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Angela Busch

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Bewertung vom 12.03.2017
Eine englische Ehe
Fuller, Claire

Eine englische Ehe


ausgezeichnet

MEINE MEINUNG: Beim Betrachten des schön gestalteten Cover und Titels, ein gebundenes Buch , mit einem traditionellen Lesebändchen versehen , kam mir die leise Ahnung, dass es hauptsächlich um Leben und Geschichte der Frau geht ,natürlich bezugnehmend auf den Ehemann und die gemeinsame Ehe. Der Roman fängt mysteriös und geheimnisvoll an, ist fast wie ein Krimi aufgebaut und spielt in zwei Zeitebenen. Einmal in der Beschreibung des Vergangenen anhand der Briefaufzeichnungen von Ingrid. Zweitens nach zwölf Jahren, die Zeit beschreibend , die Gil mit den Kindern allein verbringt. Ich bin schnell mit den Hauptprotagonisten Ingrid, Gil und den Kindern Nan und Flora vertraut geworden, dank der flüssigen, spannenden, einfühlsamen und sehr angenehm zu lesenden Schreibweise der Autorin. Das Hineinstolpern der jungen, naiven Studentin Ingrid in die Ehe mit dem sehr viel älteren Gil, hat mich betroffen gemacht. Ihre realen Erfahrungen mit dem Alltag einer sehr jungen , unerfahrenen Mutter, der niemand beistand, haben mich sehr berührt. Eigentlich passiert alles so, wie es Louise, eine alte Studienfreundin von Ingrid immer warnend prophezeit hat. Gil’s Liebe würde verfliegen und Ingrids Enttäuschung würde ihre Wünsche und Hoffnungen an das Leben zerstören.
Beim Lesen hat sich bei mir immer mehr Entrüstung aufgebaut gegenüber dieser Art von Ehe. Eine englische , kühle Ehe! Ingrid leidet unter der Vernachlässigung durch ihren Ehemann. Die Autorin hat es geschafft, dieses mit jedem Brief von Ingrid an Gil deutlicher werden zu lassen. Eindringlich fordert Ingrid seine Rückkehr, konnte sich ihm persönlich und verbal wohl mit ihren Wünschen nicht öffnen. Die Briefnotizen werden bitterer, enttäuschender und ich habe mit Ingrid gelitten und auf Veränderung gehofft. Mit viel Einfühlungsvermögen und sehr guter, intensiver Erzählweise hat Claire Fuller diese traurige Entwicklung beschrieben. Das Buch behandelt die typischen Eheprobleme, wie Untreue, Enttäuschung, Verletzung , Unverständnis für den Partner und seine Wünsche . Die Briefauszeichnungen wurden von Ingrid in einer sehr kurzen Zeitspanne geschrieben, sozusagen eine Abrechnung mit dem Eheleben, kurz vor ihrem mysteriösem Verschwinden vom Strand des Meeres. Trotz allem hat sich jedes Mitglied dieser Familie in seiner Persönlichkeit zum Positiven weiterentwickelt, vielleicht gerade auch weil das Familienleben nie glatt und heil verlaufen ist. Ich habe mir beim Lesen oft die Frage gestellt, ob die Hoffnung auf eine gute, konventionelle Ehe überhaupt für die meisten Menschen erstrebenswert ist.
Das Ende des Buches tröstet aber den Leser und hat einen sehr überraschenden Ausgang, von dem ich hier natürlich nichts verraten werde.