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Quincyliest

Bewertungen

Insgesamt 100 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2024
Über allen Bergen
Goby , Valentine

Über allen Bergen


ausgezeichnet

Valentine Goby hat einen beeindruckenden Roman geschrieben, der malerisch und ganz leise die Schönheit der Natur beschreibt und doch am Rande Gedanken zu einem dunklen Kapitel unserer Geschichte andeutet.
Protagonist der Handlung ist Vadim, ein zwölfjähriger Junge mit jüdischen Wurzeln aus Paris. Aufgrund der Judenverfolgung durch die Deutschen flieht er aus der Stadt in ein kleines Berdorf - fernab der Zivilisation. Dort lebt er in einer Bauernfamilie, geborgen und behütet. Er lernt Menschen kennen, die ihn akzeptieren und mögen. Vadim, der sich fortan Vincent nennt, ist von der Natur und Bergwelt überwältigt. Er lernt die langen Winter kennen und ein Leben im Einklang mit der Natur. Doch die Idylle trügt, auch hier ist er auf Dauer nicht sicher.
Valentine Goby erzählt die Geschichte in leisen Tönen auf eine besondere Art, bildhaft und atmosphärisch. Eine poetische Sprache und mitunter auch philosophische Gedanken lassen diesen Roman zu einem kleinen Juwel werden.

Bewertung vom 23.09.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


ausgezeichnet

Die finnische Autorin Iida Turpeinen hat ein spannendes Buch, das die Beziehung des Menschen zu den Tieren anhand der Stellerschen Seekuh beleuchtet, geschrieben. Sie verbindet Wissenschaft bzw. Wissenschaftsgeschichte mit Literatur zu einem außergewöhnlichem Roman, deren Inhalt zeitlich drei Jahrhunderte umspannt und das traurige Schicksal der Stellerschen Seekuh aufzeigt.
1741: Georg Wilhelm Steller entdeckt während der Großen Nordischen Expedition die nach ihm benannte Seekuh. Diese wird entdeckt, erforscht, gejagt und schließdlich ausgerottet. Im folgenden Jahrhundert begeben Forscher sich auf die Suche nach ihrem Skelett. Der dritte und letzte Teil führt uns nach Finnland, es geht um die Restaurierung des Skeletts.
Turpeinen lässt Geschichte lebendig werden und fängt den jeweiligen Zeitgeist hervorragend ein. Sie zeigt die Lebenswege der beteiligten Forscher und Wissenschaftler auf, die gleichzeitig vom Wissensdrang Getriebene und Zerstörende sind. Das Buch stimmt nachdenklich und wirft kein gutes Licht auf die menschliche Spezies.
Absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 16.09.2024
Die Kunst des InnSæi
Gunnsteinsdóttir, Hrund

Die Kunst des InnSæi


sehr gut

Die Isländerin Hrund Gunnsteinsdottir hat ein informatives und inspirierendes Sachbuch geschrieben, das sich mit der Thematik der inneren Balance und Ausgeglichenheit beschäftigt.
Täglich richten wir unsere Aufmerksamkeit auf viele Dinge, wie kann es gelingen, unseren inneren Kompass zu stärken? Genau darauf versucht die Autorin, Antworten zu finden. Sie gibt Anleitungen wie etwa Achtsamkeits- oder Atemübungen und rät dazu, Tagebuch zu führen.
InnSaei ist in uns allen vorhanden und lässt sich durch Übung und Selbstreflexion stärken. In das Buch fließen persönliche Lebenserfahrungen und Erlebnisse der Autorin mit ein. Veränderungen und auch schmerzliche Phasen können uns stärker werden lassen.
Der Ratgeber ist gut verständlich und locker geschrieben. Vermisst habe ich den angepriesenen isländischen Weg zu mehr Intuition und Balance. Es sind bereits bekannte Methoden, die hier beschrieben wurden. Für Einsteiger empfehlenswert.

