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jentis4711
Wohnort: 
K.

Bewertungen

Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


sehr gut

Der neue Wolf Haas - umfassend vermarktet, auffällig gestaltet, vielversprechender Klappentext. Eine Geschichte in der Geschichte, das ist an sich keine neue Idee, aber diese Storyline ist schon sehr eigen und sehr clever gemacht. Die Wechsel der beiden Handlungsstränge sind fließend, in sich schlüssig und bauen zunehmend Spannung auf. Obwohl es ein dünnes Buch ist, habe ich langsam gelesen, um die Sätze und auch die Story wirklich wirken lassen zu können. Zwei kleine Abzüge gibt es von mir: Erstens konnte ich schon im ersten Drittel des Buches vorhersehen, was der Twist sein würde und der war es dann auch. Es war weiterhin unterhaltsam und auch spannend, allerdings hätte ich mir bei einem so cleveren Aufbau ein bisschen mehr Überraschung gewünscht. Zweitens hatte ich keinerlei emotionalen Bezug zu den Figuren, sie waren mir aufgrund der distanzierten Erzählperspektive fast ein bisschen egal/austauschbar. Und trotzdem ist dieser Roman unterhaltsam, spannend und sehr gut geschrieben, ich habe ihn gern gelesen.

Bewertung vom 15.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


gut

Toller Autor, durchschnittlicher Roman

Was habe ich mich auf den neuen Glattauer gefreut! Er ist ein großartiger Autor, schreibt mit überraschendem und klugen Witz, der in den Figuren und Situationen liegt und schon die ersten Seiten sind sehr amüsant. Sehr gelungen erzählt sind das verbale Umeinanderherumtänzeln der Figuren zu Beginn, die quasi unausweichliche, zwischenmenschliche Annäherung und auch die jeweiligen Stimmungswechsel im Laufe des Gesprächs. Für ein Gespräch, in dem es um die Liebe gehen soll, bleiben die Dialoge jedoch inhaltlich sehr an der Oberfläche, drehen sich oftmals im Kreis oder wiederholen sich. Immer mehr Passagen wirken gewollt und austauschbar. Ich war gespannt auf das Ende, hier hätte er sehr viele Möglichkeiten gegeben, mit diesem Ende jedoch war ich als Leserin nicht zufrieden, weil auch das gewollt und konstruiert wirkte und man die Figuren doch mit einem komplexeren Ausgang hätte zurücklassen können. Obwohl am Ende beide bekommen, was sie wollten, habe ich nicht das Gefühl, dass das Gespräch einer der beiden Figuren wirklich den Horizont erweitert hat.

Bewertung vom 09.12.2024
Das große Gynbuch
Mangler, Prof. Dr. Mandy

Das große Gynbuch


ausgezeichnet

Schon das Inhaltsverzeichnis dieses Buches ist so umfangreich, dass jede Frau sich mit ihren persönlichen Thematiken dort wiederfinden kann - bislang habe ich bei meinen Stichproben noch nichts nicht finden können. Alles in einem Buch - das ist großartig! Natürlich habe ich noch nicht alle Kapitel akribisch gelesen, doch in denen, die ich gelesen habe, fiel mir vor allem Folgendes positiv auf: im Grundton der Autorin steckt eine Haltung von „alles ist in Ordnung/du bist in Ordnung“, was vor allem bei emotional aufgeladenen Themen ein gutes Gefühl gibt. Außerdem schreibt sie auch bei kontroversen Themen (z.B. Kaiserschnitt), völlig wertfrei und beleuchtet das Thema von diversen Seiten. Ich halte dieses Buch für sehr wichtig, da es Mädchen und Frauen in jedem Alter mit fundiertem und gesammelten Wissen ein entspannteres und besseres Gespür für ihren Körper ermöglichen kann.

