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Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2024
Die Tage des Wals
O'Connor, Elizabeth

Die Tage des Wals


gut

Genauso plötzlich, wie man in die Geschichte hinein geworfen wird, ist sie auch wieder vorbei. Für ein paar Wochen, eher Monate, im Jahr 1938 begleitet man die Bewohner einer unbenannten Insel bei ihrem Leben und Tun irgendwo zwischen Großbritannien und Irland, vielleicht auch etwas nördlicher - man erfährt es nicht. Das ganze beginnt, als ein toter Wal angeschwemmt wird, der es nicht wieder aufs offene Meer hinaus geschafft hat. Dieser Wal führt zwei Forscher aus England auf die Insel, Edward und Joan, die die Insulaner und ihre Lebensweisen in der kargen, schroffen, abgelegenen Welt der Nordatlantikinsel studieren und protokollieren möchten.

Wir als Leser begleiten die Geschehnisse aus der Perspektive von Manod, einer 18-jährigen Bewohnerin, die zusammen mit ihrem Vater und ihrer jüngeren Schwester auf der Insel lebt. Sie kennt die Eigenheiten der Inselbewohner, ihre Traditionen und Lebensweisen, die die kleine Inselgesellschaft auszeichnen und seit sie alle denken können, am Leben halten. Dieses Leben ist einfacher, langsamer und mühsamer als jenes, das die Menschen vom Festland kennen, die gemeinsam mit dem Fortschritt das nächste Kriegsjahrzehnt im Jahrhundert begehen. Auf der Insel munkelt man bestenfalls etwas davon, dass es irgendwo Krieg geben könnte. Manod kennt die Insel und ihre Bewohner in- und auswendig, will aber eigentlich nur weg von da, ist des Insellebens müde, will London und Paris sehen und am liebsten studieren. Diese Chance scheint mit dem Auftauchen von Edward und Joan plötzlich zum Greifen nah.

Ehrlicherweise weiß ich nicht so recht, was ich von "Die Tage des Wals" halten soll. Schon allein in der Aufmachung fand ich es wenig ansprechend. Es besteht aus kurzen Kapiteln, die teilweise nicht mal die Hälfte einer Buchseite einnehmen. Die Einteilung in Kapitel erschien mir meist willkürlich. Es folgt eine Darlegung einzelner, meist lapidarer Episoden im Leben der Inselbewohner. Natürlich spiegelt genau diese Eintönigkeit das reale Leben der Bewohner wahrscheinlich auf ideale Weise wider. Trotzdem habe ich mir einfach mehr gewünscht. Es sind bloße Aneinanderreihungen über Handlungen, Dinge, die Manod tut. Kaum Gedankenwelt, geschweige denn Einblicke in ihre Gefühle. Teils kann man sich ihre Frustration über ihren Wunsch, wegzugehen, selbst denken. Aber hier kommt irgendwie nichts bedeutendes rüber, alles ist so sachlich und banal wie nebenbei aufgeschrieben.

Manod ist auch eine schlechte Heldin, die nichts selbst in die Hand nimmt, sich über den Tisch ziehen lässt, am Ende dumm da steht und irgendwie nichts umsetzen kann von ihren Hoffnungen. Sie ist als Romanfigur völlig unnahbar. Es gibt für Manod genauso wenig Entwicklung wie für die ganze Insel, auf der sie lebt, und wie für die Bewohner. Das höchste, was passiert, ist, dass gelegentlich einer aufs Festland zieht, auf der Suche nach Arbeit oder einem neuen - wetterdichten - Zuhause. Ich glaube, das entspricht vermutlich sehr der Realität, das muss man der Autorin zugute halten. Genauso wie ihr Vorwort, in dem sie kurz darlegt, dass es viele solcher kleinen bewohnten Inseln gab und gibt, die fernab der Weltgeschehnisse ihre Jahre ins Land gehen lassen, nur vom Fischen und der Schafzucht leben, wie eine kleine Inselblase im großen Weltengetriebe. Das mag alles sachlich korrekt sein. Für einen Roman ist es aber in meinen Augen zu wenig. Am Ende sitze ich da, schlage die letzte Seite um und frage mich wirklich, was ich mit dieser Geschichte machen soll, wofür sie gut ist. Zur Unterhaltung nicht, zur moralischen Entwicklung nicht, zur Entdeckung neuer Reiseziele nicht. Ich schätze, ich werde mich an "Die Tage des Wals" in einigen Wochen nicht mehr erinnern können.

