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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
barbarella17
Wohnort: 
Nettersheim

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2022
Die Wunder
Medel, Elena

Die Wunder


ausgezeichnet

Elena Medel hat mir ein großes Geschenk gemacht: sie schafft es, die ewige Zerrissenheit der Frauen zwischen Wünschen und Wirklichkeit, zwischen Pflichten und Träumen, zwischen Abhängigkeit und Freiheit in oft nüchternen, teils raschen, immer sehr präzisen Sätzen zu formulieren. Gleichzeitig lässt sie eine wundervolle, zarte Poesie anklingen, die die teilweise prekären Lebenssituationen von Großmutter Maria und Enkelin Alicia beinahe erträglich macht.

Maria flüchtet, nachdem sie als Jugendliche eine Tochter geboren hat, nach Madrid und arbeitet dort als Hausangestellte, während ihre Tochter bei Verwandten aufwächst, der Kontakt zwischen den beiden wird immer spärlicher. Alicia wiederum ist die Enkelin Marias, nach dem Tod ihres Vaters bricht ihre Welt zusammen und sie geht ebenfalls als junge Frau in die Hauptstadt. Die beiden Frauen erarbeiten sich ihren Lebensunterhalt, aber auch wachsendes politisches (Selbst-)Bewusstsein, bleiben jedoch in Gegenwart der (eher blass, leise agierenden) Männer in den Freundeskreisen recht zurückhaltend. Sie lernen sich nie kennen und nur wir Leser wissen um ihre zeitweilige Nähe.

Wie viele Frauen leben nach wie vor am Rand des Existenzminimums wie die beiden, wie viele Frauen geben der Verlockung einer vermeintlichen Sicherheit durch eine Ehe nach, wie viele Mädchen verzichten weiterhin auf eine solide Ausbildung, "weil sie ja doch irgendwann heiraten" ? Die Lebensläufe von Maria und Alicia zeigen, dass sich im Laufe der letzten 50 - 60 Jahre leider noch nicht genug geändert hat.
Ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben und empfehle es sehr gern weiter!

Bewertung vom 01.09.2021
Flucht nach Patagonien
Revedin, Jana

Flucht nach Patagonien


ausgezeichnet

Zeitgeschichte vom Feinsten

Nicht das erste Mal verknüpft eine Autorin Zeitgeschichte und Roman und nicht jede versteht ihr Handwerk so gut wie Jana Revedin. Sie schafft es mit leichter Hand, schwere Inhalte und Themen mit ansprechender, sachgerechter Sprache, nötigem Ernst und ab und zu doch durchschimmernder, zarter Ironie zu verknüpfen, wodurch mir die Lektüre zu einer großen Freude wurde.

Eugenia Errázuriz und Jean-Michel Ernst führen uns von den Zwanziger bis in die Vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und wir begegnen so unglaublich vielen Zeitgenossen in so vielen unerwarteten und faszinierenden Zusammenhängen - ich bin begeistert! Einerseits bietet der Roman eine sehr beeindruckende Bandbreite aus Themen zu Kunst, Kultur, Mode, Architektur, Innenarchitektur, technischen Neuerungen, dazu die Beschreibungen aus Patagonien zu Landschaft, Kultur, Gesellschaft in den Dreißigern. Andererseits konfrontiert er auch mit den dramatischen politischen Entwicklungen, die von Deutschland ausgingen und, wie auch hier bestätigt, weltumspannend ihre entsetzlichen Spuren hinterließen.

Rundherum ein wunderbares Buch, ohne Wenn und Aber!

Bewertung vom 04.02.2021
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


gut

Meine Vorfreude war groß, meine Erwartung dementsprechend. Doch leider war die Lektüre eher sanft enttäuschend, was ich allerdings keineswegs dem Stil anlasten möchte. Die Sprache hält auch in diesem japanischen Roman wunderschöne Bilder und bestimmte Prinzipien der Erzählweise bereit, die ich persönlich sehr schätze. Wir begleiten die Beschäftigung des jungen Erzählers, Tomura, mit seiner recht früh spontan entdeckten Leidenschaft, dem Stimmen von Klavier und Flügel, das für ihn zum Beruf werden soll. Seine Assoziationen mit dem Erleben in den Wäldern seiner dörflichen Kindheit, sein unbedingter Wille zum Lernen von den erfahrenen Kollegen, seine Disziplin beeindrucken, aber berühren mich nicht. Die Story hat mich eher ein wenig gelangweilt. Ab und zu baut sich ein Hauch von Spannung auf, um im nächsten Moment wieder zusammenzufallen. Die verschiedenen Figuren haben zwar jede/r ein Geheimnis, aber selbst nach deren Auflösung kommt mir die jeweilige Person nicht nahe. Aber vielleicht fehlt mir einfach die Gabe des Klavierspielens?!

Bewertung vom 22.12.2020
The Great Escape

The Great Escape


ausgezeichnet

Julia Dellith, The Great Escape

Seefahrt tut not! Mit diesem Gedanken öffnete ich das Buch von Julia Dellith.

Es versammelt 170 Fotografien aus den Jahren 1950 bis 1970 und es bildet einerseits die Kunst des jeweiligen Menschen an der Kamera ab, hinzuschauen, zu sehen und den Moment festzuhalten, der sich da gerade vor die Augen schiebt. Auf der anderen Seite wird eine präzise Übersicht geboten über Entstehungsorte, -jahre und beteiligte Personen, teilweise sachlich-nüchtern, teilweise liebevoll und persönlich. Die Auflistung der Fotografen fehlt ebensowenig wie ein bibliographischer Anhang. Darüber hinaus fasst Frau Dellith mit klaren Worten zusammen, was es für junge Menschen so spannend machte in den Jahren, zur See zu fahren, welche Ursachen dazu führten und welche Hoffnungen daran geknüpft waren.
Wie sehr sich auch die Welt der Seefahrt verändert hat, wird beim Betrachten der Bilder allein schon sehr deutlich - ansonsten hilft der Blick in die modernen Häfen rund um die Welt.
Ein schönes Buch: für die Älteren zum Erinnern, für die Jüngeren zum Kennenlernen und für uns alle zum Träumen: von der großen, weiten Welt!