Bewertung vom 02.09.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Mit seinem neuen Roman hat Behzad Karim Khani eine schonungslos ehrliche Collage über das Aufwachsen zwischen Wut und Gewalt im Kleinen und im Großen geschrieben. Die Kapitel widmen sich einzelnen Szenen oder Gedankengängen, in drei Teilen wird der Erzähler älter, behauptet sich, entzieht sich, wehrt sich. Eine klassische Romanhandlung gibt es nicht, es liest sich eher wie einzelne Briefe an einen Sohn (was am Anfang auch anklingt), um Ereignisse, Entscheidungen und Lebenswege zu erklären, ohne sich der Verantwortung zu entziehen. Jeder einzelne Satz in diesem Buch ist ein Kunstwerk und jede Seite geht unter die Haut. Manchmal war die Sprache stärker als die Figuren, weshalb ab und zu der rote Faden beim Lesen für mich verloren ging, aber das ändert nichts daran, dass das Leseerlebnis als solches eine absolute Wucht war - oder eben gewaltig.

Bewertung vom 03.07.2024
Solito
Zamora, Javier

Solito


ausgezeichnet

Javier Zamora hat einen wahren und persönlichen Pageturner geschrieben, der mich abends oft viel zu spät das Licht ausmachen ließ. Aus Sicht seines 9-jährigen Ichs, das allein mit fremden Menschen in Richtung La USA zu seinen Eltern aufbricht, beschreibt er zwei Monate voller Anstrengungen, Ungewissheit, Tragik und Einsamkeit - und obwohl das Gelesene oft fassungslos macht, ist es gespickt von liebevollen und menschlichen Momenten und Gedanken und einer ganz besonderen Wärme, die vom Erzähler ausgeht. Dieser Roman will kein Aufruf sein, keine Sozialkritik, sondern ist einfach nur die ganz persönliche Geschichte eines kleinen Jungen, der endlich bei seinen Eltern sein möchte. Und genau das, dieser kleine Junge, der dem Leser schnell ans Herz wächst und ihn mitfiebern lässt, lässt ein Gefühl von Ungerechtigkeit zurück, das die Medien kaum mehr auslösen können, und lässt den Leser spüren, dass wir alle nur Menschen mit Ängsten, Träumen und Emotionen sind. Ein sehr wichtiger, mitreißender und irgendwie liebevoller Roman, der nachhallt - ganz klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 11.11.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Was habe ich mich auf den neuen Kehlmann gefreut - und viel erwartet! Ich habe einen guten Roman gelesen, der trotz allem nicht meine (zugegebenermaßen hohen) Erwartungen erfüllen konnte.
Kehlmann schreibt wie immer großartig: scharfsinnig, witzig, auf den Punkt. Doch die einzelnen Kapitel waren meist nur in sich gut, im Gesamtkonstrukt erschienen sie mir jeweils oft austauschbar, sowohl von den gewählten Ereignissen als auch von der (wechselnden) Erzählstimme her. Natürlich, alles trägt zum weiteren Verlauf bei, aber genauso gut hätte sich anderes erzählen lassen. Die einzelnen Fäden sind quasi hinreichend aber nicht notwendig. Erst im letzten Drittel wird der Teil der Geschichte erzählt, der sich aufdrängt - zugleich bleibt ab da viel im Dunkeln, weil der Wahrnehmung der Figur nicht mehr getraut werden kann. Für einen Autor, der sonst brilliant mit der Vermischung von Fakten und Fiktion arbeitet, wirkte er an dieser Stelle seltsam zurückhaltend.
„Lichtspiel“ ist sehr hochwertige Unterhaltung, verhandelt wichtige Themen (z.B. Mitläuferschaft vs. sich-raushalten, Spannung zwischen Kunst und Moral, Zeitkolorit der gesellschaftlichen Nische der Künstler), hat mich jedoch insgesamt weniger gefesselt als erhofft.

Bewertung vom 19.10.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


sehr gut

Es kommt nicht oft vor, dass ein Debütroman gleich auf der Bestsellerliste landet - und hier ist es verständlich. Elena Fischers Roman hat Tiefe und Leichtigkeit, Wärme, Liebe und Traurigkeit, unterhält und ist von allem etwas: Coming of Age, Roadtrip, Familienroman - kleine und große Gefühle. Stellenweise erschien es mir etwas unrealistisch (z.B. dass eine 14-jährige allein mit dem Auto durchs halbe Land fährt) und dass die Protagonistin eben erst 14 Jahre alt ist, hat dazu geführt, dass es sich manchmal an der Schwelle zum Jugendbuch las. Die Nebenfiguren sind liebevoll gezeichnet, allerdings auch ein bisschen klischeehaft (bzw. einfach nicht einzigartig, solche Figuren kommen immer wieder und überall mal vor). Nichtsdestotrotz habe ich den Roman sehr gern und am Stück gelesen, die Figur macht einiges an Entwicklung durch und als Leser/in fiebert man mit, dass es ein Happy End gibt.

