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Lu

Bewertungen

Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 13.10.2024
Antichristie
Sanyal, Mithu

Antichristie


sehr gut

komplexer Roman über Kolonialismus und Identität

Mit "Antichristie" hat die Autorin Mithu Sanyal einen Roman geschrieben, der zwei Zeitschichten miteinander verwebt.
Zum einen spielt er in der Gegenwart, 2022, als Durga, eine deutsch-indische Drehbuchautorin, in London an einer Neuinterpretation von Agatha Christie arbeitet. Sie steht vor der Herausforderung den Klassiker modern und ohne koloniale, rassistische Motive umzuschreiben.
Gleichzeitig erlebt Sie auf mysteriöse Weise das Londoner India House 1907 und die dortigen Freiheitskämpfer.
Damit macht der Roman die wichtige Frage nach Freiheit und Unabhängigkeit auf. Welche Mittel sind im Freiheitskampf legitim? Wie weit darf Widerstand gehen? Aber auch die Frage nach dem heutigen Umgang mit kolonialem Erbe, hier vor allem am Beispiel Großbritanniens, werden eindrucksvoll gestellt.
Mithu Sanyal verwebt kunstvoll beide zeitschichten und schafft es dieses komplexe Thema in einem spannenden Roman zu verarbeiten. Sie vermischt auf beste Art Fiktion und Realität und lässt die Leser:innen eintauchen in die koloniale Geschichte Indiens.
Ein provokativer und humoristischer Roman, der gleichzeitig unterhält und zum nachdenken anregt.

Bewertung vom 17.09.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


ausgezeichnet

zynisch und aktuell

Die Autorin Olga Grjasnowa hat mit ihrem Roman "Juli August September" das Familienportrait einer modern jüdischen Familie geschrieben.
Lou lebt mit ihrem Mann und und ihrer Tochter Rosa, die nach ihrer Urgroßmutter benannt ist, in Berlin. Obwohl sie nicht streng gläubig leben, spielt die jüdische Identität im Alltag eine große Rolle.

Lou ist auf der Suche nach einem glücklichen Leben und nach ihrer Identität. Zum 90. Geburtstag ihrer Großtante kommt die ganze ex-sowjetische Familie aus Israel in Gran Canaria in einem All-Inklusive Hotel zusammen. Hier erfährt sie endlich mehr darüber, wie der Holocaust das Leben ihrer Familie geprägt hat.

Als Leser:in taucht man ein in Lous Gedankenwelt, die oft eher nachdenklich und melancholisch ist.

Grjasnowa erzählt eine Geschichte über Entfremdung. Zwischen Eheleuten, Mutter und Tochter aber auch mit der Identität und Familiengeschichte.
Ein Roman, der einen ganz unmittelbar mitnimmt und eine kurze Episode aus dem Leben einer Frau beschreibt.
Empfehlenswert!

Bewertung vom 25.08.2024
Gute Nacht! Sei so nett und bring mich ins Bett!
Ofner, Agi

Gute Nacht! Sei so nett und bring mich ins Bett!


sehr gut

Ins Bett mit dem Siebenschläfer

Das Pappbilderbuch "Gute Nacht" von Agi Ofner ist eine kurzweilige Gute-Nacht-Geschichte für Kinder ab 2 Jahren. Gemeinsam begleiten wir den Siebenschläfer ins Bett. Dabei gibt es auf jeder Seite kleine Aufgaben für Kinder. Wir suchen zum Beispiel den Schlafanzug auf der Wäscheleine oder kippen die Seite, um die Zahnpasta zum Siebenschläfer zu rollen.
Alle Handlungseinladungen regen dabei die Fantasie an, man muss die nächste Seite des Buches entdecken, um das Ergebnis der Aufgabe zu sehen; zum Beispiel wenn wir die Lampe für den Siebenschläfer einschalten.
Die Bilder sind niedlich und kindgerecht. Die Aufgaben sind übersichtlich und auch für 2 Jährige gut verständlich, gerade weil es viele Parallelen zur eigenen Abend-Routine gibt. Die Aufgaben bleiben bei der Geschichte und sind gut geeignet, um zur Ruhe zu kommen. Als kurze Gute-Nacht-Geschichte empfehlenswert.

