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Sarah P.

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 21.12.2020
Der Elternkompass
Schmidt, Nicola

Der Elternkompass


ausgezeichnet

Kindererziehung = Entscheidung über die Zukunft der Menschheit = Hochpolitisch

Wie viel von unserem Gewohnheitswissen über Erziehung ist denn tatsächlich zielführend und wie viel davon, längst von der Forschung überholt? Inwieweit sollten wir Ärzten vertrauen und wo doch besser unserem eigenen Empfinden? Und was sollte denn das Ziel von Erziehung sein? Nicola Schmidt weist darauf hin, dass im uralten Thema der Erziehung häufig noch immer eher nach beinahe ebenso alten Mythen, Gewohnheit und dem Druck anderer vorgegangen wird als nach längst gesicherten wissenschaftlichen Fakten – und dem eigenen Gefühl! – und gleicht eben diese beiden Lager miteinander ab. Dass Gefühl und Wissenschaft hier ganz häufig Hand in Hand gehen, ist nebenbei bemerkt meine liebste Erkenntnis. Sehr gut gefallen mir daneben die Anstöße der Autorin, Erziehung neu zu denken und sich die große Rolle der Eltern für die Zukunft der Menschheit bewusst zu machen – in Fragen der Nachhaltigkeit und dem Umgang mit der Natur, aber auch der nach der Quelle des eigenen Selbstwertgefühls: Was sollen meine Kinder einmal erstrebenswert und cool finden? Die zuerst als so privat empfundene Erziehung wird so schnell als etwas Hochpolitisches begriffen. Tolles Zitat dazu: "Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt."

Nicola Schmidt nimmt in ihrem Buch Mythen und Fakten zur „Erziehung“ vom Moment der Schwangerschaft bis zu den ersten Grundschuljahren unter die Lupe. Wissenschaftlich mit Fußnoten, dabei aber in flüssig geschriebenem Plauderton legt sie die Forschungslage dar – immer wieder untermalt mit ihren eigenen Erfahrungen als Mutter.

Ganz besonders für Eltern, die ihr Kind nicht einfach richtig, sondern „artgerecht“ (so ein Projekt der Autorin) groß werden lassen möchten ist es eine wunderbar kompakte Zusammenstellung, die einem in Situationen des institutionellen oder sozialen Drucks sicherlich Beistand leistet, dem eigenen Empfinden zu folgen.
Gleichzeitig ist das Buch meiner Meinung nach auch etwas für Nicht-Eltern, sind wir doch alle ein Einfluss auf die nächste Generation und die um uns herum Lebenden. Es beginnt schon damit, dass jede/r mit ihrer/seiner Reaktion auf die Erziehung anderer Eltern darauf Einfluss nimmt, wie diese sich mit ihrer (vielleicht völlig richtigen) Erziehung fühlen. Ob sie also durch unser Unverständnis oder unsere gut gemeinten, aber unfundierten Ratschläge verunsichert werden oder eben nicht. Für jeden, der gerne richtig reagieren und erfahren möchte, inwiefern der Homo sapiens mit dem Weg der Nachhaltigkeit auch den Weg zu sich selbst wiederfinden kann, ist es ein spannendes und hilfreiches Buch.

Bewertung vom 10.11.2020
Das Eismonster
Walliams, David

Das Eismonster


sehr gut

Turbulente und lustig bis alberne Geschichte liebevoll geschrieben

London 1899: Das schmutzige, verwahrloste, aber umso lebensfrohere Waisenmädchen Elsie verirrt sich, bald nach seinem Entkommen aus dem grausigen Waisenhaus Wurmig, ins Londoner Naturkundemuseum. Von den Exponaten ganz fasziniert fühlt sie sich bald zu einem ganz neuen von ihnen besonders hingezogen: einem mehrere Tausend Jahre alten Wollhaarmammut im Eisblock. Schon der Aufenthalt im Museum ist für das schmutzige Waisenmädchen nur mit Hilfe einer neuen Freundin möglich, die sie mit waghalsigen und sehr lustigen Ausreden versteckt, doch richtig spannend wird es, als sie während ihres Versteckspiels selbst etwas – oder jemanden – entdecken und sie einen verrückten Plan schmieden, in dem das Mammut natürlich eine nicht unbedeutende Rolle spielt.
Das auf dem Cover angekündigte Gratis-Mammut ist dann leider nur aus Papier, wer Walliams aber kennt, dem wird dieser Scherz bereits bekannt vorkommen.

