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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Blubie
Wohnort: 
Schönau

Bewertungen

Insgesamt 193 Bewertungen
Bewertung vom 11.04.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


ausgezeichnet

Es gibt Bücher, da ist man völlig überrascht wenn sie zu Ende gehen, weil man so in ihnen versunken ist. Und obwohl eigentlich alles auserzählt ist, möchte man einfach weiter lesen. Dieses wunderbar ruhig erzählte Buch war für mich genau so.
Die Autorin hat einen schönen Schreibstil (vor allem bei Beschreibungen generell, aber ganz besonders bei Naturbeobachtungen) und haucht ihren Protagonist*Innen sympathische Wesenszüge und interessante Lebensgeschichten ein.
Da ist zum einen Margrit, hundertundzwei Jahre alt und rüstig; ihre Enkelin Luzie, achtzehn Jahre jung und schon ein ordentliches Lastenbündel zu schleppen; und Arthur der Chauffeur Margrits, ein Mittzwanziger - etwas verschroben.
Nach und nach erfahren wir ihre Lebensgeschichten, die teils berühren, aber auch erschüttern.
Ich mochte dieses Buch wirklich sehr und kann es ruhigen Gewissens weiterempfehlen.

Bewertung vom 08.04.2025
Wo die Wasser sich begegnen
Ling, Zhang

Wo die Wasser sich begegnen


ausgezeichnet

Es ist schon lange her, dass ich einen Roman gelesen habe, der in China angesiedelt ist... vor einigen Jahren habe ich fast ausschließlich Chinesische Geschichten gelesen.
Daher war dieses Buch für mich eine Reise in die Vergangenheit im doppelten Sinne.
Es ist die Geschichte von Rain und Phönix, Mutter und Tochter, die aus China nach Canada flohen und unzertrennlich waren, bis Rain im Pflegeheim hochbetagt stirbt. Phönix ist untröstlich und reist mit der Asche ihrer Mutter nach China. Dort trifft sie ihre alte Tante, die ihr in kleinen Happen von ihrer Vergangenheit und der ihrer Mutter erzählt, vom Krieg gegen die Japaner und vom Bürgerkrieg.
Wir erfahren aber auch Phönixs Kindheits- und Jugendjahre unter Maos Herrschaft. Der Schreibstil bleibt erfrischend undramatisch und ohne Kitsch.
Eine dramatische Geschichte von mutigen und starken Frauen, von Krieg und Diktatur - übersetzt von Susanne Hornfeck.
Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 02.04.2025
Die Fletchers von Long Island
Brodesser-Akner, Taffy

Die Fletchers von Long Island


ausgezeichnet

Ich habe während des Lesens sämtliche Emotionen durchgemacht, die man als Leser so durchleben kann.
Von "jetzt brech ich es aber ab" bis zu "oh mein Gott, wie genial" war wirklich alles dabei, dass ich nicht abgebrochen habe war gut, denn mir wäre ein wirklich großartiges Buch entgangen.
Aber es hatte schon seine Längen und die, im ersten Drittel vorkommenden, expliziten und kranken Szenen muss man schon aushalten können.
Allerdings besticht die Autorin mit ihrer exzellenten psychologischen Beobachtung und mit ihrem äußerst sarkastischen Schreibstil, mit dem sie Gesellschaftskritik an den Reichen in den USA und am System selbst übt und zwar wie mit einem scharfen Rasiermesser.
Die Protagonisten sind völlig überspannt und psychisch schwerst geschädigt, ausgelöst durch eine tragische Entführung innerhalb der Familie in den 80er Jahren. Was dieses Ereignis und die Unfähigkeit dieses aufzuarbeiten mit den einzelnen Familienmitgliedern macht ist auf der einen Seite furchtbar tragisch, aber auf der anderen Seite - durch den sarkastischen Schreibstil - auch sehr unterhaltsam.
Sophie Zeitz hat diese jüdisch-amerikanische Familiengeschichte der besonderen Art für uns übersetzt.

Bewertung vom 24.03.2025
Wenn die Tage länger werden
Stern, Anne

Wenn die Tage länger werden


weniger gut

Dieses Buch hat mir kein großes Vergnügen bereitet. Es war allerdings durch den sehr simplen Schreibstil schnell zu lesen.
Es werden sehr viele Themen angerissen und dadurch leider auch nur oberflächlich gestreift: alleinerziehende Mütter, Mutter-Tochter-Konflikt, Nazivergangenheit innerhalb der Familie, Vertreibung nach Kriegsende, Tod, Krankheit, Raubkunst...
Jedes einzelne Thema hätte ein komplettes Buch gefüllt, so aber war es eine überhäufte Ansammlung ohne Tiefgang. Manche Themen haben sich für mich auch so angefühlt, als wären sie für ein sehr junges Publikum geschrieben worden, speziell die historischen Stellen lasen sich wie Jugendliteratur.
Die Hauptprotagonistin war mir ziemlich unsympathisch und blieb mir total fremd, was das Lesen nicht einfacher machte.
Dazu kam dann noch schlechte Recherche was die Ferienzeit in Deutschland anbelangt, BaWü (nebst Bayern) hat die spätesten Sommerferien, die Ende Juli beginnen, das passt im Roman dann einfach hinten und vorne nicht. Aber gut, die Autorin macht aus Altweibersommer (Ende September - Mitte Oktober) auch "Altweiberwetter" und siedelt es im August an...
Nein, das war für mich alles zusammen einfach nicht gut. Schade.

