ausgabe wiederholt sich ein Bild leider sehr häufig. Ich vermute, dass es in der gedruckten Variante als optisches Kapitelende eingesetzt
wird, was beim eBook allerdings nicht sonderlich gut rüberkommt (Seitenaufteilung, Größe des Bildes sind hier nicht stimmig). Auch fehlt an jedem Kapitelanfang ein Buchstabe. Das kann man im Kopf zu 98% zwar problemlos ergänzen, wirkt aber alles andere als professionell und zerstört den Gesamteindruck. Auch tauchen später Abschnitte auf, die in sehr hellem grau sind, statt dem üblichen schwarz-grau, was das Lesen erschwert, Formatierungsfehler sind nicht ausgeschlossen, sodass auf einmal die Lesegröße in ein XXL-Design wechselt oder Bilder an sich nicht richtig eingebunden sind und teilweise sind auch ganze Sätze oder Satzabschnitte verloren gegangen.

Fazit:
Wer sich die Printausgabe leisten kann und möchte, und zudem auf klassische Literatur steht, wird hier ein besonderes Schmuckstück erwerben. Von der eBook-Ausgabe rate ich aber dringendst die Finger zu lassen, da man sich hier keinen Gefallen tut, sondern spätestens dann, wenn die Satzfragmente auftauchen, die Lust am Lesen verlieren wird.

Bewertung vom 11.07.2024
Der Spurenfinder
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder


weniger gut

Die Geschichte beginnt damit, dass wir erfahren, dass die Familie aufgrund eines beruflich nicht einwandfrei gelaufenen Falles des Familienvaters in ein verschlafenes Kuhnest gezogen ist, wo dieser plant, seinen aktiven Beruf an den Nagel zu hängen und seine Memorien zu schreiben. Die Zwillingskinder sind mit dieser Entscheidung alles andere als glücklich, denn das einzig spannende, das ihnen bleibt, ist die Aufzeichnungen ihres Vaters zu lesen.

Als nach einiger Zeit ein Jahrmarkt in die Stadt kommt, ist dies ein großes Highlight für alle Anwohner und wir haben hier die Möglichkeit, sowohl die Charakteren der Kinder als auch der Freunde der Familie kennen zu lernen, was allerdings alles sehr oberflächlich und platt bleibt. Der Jahrmarkt gestaltet sich magisch und es gibt Kuriositäten wie Stimmonade statt Limonade (Verfärbung der Stimmen ins Hohe, Tiefe, tierische,.., was sehr ans die Getränke aus Phantastischen Tierwesen erinnert), Zungentattoos, die recht genau die Charakteren oder Gefühle der Anwender wiedergibt und von mehreren Stunden bis hin zu Wochen halten können. Auch die Akteure im Allgemeinen stammen aus dem Land der Fabeln und Legenden (Elementarmagier, Zwerge,…).
Auf dem Jahrmarkt gibt es eine richtige Akkumulation von magischen Besonderheiten, doch es fehlt das Erzählerische, das Mitreißende und Fesselnde. Es wirkt auf mich einfach wie eine Anhäufung von Ideen, dem Zuhörer / Leser aus einem Sack vor die Füße geworfen.
Auch die Figuren konnten mich keineswegs überzeugen. Die zwölfjährigen Zwillinge wirken wie verzogene sechsjährige Grotten, die sich und ihrer Umwelt sowohl von den streitenden Dauerdiskussionen, vom geistigen Intellekt auf die Nerven gehen, obwohl sie vom Vater immer wieder aufgefordert werden, autark zu denken.

Und am nächsten Tag ist es soweit. Der Ortsvorsteher wird ermordet aufgefunden, womit die eigentliche Handlung erst beginnt, etwa ein Drittel des (Hör-)Buches aber bereits überstanden ist. Insgesamt plätschert die Geschichte nun in klassischer kriminalistischer Manier vor sich hin, nur unterbrochen von dem nervigen Zwillingskindern. Am Ende, als endlich Spannung aufkommen sollte, fehlt so ziemlich alles, was eine gute Story ausmacht:
Die Atmosphäre, der Höhepunkt zum hin Fiebern, einfach eine ordentliche Erzählkunst.