Bewertung vom 01.07.2024
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Eins vielleicht vorneweg: ich hab es nicht so mit Pferden. Ich war nie eins der Pferdemädchen, mich haben die Tiere nicht interessiert und auch heute habe ich keinerlei Verbindung zu ihnen. Tatsächlich hat sich mir der Reiz von Pferden nie wirklich erschlossen und ich bekomme heute noch große Augen, wenn ich höre, für wieviel Geld manches Pferd gehandelt und verkauft wird. Normalerweise wäre ein Buch zum Thema "Pferd" daher nicht unbedingt ganz oben auf meiner Wunschliste gelandet. Dennoch habe ich durch Umstände "Das Gemälde" von Geraldine Brooks in die Hände bekommen. Und ich habe es gelesen, denn ich konnte nach einigen Seiten gar nicht anders. Plötzlich steckte ich mittendrin in dieser Geschichte um ein Pferd, die ihre Fühler bis ins Heute ausstreckt.

Plump gesagt geht es um folgendes: Mitte des 19. Jahrhunderts wird ein Rennpferd gemalt und dieses Pferd sowie das Gemälde haben Auswirkungen auf die Leben ganz unterschiedlicher Personen. Geraldine Brooks stellt diese durch mehrere Erzählperspektiven und Zeitebenen dar, was mitunter ein kognitives Umschalten beim Lesen erfordert, erst recht, wenn man diesen "Klopper von Buch" dann doch mal für eine Pause zur Seite gelegt hat. "Das Gemälde" ist ein langsames Buch, keins, das sich schnell weglesen lässt. Es baut sich sehr langsam auf, braucht Zeit, erzählt die Geschehnisse, die an wahre Begebenheiten angelehnt sind (übrigens super recherchiert und aufbereitet!), eher ruhig, gemächlich und ausufernd. Hier kann man keine schnelle Story erwarten, die einen atemlos die Seiten umschlagen lässt.

Aber ich mag das Prinzip des Buches: ein Ding zu beleuchten und über die Zeit zu begleiten und dabei wie zufällig mitzubekommen, wie dieses Ding andere Personen, Situationen und die Zeit formt und verändert. Beim Lesen hat mich dies manchmal an "Die Launenhaftigkeit der Liebe" von Hannah Rothschild erinnert, in dem es übrigens ebenfalls um ein Gemälde geht.

"Das Gemälde" ist ein herrlicher, seitengreifender, historischer Schmökerroman, für den man Zeit braucht, die sich für den Lesegenuss aber sehr lohnt.

Bewertung vom 31.03.2024
Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1
Gold, Robert

Twelve Secrets / Ben Harper Bd.1


gut

"Twelve secrets" ist - wie der Name schon sagt - voller Geheimnisse. Diese beziehen sich dabei mitnichten nur auf Hauptprotagonist Ben und seine Geschichte, wobei diese allein schon bedauernswert und geheimnisvoll genug erscheint. Als kleiner Junge musste er miterleben, wie sein älterer Bruder auf kuriose Weise ermordet wurde. Einige Jahre später bringt sich dann noch seine Mutter aus heiterem Himmel um. Heute ist Ben Journalist und schreibt über mysteriöse Mord- und Todesfälle. Nur mit dem Fall seiner eigenen Geschichte will er sich zunächst nicht so wirklich auseinander setzen. Dann werden eines Tages verschiedene Ereignisse ins Rollen gebracht und für den Leser decken sich diese "12 Geheimnisse" auf. Diese betreffen diverse Personen in Bens Umfeld und in seiner Heimatstadt. Autor Robert Gold wählt zudem verschiedene Zeitebenen, auf denen er die Geschehnisse in Rückblicken und im Jetzt erzählt. Alles etwas verwirrend, muss ich gestehen. Ich hatte Glück, ich konnte "Twelve Secrets" relativ gut an einem Stück lesen ohne größere Unterbrechungen. Ich denke, bei diesem Buch ist man schnell in der Handlung raus, wenn man sie nicht kontinuierlich liest, daher ist das ein wirklicher Rat für alle, die das Buch gern lesen möchten: Lest es am besten in einem Rutsch. Das fällt an sich nicht schwer, denn die Geschichte ist gut und ausreichend spannend, dass ich tatsächlich wissen wollte, wie sich am Ende alles auflöst. Durch die vielen Zeit- und Personenperspektiven ist das ganze schnell und dynamisch, zugleich blieben manche Figuren in meinen Augen dadurch aber recht oberflächlich und klischeehaft. Hier und da hätte ich mir mehr Informationen und mehr Zeit zur Entwicklung für einzelne Personen gewünscht. Vor allem für die Polizistin Dani Cash, die irgendwie auch ihre eigene (bemitleidenswerte) Story auf den Leib geschrieben bekommen soll. Genau das gelingt dem Autor meiner Meinung aber nicht wirklich. Dani blieb mir ziemlich fremd, was ich schade fand. Scheinbar ist "Twelve Secrets" ein Reihenauftakt; wenn ich es richtig verstehe, sind mehrere Bücher um Ben Harper geplant. Vielleicht hat dann auch Dani mehr Auftritte und bekommt mehr Raum und Persönlichkeit verliehen. Wünschenswert wäre es.

