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Seitenoper
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NRW
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25 Jahre, Student - MA Gender&Queer-Studies - Bookblogger

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2020
Die Vegetarierin
Kang, Han

Die Vegetarierin


ausgezeichnet

Seitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Die Vegetarierin ist keine leichte Kost. Wer bereit ist für eine intensive und gewaltsame Leseerfahrung ist hier an der richtigen Adresse. Das Buch entwickelt einen Sog, von dem ich mich beim Lesen nicht frei machen konnte – munter weiter, bis nach ganz unten sozusagen. Ich bin begeistert und erschüttert. Für mich eines der besten Bücher überhaupt.
Wie ich es auch drehe und wende, es gefällt und gelingt mir nicht, über dieses Buch zu schreiben. Mein Versuch, mich von der Form zum Inhalt voran zu bewegen, geht nicht auf! Beides ist nicht voneinander zu trennen. So erzeuge ich nur einen künstlichen Schnitt, wo keiner ist. Fakt ist: Das Buch ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder seine ganz eigene Dynamik entwickelt. In allen drei Akten betrachtet Han Kang eine andere Beziehungskonstellation und beschreibt sie mit eindringlichen, aber lakonischen Worten. Wie eine Beobachterin steht sie neben den Charakteren, schaut ihnen zu, und dokumentiert alles. Dabei kommt es immer wieder zu extrem verdichteten Momenten in denen ihre lakonische Sprache nicht mehr ihren Inhalt deckeln kann. In diesen Momenten bricht der Inhalt des Buchs mit einer derartigen Gewalt aus den Sätzen hervor, schlägt mir ins Gesicht, dass ich nicht mehr los komme. In einem Sog, immer weiter und weiter, werde ich mitgerissen von Han Kangs Bericht. Bis, plötzlich, die Worte sich wieder ermächtigen und es schaffen, ihren gewaltvollen Inhalt im Zaum zuhalten. So geht es das ganze Buch über. Wie Ebbe und Flut, Blitz und Donner: Es beginnt, es kracht, es wendet sich ab, nur um zurückzukehren…
Niemals aufgeregt, sondern in einer poetischen, eiskalten Präzision gießt Han Kang die Geschichte Yeong-Hyes in Worte. Eindringlich entwickelt sie Yeong-Hyes Psychogramm und zeichnet das Bild einer zerütteten Frau, ohne dabei diagnostisch oder urteilend zu werden.
Erschöpft lese ich mit flatternden Augen Seite für Seite. Ein Netz zwischen Kinds- und Tieresmissbrauch, emotionaler Vernachlässigung, Hilflosigkeit und Hoffnung spinnt sich zwischen den Seiten, das mich gefangen nimmt und nicht mehr loslässt.
Immer wieder lege ich das Buch zur Seite. Tief Luft holend versuche ich zu verstehen, was ich dort gelesen habe. Es gelingt mir nicht, stattdessen lese ich weiter. Bis ich plötzlich am Ende angelangt bin.. Und so sprachlos wie ich das Buch beendet habe, beende ich auch den Versuch dieser Rezension… Ich habe keine Lust, darzustellen, wie das Buch zeigt, dass Machtregime durch veränderte Mikropolitiken deutlich hervortreten und Widerständigkeit in haarfeinen Veränderungen von Rezitationsschleifen derart wirkmächtig ist. Was über bleibt, ist das Wissen, dass es doch immer weiter geht, dass es doch immer weiter gehen muss; Zugleich unentwegt auf der Stelle steht, nach Hinten schaut und nicht loslassen kann, was hinter einem liegt…

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.09.2020
TIDAL GRAVE - Ihr hättet es nicht wecken dürfen! (eBook, ePUB)
Goodhue, H. E.