Persönliches Fazit:
Von einem Namen wie Marc-Uwe Kling hat man, selbst wenn er als Co-Autor agiert, eine gewisse Erwartungshaltung. Dieser konnte er dieses Mal so gar nicht gerecht werden. Die Kunst des Geschichten Erzählens und Handlungen Verwebens ist hier so gar nicht gelungen. Statt das Beste aus den vermischten Genres herauszuholen, wirkt es wie eine langatmige Aneinanderreihung, sowohl von Ereignissen als auch Elementen.
Auch seine Sprecherkünste tragen hier nicht sonderlich gut bei. Die Kinder klingen, wie sie sich auch verhalten: Wie verzogene, nervtötende Bälger im Grundschulalter, aber nicht wie angehende Jugendliche.

Bewertung vom 16.05.2023
Walter
Baloch, Dr. M. S.

Walter


ausgezeichnet

Auf den Punkt gebracht, kann man sagen, dass es der Entwicklungsweg eines Menschen ist, wie dieser zum Serienmörder werden kann. In wechselnden Zeitepochen spielend begleitet man Walter durch seine Kindheit, sein Studium, seine erste Liebe, bis hin zur Perfektionierung seines Hobbys – dem menschenverachtenden Hass Ausdruck zu verleihen.

Doch damit würde man diesem Werk bei weitem nicht gerecht werden. Es ist ein sprachliches Kunstwerk, durchzogen von Metaphern, stilistisch wunderbar ausgearbeitet, fantastische Parallelen gezogen zwischen dem verdreckten, reißerischen Main und dem Lebensweg von Walter. Wasser, ein immer wiederkehrendes Symbol: Stehend für die Hauptessenz des Körpers und des Lebens. Es birgt die Quelle des Lebens, sprudelt aber auch in wahren Sturzbächen von dannen, wenn Walter mit seinen hassgetriebenen Kunstwerken beginnt. Für ihn geht es nicht nur darum, seinen Opfern auf brutale und bestialische Art und Weise das Leben auszuhauchen, sondern auch darum, eine Botschaft zu vermitteln. So tötet er seine Ziele nie gleich, hat kein Schema in seinen Opfern, das Einzige, was seine Handschrift verrät, ist die medizinische Präzision, mit der er vor geht, und die Aussagen durch seine Taten.

Es gibt nur wenige Stellen, wo ich als Leser das Gefühl hatte, dass der Autor dabei ist, sich in bildlichen Erzählungen zu verlieren, aber bevor der Eindruck sich richtig verfestigen konnte, ging es mit ordentlichem Tempo weiter. Trotz der Gliederung des Buches in drei große Bereiche fließen die Abschnitte ineinander, die Taktung der Taten, die Beschreibungen und Vorgehensweisen lassen kaum Luft zum Atmen. Insgesamt konnte ich mich mehr als gut in die Gedankenwelt von Walter und seinem antreibenden Motiv hineinversetzen, doch obwohl das Buch nicht auf Splatterniveau abzielt, sollte man keinen empfindlichen Magen haben, wenn man wie ich einen inneren Film beim Lesen abspielt.

Persönliches Fazit: Kurzgefasst: Ein sprachliches Feuerwerk, dass vor allem in diesem Genre seinesgleichen sucht (und auch in anderen Genres recht selten vertreten ist). Grausam in seinen Taten und Gedanken, faszinierend in der Kraft der beschworenen Bilder und durch unerwartete Wendungen fesselnd bis zum Schluss. Vor diesem Debüt zieh ich meinen Hut und freue mich schon auf weitere Werke des Autors!

Bewertung vom 16.05.2023
Inmitten der Wasserwelt (Arielle) / Disney - Twisted Tales Bd.6
Braswell, Liz;Disney, Walt

