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Benutzername: 
jeannine_m
Wohnort: 
Schweiz

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2024
Kosakenberg
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


gut

Wie viele andere verliess auch Kathleen für ihr Studium in Berlin Kosakenberg im Brandenburgischen und kam nur noch zu Besuch zurück, nachdem sie eine Stelle in London angenommen hatte. Sie wurde sehr erfolgreich, was ihren Mitmenschen in Kosakenberg so gar keinen Eindruck machte. Sie wird argwöhnisch (nicht) beäugt, und kommt sich wie ein aus dem Karton gefallenes Ei vor. Das Cover zeigt sehr treffend die Position, die Kathleen nach ihrem Wegzug eingenommen hatte. Auch den Bezug zu ihrer Mutter verlor sie gänzlich, den zu ihren Jugendfreundinnen konnte und/oder wollte sie nicht wirklich pflegen.

Kosakenberg ist ein Roman, der Heimat, Auswandern und Beziehungen zur Familie zum Thema macht. Der Schreibstil liest sich flüssig und unterhaltsam aber mit wenig bis keiner Spannung.

Leider konnte ich mich bis zum Ende des Buches nicht anfreunden mit der Protagonistin, die Leseprobe verhiess mehr Sympathie. Sie verkörpert für mich die typische Karrierefrau, die abgehoben auf die Menschen in ihrem Heimatdorf herabsieht. Krampfhaft versucht sie, vieles, mit dem sie sich in der Kindheit und Jugend identifizierte, abzuschütteln und schlecht zu machen. Sie fühlt sich stets übergangen und missverstanden, tut aber nichts, um die Situationen zu verbessern.
Sie be- und verurteilt sowohl das Leben in Kosakenberg als auch die Charaktere und das Verhalten der Menschen, die sich in ihren Augen nie verändern, oder wenn, dann nicht nach ihrem Gusto.

Trotz allen Versuchen, sich vom Heimatursprung zu distanzieren, holt die Vergangenheit Kathleen immer wieder gedanklich ein. Eine Versöhnung mit der Vergangenheit wäre ihr zu gönnen, denn sie prägt uns alle ein Leben lang.

Bewertung vom 25.01.2024
Klarkommen
Hartmann, Ilona

Klarkommen


sehr gut

Klarkommen ist ein Roman, der das Leben einer Dreiergemeinschaft von jungen Leuten während eines Jahres beschreibt. Von der Handlung her passiert viel und doch nichts Bewegendes und mit den 188 Seiten ist auch alles gesagt. Trotzdem hat dieses Buch einen einnehmenden Charme durch den unglaublich präzisen, schnörkellosen, oft mit einem zwinkernden Auge versehenen Schreibstil. Die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen und seine Lebensjahre zu verschwenden zieht sich durch das ganze Buch. Die Erwartungen und Sehnsüchte einer jungen Frau, die immer mehr in weite Ferne rücken, je mehr Erlebnisse sie sich herbeisehnt, werden absolut treffend in kurzen Episoden erzählt. Erst durch die aneinander Reihung der Blitzlichter ergibt sich ein Ganzes.
Ob man die selben Gefühle in der Jugend nun erlebt hat oder nicht, die Autorin versteht es, die Leser*innen zu fesseln, man legt das Buch erst mit der letzten Seite aus der Hand.

Bewertung vom 21.01.2024
Die Hoffnung der Chani Kaufman
Harris, Eve

Die Hoffnung der Chani Kaufman


ausgezeichnet

Spannung und Gefühle zwischen Tradition und Moderne
Der zweite Roman von Eve Harris über Chani und ihr Leben kann unabhängig vom ersten Band „Die Hochzeit der Chani Kaufmann“ gelesen werden, es entgehen einem aber bedeutende Beschreibungen von Charakteren und dem zweiten Roman grundlegende Ereignisse, die hier weiter ausgeführt werden.
Der Leser wird tief in die Traditionen einer streng orthodoxen Gemeinschaft in London
entführt und erlebt hautnah das Leben mit all seinen Reglementierungen. Die verschiedenen Romanfiguren erleben in indivduellen Situationen Glaubenskrisen, denen sie ihrem Charakter und ihrer Überzeugung nach unterschiedlich begegnen und sie dementsprechend anders lösen.
Auch im zweiten Band der Chani Kaufmann gelingt es der Autorin Eve Harris in ihrer facettenreichen Beschreibung von Charakteren und Situationen eine perfekte Spannung aufzubauen. Man ist von der ersten Seite an voll im Geschehen und fiebert mit der Protagonistin mit. Die verschiedenen Erzählstränge gehen teilweise ineinander und zeigen eindrücklich die Zerrissenheit und Unterschiedlichkeit im Denken und in den Handlungen zwischen den Traditionen und der modernen Welt. Chani gelingt es, sich in diesem schwierigen Umfeld, ihre Selbstbestimmung zu erlangen und ihren eigenen Weg zusammen mit ihrem Ehemann Baruch zu gehen.
Es ist ein durchwegs spannendes, packendes Buch und es verlangt meiner Meinung nach nach einem dritten Band.

Bewertung vom 01.08.2022
Dein Schweigen, Vater
Benda, Susanne

Dein Schweigen, Vater


ausgezeichnet

In diesem teils autobiographischen Roman geht es viel um persönliche Ziele, Entscheidungen und Richtungswechsel im Leben. Drei Generationen begleiten die LeserInnen durch die Zeit ab 1945 im Sudetenland bis in die Neuzeit im vereinten Deutschland. Im ersten Teil ist die Hauptfigur Paul, der beim Todesmarsch von Brünn nach Wien viel Traumatisches, entsetzliche Gewalt und Brutalität erlebt. Sie bestimmen Pauls Leben, in dem Angst, Verdrängung und Gedanken an die Vergangenheit heruntergeschluckt und eingesperrt wurden. Seine Kinder, Christa, die Verdrängung durch Hyperaktivität beherrscht und Uli, der sich wie sein Vater in Schweigen hüllt, machen sich nach Vaters Tod gemeinsam auf den Weg, die vererbte Vergangenheit zu bewältigen. Im mittleren Teil wird viel aus dem Leben der Kinder und ihrer Reise beschrieben. Im letzten Teil spielen sowohl ein Brieffragment als auch die in Brünn gemachten Bekanntschaften die Hauptaspekte und es kann eine gewisse Versöhnung mit der Vergangenheit stattfinden.
Der Text ist vor allem im ersten Teil sehr emotional und beklemmend. Die drei Generationen zeigen den Zeitgeist gut auf. Paul, wurzellos, mundlos und heimatlos, kann sich nicht aus seinem inneren Gefängnis befreien. Christa und Uli die Generation der arbeitenden Ameisen ohne Selbstachsamkeit und immer im Kampfmodus. Christas Kinder, die auch einmal zu sich selber schauen und dies ihrer Mutter vermitteln möchten.
Ein eindrückliches Erstlingswerk von Susanne Benda mit viel Tiefgang und Gedanken anregend.