Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
BeautifulLetters
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 24.06.2016
Die Frauen vom Meer
Selek, Deniz

Die Frauen vom Meer


ausgezeichnet

„Als Ilayda Stunden später das Marmarameer tiefblau unter sich leuchten sah, verstand sie endlich, dass sie selbst die Brücke war, der Steg, das Seil, die Verbindung zwischen den entgegengesetzten Polen. Eine Brücke brauchte keine Entscheidung zu treffen, auf welcher Seite sie stand. Sie stand selbstverständlich auf beiden, weil das ihre Natur war.“ („Die Frauen vom Meer“, Seite 339)

Es ist Frühling in Istanbul, als Ferah auf einer Parkbank ihren Vater wieder trifft, der die Familie vor langer Zeit verließ.
Gemeinsam mit ihm begibt sich Ferah auf eine Reise in die Vergangenheit: Zu Ferahs Mutter, einer stolzen Tatarin, die dem Vater einst in die Türkei folgte, zu der Deutschen Elisabeth, die Ferahs Sohn heiratete und lernen musste, was Leben in einer fremden Kultur bedeutet, und schließlich zu Ferahs erwachsener Enkelin, die zwischen zwei Kulturen aufwächst.
Alle drei Frauen haben glückliche Jahre an großen Meeren verbracht, bis sie in ein neues Leben versetzt wurden, in dem sie sich bewähren mussten.

Nachdem ich bereits mehrere Jugendbücher von Deniz Selek verschlungen habe, bin ich nun in den Genuss ihres ersten Romans für Erwachsene gekommen. „Die Frauen vom Meer“ beruht auf wahren Begebenheiten - es beschäftigt sich mit der Geschichte ihrer Ahnen. Dass dieser Roman ein wahres Herzensbuch der Autorin ist, merkt man auf jeder einzelnen Seite!

Der Roman besticht durch eine ganz eigene, etwas melancholische Atmosphäre. Deniz Selek nimmt den Leser mit ihren schön gewählten Worten auf eine wahrlich besondere Reise voller Eindrücke und Gefühle mit. Die Geschichte strotzt regelrecht vor wunderschönen poetischen Bildern und vermittelte mir einen besonnenen, einfühlsamen und versöhnlichen Blick auf das Leben.

„Wie im Leben, dachte Elisabeth, wie mein Leben. Ein Gang am Meer. Erst leicht und sorglos, dann immer beschwerlicher, kräftezehrender, und trotzdem voll kleiner und großer Schätze, die unverhofft aufblitzten.“ (Seite 371)

Die Autorin erschafft ein Kopfkino für den Leser, macht die Geschichte regelrecht erlebbar. Sie nimmt einen durch ihre Worte unmittelbar mit an die Handlungsorte ihrer Geschichte - lässt einen förmlich das Meeresrauschen vernehmen, den Geruch frischer Simits erschnuppern.

Ich liebe auch die Charaktere des Romans, die alle so unglaublich besonders und menschlich sind. Ihre Stärke, ihre Wut, ihre Verletzlichkeit, ihre Verzweiflung, all ihre Empfindungen kommen super zur Geltung und zerreißen einem manchmal fast das Herz. Es gelingt Deniz Selek, dass man für jeden einzelnen Charakter irgendwie Verständnis aufbringt. Sie zeichnet die Geschichte ohne jemals für eine Person oder Seite Partei zu ergreifen und überlässt es somit dem Leser sich seine ganz eigene Meinung zu bilden.

Und was für ein Ende - emotional, versöhnlich und hoffnungsvoll zugleich! Ich habe die letzten Seiten von „Die Frauen am Meer“ absolut geliebt. Es war beeindruckend wie gekonnt die Schicksale der drei (beziehungsweise vier) Frauen miteinander verwoben wurden.