Inmitten der Wasserwelt (Arielle) / Disney - Twisted Tales Bd.6


weniger gut

Über Scuttle, der Seemöwe, erfährt Arielle, die als Bestrafung Atlantica regieren muss, eines Tages, das ihr Vater als verlorene Seele bei Vanessa alias Ursula lebt. In der stummen Arielle, die oftmals von ihren Schwestern und auch ihren Untertanen übergangen wird, weil sie sich nur via Zeichensprache verständlich machen kann, erwacht ein lange verlorener Kampf-, aber auch Abenteuergeist, um ihren Vater zu retten. Ursula allerdings, die nach der Hochzeit mit Prinz Erik in der „trockenen Welt“ geblieben ist, hält das Volk weiterhin unter ihrem Zauberbann. Dieser ist zwar nicht perfekt, da die Meerhexe an Land nur bedingt magische Fähigkeiten besitzt, aber bis auf wenige Aussetzer, bruchstückhafte nicht real wirkende Erinnerungen, die kurzweilig aufblitzen, hat dieser Bann gereicht, dass sich Ursula eine große Kampfarmee aufgebaut hat, um ihr Königreich zu erweitern. Doch als die Meerjungfrau erneut den Strand der Menschen betritt, reicht Ursula die Regentschaft an Land nicht mehr aus, sondern sie steckt sich deutlich gierigere Ziele.

Was mir positiv aufgefallen, neben der Tatsache, dass man wirklich alle Figuren, die auch nur ansatzweise eine persönliche Rolle zu Arielle gespielt haben, wieder trifft und dennoch auch neue Personen glaubhaft eingeführt werden, ist, dass sich die Charaktere weiterentwickelt haben. Sie sind nicht nur der Abklatsch der damaligen Geschichte, sondern die Regentschaft von Arielle und ihre persönlichen Verluste haben sie reifen lassen. Sie ist nachdenklicher, strategischer geworden und auch Erik, der dank des Zauberbannes oftmals wie eine Marionette wirkt, hat Spuren im Charakter und in seinem Wesen erhalten.
Zwei Drittel des Buches plätschert vor sich. Man liest es durch, ohne das viel spannendes passiert, aber der nostalgische Effekt trägt einen leicht durch das Buch. Als die Handlung Spannung aufnehmen sollte, wird die Geschichte aber recht platt. Der große Showdown (Achtung Spoiler) soll vor dem versammelten Volk passieren, indem die wahre Gestalt von Vanessa enthüllt wird. Dass die Meerhexe aber durch den Wasserkontakt ihre Zauberkräfte wieder gänzlich entfalten kann, wird dahin genommen, Hauptsache die Bevölkerung registriert, dass ihre Prinzessin kein Mensch ist. Nach dem Augen öffnen, zählt scheinbar nur noch: Nach mir die Sintflut
Der „Plan“ von Arielle und Erik wirkt umso unglaubhafter, weil davor lange Passagen darüber geredet wird, dass Vanessa an Land kaum magische Fähigkeiten besitzt, dann ist es natürlich gänzlich logisch-nicht, dass man sie ins Wasser schupst. Nach dem langen und fiebrigen Hinarbeiten auf die Schlüsselszene wird diese recht schnell und konstruiert abgefertigt und es wird ein typisches Disneyende daraus.
Allerdings reicht es der Autorin nicht, dass das Happy End wie erwartet erlangt wird, sondern sie schlachtet wirklich jede Figur bis aufs letzte aus. Der Leser weiß schlussendlich genau, wie Mr. Grimsby und Charlotta ihren Lebensabend verbringen, wie die Dienerin von Vanessa ein neues Leben angeboten wird, was sie in diesem macht und wie sie sich dabei fühlt. Von einem runden, aber offenen Ende keine Spur, für die eigene Phantasie bleibt keinen Platz.

Persönliches Fazit:
Wer in nostalgischen Erinnerungen schweben möchte und ein bißchen ein besseres Niveau als den zweiten Arielle-Film, der Arielles Tochter vom Land ins Wasser gehen lässt, haben möchte, ist hier gut aufgehoben. Jedoch sollte man keine Glanzleistung in Sachen Schreiberkünsten erwarten und sich am besten die letzten fünf Kapitel nicht zu Gemüte führen, da sich sonst die eigene Phantasiewelt anfühlt, als wenn man zehn mal mit der Zunge über ein grobes Schleifpapier geschleckt hat.

Bewertung vom 16.05.2023
Die unerhörte Reise der Familie Lawson
Klune, T. J.

