BenutzerTop-Rezensenten Übersicht
Bewertungen
Insgesamt 92 BewertungenBewertung vom 01.03.2025 | ||
![]() |
Die 102-jährige Margrit lebt in einer Seniorenresidenz nahe der Elbe. Im Römischen Garten, in den sie sich jeden Tag von ihrem Fahrer Arthur bringen lässt, erinnert sie sich mit Blick auf den Fluss zurück an ihre Jugend und Kindheit, die Kriegsjahre und die Beziehung ihrer Mutter Johanne zu einer anderen Frau. Manchmal denkt sie auch nach über Arthur, der mehr oder weniger heimlich mit einer Metallsonde das Flussufer abläuft, während er auf Margrit wartet, oder über ihre Enkelin Luzie, die gerade die Schule kurz vor dem Abitur abgebrochen hat und Tätowiererin werden möchte. Beide scheinen, genau wie Margrit, ihre eigenen Geheimnisse zu haben und ihre eigenen Traumata zu verarbeiten. |
|
Bewertung vom 14.02.2025 | ||
![]() |
Es scheint ein ganz gewöhnlicher Frühsommertag wie jeder andere zu sein, und doch hat sich rückblickend etwas Entscheidendes ereignet an jenem 6. Juni: Die Zeit ist stehengeblieben. Oder besser: Die Zeit schreitet weiter voran, jedoch nicht für die Menschen. Während Pflanzen und Tiere nach wie vor geboren werden, wachsen und sterben, scheint der Mensch kein Teil der Natur mehr zu sein: Embryos, Neugeborene und überhaupt alle Menschen verbleiben in exakt jenem Entwicklungszustand, in dem sie sich in der Sekunde dieses mysteriösen Ereignisses befanden. Niemand wird mehr geboren und niemand stirbt. Schwangere bleiben schwanger, Krebspatient*innen und eigentlich tödlich Verwundete sterben doch nicht, Rentner*innen blühen angesichts der geschenkten Lebenszeit neu auf, während Entbindungsstationen und Bestattungsinstitute ihre Türen schließen und Beatmungsgeräte ebenso überflüssig werden wie die Nahrungsaufnahme. |
|
Bewertung vom 14.02.2025 | ||
![]() |
Hannes und Polina, Polina und Hannes. Von kleinauf sind sie unzertrenntlich, durchstreifen gemeinsam das Moor, nehmen sich vor morschen Birken in Acht, lungern im Sommer auf der Vortreppe der alten Moorvilla mit Blick auf den Rhabarber herum und lauschen den Klängen des Klaviers, die durch die endlosen Gänge hallen. Auf Außenstehende mag es irritierend wirken, wie sie aufwachsen; sie, die Kinder alleinerziehender Mütter, die in ihren Putzjobs kaum genug verdienen, um über die Runden zu kommen; sie, die eine Kindheit fernab des nächsten Dorfes in den heruntergekommenen Gemäuern und der Obhut des etwas exzentrischen Heinrich Hildebrands führen und barfuß die Gegend durchstreifen. Und doch: Ihnen gehört die Welt. Ihr Leben ist Freiheit. |
|
Bewertung vom 08.12.2024 | ||
![]() |
Autismus wird gerade bei Frauen immer noch viel zu häufig nicht erkannt. Das liegt nicht nur daran, dass generell wenige Psycholog*innen auf das Thema spezialisiert sind, sondern vor allem auch daran, dass die Diagnosekriterien noch immer stark auf männlichen Autismus zugeschnitten sind. Inselbegabung, Beziehungsunfähigkeit, keinen Blickkontakt halten und keinen Smalltalk führen können, sich für Informatik, Technik und Züge begeistern - zack, fertig ist der stereotypische Autist. Dass es so einfach nicht sein kann, dürfte uns allen spätestens nach einer Sekunde des Nachdenkens klar werden. |
|
Bewertung vom 25.11.2024 | ||
![]() |
Als wir im Schnee Blumen pflückten Biera und Mariddja leben allein in einer Hütte hoch oben im Norden Schwedens. Beide sind sie alt, und Mariddja hat gerade erst erfahren, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Vor Biera will sie das jedoch geheimhalten, da er längst dement ist und sie ihm nicht auch noch ihre eigene Krankheit zumuten kann. Hilfe wollen die beiden auf keinen Fall - sie werden bleiben, wo sie immer waren. Und sie kommen ja auch gut zurecht, findet Mariddja. Trotzdem freut sie sich sehr, als sie eines Tages in der Telofonistin in Bieras Smartphone eine etwas freche, aber sehr nette Gesprächspartnerin entdeckt. Mariddja beginnt, fast täglich mit Siré (in der der*die Leser*in unschwer "Siri" erkennen wird) zu telefonieren, und es kommt zu einigen sehr skurrilen Situationen. Für Mariddja wird Siré schnell zur Komplizin, denn bevor sie stirbt, hat Mariddja noch einen letzten, großen Wunsch: Sie will ihren Neffen wiederfinden, der als kleiner Junge lange bei ihr und Biera aufgewachsen ist und dann abrupt aus ihrem Leben verschwand. Parallel gibt es einen zweiten Erzählstrang, in dem ein junges Paar ins Dorf zieht, das fortan in der Gesundheitszentrale arbeiten wird, und das bald auch auf die schwierige Lage von Mariddja und Biera aufmerksam wird. |