Meine Erwartungen an den Roman wurden mehr als erfüllt: Es handelt sich um eine bewegende Familiengeschichte, wunderschön erzählt und mit starken Frauenfiguren, die sich erstklassig mit anderen Kulturen und der Frage nach der eigenen Identität auseinandersetzt. Es gefällt mir, dass immer mal wieder türkische Wörter in den Text eingeflochten sind, ein Personenverzeichnis beigefügt ist, das hilft die Übersicht über die vielen Charaktere zu behalten und Karten die Stationen der gewissermaßen generationenübergreifenden Reise abbilden.

Ich möchte diese wunderschöne Geschichte jedem ans Herz legen, der nur ein wenig Lust verspürt sie zu entdecken. Die Frauen vom Meer werden mich mit Sicherheit noch lange begleiten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.05.2015
Aprikosensommer
Selek, Deniz

Aprikosensommer


ausgezeichnet

In ihrem berührenden Jugendbuch "Aprikosensommer" erzählt Deniz Selek die Geschichte von Evelyn Morgenstern (kurz Eve). Die 15-Jährige hat ihren Vater nie kennenlernen können und ihre Mutter weigerte sich stets standhaft über ihn zu sprechen. Als Folge des ersten Liebeskummers erwacht Eves Wut auf ihre Mutter erneut und sie schafft es endlich sich gegen sie durchzusetzen. Gemeinsam reisen sie nach Istanbul und begeben sich auf die Suche nach Eves Vater. Dabei entdeckt Eve nicht nur eine Stadt voller Magie und einen bis dahin unbekannten Teil ihrer Identität, sondern sogar eine neue Liebe..

Seit "Zimtküsse" bin ich ein großer Fan der Autorin und war dementsprechend sehr gespannt auf ihr neues Werk, und ich muss sagen, ich wurde keinesfalls enttäuscht. Das Buch hält alles was das außerordentlich gelungene Cover verspricht!

Man hat im zweiten Teil des Buches das Gefühl gehabt mitten drin im turbulenten Istanbul zu sein und alles am eigenen Leibe zu erleben. Ich liebte die erschaffene Atmosphäre und die gut gewählten Beschreibungen der Stadt, des Essens und der Leute, die die ganze Geschichte so fühlbar machen. "Aprikosensommer" macht richtig Lust auf eine Reise nach Istanbul!

Auch den ersten Teil, der noch in Deutschland spielt, habe ich wirklich gerne gelesen. Die Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln wurde von Deniz Selek absolut glaubwürdig dargestellt, und die Geschichte ist in einem lockeren und flüssigen Schreibstil verfasst, der sehr gut zu der jugendlichen Protagonistin passt. Er sorgte dafür, dass ich mir alle Personen und Situationen wunderbar bildlich vorstellen konnte und trug außerdem dafür Sorge, dass jegliche Emotionen direkt beim Leser ankamen.

Zudem sind mir all die Charaktere recht zügig ans Herz gewachsen. Insbesondere die Mutter - Tochter Beziehung fand ich ziemlich faszinierend.

Generell gefiel es mir gut - ohne zu viel verraten zu wollen - wie sich eine zarte Beziehung zwischen Eve und Sinan entwickelte, sowie, dass dieser Aspekt keinen so großen Raum einnahm und die Suche nach der eigenen Familie und Identität im Vordergrund stand.

Fazit: Alles in allem eine wunderschöne Geschichte für Jugendliche (und junggebliebene Erwachsene), die vor allem durch tolle Charaktere und eine großartige Atmosphäre zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 27.10.2013
Das Haupt der Welt / Otto der Große Bd.1
Gablé, Rebecca

Das Haupt der Welt / Otto der Große Bd.1


ausgezeichnet

Deutsche Geschichte mal lebendig - ein historisches Juwel

Brandenburg 929:

Bei einem Überfall Heinrich des ersten, werden Slawenprinz Tugomir und Schwester Dragomira nach Sachsen verschleppt. Dort, in Magdeburg, sind sie Sklaven, ihrer fürstlichen Abstammung zum Trotz, denn zwischen beiden Völkern herrscht Krieg. Während Dragomira sich mit Prinz Otto einlässt und kurze Zeit darauf, ein Kind unter dem Herzen trägt, hat Tugomir weitaus mehr zu kämpfen. Zwar macht er sich durch seine Heilkunde einen Namen und rettet das Leben des Königssohnes, doch er ist stets zugleich Freund und Feind.
Das Leben fernab der Heimat macht ihm mächtig zu schaffen, und nicht nur die Frage der Religion ist äußerst heikel. Der Feldzug gegen die slawischen Völker geht weiter und Tugomir muss dies großteils machtlos mit ansehen. Er hilft wo er kann, doch ein Graf macht ihm das Leben zur Hölle. All das gestaltet sich durch die Tatsache, dass Tugomir dessen Tochter liebt, natürlich nicht unbedingt einfacher..