Die unerhörte Reise der Familie Lawson


ausgezeichnet

Im typisch leicht zugänglichen Romanstil nimmt uns TJ Klune dieses Mal mit in eine roboterlastige Zukunft. Von den Menschen entwickelt, um sich einen Gehilfen oder Begleiter zu schaffen, vor allem aber auch um die Leere im Herzen zu füllen. Denn die Menschen haben verlernt, miteinander zu kommunizieren. Wir werden in eine kuriose Zukunft entführt, in denen die Roboter ähnlich wie im Film iRobot die Menschen ausgelöscht haben, um eine bessere Welt zu schaffen.
Doch ein menschliches Wesen lebt weiterhin auf dieser Erde. Der junge Victor, von seinem „Vater“ Giovanni liebevoll großgezogen und beschützt, macht die Wälder um seinen Wohnort unsicher.
Er wird begleitet von dem übernervösen, naiven, aber großherzigen Staubsaugerroboter Rambo mit starker Reinigungsneurose und einer schwarzhumorigen ausrangierten Pflegeroboterdame mit Hang zum Sadismus. Sie versteht es wie kein anderer, die Lachmuskeln des Lesers mit ihren fies neckigen Sprüchen zu reizen.

„Habe ich einen Anus?“, fragte Rambo.
„Nein“, antwortete Schwester Grob. „Trotzdem bist du manchmal ein Arsch mit Sprechdurchfall.“ (Pos. 1163)
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„Es wäre ganz leicht. Sterbehilfe muss nicht unbedingt schmerzhaft sein. Kann sie aber, wenn man möchte!“ (Pos. 156)


Dann taucht eines Tages Tom auf, eine Mordmaschine, geschaffen, um die Menschheit auszurotten, die jedoch besser sein möchte als seine Programmierung. Selbstbestimmt lehnt er sich mit den anderen gegen die Obrigkeit auf. Und damit sind wir beim Kern der Geschichte. Keine der Figuren lässt sich in eine Schublade stecken. Die Bedeutung von Freundschaft, Loyalität, psychischem Wachstum, aber auch Trauer, Verlust und Schmerz sind einige der Gefühle, mit denen wir konfrontiert werden.

[Victor:] „Ich glaube, ich war noch nie so sehr Mensch wie jetzt.“
[GIOvanni:] „Warum?“
„Weil ich atme, aber keine Luft bekomme.“ (Pos. 7193)

Das Ende war für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ständig hing ich zwischen Trauer und Hoffnung fest, denn wie im wirklichen Leben endet nicht alles mit einem Happy End. Doch insgesamt hat mich dieses Buch, das dritte, das ins Deutsche übersetzt wurde, wieder deutlich mehr abgeholt. Wer das erste deutschsprachige Buch von ihm „Parnassus' Heim für magisch Begabte“ gelesen hat, hat in „ Das unglaubliche Leben des Wallace Price“ einen ziemlichen Abklatsch gefunden.
In diesem Buch steht zwar auch wieder die (freundschaftliche und familiäre) Liebe im Vordergrund und an Lebensweisheiten wird ebenfalls nicht gespart, dank des Genrewechsels von vorher Fantasie zu nun eher futuristischer Dystopie und einem gänzlich anderen Setting, hat das Buch wieder eine ganz eigene Stufe erreicht und wird noch länger nachwirken.


Persönliches Fazit:
Eine zauberhafte Geschichte, die mich zum Lachen, zum Nachdenken, zum Fühlen und manchmal auch dazu brachte, vor Pein keine Luft mehr zu bekommen. Es wird aufgezeigt, wo Ungerechtigkeiten in der Welt vorhanden sind und dennoch ohne erhobenen Zeigefinger vorgeführt, wie einfach es sein könnte, wenn wir mehr miteinander statt gegeneinander leben würden. Wenn wir jedem seinen Charakter, seine Eigenheiten, sein anders akzeptierten und endlich verstünden, dass jeder seinen Platz in der Welt verdient hat. Absolute Empfehlung!

Bewertung vom 07.10.2022
Todesrache / Sabine Nemez und Maarten Sneijder Bd.7 (eBook, ePUB)
Gruber, Andreas

Todesrache / Sabine Nemez und Maarten Sneijder Bd.7 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Jahr voller Anspannung, zähfließenden dahin tröpfelnden Tagen und steter Ungeduld hatten Mitte September endlich ein Ende, denn der neue Sneijder war da und hat die Lesergemeinde von dem fiesen Cliffhanger, der ein Jahr im Raum stand, erlöst.