Bewertung vom 10.09.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


sehr gut

Elif Shafak gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart, ihre Bücher haben zahlreiche Preise gewonnen. Ihr neuester Roman "Am Himmel die Flüsse" ist ein beeindruckendes Werk, in dem historische Fakten mit Legenden und Fiktivem miteinander verwoben werden. Sie erzählt die Geschichten dreier Figuren. Arthur, der "König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere" stammt aus ärmlichsten Verhältnissen, besitzt jedoch besondere Talente. Bei der Arbeit an den Tontafeln in einem Museum entdeckt er Fragmente des Gilgamesch-Epos. Er kann die assyrische Keilschrift entziffern. Er reist zu den Ausgrabungen.
Narin ist ein jesidisches Mädchen, die bei ihrer Großmutter aufwächst. Sie muss ihre Heimat wegen eines Dammbauprojektes der türkischen Regierung verlassen. Ihr Schicksal nimmt einem den Atem.
Die dritte Protagonistin Zaleekhah ist Hydrologin, sie lebt in einem Hausboot auf der Themse und ist den Rätseln des Wassers auf der Spur. Alle drei Geschichten sind miteinander verwoben und das Element Wasser spielt eine besondere Rolle. Gekonnt werden verschiedene Zeitebenen und Orte miteinander verwoben. Die Figuren wirken authentisch. Der Roman wurde sehr gut recherchiert. Er enthält viele Informationen und spricht sehr viele Themen an. Es ist "Kritik" auf hohem Niveau, mir war es ein bisschen zu viel.

Bewertung vom 29.08.2024
Vaterländer
Tambrea, Sabin

Vaterländer


ausgezeichnet

Der Schauspieler und Autor Sabin Tambrea erzählt in seinem neuen Roman die bewegende Geschichte seiner Familie über drei Generationen.
Im ersten Teil schildert er die Zeit seiner Kindheit und Jugend, er erzählt vom Ankommen in einem fremden Land. Sein Vater kehrt 1985 von einer Konzertreise nicht mehr nach Rumänien zurück, sondern bleibt in Deutschland, zwei Jahre später kommen die Schwester Alina, Sabin und die Mutter nach. Der Neubeginn ist nicht einfach. Die Familie versucht, in der neuen Heimat Fuß zu fassen.
Im zweiten Teil stehen die Aufzeichnungen des Großvaters im Mittelpunkt. Es stockt einem der Atem, dramatisch ist die Zeit der Inhaftierung.
Im dritten Teil wird die Geschichte der Eltern erzählt, Bela, dem Vater, gelingt die Flucht nach Deutschland. Der Kreis schließt sich.
S. Tambrea hat einen unterhaltsamen und auch informativen Roman geschrieben. Es ist ein besonderes Buch, berührend und melancholisch, voller Tiefgang und Emotionalität. Er schreibt in einer wunderbaren Sprache, respektvoll, lebendig und präzise. Klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.08.2024
Unsere Jahre auf Fellowship Point
Dark, Alice Elliott

Unsere Jahre auf Fellowship Point


ausgezeichnet

Das stimmungsvolle Cover ist ein Hingucker und passt hervorragend zum Inhalt des Buches.
Alice Elliott Dark hat einen bewegenden Roman über die Freundschaft zweier Frauen geschrieben. Eindrucksvoll schildert sie die Lebensgeschichten von Agnes Lee und Polly Wister. Beide sind mittlerweile über 80 Jahre alt und ihr Leben lang freundschaftlich miteinander verbunden, sie haben die Sommermonate in den Häusern ihrer Familien auf Fellowship Point an der Küste Maines miteinander verbracht. Polly ihr Lebensmittelpunkt ist ihre Familie, Agnes dagegen hat immer allein gelebt und ihre Karriere als Kinderbuchautorin verfolgt. Trotz der Gegensätze respektieren sich beide Frauen voll und ganz, ihre Freundschaft übersteht Tiefen und Schwierigkeiten.
Die Charaktere werden absolut glaubhaft dargestellt. Die Handlung wird eindrucksvoll und atmosphärisch erzählt. Der bildhaft beschriebene Handlungsort verleiht der Geschichte etwas Besonderes. Absolute Empfehlung für alle Leser*innen von Elena Ferrante und Meg Wolitzer.