TIDAL GRAVE - Ihr hättet es nicht wecken dürfen! (eBook, ePUB)


gut

Wer flieht wohin?
H. E. Goodhue erschafft mit der kleinen Insel Sunset Island, der neuen Bohrinsel und dem unsympathischen Ray Weller die perfekten Voraussetzungen für eine ordentliche Ladung monströsen Schrecken. Dazu gesellen sich neben einer Menge schnell-sterblicher Nebenfiguren (man könnte sie Kanonenfutter nennen) auch einige Charaktere, die mehr als nur eine Todeszone zugeschrieben bekommen. Als einzige Frau im Roman tritt Big Mo auf, die burschikose Wirtin des verruchten Dry Docks. Ebenfalls findet Ray in Dubois, dem einzigen Überlebenden des Frachtschiffes, das vom Monster zerstört wurde, einen Verbündeten. Im letzten Drittel des Buchs taucht noch eine vierköpfige Gruppe von Kindern auf, die ihren Mut beweisen. Der Bürgermeister der Insel fungiert als menschlicher Antagonist, der seine Machtspiele etwas zu weit treibt und die Haie und das echsen-ähnliche Monster aus der Tiefsee tauchen als marine Widersacher auf (Wortwitz intendiert). Damit versammelt Goodhue einen nicht unbedingt diversen Trupp, der vor allem den Plot voranbringen soll. Zwar bekommen Ray und Big Mo einige Zeilen Hintergrundgeschichte (Verfloßene Ehe und Meisterschützin seit der Schulzeit), doch wirklich authentisch werden die Charaktere nicht und verbleiben eher schematisch: Der saufende, angepisste Kapitän; die burschikose, unweibliche Kneipenwirtin; die unschuldigen und vom Schreck gestählten Kinder. Selbst die Haie und das Monster sind wenig mehr als Menschenfresser.

Im Laufe der Geschichte bereise ich verschiedene Schauplätze. Nicht nur die Bohrinsel wird besucht, sondern auch die High School, die Kirche und natürlich das Dry Dock. In der Regel ist der Besuch der Orte verknüpft mit einem Schlachtfest und der Beschreibung vieler, zerfetzen Körper und einer Menge Blut. All das geschieht während eines Unwetters, weswegen sich die Lokalitäten letztlich kaum voneinander unterscheiden und ebenfalls dazu dienen, den Plot voranzutragen und die Bedrohung zu verschärfen.

Effizientes Storytelling
Wie oben bereits angedeutet: Goodhue schwafelt nicht um den heißen Brei herum! Kurze Kapitel treffen auf kurze, knackige Beschreibungen. Das Erzähltempo ist rasant und ehe ich mich versehe, sitze ich in der Springflut und muss um mein Leben bangen. Für einen Horror-Schocker nur passend, wenn auch auf Kosten von schaurig-ekeligen Bilder in meinem Kopf. Dazu kam, dass ich die eigentliche Hauptfigur des Romans, also das Monster aus der Tiefsee, irgendwie nicht recht greifen konnte. Größe, Form und Aussehen verbleiben für mich irgendwie etwas vage. Godzilla-riesig oder doch nur Alligator-winzig? Gleiches gilt für die Wetterlage. War es nun stockfinster und stürmisch-regnerisch? Oder konnte ich doch noch Sehen? Und wie hoch stand das Wasser jetzt nochmal? Das gute ist allerdings, diese Fragen bleiben fast unbemerkt unbeantwortet, einfach weil ich so schneller durch die Story getragen werde. Zum Schluss verbleiben ganz im Sinne eines Schreckens ohne Ende die wichtigsten Fragen offen. Woher und wohin geht das Monster? Gibt es noch mehr von ihnen?

Seitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Gut, zugegeben, was ich bisher geschrieben habe, klingt alles nicht wie das Gelbe vom Ei. Und – Butter bei die Fische – das trifft auch zu. Mit Tidal Grave liefert Goodhue nicht den nächsten Lovecraft-Schocker, welchen Du kennen musst. ABER wenn ich das Buch genau für das nehme, dann erfüllt es, was ich von ihm wollte.: Ein knackig-kurzer Schocker und Horrortrip, der mit einer ordentlichen Menge abyssalen Monsterterror gewürzt ist, wenngleich auf Kosten einer tiefgreifenden Leseerfahrung.

Und wenn Du vielleicht gerade genau sowas suchst, dann würde ich sagen, macht Tidal Grave – Ihr hätten es nicht wecken dürfen alles richtig. Viel Spaß auf deiner Reise nach Sunset Island.