Nachdem bei der letzten Ermittlung die Sterberate im Freundes- und Kollegenkreis außerordentlich hoch lag, konnte Sneijder nicht mehr mit der Verantwortung der Verluste leben, doch ein kleiner Wink des Schicksals lassen ihn noch einmal seine Kraftreserven mobilisieren und von diesen braucht er nicht nur vom körperlichen her sehr viele, sondern auch deutlich mehr Nervenstärke als sonst, denn er holt sich die Autistin Miyu, eine Auszubildende aus Nemez Modul, ins Boot, die zwar außerordentlich analytisch denkt, aber in Sachen Empathie und gesellschaftlichen Normverhalten gänzlich gegen den Strom schwimmt.
Die Suche führt über Umwege über den Osten Deutschlands, wo sich Sneijder aufgrund einer Fallüberschneidung an die Fersen von Walter Pulaski, der Ermittler aus der Rache-Reihe, heftet, nach Polen. Dort bekommen sie es mit einer Hackerbande und einer ehemaligen Stasi-Sondertruppe „Leguan“ zu tun.

Als ich hörte das Andreas Gruber ein Crossover zwischen seinen beiden Ermittlern plante, war ich zunächst skeptisch. Dies kannte ich bisher nur von John Sinclair & Dorian Hunter und die Verbindung der beiden hatte mich alles andere als vom Hocker gerissen. Hier jedoch ist die Verschmelzung gut und sympathisch gelungen. Pulaski tritt nicht direkt in Erscheinung, sondern es wird recht lange von einem Campingausflug seiner Tochter und ihrer Schulfreundin berichtet. Wer wie ich die Rache-Reihe bis dato noch nicht gelesen hat, kann aber keine Verbindung herstellen, sondern wird erst hellhörig, als die Urlauber entführt werden und er sich als dickköpfiger Ermittler, der sich ebenfalls gerne gegen seinen Vorgesetzten auflehnt, auf die Suche nach seiner Tochter begibt.
Im Vergleich zu Sneijder wirkt Pulaski zwar starrsinnig, aber deutlich umgänglicher. Er zeigt offener seine Verzweiflung und die Angst um sein Kind, wirkt trotz allem wie eine Nebenfigur mit größerem Handlungsstrang und geht an Sneijders Seite etwas unter – als exzentrisch, wie er angeteasert wird, würde ich ihn anhand dieses Buches nicht beschreiben. Dadurch, dass ich allerdings noch keinen Band aus der Rache-Reihe gelesen habe, kann ich nicht beurteilen, ob Pulaski im Vergleich wirklich eher eine graue Erscheinung ist oder ob er bewusst etwas im Hintergrund gehalten wurde, um das Crossover nicht zu gewollt wirken zu lassen.

Thematisch werden insgesamt sehr viele Themenbereiche miteinander verflochten. Von Cyberkriminalität, Kinderpornografie, politische Ideologie als Hauptthemen über beispielsweise Autismus, Leichenentsorgungsmöglichkeiten, Nutzungsmöglichkeiten von Lost Places und vieles mehr. Wenn man mal darüber nachdenkt, wie viel Recherchearbeit hierfür notwendig ist, kann man sich gar nicht vorstellen, dass ein Jahr, in dem ja auch Lesereisen stattfinden, für dieses Thriller gereicht haben. Hut ab!


Persönliches Fazit: Das Buch ist durch die Komplexität, die Ermittlungsarbeit und am wichtigsten Sneijders Humor, der ausgesprochen gut von Miyus trockener Art ergänzt wird, ein gelungener Fall und auch der neue BKA-Chef, der ausnahmsweise mal nicht gegen Sneijders Ermittlungsarbeit schießt, lässt noch zwei weitere spannende Fälle erwarten.

Bewertung vom 28.02.2022
Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)
Steinfeld, Mimi

Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)


weniger gut

Das Buch kommt als unterhaltsame Lektüre daher, doch konnte es mich aufgrund der Oberflächlichkeit und des wenigen Inhalts für die vielen Seiten nicht überzeugen.