Insgesamt ein guter Thriller, der zu unterhalten weiß, den man im besten Fall aber ohne große Unterbrechungen lesen sollte, um nicht den roten Faden zu verlieren.

Bewertung vom 30.11.2023
Elternhaus
Mank, Ute

Elternhaus


gut

"Elternhaus" von Ute Mank zu lesen, hat mich irgendwie frustriert. Das mag zum einen daran gelegen habe, dass ich selbst zwei Schwestern habe und ja, irgendwann auch bei uns die Frage im Raum stehen wird, was denn mit dem Elternhaus sein wird. Die Parallelen zur Realität waren für mich also deutlich gegeben. Die drei Schwestern hier im Buch haben sich jedoch ziemlich auseinander gelebt, nehmen mithin kaum mehr Teil am Leben der anderen. Irgendwie ist da eine zugrundeliegende Gleichgültigkeit, die sich durch das ganze Buch gezogen hat, und ich denke, das genau diese mich so frustriert hat. In sehr nüchternen Kapiteln gibt Ute Mank Einblicke in die Leben von Petra, Sanne und Gitti. Alle drei sind auf die ein oder andere Art unzufrieden und unglücklich, alle hadern mit sich oder den Gegebenheiten; das Elternhaus ist eigentlich nur ein Vorwand, um alle mal wieder zusammen zu bringen. Bei allen dreien stehen dennoch Veränderungen an, aber auch die schaffen es nicht, diese graue Grundstimmung im Buch wenigstens kurzfristig zu vertreiben. "Elternhaus" hat mich unruhig und ungeduldig gemacht, vielleicht, weil es in meiner Familie gerade gar nicht so läuft wie bei den Dreien im Buch, und es mir schwer fiel, dieses passive Aushalten der Schwestern zu fassen. Am liebsten hätte ich jede mal geschüttelt und gesagt "Guck doch doch mal um in deinem Leben". Wenn das ein Buch schaffen will, dann ist "Elternhaus" sicher lesenswert. Ich empfand das Buch leider zu drückend, zu grau, zu perspektivlos. Was vielleicht auch gerade das Anliegen der Autorin war.

Bewertung vom 27.06.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


gut

Wenn John Green über dieses Buch tatsächlich gesagt hat "Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe", dann tut er mir eigentlich ein bisschen Leid, denn dann hat er scheinbar noch nicht so viel gutes in seinem Leben gelesen. Was nicht heißen soll, dass "Morgen, morgen und wieder morgen" schlecht wäre oder ein "nicht gutes Buch". Nein, es ist ok. Es ist in meinen Augen aber den ganzen Hype nicht wert, der seit Monaten darum gemacht wird. Ich zumindest habe der Geschichte offenbar nicht so viel bedeutendes und augenöffnendes entnehmen können, dass es mich nachhaltig beeindruckt hätte.

Die Story um Sam und Sadie ist ganz nett zu lesen, mir persönlich aber leider viel zu langatmig. Ich habe schon nach etwa 50 Seiten nicht mehr so richtig Lust zum Weiterlesen gehabt, habe dann entsprechend auch andere Bücher dazwischen geschoben und mich schnell dabei erwischt, wie ich Seiten in "Morgen, morgen und wieder morgen" überblätterte. Teils bin ich in der Geschichte mal eben 30-40 Seiten vorgesprungen und hatte absolut kein Problem, an späterer Stelle wieder einzusteigen. Und das, obwohl die Story auf mehreren Zeitebenen geschrieben ist und diese Sprünge im Erzählen mitunter auch recht wahllos geschehen. Die wesentlichen Eckpunkte der Geschichte habe ich mitbekommen: die Freundschaft, der Neid, die Missgunst, das Vermissen, das Nicht-ohne-Einander-Sein-Können zwischen Sadie und Sam. Gar nicht mal so auf eine gezwungene romantische Art, und das rechne ich Gabrielle Zevin in dem Kontext hoch an, in dem es weniger um die Liebe, sondern eher um die berufliche Entfaltung und Verwirklichung von Träumen geht.