Bewertung vom 18.09.2020
Im Fluss der Zeit Bd.2
Syaku

Im Fluss der Zeit Bd.2


sehr gut

Zwischen Dir und Mir
Der abweisende, emotionslose Shiro trifft auf den naiven, fleissigen Kiku. Ein Duo gleichaltriger Jugendlicher, dass sich zusammenfinden und einen gemeinsamen Alltag finden muss. Kikus Albträume sind dabei Grund genug, dass beide in einem Bett schlafen, damit er zur Ruhe kommt. Insgesamt führen beide eine Beziehung auf Augenhöhe, wenngleich Shiro oft als Lehrer für Kiku auftritt. Als weitere, wichtige Person tritt noch Shiros Onkel auf, der dazu dient, Hintergründe von Shiros familiären Verhältnissen nicht nur Kiku sondern auch mir, dem Leser, zu erklären. Denn Kikus erscheinen fällt merkwürdigerweise mit dem Tod Shiros Großvaters zusammen, in dessen Haus er lebt. dazu kommen noch ein, zwei Nebencharaktere, die ich ,ehrlich gesagt, komplett vergessen habe. Trotzdem kreiert Syaku hier ein Trio an Figuren, die eine angenehme Dynamik erzeugen und sich gegenseitig verschiedenste Emotionen entlocken.
Wo wir gerade von Emotionen sprechen. Insgesamt siedelt sich die Story im soft-melancholischem Spektrum an, dass gelegentlich von humoristischen oder auch erotischen Momenten durchbrochen wird. Das passt allerdings ganz hervorragend zur Story, denn Kikus Vergangenheit und auch Shiros Gegenwart sind geprägt von Gefühlen der Trauer, Hoffnung und Sehnsucht.

Klare Zeichnungen, klare Emotionen
Grafisch ist der Manga sehr clean und minimalistisch. Mit klaren Strichen und Panels führt uns Syaku durch die Handlung. Hierbei werden zumeist halbnahe und nahe Ansichten der Protagonisten vor biweilen leeren oder nur karg ausgefüllten Hintergründen inszeniert. In meinen Augen entspricht diese Inszenierung dem melancholischem Grundton der Reihe und lässt ganz wunderbar feine Nuancen in der Beziehung zwischen den Figuren wahrnehmbar werden. Jedoch finde ich die Zeichnungn allenfalls gut. Besonders deta Toykopop einen guten Job geleistet. So gibt es in der Standardedition wenige Farbseiten, wobei Tokyopop auch eine Ausgabe verlegt hat, der jeweils ein kleines Booklet mit weiteren Zeichnungen beiliegt. Ich brauche sowas nicht unbedingt, deswegen tut es für mich die Standardedition, ist aber sicherlich für einige interessant.

Kurze Reihe, gute Reihe?
Die Reihe ist mit zwei Bänden abgeschlossen. Und genau diese Kürze ist es, die das Ende und den ganzen zweiten Band etwas holprig werden lassen. Wo im ersten Band das Erzähltempo noch sehr langsam und sensible ist, sowie viel Wert auf zwischenmenschliche Entwicklung legt, wird im zweiten Band gerade ab der zweiten Hälfte derart das Tempo angezogen, dass ich teilweise nicht nur abgehängt, sondern auch genervt war. So spannend und untypisch ist die Auflösung Kikus‘ Geheimnisses finde, so wirr war es für mich. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass beide Bände etwas gleichmäßiges getaktet wären, damit mehr Zeit ist das plöztliche Ende etwas mehr auszuarbeiten. Immerhin, dieser Schnitt passt ganz gut zu Kikus überraschenden Finden seiner Erinnerungen und wird so auch in die Form des Storytellings übersetzt. Leider bleibt seine Perspektive die wichtige von beiden. Shiros Ansichten gehen etwas unter, auch das fand ich sehr schade..

Seiteopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Im Fluss der Zeit ist eine kurze Boyslove-Reihe, die mit einer untypischen Geschichte besticht. Hier wird nicht Schema F gefahren, sondern wirklich Wert auf ruhige Töne gelegt, die leise eine Geschichte erzählen, die komplexer ist, als sie scheint. Das Ende war für mich zwar nicht wirklich befriedigend, doch gleichzeitig kann ich nicht sagen, was ich mir jetzt eigentlich gewünscht hätte? Deswegen sage ich, wer neugierig ist, sollte sich die zwei Bände unbedingt mal anschauen.