Cressie, die Protagonistin, ist die jüngste der Familie, die nur aus Frauen besteht. Sie ist in den Medienwelt tätig und hat im Gegensatz zu ihren Schwestern privat wenig zu bieten. Das wird von der Familie auch tatkräftig ausgenutzt. Die Mutter, ein hypochondrischer Drache, "stirbt" regelmäßig, um ihre Kinder zum ungünstigsten Zeitpunkt, bspw. Urlaubsreise, geschäftliche Präsentation,... in ihr Haus zu kötern. Ihre Schwestern nutzen ungeniert die Gutmütigkeit bzw. das wehrlose Verhalten ihrer Schwester aus (bspw. zuschustern des Hundes, der beim tatsächlichen Tod der Mutter übrig bleibt, Einzug in Cressies Wohnung, plus deren Onenight-Stands).
Zudem hat die Hauptfigur zusätzlich das Glück gegen sich, sodass sie von einer Katastrophe in die nächste schlingert und natürlich verliebt sie sich in jemanden, den sie logischerweise erst mal nicht haben kann:
Ihren Therapeuten, den sie in jeder Situation ihres Lebens anzurufen scheint.

Kurz gefasst, ich mit der Geschichte, den blass bleibenden Figuren und der Schreibart nicht wirklich warm geworden. Die Überschriften der Kapitel, die nicht selten aus einem #megalangenwortohnesinnundverstand bestanden, haben die Sachen für mich nicht zugänglicher gemacht.

Bewertung vom 13.08.2021
Love like Blood
Aicher, Mathias

Love like Blood


schlecht

Möchtet ihr die Berliner Straßennamen alle kennenlernen, ohne dafür nach Berlin reisen zu müssen? Dann seid ihr mit diesem Buch perfekt ausgestattet. Mir ist es - abgesehen von in Reiseführern - noch nie passiert, dass man für einen Ortswechsel in einem Thriller mindestens drei bis sieben Straßennamen serviert bekommt, gleich ob es von der Fahrt von einem Tattoostudio zur Wache oder ob eine wilde Verfolgungsjagd losgeht. Wobei unter wild verstehe ich quietschende Reifen, rasante Überholmanöver und wenn wir uns auf das Niveau des Buches herablassen wollen, auf eine wilde Schießerei, doch hier fahren wir eher über die Bundesstraße, biegen in die Wilhelmsaue ab und über die Uhlandstraße geht es auf die Berliner Straße. Sehr fetzig!

Ach, wo wir gerade bei Klischees wären:
In den Neunzigern lebten in Berlin scheinbar nur dauergeile Ladys, die in Latexminiröcken natürlich schlüpperlos, auf den nächsten startklaren Schw*nz warteten. Gleich wo und wann, S*ex geht immer, ob in einer abgewrackten Toilette oder im Hotelzimmer, Hauptsache die nächste Line ist gezogen. Die Männerwelt strotzt nur so von Muskelbodytypen, die allein beim Klang einer weiblichen Stimme einen Ständer kriegen und sich dennoch erst mal einen P*rno reinziehen müssen, bevor die nächste Prostituierte ins Zimmer gelangt. Die Ausdrucksweise der Bodybuilder ist entsprechend der Auswirkung von zu viel Testosteron spätestens am Satzende mit „Nigger“ abgeschlossen oder mit Massen an oftmals falsch verwendeten englischen Schimpfworten, die beispielsweise so etwas wie F*tzenf*cker bedeuten sollen, gespickt.

Auch die Namen der Charakter scheinen frisch aus einem Billigs*xstreifen zu stammen:
Liza Le Bon, Mike Johnson, Candy, Doyle sind nur eine kleine Auswahl.

Die Handlung an sich, wenn man es schafft, diese zu verfolgen, pendelt zwischen einem langatmigen Tatort mit ebenso kruder „Auflösung“ und einem US-Streifen, der nur aus Effekthascherei besteht. Von Ermittlungsarbeit kann keine Rede sein, Zusammenarbeit auf dem Polizeirevier ist ein Fremdwort und Zivilisten werden kurzerhand als Informanten in den Polizeidienst gehoben. Die Recherchearbeit findet in digitalen Se*xrooms statt, und wenn es mal ein interessantes Thema wie eine Botschaft in Esperanto gibt, beschränkt sich die Recherche des Autors auf einen Abklatsch aus Wikipedia.
Die Figuren an sich sind und bleiben oberflächlich, blass, unnahbar und zeichnen sich nur durch unterschiedliche Hobbys aus, die sich aber aufs Vögeln, Discos aufsuchen, den Alkoholpegel im Blut oben halten und das Dauerkoksen beschränken.