Richtig auf die Kosten kommen sicher diejenigen, die hier auch jede Menge der erwähnten Spiele kennen und vielleicht selbst gespielt haben. Ich bin keine typische Gamerin, eher eine "Wohlfühl-Spielerin in fremden Welten", weshalb ich Sadies Vorliebe für ein Spiel wie "Harvest Moon" in der Tat gut nachvollziehen konnte. Ansonsten kannte ich viele der genannten Spiele nicht, auf die sich hier bezogen wird, aber das war letztlich auch ok.

Das ganze Buch war ok - aber in meinen Augen eben nicht mehr. Bei mir hat es wenig Eindruck hinterlassen und ich bezweifle, dass ich mich in ein paar Wochen oder Monaten an wesentliche Inhalte der Story noch werde erinnern können. Insofern kann ich persönlich John Green mit seinem Ausspruch nicht zustimmen.

Bewertung vom 11.02.2023
Clark & Division
Naomi Hirahara

Clark & Division


sehr gut

Mein erster Gedanke, noch bevor ich überhaupt die Inhaltsangabe las, war, dass "Clark & Division" irgendwie klingt wie ein Detektiv-Ermittlerpärchen, die in einem kleinen schrammeligen Büro unliebsame Fälle übernehmen muss. Aber... nein, darum geht´s nicht, wirklich gar nicht. Obwohl es durchaus detektivistisch wird. Tatsächlich ist Clark & Division aber eine U-Bahn-Station in Chicago. Und nach Chicago verschlägt es die 22-jährige Aki und ihre Eltern für einen Neuanfang, nach ihrer Entlassung aus einem Internierungslager in Kalifornien.

Für mich war viel Neues in diesem Buch enthalten; Themen und historische Fakten, mit denen ich mich kaum oder auch gar nicht wirklich ausgekannt habe zuvor. Die ganzen Geschehnisse nach dem Angriff auf Pearl Harbour durch die Japaner, was Auswirkungen haben sollte auf alle japanisch-stämmigen Einwohner in den USA - das war etwas, über das ich vor dem Lesen wirklich so gut wie nichts wusste. Durch das Buch bekommt man einen ziemlich guten Eindruck, unter welchen Umständen Japaner damals in den USA leben mussten, wie diese zwangsweise gewissermaßen "eingesperrt" wurden in Internierungslager, von denen sie dann nach einigen Monaten bis Jahren irgendwo anders hin geschickt wurden - und sich damit ungewollt einem Neuanfang stellen mussten. Genau so geht es Aki und ihren Eltern. Sie sind auf dem Weg nach Chicago, um sich dort eigentlich mit Akis älterer Schwester Rose für den Beginn eines neues Lebens zu treffen, als sie die Nachricht erhalten, dass Rose gestorben ist - überfahren von einer Subway an der Station "Clark & Division".

Aki will nicht glauben, dass es sich um einen Selbstmord handelt und fängt an, im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst zu ermitteln. Diese Möglichkeiten sind begrenzt, und auch das fand ich interessant zu lesen. Das Bild und die Rolle der Frau in den USA der 40ern, noch dazu einer mit japanischen Wurzeln, hat die Autorin anschaulich wiedergegeben. Hauptsache sittsam und tugendhaft, dezent im Hintergrund und bloß nicht auffallen, das ist die Maxime. Das ist Aki auch, aber ich hätte sie mir gern etwas mutiger und forscher gewünscht. Sie bleibt sehr in ihrem vorgegebenen Rahmen, und vermutlich war es auch das, was ich letztlich ein bisschen ermüdend am Buch fand. Die Story an sich ist nicht schlecht und durchaus lesenswert - eben schon allein aufgrund des historischen Bildes, das man geboten bekommt -, aber für mich hat sich die ganze Geschichte um den (Selbst-)Mord an Rose hier und da ganz schön gezogen. Es ist ein sehr langsames und stückhaftes Bild, das sich da zusammenfügt, und manchmal hat das meine Aufmerksamkeit ein wenig gekostet. Noch dazu haben mich manche japanische Formulierungen oder Wörter im Lesefluss gestört, wenn sie wie selbstverständlich in den (deutschsprachigen) Satz eingebaut sind, ohne aber so richtig erklärt zu werden. Bei manchen Wörtern war das Fall und ich muss gestehen, dass mich das manchmal arg genervt hat.