|
Bewertung vom 19.09.2024 | ||
![]() |
Der Wald ist ein Ort der Zuflucht. Er ist wild und unbezwingbar, gefährlich und wunderschön. Er ist ursprünglich und erinnert uns an das, was wir mal waren und was wir sind. In ihm können wir, fernab der Zivilisation, Ruhe und vielleicht auch uns selbst finden. Nicht verwunderlich also, dass der Wald für so viele ein Sehnsuchtsort ist und dass die Flucht in ihn auch in der Literatur wiederkehrendes Motiv ist. |
|
Bewertung vom 13.09.2024 | ||
![]() |
Endlich raus aus dem Haus, das sie seit Jahren gefangenhält, das schief in der Landschaft, also, mitten in Kassel, steht, das komplett verbaut ist mit seinen Ecken und Winkeln und seinem unmöglichen Grundriss und überhaupt nur Unglück bringt. Eigentlich also ein Grund zum Feiern, dass man das Haus jetzt endlich loswird und sich etwas neues suchen kann. Und doch... Es war jahrelang ein Zuhause. Es war eben 𝑑𝑎𝑠 𝐻𝑎𝑢𝑠. |
|
Bewertung vom 18.08.2024 | ||
![]() |
Linda kann nicht mehr nach dem plötzlichen Tod ihrer 17-jährigen Tochter Sonja. Der Alltag ist trist und grau, nichts scheint mehr Sinn zu ergeben, und auch die Belastbarkeit ihrer Beziehung mit Richard kommt an ihre Grenzen. Irgendwie gelingt es allen, weiterzumachen, nur eben Linda nicht - ihre Welt ist stehengeblieben, ein Ausweg aus der Trauer nicht in Sicht. Als sie die Möglichkeit bekommt, aufs Land zu ziehen, nimmt sie diese Chance wahr; nicht, weil sie glaubt, die Idylle des Dorflebens könne an ihrem Zustand etwas ändern, denn das große, heruntergekommene Haus mit verwildertem Garten verspricht eher Arbeit als Entspannung und liegt auch noch direkt an einer Schnellstraße. Hier ist nichts mit Hühnern und Viehweiden und malerischen Sonnenuntergängen, nichts mit Dorfgemeinschaft. Hier kommen die Leute nur abends zum Schlafen hin und brechen frühmorgens wieder auf in Richtung Stadt. Aber: Hier erinnert sie nichts und niemand an Sonja. Und das ist erstmal alles, was zählt. |
|
Bewertung vom 15.07.2024 | ||
![]() |
Eskapistische Romane sind gerade in Mode. Oder vielleicht häufen sie sich auch aktuell einfach nur in meinem persönlichen Leseverhalten? Roisin Maguires Roman jedenfalls reiht sich wunderbar unter seinesgleichen ein, oder, vielleicht treffender: sticht deutlich daraus hervor. Nicht einmal wegen der Story an sich, denn die ist eigentlich recht klassisch: Ein schwerer Schicksalsschlag führt nicht nur Evans Beziehung bis an ihre Grenzen, sondern auch ihn ins kleine Küstendörfchen Ballybrady. Hier mietet er sich in ein windschiefes Airbnb ein und lungert auf dem Sofa herum. Bis er seiner Vermieterin Grace begegnet, die wahrhaftig eine Erscheinung für sich ist - unförmiger, riesiger Poncho, ruppig und fluchend, nachts nackt im Meer schwimmend, und das bei den Temperaturen! |
|
Bewertung vom 03.07.2024 | ||
![]() |
Mit Anfang 30 blickt Rachel zurück auf ihre frühen 20er. Damals hat sie neben dem Literatur-Studium unterbezahlt in einem Buchladen gejobbt, in dem sie auch James kennenlernt. Die beiden werden schnell beste Freunde und gehen gemeinsam durch dick und dünn; dass es in der gemeinsamen Wohnung etwas chaotisch zugeht und vor allem meistens ziemlich kalt ist, spielt keine Rolle - sie sind jung, die ganze Welt steht ihnen offen. Als Rachel und James gemeinsam eine Lesung mit Rachels Literaturprofessor Dr. Fred Byrne organisieren, in den sie schon seit einer ganzen Weile mehr oder weniger heimlich verliebt ist, kommt alles ganz anders als geplant. Denn es ist nicht Rachel, die Dr. Byrne näherkommt - sondern James. |
|