Persönliches Fazit: Wer ein drogengespicktes S*xheft kaufen möchte und sich nicht traut, ein richtiges P*rnoheft zu kaufen, der sei hiermit beraten.
Allen anderen kann ich nur empfehlen, ihre Zeit nicht damit zu verschwenden.

Bewertung vom 04.08.2021
Love like blood
Billingham, Mark

Love like blood


gut

Zwei muslimische Jugendliche, befreundet, der eine schwul, die andere mehr den europäischen Werten zugewandt, versuchen ihrem strengen Elternhaus zu entfliehen und werden ermordet. Eine Polizistin, deren Freundin auf brutale Art und Weise umgebracht wurde, und die eigentlich selbst Opfer des Anschlags werden sollte.
Das sind die beiden Haupthandlungsstränge, die sich jedoch sehr schnell verknüpfen, denn die Polizistin Nicola Tanner möchte endlich dem Mörderduo, dass sich auf die Beseitigung muslimischer Jugendlicher, die die Ehre der Familie beschmutzen, spezialisiert haben, auf die Schliche kommen und damit auch indirekt Rache am Mord ihrer großen Liebe üben. Hierbei erhält sie Unterstützung von Detective Tom Thorne, der den Fall bearbeitet, da Tanner selbst wegen Befangenheit und dem schweren Schicksalsschlag beurlaubt ist.
Thorne ist der typische Brite: ruhig und eigenwillig geht er seinen Weg, über Gesetze sieht er hierbei gerne mal hinweg und ist durch die geerdete Art der Gegenpol zur emotionalen Tanner, die gerne mal mit dem Kopf durch die Wand rennt.
Die Handlung wird aus verschiedenen Blickwinkeln via auktoriale Erzähler beschrieben. Hierbei wechselt die Sicht je Kapitel zwischen Nicola Tanner, Tom Thorne, dem Täterduo, aber auch den Opfern. Durch die verschiedenen Perspektiven und Eindrücke der Personen baut sich mehr und mehr Spannung auf und die Charaktere verlieren ihre anfängliche Blässe.
Insgesamt sind drei Aspekte aber für mich unglaubwürdig. Ehrenmorde sind eigentlich Taten, die aus der Wut und Enttäuschung heraus entstehen, und somit von Familienmitgliedern Onkel, Väter, Brüder, … umgesetzt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dafür wirklich eine Art Mörderclub geben soll.
Eine beurlaubte Polizistin, vor allem wenn sie wegen Befangenheit ihren Job nicht ausüben soll, wird in der Realität nicht so in den Fall integriert, wie es Tanner wird. Sie bespitzelt verdächtige Personen, ist bei akuten Befragungen mit Thorne dabei und wird auch sonst nicht in ihre Schranken gewiesen, wenn sie sich aktiv eingemischt hat. Vielleicht liegt es daran, dass ich die vorherigen Bände nicht kenne, dass mir da etwas Wichtiges durch die Lappen gegangen ist, aber so ist das mehr als unglaubwürdig.
Der letzte Punkt ist, dass der gewissenhafte Thorne (Spoileralarm!) via unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge ein Geständnis erzwingt und die Auswirkungen ohne Konsequenzen für ihn vertuscht.

Fazit:
Die Geschichte fesselt durch eine Sogwirkung, die gerade durch eine ruhige, strukturierte Ermittlungsarbeit entsteht. Das Ausmaß der ganzen Tragödie wird erst nach und nach sichtbar und auch das Verständnis, warum sich Nicola Tanner gerade zu in den Fall verbissen hat, recht spät klar.
Dennoch sollte die Betonung des Krimis nicht zu sehr auf wahre Begebenheiten liegen, dafür ist er in vielen Bereichen nicht realistisch genug wiedergegeben. Wer sich allerdings auf ein sensibles, immer wieder kehrendes Thema einlassen möchte, kann hier gut unterhalten werden.