Der schwarze Humor, mit dem das Buch beginnt, tritt schon bald zugunsten eines leichteren albernen Humors in den Hintergrund, in dem Pupse und andere Verdauungsbeschwerden immer wieder eine Rolle spielen. Das ist kindgerecht, aber auch so albern, dass auch Erwachsenen das Vorlesen Spaß machen dürfte. Dazu bleibt die Geschichte abwechslungsreich und, trotz mancher Vermutung über den Fortgang zu Beginn, in der Umsetzung unvorhersehbar.
Freude bereiten dem Selbstleser auch die zahlreichen typographischen und lautmalerischen Elemente im Text, also Stellen, an denen die Buchstaben selbst veranschaulichen, was sie bedeuten. So ist das Wort „schön“ in wunderschön zarter verschnörkelter Schrift geschrieben, das Wort „Eismonster“ dagegen lässt eher an Gruselgeschichten denken. Der Text ist übersäht von diesen Elementen, die andeuten, dass das Buch eben an solche Selbstleser gerichtet ist - also vielleicht junge Leser ab der zweiten oder dritten Klasse. Diese optischen Elemente, zu denen auch die Graphiken Tony Ross‘ gehören, sorgten bei mir immer wieder für herzhafte zusätzliche Lacher.

Inhaltlich baut der Autor in seiner Geschichte immer wieder den Bezug zur damaligen Zeit her und Gegenstände dieser Zeit ein. Kinder - wie auch Erwachsene - werden so dazu gebracht, sich zu fragen, was zu der damaligen an Erfindungen sehr reichen Zeit denn tatsächlich schon möglich war und was dann doch noch nicht.
Abschließend bietet Walliams in einem Nachwort, das wie ein Glossar aufgebaut ist, die Möglichkeit, diese Überlegungen aufzulösen. Hier erklärt er, wo er geflunkert hat und was es denn tatsächlich schon gab. Eine schöne Idee, die Kindern auf Augenhöhe den Unterschied zwischen einer Dokumentation mit Wahrheitsanspruch und Kunst/(völlig legitimer) Fiktion mit dem Anspruch zu unterhalten nochmal deutlich machen kann.

Ein Buch, das in der Aufmachung wie in der Geschichte liebevoll ist und einfach Spaß macht, auch Spannung bietet, vor allem aber Kinder wie Erwachsene zum Albern-sein auffordert. Wer daran Freude hat, der ist hier goldrichtig!

Bewertung vom 02.11.2020
Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10
Schorlau, Wolfgang

Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10


sehr gut

Was für ein Buch! Die Nummer 10 unter den Denglerkrimis nimmt gefühlt alle Themen durch, die dem Autor Wolfgang Schorlau noch auf dem Herzen lagen. So ist Altbekanntes in neuen Zusammenhängen dabei, Brandaktuelles wie das Coronavirus und seine Begleiterscheinungen und natürlich ein Hauptthema; dieses Mal: kriminelle Machenschaften in Immobilienmaklerkreisen. Überall brisante Informationen, von denen einige mal wieder beinahe unglaublich scheinen! Das ist ziemlich viel und lässt den Leserkopf zuweilen rauchen, gleichzeitig wird es aber auch einfach wieder wahnsinnig informativ und spannend!

Der Stoff schien mir dieses Mal besonders umfangreich und hätte meiner Meinung nach gut für zwei Bücher ausgereicht. Trotzdem sind die Themen allesamt in gewohnt gewissenhaft tiefgründiger Weise recherchiert – auch das Thema Coronavirus wird bereits mit bewundernswertem Abstand facettenreich beleuchtet. Hut ab!

Und – ach ja – diese Menge hochbrisanter politischer Bildung verpackt Schorlau natürlich wieder verständlich und spannend in einen Dengler-Krimi:

Wie der Titel vermuten lässt, ist Privatdetektiv Georg Dengler den Großteil des Buches über in Berlin unterwegs und ermittelt, aufgrund von Angriffen auf Mieter in mehreren Kreuzberger Wohnungen, gegen die vermietende Immobilienfirma Kröger AG. Seine Liebste, Olga, ist mit dabei, die Stuttgarter Männerclique spielt erst gegen Ende eine Rolle. Dafür treten einige andere Figuren, nicht nur aus dem Immobiliengeschäft, hinzu, deren lebensnahen (?) oder jedenfalls wieder sehr glaubwürdigen Charakterausmalungen die gewohnt große Aufmerksamkeit genießen. Sie sind auch der Grund dafür, dass das Buch nichts für schwache Nerven ist und mich zusammen mit seinem Actionreichtum an Denglers siebten Fall „Am zwölften Tag“ erinnert . Wie mit diesem Band schon geschehen, soll auch „Kreuzberg Blues“ verfilmt werden.
Dengler (und damit auch Olga) werden im Film jünger dargestellt, womöglich wirken sie deshalb auch im Buch etwas agiler und geschickter – zumindest hatte ich nach den früheren Büchern oft einen etwas anderen älteren Eindruck von ihnen. Ich habe sie durchaus in ihrer Eigenart wiedererkannt, einige näher charakterisierende Beschreibungen der beiden zur Auffrischung wären mir nach dieser (von mir vermuteten) Veränderung des Alters aber durchaus willkommen gewesen. Aber womöglich ist Dengler über die Jahre als Privatermittler einfach erst richtig warm geworden und ich unterschätze seine Generation. Der Mann hat mittlerweile einfach auf einiges zurückzublicken.