Bewertung vom 12.08.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


sehr gut

Behzad Karim Khani erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte einer Flucht einer Familie aus dem Iran in den 90er Jahren und über das Ankommen in Deutschland. In einer bildhaften und ausdrucksstarken Sprache beschreibt er die Suche nach Heimat und Identität. Der Junge, keine 10 Jahre alt, ist hin und hergerissen zwischen seinen Wurzeln und dem neuen Leben in Deutschland. Die Eltern sind Akademiker, die Mutter Soziologin, der Vater Schriftsteller. Ihre Abschlüsse werden in Deutschland nicht anerkannt. Der Vater arbeitet nun als Taxifahrer. Die Eltern versuchen, neu Fuß zu fassen, die deutsche Mentalität zu verstehen.
Die Realität ist oft hart und brutal. Das soziale Umfeld ist geprägt von Armut und Kriminalität. Die Wut des Sohnes wächst. Er ist ein Außenseiter, erlebt Demütigung, wird ausgegrenzt. Immer mehr driftet er in die Kriminalität ab.
Ungeschönt und ehrlich beschreibt der Autor die Geschichte einer Migration. Das Buch regt zum Nachdenken an.

Bewertung vom 01.08.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


sehr gut

Daniela Krien hat einen berührenden Roman über eine Frau geschrieben, deren Leben sich durch einen tragischen Schicksalsschlag von einem Augenblick zum anderen radikal ändert. Linda verliert ihre Tochter Sonja durch einen Verkehrsunfall. Ihr Leben gerät buchstäblich aus den Fugen. Sie flüchtet aufs Land. Die Rückbesinnung auf die Natur gibt ihr Kraft. Es ist ein einfaches Leben fern der Stadt, das sie nun führt. Doch der Verlust wiegt schwer. Linda versucht, mit diesem Verlust zu leben, weiterzuleben ohne ihre Tochter. Ihr Mann Richard findet schneller zu einem normalen Leben zurück. Beziehungsprobleme sind vorprogrammiert.
Krien erzählt authentisch, ungeschönt und ehrlich. Wie lebt es sich, wenn man den geliebten Menschen verloren hat und wie kann ein Neuanfang gelingen? In dem Roman wagt Linda zaghaft Schritte zurück ins Leben. Sie schließt neue Freundschaften, bezieht eine kleine Wohnung in der Stadt. Am Ende gibt es wieder Hoffnung.
Der Roman lässt sich zügig lesen, die Seiten fliegen nur so dahin. Empfehlenswert!

Bewertung vom 10.07.2024
Die Unvollkommenheit des Glücks
Bagus, Clara Maria

Die Unvollkommenheit des Glücks


ausgezeichnet

Das wunderschön gestaltete Cover hat mich direkt angesprochen. Grün soll ja die Farbe der Hoffnung symbolisieren und tatsächlich hat der Roman trotz aller Dramatik etwas Hoffnungsvolles zum Schluss.
Clara Maria Bagus erzählt eindrucksvoll die bewegende Geschichte von Lew und Ana. Lew zieht freiwillig als Pilot eines Kampfjets in den Krieg. Doch schon bald kommen ihm Zweifel über sein Handeln, Zweifel, die zu einer völligen Neubewertung der Situation führen. Er wechselt die Seiten. Parallel dazu wird die ergreifende Geschichte von Ana erzählt. Verlassen von ihrem Freund und ohne Kinder wagt sie einen Neubeginn. Umwege, Zufälle oder das Schicksal führen Ana und Lew zusammen.
Der Roman tangiert wichtige Fragen nach dem Glück oder Sinn im Leben. Bagus erzählt in einer bildhaften Sprache voller kluger Sätze, die zum Nachdenken anregen.

Bewertung vom 06.05.2024
Trophäe
Schoeters, Gaea

Trophäe


sehr gut

Gaea Schoeters hat einen beeindruckenden und ungewöhnlichen Roman geschrieben, der einen von der ersten Seite an fesselt.
Hunter White, reicher Amerikaner und passionierter Großwildjäger, fehlt nur noch das Nashorn, um die Big Five vollzumachen. Doch Hunter kann das Nashorn nicht erlegen. Die Handlung nimmt eine überraschende Wendung als er von seinem Jagdfreund Van Heeren ein perfides Angebot erhält. Schoeters führt uns menschliche Abgründe vor Augen. Wird Hunter auch Menschen jagen? Die Moral bröckelt Stück für Stück und schließlich geht er auf das Angebot ein. Das perverse Gedankenspiel wird realistisch.
Schoeters Roman provoziert, ist schwer zu verdauen und regt zum Nachdenken an. Er fordert förmlich dazu auf, sich selbst zu positionieren. Was ist noch richtig, was falsch?
"Trophäe" ist ein herausforderndes Werk, unbequem und verstörend, ein Buch, das im Gedächtnis bleiben wird.