Bewertung vom 03.08.2021
Franzi
Teuber, Nadine

Franzi


gut

Das Buch ist in zwei Zeitebenen unterteilt. Das eine spielt in der Jetzt-Zeit, das andere spielt sieben Jahre zuvor, zu einem Zeitpunkt als Caro noch studierte. Caro, die Hauptprotagonistin, ist leidenschaftliche Sportlerin und lernt zu Studienzeiten Till, einen DJ, der an Wochenenden regelmäßig auftritt, kennen. Zu Beginn ihrer Beziehung scheint alles perfekt. Sie wohnen nach recht kurzer Zeit zusammen, Caro ist vollauf mit ihrem Studium beschäftigt und erlernt dank Till gleichzeitig das Laufen. Ihr Partner gründet alsbald ein eigenes Unternehmen, zieht sich aber immer mehr zurück, bis herauskommt, dass er zweigleisig fährt.
Für Caro, die meint ihrer großen Liebe gegenüberzustehen, bricht eine Welt zusammen, und auch die Person, die als Affäre missbraucht wurde, wird aus der Bahn geworfen.
Sieben Jahre später bringt Caro ihren Debütthriller heraus, der in die Bestsellerlisten schießt, hat eine neue, harmonische Beziehung und ihr Leben wieder im Griff. Sie ist mittlerweile derart selbstbewusst und mit ihrem Leben in Harmonie, dass sie nach kurzem Zögern einem großen Fan, die auch schreibt, allerdings noch nichts veröffentlicht hat, Nachhilfe in Sachen Marketing und später öffentliche Auftritte gibt. Doch ist ihr Fan Franzi die, für die sie sich ausgibt, ist ihre Beziehung wirklich so harmonisch oder baut sich Caro eine Traumwelt auf?

Das große Hauptthema ist die Gesichtsblindheit in „Franzi“, Prosopagnosie, die Unfähigkeit Personen anhand ihrer Gesichter zu erkennen, worunter beispielsweise auch Brad Pitt und die Autorin mit ihren Geschwistern leidet. Auch wenn es ein wichtiges und bisher noch recht unbekanntes Phänomen ist, wird mir persönlich am Anfang zu viel auf dem Thema herumgeritten und inhaltlich passiert nicht viel, sodass die Spannung auf sich warten lässt. Ab etwa der Hälfte des Buches nimmt das Ganze dann Fahrt auf. Es passieren Ungereimtheiten, die Caro aber auf ihre Prosopagnosie schiebt, ein Unfall oder Selbstmord passiert auf einer ihrer Lesungen und sie erschlägt ihren Exfreund Till, dann wird sie in der Wohnung ihrer Eltern überfallen, ihr zweites Buch wird gestohlen und ihr Leben bedroht…
Der Unfall in ihrem Keller, indem sie ihren Ex umbringt, wirkt auf mich konstruiert. Dieser taucht nach über sieben Jahren unangemeldet bei ihr auf und durchwühlt ihre Sachen. Warum er auf einmal auftaucht, was er sucht und wie er Zugang zu dem
Kellerabteil bekommen hat, bleibt ungeklärt.
Im Abspann des Buches wird darauf hingewiesen, dass Till ein Narzisst sei und sie ein abschreckendes Beispiel an ihm aufzeigen wolle. Sowohl die anderen Teilnehmer der Leserunde, an der ich teilnehmen durfte, als auch ich, der in dieser Hinsicht leidliche Erfahrungswerte hat, haben Till nicht als solchen erkannt. Ja, er ist ein bindungsscheuer Trottel und emotional nicht ganz so reflektierend, wie man es sich wünscht, aber von einem Narzissten meiner Meinung nach weit ist er weit entfernt.

Was ich persönlich gut finde ist, dass man im letzten Drittel des Buches etwas auf die falsche Fährte geführt wird. Während Franzi von Anfang an etwas seltsam wirkt, wird später der Eindruck erweckt, dass Caro aufgrund von zu viel Fantasie manchmal nicht zwischen dieser und der Realität unterscheiden kann.
Fazit:
„Franzi“ ist ein Buch, das nicht gänzlich überzeugt und manche Schwachstellen aufweist, zugleich aber versucht, Einblicke in zwei wichtige Themen zu geben und auf Hilfeseiten hinweist. Wer sich thematisch für die Themen Narzissmus und Prosopagnosie interessiert, wird hier Einblicke finden.

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