Bewertung vom 14.03.2025
Daily Soap
Osagiobare, Nora

Daily Soap


ausgezeichnet

Das war mit Abstand so ziemlich das Lustigste, was ich in den letzten Monaten gelesen habe.
Ganz starke Satire bezüglich Alltagsrassismus in der Schweiz, schräge Protagonist*innen, eine herrlich chaotische Story, die so richtig schön ausufert, bizarre Situationen und Fußnoten bei denen ich schallend lachen konnte.
In der Tat ein äußerst ungewöhnliches Buch, das mich stellenweise an den schrägen Humor finnischer Autoren erinnert hat.
Wer es schräg und intelligent liebt, der wird diesen Roman genauso mögen und schätzen wie ich. Von mir gibt es eine hundertprozentige Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.03.2025
In ihrem Haus
van der Wouden, Yael

In ihrem Haus


ausgezeichnet

Ich bin verliebt! Ich habe mich in ein Buch verliebt.
Was ist das bitteschön für ein großartiger Roman! Diese Geschichte hat mich zutiefst berührt und zwar auf allen Ebenen und fast wären Tränen geflossen... sowas passiert mir wirklich äußerst selten.
Yael van der Wouden hat mit Isabel und Eva nicht nur zwei wundervolle Charaktere geschaffen, deren Geschichte mich völlig in den Bann gezogen hat, sondern generell einen Plot geliefert, den ich so noch nie gelesen habe. Aus der Hand legen konnte ich den ebook-reader tatsächlich so gut wie nicht.
Sprachlich war es ein absolut sinnliches und zartes Erlebnis, ganz ganz wunderbar.
Von diesen Protagonistinnen werde ich träumen, sie werden mich noch sehr lange begleiten.
Stefanie Ochel hat aus dem Niederländischen übersetzt.
Dieser Roman hat mich völlig geflasht und lässt mich beinahe wortlos zurück. Bitte lesen - unbedingt!

Bewertung vom 27.02.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Ich hatte - zugegeben - erst vor kurzem meinen ersten Glattauer Roman gelesen und war von seinem Schreibstil regelrecht angetan.
Also ging ich mit hoher Erwartung und großer Vorfreude an dieses Buch heran und wurde nicht nur nicht enttäuscht, sondern auch auf großartige Weise unterhalten.
Ein bekannter österreichischer Autor von Liebesromanen, der schon seit längerer Zeit nichts mehr geschrieben hat, befindet sich auf der Zugfahrt zu einem Termin in München. Ihm schräg gegenüber, sitzt eine Frau, die ihn im Laufe der Fahrt anspricht.
Es entwickelt sich nicht nur ein wunderbarer Dialog über die Liebe, sondern wir dürfen beim Lesen auch in seine Gedankenwelt eintauchen, die teils ironisch, teils nostalgisch sind.
Und ja! Würde ich Daniel Glattauer jetzt begegnen, lauteten meine Fragen: Ist es zum Teil autobiografisch?
Glattauers Humor ist genau mein "Cup of Tea" und ich freue mich jetzt einfach darüber, dass ich als Spätentdeckerin noch einige ältere Romane von ihm vor mir habe.

Bewertung vom 19.02.2025
Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
Decker, Anika

Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben


ausgezeichnet

Ganz ehrlich? Den Titel fand ich einfach genial und so war es ein ziemlicher Spontankauf, den ich absolut nicht bereue.
Wahrscheinlich lag es zum größten Teil am Alter der Hauptprotagonistin, warum mich der Plot so krass angesprochen hat. Nina mit ihrer Menopause, die es aber einfach noch mal wissen will - und sich aber gar nicht traut, denn: so als "alte Frau" - darf man überhaupt? Sollte man nicht?....
Ich konnte so Vieles in ihrem Verhalten und ihren Gedanken nachempfinden.
Ich mochte die Charaktere sehr und auch die vielen Themen, die in diesem Buch angesprochen werden, die mir selbst beim Lesen absolut nicht zuviel waren.
Carearbeit, Stellenwert der Frau in Firmen, in der Medizin, in ihrem Umfeld, wie es sich anfühlt älter zu werden, welche Meinung die Gesellschaft dazu hat. Wie es ist, im Alter nochmal Neues zu wagen. Wie stark Frauen sein können, wenn sie zusammenstehen. Wie sehr wir Frauen uns selbst schätzen lernen sollten.
Hach, das war wirklich erfrischend, aber auch aufwühlend und letztendlich hoffnungsvoll und versöhnlich.
Ich hab die Lektüre sehr geliebt und innerhalb kürzester Zeit verschlungen und spreche eine hundertprozentige Leseempfehlung aus!