"Clark & Division" ist ein Kriminalfall, ein ruhiger und bedächtiger, mit interessanten historischen Fakten rund um eine nicht ganz so ausdrucksstarke Hauptprotagonistin. Aki hat bei mir leider wenig Eindruck hinterlassen, die Aufdeckung des Todesfalls ist dennoch gut umgesetzt.

Bewertung vom 29.12.2022
Nice to meet you, Dubai!
Schreiber, Constantin

Nice to meet you, Dubai!


sehr gut

Constantin Schreiber kennt man als Nachrichtensprecher aus der Tagesschau, da wirkt er doch immer eher ernst und bedacht. In seinem Buch "Nice to meet you, Dubai" aus der "Nice to meet you"-Reihe des Polyglott Verlags lernt man ihn aber von einer ganz anderen Seite kennen. Er kennt sich in Dubai und den Arabischen Emiraten berufsbedingt ziemlich gut aus, hat dort längere Zeit verbracht und viele verschiedene Ecken und Seiten kennengelernt. Davon erzählt er in diesem "Reiseführer", der eigentlich gar kein typischer Reiseführer ist. Denn hier ist nicht die übliche Unterteilung der Reisebegleiter zu finden, auch wird man Hoteltipps oder Vorschläge, welche Bar und welches Restaurant wann und wo besucht werden sollte, vergeblich suchen. Eher berichtet der Herr Schreiber, welche Wege er teils selbst abgelaufen ist, auf welche interessanten Ecken und auch Begebenheiten er gestoßen ist und stellt dabei Dinge vor, die man in einem "Reiseführer" wohl auch nicht unbedingt erwarten würde. Zumindest habe ich noch keinen gelesen, in dem Interviews über Eis aus Kamelmilch enthalten sind, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Ich mochte seine Art zu schreiben sehr und auch die vielen Eindrücke, die sowohl über den Text als auch die Bilder vermittelt wurden. Das hat mir Dubai als Reiseort - der für mich immer eher mit "Da will ich echt gar nicht hin" verbunden war - durchaus etwas näher gebracht.

Bewertung vom 04.11.2022
Zehn Jahre du und ich
Hughes, Pernille

Zehn Jahre du und ich


ausgezeichnet

Becca und Charlie können sich nicht leiden, konnten sie noch nie. Ihre einzige Verbindung zueinander ist Ally - Beccas beste Freundin und Charlies feste Freundin. Zu dritt können sie sich auf diese Art und Weise einige Jahre gut arrangieren. Bis Ally stirbt. Und beiden Aufgaben hinterlässt, bei deren Ausübung die beiden ihre Asche verstreuen sollen. Diesen letzten Wunsch können sie ihr nicht abschlagen, allen Vorbehalten einander gegenüber zum Trotz. Und so kommt es, dass Becca und Charlie sich einige Jahre notgedrungen weiter miteinander beschäftigen müssen - Ally zuliebe. Oder vielleicht auch aus einem anderen Grund...?

"Zehn Jahre du und ich" ist eine niedliche Geschichte übers Trauern, Verlieren guter Freunde, aber zugleich übers Verliebtsein und zweite Chancen geben. Gleich das erste Kapitel hat mich gut in die Geschichte reinwerfen können, denn das startet mit der Beerdigung und ich musste direkt weinen. Wenn das ein Buch schafft, kann´s schon einmal nicht ganz schlecht sein, also bin ich gespannt dran geblieben, was mir aber auch leicht fiel. Denn ich mochte sowohl Becca trotz ihres schrägen Charakters, als auch Charlie wegen seines spießigen Charakters. Im Laufe der Jahre lernen beide sich durch die gestellten Aufgaben noch besser kennen und teilen schnell nicht nur Erinnerungen, sondern auch Vorlieben und Erfahrungen miteinander. Für mich war der vorgegebene Zeitraum von 10 Jahren ein bisschen zu lang, um tatsächlich die Entwicklung zwischen beiden darzustellen. Natürlich passiert in 10 Jahren viel, was Autorin Hughes auch versucht, entsprechend aufzufangen. Aber zugleich konnte ich mir beim Lesen schwer vorstellen, dass man es jahrelang schaffen soll, sich trotz gleichem Freundeskreis (fast) nur ein einziges Mal im Jahr zu sehen. Es gibt ein paar Überraschungen und nicht ganz geradlinige Wendungen im Buch, was mir gut gefallen hat. Das Ende kann man sich - ganz ohne zu spoilern - ja durchaus so ein bisschen denken, immerhin befinden wir uns hier im Genre "Liebesroman"; es ist aber trotzdem nach einigen Hin und Her (das in meinen Augen nicht hätte sein müssen) ganz nett geworden. "Zehn Jahre du und ich" ist ein durchaus lesenwerter und charmanter Roman zum Einkuscheln und Genießen.