Bewertung vom 17.07.2024
Geile Zeit
Seydack, Niclas

Geile Zeit


sehr gut

Eine Chronik für Millennials

Das Buch «Geile Zeit» von Niclas Seydack ist eine nostalgische Zeitreise für Millennials. Seine Autobiographie beginnend in den 90er Jahren liest sich wie eine Chronik dieser Zeit. Er schafft es dabei das Lebensgefühl einer Generation authentisch einzufangen. Er schreibt von Lego Sets, LAN-Partys, der Einführung des Euro, Pokémon, aber auch über jüngere Ereignisse wie die Corona-Pandemie.

Bei vielen geschilderten Anekdoten fühlte ich mich in meine eigene Kindheit und Jugend zurück versetzt, besaß ich doch das gleiche Piraten Lego Set und habe bei unserem Dorfbäcker auch einzelne Gummitiere gekauft.
Schon der Titel der Autobiographie "Geile Zeit" ist Nostalgie pur. Immerhin war der Song "Geile Zeit" der Band Juli für uns damals so etwas wie eine Hymne.

Mit Viel Witz und etwas Wehmut fasst Niclas Seydack anhand von persönlichen Erinnerungen das Lebensgefühl einer Generation zusammen. Eine Empfehlung für alle, die ICQ vermissen.

Bewertung vom 26.06.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


sehr gut

gewohnt politisch, ungewöhnlich alarmierend

Mit "Views" hat Marc-Uwe Kling seinen ersten Krimi veröffentlicht. Die BKA Kommissarin Yasira muss das Verschwinden der 16-jährigen Lena Palmer aufklären. Ein Fall der sich schnell zu einem bundesweiten Politikum entwickelt. Es geht um rechtsradikale und rassistische Bewegungen, die sich wie ein Lauffeuer verbreiten.
Die Geschichte ist spannend und zügig erzählt. Yasira ist eine tolle Protagonisten mit viel Tiefe, etwas was männlichen Autoren selten gut gelingt.
Der Krimi ist in gewohnter Kling Manier politisch: er benennt rassistische und sexistische Strukturen und übt deutliche Kapitalismuskritik. Leser:innen von "Qualitiland" werden das bereits kennen. Ungewöhnlich für Kling ist der ernste und alarmierende Ton, den dieser Krimi anschlägt. Man darf hier keinen humoristischen Krimi erwarten. Gerade das Ende lässt einen mit einem Kloß im Hals zurück. Die Geschichte endet hier sehr abrupt, da hätte man sich durchaus noch ein paar Seiten Platz gönnen kommen, um die Story abzuschließen.
Marc-Uwe Kling liest wie üblich sein Hörbuch selbst. Ich höre ihm gerne zu.

Bewertung vom 17.06.2024
Im Krankenhaus / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.75
Kessel, Carola von

Im Krankenhaus / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.75


ausgezeichnet

Kindgerecht im Krankenhaus

Das Buch "Im Krankenhaus" aus der Reihe Wieso Weshalb Warum Junior erklärt kindgerecht den Alltag im Krankenhaus. Dabei werden Fragen beantwortet wie "Wie verläuft eine Operation?", "Wann kann ich wieder nah Hause?" oder "Wie funktioniert eine Geburt?". Die vielen Klappen laden zum Erkunden und Entdecken ein. Die kurzen Texte schildern prägnant in kindgerechter Sprache die verschiedenen Situationen. Die Bilder sind detailreich und im typischen Wieso Weshalb Warum Stil und erhöhen so den Wiedererkennungswert für die Kinder.
Das Bilderbuch ist für Kinder ab zwei Jahren gut geeignet, nicht nur, um ihnen die Angst vorm Krankenhaus zu nehmen, sondern auch, um die Neugier über den Krankenhausalltag zu befriedigen. Wir haben viel Spaß mit den Büchern der Wieso Weshalb Warum Reihe und auch dieses Buch kommt bei uns gut an.

Bewertung vom 04.06.2024
Experienced. Die Liebe bietet unbegrenzte Möglichkeiten
Young, Kate

Experienced. Die Liebe bietet unbegrenzte Möglichkeiten


sehr gut

Lesbisched Dating

Mit "Experienced" hat die Autorin Kate Young einen kurzweiligen, queeren Liebesroman geschrieben. Ich lese sehr gerne Geschichten mit lesbischen Protagonistinnen und queere Lovestorys. Darum habe ich mich auch sehr über diesen Debütroman gefreut.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Der unerfahrenen Protagonistin Bette wird von ihrer neuen Freundin, Mei, eine Beziehungspause auferlegt, um sich mehr im lesbischem Liebesleben auszuprobieren.
Bette stürzt sich ins Online Dating mit allen Höhen und Tiefen. Kate Young erzählt dabei auch erotische Szenen mit einer Leichtigkeit und einem Prickeln ohne plump zu wirken. Das kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Geschichte sehr vorhersehbar ist. "Experienced" bleibt ein seichter Liebesroman, wenn auch aus lesbischer Perspektive. Durch das erste Drittel des Buches musste ich mich zugegeben etwas durchkämpfen, da Mei leider sehr unsympathisch ist und ihre Figur sehr diffus bleibt.
Als Urlaubslektüre sehr empfehlenswert.