Deshalb: Ein Muss für alle Dengler-Fans und eine Leseempfehlung für jeden, der die Immobilienwelt oder einfach unsere Gesellschaft auf unterhaltsame Weise ein Stückchen besser verstehen möchte.

Bewertung vom 20.10.2020
Die Wellenreiterin
Clark, Liz

Die Wellenreiterin


ausgezeichnet

Die autobiographische Erzählung vom Segelturn der Autorin überrascht und punktet dadurch, dass sie so nah am Leben ist und inspiriert durch die wunderbar bodenständige wie lebensfrohe Art der Protagonistin, die den Leser in ihre Gefühls- und Gedankenwelt blicken lässt.

Mit vielen tollen Fotos von der Reise und einem farbenfrohen Design an jedem Kapitelanfang ist das Buch sehr schön aufgemacht. Dabei will es inhaltlich nicht spektakulär sein, sondern nah am Leben, bodenständig und den Schönheiten des Lebens gegenüber aufmerksam. Als Gegensatz zu einer „Instagram-größer-spektakulärer-besser-Welt“ habe ich das als sehr angenehm empfunden. Den Schreibstil würde ich ebenfalls als unkompliziert, aber achtsam beschreiben. Insgesamt erinnert das Buch mit den persönlichen Gedanken und Eindrücken und der Offenheit über die Gefühlslage der Autorin an ein Tagebuch. Gerade aus ihrem Umgang mit sich selbst und ihren Gefühlen kann man – wie so häufig beim Lesen eines Tagebuchs – für die eigene Weiterentwicklung sicher einiges mitnehmen.

Denn – so merkte ich als Leserin und Segellaie schnell – das Segeln ist keine Ausflucht hinein in ein Friede-Freude-Eierkuchen-Panorama, sondern beinhaltet vielmehr all die alltäglichen Herausforderungen des Lebens in reinster Form: ständig müssen Entscheidungen getroffen und Anpassungen an die Umgebung – das Meer, Land und Leute wie das Segelboot – vorgenommen werden. Sie kann jederzeit Herausforderungen bergen, genauso kann aber jederzeit etwas Wunderschönes passieren, das man, wenn man zu angespannt ist, verpasst, weil man sich gar nicht hingeben kann. Es gilt also, zu lernen und zu wachsen, aber gleichzeitig auf sich selbst zu vertrauen und entspannt zu bleiben und Spaß an der ganzen Sache zu haben.

Etwas, das die wunderbar unkomplizierte Liz Clark bewundernswert gut beherrscht. Sie ist eine selbstbewusste, lebenslustige und wellenliebende junge Frau mit einem Studium der Umweltwissenschaften in der Tasche, die den tiefen Wunsch in sich spürt, die Welt zu entdecken und sich mit der Natur zu verbinden. Mit viel Glück und noch mehr Arbeit kann sie sich an die Verwirklichung dieses Traums machen. Durch ihr Buch gewährt sie einen Einblick in ihre Gedankenwelt und den Alltag auf der See und dem Surfbrett – Erzählungen von Begegnungen mit tollen Menschen, größer gedachte Umweltsorgen und durchaus spirituelle Ideen, aber auch sehr weltliche Gedanken zu Vorbereitungen, Reparaturen und Wetterlagen inklusive.

So erhält man einen anschaulichen Eindruck davon, wie so ein Traum von der Weltumseglung in der Realität aussieht, wie er sich so anfühlen und was man dabei so erleben kann. Ein technisches Nachschlagewerk ist es zwar nicht, eine gewisse Freude daran, über Liz‘ Erzählungen mit dem Segeln und Surfen und Begriffen aus diesen Bereichen in Kontakt zu kommen, schadet allerdings nicht, denn die Worte aus der nautischen Welt sind einfach im Wortschatz der Autorin verankert. Ich persönlich habe mich über diese Erweiterung meines Horizonts gefreut und konnte auch vieles intuitiv verstehen bzw. ohne spätere Verständnisprobleme einfach überlesen. Als Entgegenkommen und vielleicht Anstoß zu weiteren eigenen Studien ist auf den ersten Seiten bereits ein schickes Schaubild eines Segelboots mit den jeweiligen Bezeichnungen zu finden.

Dieses Buch ist damit Lesestoff für Segelfans, die eine Portion Weltumsegelungsgefühl tanken möchten, Natur- und Freiheitsliebende und solche, die Inspiration auf dem Weg zu Zufriedenheit suchen.