Bewertung vom 15.06.2022
Was es braucht in der Nacht
Petitmangin, Laurent

Was es braucht in der Nacht


sehr gut

Laurent Petitmangin hat ein wichtiges Buch geschrieben. Es spielt in Frankreich, könnte aber zugleich überall spielen - leider. Denn die zugrundeliegende Thematik ist heutzutage so "normal" geworden, so alltäglich, dass es immer und überall vorkommen kann. Ein alleinerziehender Vater muss hilflos dabei zusehen, wie seine kleine Familie durch das radikale Abdriften seines Sohnes ins rechte Milieu langsam zerbricht. Ihm fehlen die Möglichkeiten, die Ideen, aber auch die Durchsetzungskraft, um für und mit ihm zu kämpfen. "Was es braucht in der Nacht" ist eine bewegende Geschichte, die nachdenklich stimmt. Unweigerlich fängt man an, zu überlegen, wie man selbst wohl in genau dieser Situation handeln würde, OB man denn handeln würde - oder eben genauso ins hilflose Nichtstun gleitet, wie es dem Familienvater in dieser Geschichte geht. Es gibt rückblickend immer viele Punkte, zu denen man sich denkt, da hätte man anders handeln können, hier hätte man etwas sagen, etwas verbieten sollen. Aber weiß man es wirklich so genau? Auch wenn "Was es braucht in der Nacht" kein Roman ist, zu dem ich normalerweise gegriffen hätte, so bin ich dennoch froh über die eindrückliche Gedanken- und Gefühlswelt, die man hier nahegebracht bekommt. Ein wichtiges Buch in der heutigen Zeit, aus dem jeder seine eigenen Schlüsse ziehen kann.

Bewertung vom 02.12.2021
Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr
Geda, Fabio;Akbari, Enaiatollah

Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr


sehr gut

Von diesem Buch hatte ich zugegebenermaßen noch nie etwas gehört, bevor es mich als Leseexemplar erreichte. Die Überraschung war daher groß, da ich von allein vermutlich nicht dazu gegriffen hätte, zugleich war aber auch meine Neugier geweckt, mich in dieses Thema zu vertiefen. "Im Winter Schnee, nachts Sterne" sticht wie sein Vorgänger "Im Meer schwimmen Krokodile" (das ich jedoch nicht kenne) aus der Menge der Bücher heraus, weil es denen einen Stimme gibt, über die man sonst immer nur in Erzählungen und Nachrichtenberichten erfährt und hört; jenen nämlich, die ihr Heimatland verlassen haben, weil das Leben dort unerträglich wurde, und die sich auf die Suche und den Weg nach einem neuen Zuhause gemacht haben. Autor Geda gibt einem Betroffenen selbst die Möglichkeit, über seine Reise zu berichten, die Schwierigkeiten und Probleme darzulegen, die Sehnsucht nach seiner Familie und Heimat, aber auch über die schönen und unerwarteten Momente und Zufälle zu berichten, die sich ergeben haben. Dies ist die Erzählung von Enaiat, der mit 10 Jahren allein aus Afghanistan in Richtung Italien floh und sich dort mittlerweile ein Leben hat aufbauen können. Davon ist hier die Rede, und als Leser hat man die Möglichkeit, ihn dabei zu begleiten und ganz ungeschönte und unverfälschte Eindrücke zu bekommen, weil sie nun mal aus erster Hand kommen. Wer Interesse hat, sich dem Thema des Afghanistan-Konflikts mal ganz abseits der üblichen Nachrichtenberichterstattung zu nähern, dem seien die Bücher des Duos Geda/ Akbari daher sehr ans Herz gelegt.