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Benutzername: 
Maria Tekülve, Autorin
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Bewertung vom 02.11.2023
Kapuzenjunge
Haar, Heinrich von der

Kapuzenjunge


ausgezeichnet

'Kapuzenjunge' ist ein schonungsloser Bericht über einen „Systemsprenger“ mit dem Kosenamen Jani. Trotz eines liebevollen Elternhauses und wohlwollenden Netzwerkes gleitet der - von früh an ebenso wärmebedürftige wie schwierige libanesische - Adoptivsohn als pubertierender Jugendlicher unaufhaltsam in ein kriminelles Drogenmilieu ab. Nicht zuletzt durch HvdHs gewählte stark dialoggeprägte, autofiktionale Erzählform (mit vielen bekannten Berliner Orten) erleben die Leser:innen die zunehmende Ohnmacht des lange ebenso geduldigen wie verzweifelten Adoptivvaters hautnah mit. Sehr viel früher als dieser geraten die Leser:innen an ihre eigenen Grenzen und sind fest gewillt, den immer hinterhältiger werdenden Drogensüchtigen fallen- und seinem tragischen Schicksal zu überlassen. HvdHs schonungslose Art, sich selbst und den Leser:innen gegenüber, entspricht fast einem Tabubruch, ist 'harte Kost' - und genau deshalb ist das Buch so lehrreich. Bei allem gelingt es dem Autor, den immer gewalttätig und fremd werdenden Sohn trotz massiver Konflikte ohne (Ab-)Wertung seiner Person darzustellen. Das Buch erinnert an die vor einigen Jahren erschienenen Werke von Kirsten Heisig (Das Ende der Geduld, 2010) und Güner Balci (Arrabboy, 2008), die vor der Darstellung der Wirklichkeit nicht zurückschreckten, ohne dabei zu verurteilen.
Nicht alle Menschen haben das große Glück, "glatt" bzw. ohne große soziale Verwerfungen durchs Leben zu kommen. Und sollten sich dessen bewusst sein.

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