Bewertung vom 26.04.2024
Mit den Jahren
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


ausgezeichnet

Einfühlsam und Melancholisch
Schon Janna Steenfatts ersten Roman habe ich verschlungen. Auch ihr zweites Werk "Mit den Jahren" hat meine Erwartungen nicht enttäuscht.
Der Roman wird aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt: Lukas als Künstler in seinem Atelier, seine Frau Eva und Jette, die noch relativ neu in Leipzig ist.
Alle drei werden unglaublich nah und einfühlsam beschrieben. Janna Steenfatt erzählt von allein auf eine liebevolle Weise. Dabei hat die Geschichte stets einen melancholischen Unterton. Alle drei sind auf der Suche. Auf der Suche nach dem guten Leben oder danach wie es sich anfühlt, in den mittleren Jahren zu sein.
Besonders gefallen hat mir, dass es man die Stadt spürt, in der der Roman spielt. Die Stimmung, die Leipzig ausstrahlt, wird auch im Buch vermittelt und es werden ostdeutsche Biographien zum Thema gemacht.
Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.04.2024
Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt
Fitzgerald, Louise

Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt


sehr gut

Gutenachtgeschichte zum Mitmachen

Diese Gutenachtgeschichte ist toll illustriert. Auf den Bildern finden sich verschiedene Tiere, die auf dem Weg ins Bett sind. Die Bilder sind liebevoll gestaltet und es finden sich immer wieder süße Details.

Wer allerdings eine echte Gute-Nacht-Geschichte sucht, ist hier falsch. Das Buch ist eher eine gemeinsame Mitmachanleitung für ein Abendritual. Es wird sich gestreckt und gemütlich eingerichtet und auf die eigentliche Geschichte hin gefiebert. Diese ist mit nur zehn Wörtern dann wirklich kurz. Die Handlungsanweisungen sind kindgerecht und machen Spaß.

Das Buch ist sicher nichts für jeden Abend und das schnelle ins Bett bringen, denn durch die vielen Handlungsanweisungen wirkt es eher aktivierend als beruhigend. Wenn man etwas Zeit hat, macht es aber viel Spaß zum Beispiel gemeinsam Kuscheltiere zu suchen oder einen Schwur zu sprechen. Das Buch nimmt dem Kind auch das Versprechen ab, dass nach der Gutenachtgeschichte geschlafen wird.

Bewertung vom 06.09.2023
Terafik
Karkhiran Khozani, Nilufar

Terafik


sehr gut

persönlich und bewegend
In ihrem Debütroman "Terafik" erzählt Nilufar Karkhiran Khozani eine bewegende Familiengeschichte zwischen Iran und Deutschland.

Die Protagonistin, welche den selben Vornamen trägt, wie die Autorin, Nilufar, ist Deutsch-Iranerin. Sie lebt in Berlin und arbeitet als Psychologin. Ihren Vater, der in Iran lebt, hat sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Jetzt als Rentner kann er sie endlich überreden ihn in Iran zu besuchen.

Nilufar ist anfangs skeptisch. Sie spricht kaum persisch, war noch nie in Iran und kennt die meisten Familienmitglieder nur aus Erzählungen. Mit einem Koffer voller Merci und Haribo fährt sie schließlich doch.

Die Autorin beschreibt nicht nur die Beziehung zwischen Nilufar und ihrem Vater, sondern schildert auch ein eindrucksvoll die Lebensrealität in Iran. Dabei kommt nicht nur die Zerrissenheit von Nilufar zum Ausdruck, sondern auch die Zerrissenheit der Iranischen Gesellschaft.

Die Geschichte wird in zwei Zeitschichten Erzählt. Wir erfahren nicht nur Nilufars Geschichte, sondern auch die ihres Vaters in den 1970er Jahren in Deutschland: von seinem Studium und einer Firmengründung. Beide Charaktere werden dabei liebevoll gezeichnet und ihre Gedankenwelt in einer klaren Sprache offen gelegt. Empfehlenswert!