Bewertung vom 18.09.2020
Wie das Salz der See
UNOHANA

Wie das Salz der See


sehr gut

Der letzter Sommer voller Anfänge
Seit fünf Jahren arbeitet Ryuta jeden Sommer in der Kneipe von Naoki. Und genauso lange ist er auch heimlich in ihn verliebt. Doch Naoki hat nur Augen für seine Hana. So beschließt Ryuta, dass dies sein letzter Sommer in Ruytas Kneipe sein wird. Weit gefehlt – alles kommt anders. Hana hat Naoki verlassen und Ryuta steht nun vor der Frage der Fragen: seine Gefühle gestehen, oder versuchen abzuschließen? Aus einem Affekt heraus gesteht er seine Zuneigung und stößt damit erstmal auf erstaunlich wenig Reaktion. Erst nach und nach entwickelt sich zwischen Ryuta und Naoki eine Beziehung, die mehr als nur Sex umfasst. Naoki braucht lange, um sich seiner Gefühl gewiss zu werden und wieder zu jemanden zu öffnen, nachdem Hana ihn so verletzte. Doch steter Tropfen höhlt den Stein und eine gemeinsame Zukunft zeichnet sich ab.

Ein ambivalentes Duo
Ryuta ist groß gewachsen, gut aussehend und außerdem Wirtschafts-Student. Der Zwanzigjährige jobbte ursprünglich, um Geld für ein neues Surfboard zu verdienen. Dass er sich dabei in den zehn Jahre älteren Naoki verlieben würde, war nicht geplant. Der Kneipenwirt ist ein brünetter, entspannter Mann, dem die plötzliche Trennung von Hana nicht kalt gelassen hat. Doch statt sich seiner Gefühle zu stellen, hält er umso mehr an der ehemals gemeinsamen Katze Chikuwa fest. Doch mit dem unerwarteten Liebesgeständnis und einer Menge Durchhaltevermögen schafft Ryuta Naokis Vertrauen zu gewinnen und sich in sein Herz einzuschleichen. Was zunächst als einseitige Unternehmung mit gemeinsamen Sex begann, wird schließlich doch zu einer Beziehung. Besonders ist, dass Unohana die Rollen des Seme und Uke etwas anders bespielt. So ist es Ryuta, der als hühnenhafter Seme den älteren Naoki penetriert. Ein interessanter Twist und der Bruch mit klassischen Typenverteilungen tut dem Manga gut. Generell bleiben die beiden Männer eher Schemenhaft, doch möchte der Oneshot vor allem das Miteinander, und nicht das, was war, beleuchten. Dennoch sind alle Handlungen der Figuren nachvollziehbar und begründet.

Klare Struktur, klarer Fokus
Grafisch ist der Manga oberer Durchschnitt. Die Figuren sind allesamt deutlich zu unterscheiden und mit eignen Merkmalen versehen. Auch die Panels sind gut strukturiert und Dialoge und Interaktionen lassen sich gut nachvollziehen. Auch in den Sexszenen lässt sich noch gut erkennen, wessen Körperteil zu wem gehört (das kenne ich auch anders von anderen BL-Titeln..) Auffällig allerdings sind die wenigen Hintergründe und dafür die bevorzugte Darstellung von Halbtotalen und Halbnahen. Schnell wird klar, hier geht es um die Kerle nicht um die titelgebende See, auch wenn Surfen als Motiv auftritt. Kontraste werden sinnvoll eingesetzt und unterstreichen Spannungen und Dynamiken in den Panels. Unohana leistet hier solides Artwork mit einer guten, pointierten Narration. Eine Brise Sommer weht aus den Seiten und lässt mich eine zarte Sommer-Melancholie spüren. Sehnsucht ist eines der zentralen Motive des Mangas und wird gut transportiert.

Seitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Kazé hat mit Wie das Salz der See eine Lizenz im Programm, die mit ihrer ruhigen, emotionalen Story überzeugen kann. Klare Bildsprache trifft auf eine solide erzählte Geschichte. Dazu gesellt sich ein Hauch von Sommerromanze und das Glück einer gemeinsamen Zukunft. Insgesamt ist der Manga definitiv einer der besseren Titel und alles andere als ein porn without plot, auch wenn die paar Sexszenen zu gefallen wissen.