Bewertung vom 15.02.2025
Wie meine Familie das Sprechen lernte
Bektas, Leyla

Wie meine Familie das Sprechen lernte


gut

Dieses Buch hat mir Einiges abverlangt und ich habe mich sehr disziplinieren müssen, dass ich es zu Ende lese.
War es schlecht? Nein, auf gar keinen Fall! Sprachlich fand ich es eigentlich schön, auch der Plot wäre sehr interessant gewesen... jetzt kommt das große Aber:

Als eine Person, die sehr wenige Berührungspunkte mit Türk*innen hat und auch sonst kaum Einblick in Land, Kultur und Geschichte habe, kam ich mir streckenweise auf komplett verlorenem Posten vor. Eigentlich hätte es viele Gründe gegeben mindestens alle zwei Seiten mein Handy zur Hand zu nehmen und etwas ergoogeln zu müssen... dann wäre ich wohl mindesten noch eine weitere Woche mit dem Buch beschäftigt gewesen.
Ich habe keine Probleme einer Geschichte zu folgen mit vielen für mich fremden Namen, das schaffe ich... aber wenn dann noch Namensanhängsel (wahrscheinlich Familienstand?) auf türkisch vorkommen, dazu Städte- und Dorfnamen, türkische Gerichte und generell Ausdrücke, dann bin ich leicht überfordert. Nirgendwo eine Fußnote oder ein Glossar um mich etwas gescheiter zu machen.
Abgesehen von der Familiengeschichte, die durch hin- und herspringen in der Zeit erzählt wird, gibt es viele Anspielungen auf politische Ereignisse in der Türkei, die mir nicht geläufig waren und viele Politiker Namen, die mir absolut nichts sagten. Nach jedem Kapitel hatte ich gefühlt 10 Fragen mehr im Kopf als zuvor.
Das Schicksal der Aleviten hätte mich brennend interessiert, aber auch da vertieft sich die Geschichte leider nicht wirklich, es werden Eckpunkte angerissen, mehr leider auch nicht.

Rate ich also von der Lektüre ab? Nein, ich empfehle sie allen, die sich mit der Türkischen Kultur und Geschichte etwas auskennen, oder direkt Wurzeln in diesem Land haben - ich denke, diese Leser*innen werden viel mit diesem Buch anfangen können.

Bewertung vom 14.02.2025
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


ausgezeichnet

Das war ein außergewöhnlich tolles Leseerlebnis, Tore Renberg hat hier einen äußerst bemerkenswerten historischen Roman geschrieben, der nicht nur akribisch recherchiert wurde, sondern auch noch mit ausgesprochen detailverliebten Figuren gefüllt, die für mich lebendiger nicht sein hätten können.
Und dabei ist das Barock nicht einmal annähernd meine bevorzugte historische Zeit, beim Lesen.

Der Klappentext und die guten Rezensionen hatten mich neugierig gemacht, das Buchcover fand ich extrem ansprechend und so wagte ich mich noch einmal aus meiner Komfortzone und bin begeistert in die 700 Seiten starke Lektüre abgetaucht.

Wir erfahren nicht nur über den Gerichtsfall Anna Voigts, sondern erhalten ein Sittenbild der damaligen Zeit: biedere Bigotterie wurde langsam von wissenschaftlichen Erkenntnissen überrollt.
Wenn wir heute von damaligen Gerichtsurteilen lesen, dann wissen wir, dass sie "im Namen Gottes" ausgeführt wurden, mehr Aberglaube als Logik und wir wissen, dass es immer brutal und grausam war. Aber Renberg haucht Anna Voigt so viel Leben ein, dass wir die Angst und Verzweiflung beim Lesen spüren und das lässt Geschichte lebendig werden.
Der Autor schreibt aber nicht ohne Humor, den merkt man besonders in den Dialogen.

Und dann ist es auch ein feministisches Buch, denn Renberg macht uns einmal mehr bewusst, wie sehr Frauen leiden müssen - nein, sogar doppelt und dreifach bestraft werden - dafür, dass Männer ihren Hosenstall nicht geschlossen halten können, während letztere zumeist keine Konsequenzen tragen müssen.

Diese Lektüre hätte furztrocken sein können, Tore Renberg hat aus der Materie ein kluges, witziges und erschütterndes Buch mit vielen lebendigen Charakteren gemacht. Großartig!
Karoline Hippe und Ina Kronenberger haben eine wunderbare Übersetzungsarbeit geleistet