Bewertung vom 26.09.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


ausgezeichnet

Nachhallend, ehrlich, menschlich.
Menachem Kaiser wollte keinen Roman schreiben, denn das hätte aus seiner Geschichte auch genau das gemacht: eine Geschichte. Stattdessen wollte er seine Wahrheit erzählen, und deshalb ist dieses Buch ein Sachbuch geworden, ein Erinnerungsbuch, und das geht näher als so manch ein Roman.
Kaiser macht sich auf die Suche nach den Spuren seines Großvaters, den er nie kennengelernt hat, und nach den Spuren seiner Familie, die den Holocaust größtenteils nicht überlebt hat. Diese Suche führt ihn vor allem nach Polen, und Kaiser stellt sich auf dieser Suche Fragen - Fragen, die auch mal zwicken. Was ist Erbe und was ist Vermächtnis? Welcher Wert ist der wichtigere - der materielle, historische oder sentimentale? Was passiert, wenn Erinnerungen zu unserer eigenen Geschichte werden? Und was machen wir mit dem Unwissbaren unserer eigenen Geschichte? In all seinen Antworten schont Kaiser sich selbst nicht, er ist ehrlich zu sich selbst und zu uns und das löst das gleiche beim Leser aus (wobei man sich jedoch durchgehend aufgehoben fühlt). Dieses Buch ist intim weil persönlich, und zugleich unglaublich nahbar weil menschlich. Große Leseempfehlung.

Bewertung vom 05.09.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


ausgezeichnet

Gleich zu Beginn hat Annika Landsteiner mich mit ihrer Art zu schreiben in den Bann gezogen. Auf den ersten Seiten lernen wir eine Figur kennen, die noch in dieser ersten Nacht sterben wird (keine Sorge, das ist kein Spoiler, sondern der Beginn der Geschichte) und obwohl ich diese Figur nur ein paar Seiten lang kennenlernen konnte, habe ich sie mit den anderen Figuren zusammen die restliche Lesezeit über vermisst - das muss man erstmal schaffen. Dieser Roman vereint Leichtigkeit und Tiefe, sommerliche Bilder und nachdenklich Machendes. Er verhandelt individuelle und gesellschaftliche Themen in einer unaufdringlichen Beiläufigkeit, wobei es vordergründig um das Zurückfinden zu sich selbst, Verlust, Familie, Liebe und Selbstbestimmung geht. All das macht den Roman zu einer mitreißenden Schnittstelle zwischen romantischem Sommerroman und guter Literatur - definitiv empfehlenswert.

Bewertung vom 09.06.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


gut

Nach der Leseprobe von Robert Seethalers neuem Roman habe ich mich auf etwas Besonderes gefreut. Die Sprache erschien mir leise und sensibel, und die Hauptfigur Robert Simon sehr liebevoll und filigran gezeichnet. Auch die Anlage des Romans erschien mir besonders, ein Café im Wien der 60er Jahre, in dem sich einsame und eigenwillige Menschen begegnen.
Leider konnte ich nicht ganz in den Roman reinfinden. Es gab einfach zu viele Figuren, denen immer ein Kapitel gewidmet wurde, und die dann vielleicht oder vielleicht auch nicht noch einmal auftauchten. Es wurden Skizzen gezeichnet, die dann weggelegt wurden und das hat mich nie ganz in die Geschichte eintauchen lassen. Der rote Faden im Buch war das Café, aber es waren nicht die Beziehungen der Figuren zueinander - es gab viele Namen, die ich wieder vergessen habe und kein zusammenhängendes Lesegefühl für mich. Dass mir zumindest die Hauptfigur Robert Simon ans Herz gewachsen ist, habe ich erst am Ende gemerkt (zu den anderen Figuren habe ich keine große Beziehung aufgebaut).
Sprachlich ist der Roman wunderschön, nur leider nicht das, was ich mir von der Story erhofft hatte.