Für Deutschlands König Heinrich, gesegnet mit einem hohen Alter, ist es an der Zeit einen Thronerben zu bestimmen. Die Wahl fällt auf seinen Sohn Otto, der sich für diese Entscheidung zuerst nicht wirklich begeistern kann. Henning, sein jüngerer Bruder giert nach Macht und im Laufe der Zeit, kommt es zum Kampf um die Krone.


All meine Erwartungen wurden vollends erfüllt, auch wenn ich zu Beginn noch ein klein wenig Skepsis empfand. Zwar nahm mich die Geschichte sofort in gewohnter Manier gefangen, doch anfangs fehlte mir noch ein Protagonist, mit dem ich vollends fiebern und leiden konnte. Nicht nur inhaltlich unterscheidet sich Gablés neuestes Werk von früheren Romanen, auch die Charaktere sind in vielerlei Hinsicht sehr verschieden. Doch damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, dass sie mir nicht gefielen.
Sicher, alle haben ihre Ecken und Kanten, doch gerade das ist auch wichtig, damit alles authentisch erscheint. Meiner Ansicht nach hatte Frau Gablé schon immer ein gewisses Talent, was die Gestaltung von Charakteren angeht, und dieses hat sie in ihrem neuesten Roman erneut unter Beweis gestellt. Besonders die Protagonisten sind sehr vielseitig und glaubwürdig.

Ein weiterer Pluspunkt, ist der fantastische Stil. Von der ersten Sekunde an, konnte mich der Roman fesseln und ich merkte kaum, wie die Seiten nur so an meinem Auge vorbeizogen.

Auch wenn die Grundstimmung des Buches recht düster ist, bereits am Anfang konnte ich nicht umhin dies zu bemerken, driftet sie nie völlig in eine beklemmende Atmosphäre ab. Natürlich wird der damalige Alltag schonungslos beschrieben, mit samt bitterer Armut und Gewalt, doch die Geschichte ist ausgesprochen vielschichtig, und berichtet auch über das Leben des Adels.
Viele Dialoge waren zudem mit einer Prise Humor gewürzt und haben mich von Zeit zu Zeit schmunzeln lassen.

Wieder einmal, war ich absolut erstaunt, wie gut es Frau Gablé gelungen ist, die doch recht trockenen Fakten deutscher Geschichte in einen spannenden und faszinierenden Roman zu verweben. Sie beweist eine Liebe zum Detail, die einem die mittelalterliche Zeit ausgesprochen gut vor Augen führt. Die Farbenpracht vieler Schilderungen, und all die authentischen Beschreibungen, konnten mir, denke ich, vieles aus dieser turbulenten Epoche vermitteln. Gefallen hat mir ebenfalls das Nachwort, in dem richtig gestellt wurde, welche Fakten und Persönlichkeiten tatsächlich geschichtlich belegt sind, oder nur ein Auswuchs ihrer Fantasie.
Dabei gelang es Frau Gablé den ganzen Roman hindurch, wirklich gut, diese beiden Kategorien zu verwischen, ohne sich in jedwede Widersprüche zu verstricken. Wie immer war alles ausserordentlich gut recherchiert, was ja auch den Reiz ihrer Werke ausmacht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Autorin es wieder einmal geschafft hat, einen Roman zu schaffen, der nicht nur sehr geschichtsgetreu ist, sondern auch mit einer Menge Spannung, einem klasse Stil, und tollen Charakteren besticht.

14 von 18 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.