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gwynplaine
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Bewertung vom 20.04.2009
Freiheit, die ich meine
Lindemann, Benedikt M.

Freiheit, die ich meine


schlecht

Heißt "hohes Amt" gleich "hohe Weisheit"? NEIN! Da genügt schon der Blick in die Politik. Wie sonst hätte es "der grausigste Schnauzbart der jüngeren Geschichte" zwölf Jahre an der Spitze geschafft? Um gleich allen "Erschreckten" vorzugreifen ... ich stellen hier natürlich keinen direkten Vergleich an.
Trotzdem sollte man sich bei der Wahl der Lektüre auf gar keinen Fall irre führen lassen von fragwürdigen Auszeichnungen wie "Abt der weltberühmten Dormitioabtei". Na und? Was heißt das? Und mit welchem Recht wird hier von "charismatisch" gesprochen?
Allein und nur der Inhalt des Büchleins hätte hier der klappentextlichen Vorschuß-Lobhudelei Bestätigung verschaffen können. Aber, ach, schon wieder handelt es sich hier um den in letzter Zeit sich inflationär massierenden Versuch, der Leserschaft die Gleichung "Mönch = Lebensweisheit" zu verkaufen. Enttäuscht stellt diese ein ums andere Mal fest, dass sie diese "Weisheiten" doch schon alle Tage auf ihrem Abreißkalender gelesen hat.
Nun hätte in diesem Fall durchaus noch das Interesse an der zwischen Konflikt und klösterlichem Leben oszilierenden Realität im "Heiligen Land" für spannende Lektüre sorgen können. Doch schon wieder Fehlanzeige. Denn Herr Schwikart, der eigentliche Verfasser Lindemann's "Einsichten", versteht es, diese an sich knisternde Begegnung zweier Welten knochentrocken zu formulieren. Jeder Bericht im Spiegel fasziniert da
mehr.
Weiterhin verspricht die Verlagswerbung Statements des Mönches zu Arbeit, Geld und Sexualität. Hallo? Müssen wir zu DIESEN Themen wirklich die Meinung eines zugegeben sehr unmönchisch wirkenden, aufgedrehten, und über alle Maßen ... ähem ... "herzlichen" Klosterbruders hören? Nun, wem's frommt.
Mir gehen diese Dauerversuche, uns die klösterliche Welt als Hort der
"schola caritatis" und daraus resultierender Lebensklugheit zu verkaufen, gehörig auf den Wecker. Wer wie ich genügend Einblicke in diese Brutstätten von Neid, Egoismus, Karrierismus, Charakterverkümmerung und ungesundem Verzicht auf Elementarbedürfnisse gewonnen hat, dem wird bald klar, dass er alle für's Leben wichtigen Einsichten genauso gut und besser am Arbeitsplatz, in der Familie oder beim Einkauf im Supermarkt finden wird. Dabei verwerfe ich ganz bewußt nicht die großen Verdienste der allbekannten Gründer und Neuerer des spirituellen Lebens. Es sind aber deren Primärwerke, welche man mit Gewinn lesen sollte ... und, nein wirklich, nicht die marktschreierisch angepriesene "Klugheit weltberühmter Äbte".
Eine kleine (wahre) Anekdote zur Veranschauung? In regelmäßigen Abständen ruft mich ein "Schweigemönch" aus dem Kloster an. Und redet, redet ... redet. Selten, und dann "en passant", fragt er mal, wie's denn mir ginge. Als ich letzthin auf dieses kommunikative Ungleichgewicht abhob, spricht er ganz erstaunt: "Ja, das wußte ich nicht, dass Dich das stört. Weil wir eben mehr wissen, bin ich es gewohnt das Wort zu führen". Und genau das stimmt nicht! Die hinter den Mauern wissen genauso viel oder wenig wie wir.

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