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stina23

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Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 07.07.2025
McLean, Jay

Loving Lucas / Preston Brothers Bd.1


gut

Lucas und Laney lernen sich als Kinder kennen, als Laney mit ihrem Vater umziehen muss. Die beiden freunden sich sofort an und verbringen viel Zeit miteinander. Im Laufe der Jahre wandelt sich ihre Freundschaft und jetzt mit ungefähr 17 Jahren steht sie auf der Kippe. Wie wird sie sich weiterentwickeln? Zerbricht die Freundschaft oder werden Laney und Lucas mehr als nur Freunde?
Sehr schnell wird klar, dass die beiden Protagonist:innen emotional sehr verbunden sind. Die Leben der beiden sind nicht einfach, beide mussten schon in ihrer Kindheit einiges mitmachen, sie waren sich jedoch immer eine Stütze. Doch mit dem Erwachsenwerden schreit ihre Beziehung danach, neu definiert zu werden. Kapitelweise wird in die Vergangenheit gesprungen, um bedeutende Ereignisse in der Beziehung zwischen Laney und Lucas, zu erzählen. Auch wird immer wieder zwischen der Perspektive der beiden gewechselt. So bekommt man als Leser:in einen guten Eindruck, wer welche Ereignisse wie wahrnimmt und die Reaktionen der beiden werden so verständlich. Der Schreibstil der Autorin ist leicht und angenehm zu lesen, einige Schreibfehler haben sich jedoch in der Übersetzung ins Buch geschlichen.
Ich fand das Buch phasenweise recht ansprechend, aber es gab für mich auch viele Längen. Die häufigen Missverständnisse wurden für mich mit der Zeit einfach langweilig. Die eher schüchterne Lane war mir sympathisch und auch Luke entwickelte sich während der Geschichte weiter und wurde greifbarer. Obwohl die Preston-Familie mit ihren vielen Kindern auch ihre Schwierigkeiten hat, wirkt sie doch insgesamt kitschig auf mich. Die Beziehung zwischen Lane und Lucas wurde mir auf Dauer auch etwas zu schmalzig. Die Story wirkte auf mich oft erzwungen und oberflächlich und konnte mich wie gesagt nicht dauerhaft begeistern.
Die Triggerwarnung, die am Ende des Buches steht, wäre am Anfang der Geschichte besser aufgehoben, damit man weiß, worauf man sich einlässt. Ich denke, die angesprochenen Themen können für einige Menschen recht belastend sein. Ich werde sie hier nennen:
ACHTUNG SPOILER:
Vergewaltigung in der Beziehung, häusliche Gewalt, Gewalt in Beziehungen, toxische Beziehungen, versuchter Mord, Schusswaffen, Tod, Trauer, Drogen- und Medikamentenmissbrauch
Für mich eine Young-Adult-Love-Story, die mich nicht begeistern konnte, aber etwas fürs Herz und auch einige mögliche Trigger beinhaltet.

Bewertung vom 01.07.2025
Shattuck, Ben

Die Geschichte des Klangs


sehr gut

Der Autor Ben Shattuck verbindet in seinem Buch „Die Geschichte des Klangs“ das Leben von Lionel und das von Annie. Während der über 80ig-jährige Lionel im ersten Kapitel des 104 Seiten umfassenden Buches auf sein Leben zurückblickt, denkt Annie, der das zweite Kapitel gewidmet ist, darüber nach wohin sich ihr Leben noch entwickeln soll. Durch einen zufälligen Fund von alten Tonaufnahmen auf Wachswalzen in ihrem Haus, Treffen die beiden Lebensgeschichten kurz aufeinander.
Lionel ist mit dem perfekten Gehör gesegnet und begegnet während seines Studiums David, der ein ausgezeichneter Musiker und Komponist ist. Die beiden verbindet mehr als nur die Liebe zur Musik, sie führen für eine kurze Zeit eine Beziehung in den 1910er Jahren. Sie reisen durch den ländlichen Osten der USA und nehmen Folksongs auf Wachswalzen auf. Ein Sommer, der für Lionel der schönste seines Lebens werden soll.
Annie hat eine vielversprechende wissenschaftliche Karriere vor sich, als sie während einer Feldstudie einen Mann kennenlernt. Die junge Frau geht voll in der Beziehung auf, empfindet sie als harmonisch und stellt ihre Bedürfnisse, ohne das infrage zu stellen hinter die ihres Partners. Einige Jahre später findet sie sich in einer Ehe wieder, die sehr rational geprägt ist, ohne abgeschlossenes Studium, ohne Arbeit und in einer Stadt, in der sie nur wegen des Jobs ihres Ehemannes lebt. Annie realisiert, was sie für ihre Beziehung aufgegeben hat, und fragt sich, was die Zukunft noch für sie bereithält.
Der Autor erzählt seine Geschichte als zwei Kurzgeschichten mit viel Fingerspitzengefühl und schenkt den leisen Tönen große Aufmerksamkeit. Die Handlung lebt nicht von Spannung oder großen Aktionen, sie wird von den Gedanken, die sich die ProtagonistInnen machen getragen. Ich mochte die unaufgeregte Erzählweise des Autors. Das Buch ist eine nette Lektüre, die nicht viel Zeit in Anspruch nimmt und auf zarte Weise berührt und nachdenklich macht. Das Ende wirkt recht abrupt, passt für mich jedoch dazu, dass das Buch ein kleiner Blick in einen Moment zweier Leben ist.

Bewertung vom 18.06.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

Wie wäre das Leben verlaufen, wenn man an einem Punkt in der Vergangenheit anders entschieden hätte? Wie hätte ich mich entwickelt? Wo stünde ich heute?
Ich denke, viele haben diese Gedanken schon einmal gehabt. Ich jedenfalls schon. Die Autorin Anne Sauer hat daraus ein wirklich lesenswertes Buch gemacht. Die Protagonistin der beiden Erzählperspektiven ist dabei natürlich dieselbe, einmal Antonia einmal Toni genannt. Toni lebt mit ihrem Freund Jakob in einer kleinen Wohnung in der Stadt. Sie genießen die Zweisamkeit. Die Versuche ein Kind zu bekommen scheitern. Toni erleidet Fehlgeburten und muss damit zurechtkommen. Eines Morgens wacht sie in ihrem Leben als Antonia auf, mit einem Baby, einem schicken Haus in ihrem früheren Heimatort und verheiratet mit ihrer Jugendliebe Adam. Hat sie nun alles, um glücklich zu sein?
Abwechselnd erzählt Anne Sauer über die beiden Leben der jungen Frau und darüber, dass jedes seine glücklichen und traurigen Abschnitte hat und nicht ein Ereignis, ein Richtungswechsel darüber entscheidet. Sie spricht dabei sensible Themen an, die sehr viele Frauen betreffen. Dabei schreibt sie klar, unverblümt und mit sehr viel Einfühlungsvermögen. Zu AnTONIa konnte ich sofort eine Verbindung spüren, ihre Probleme und Entscheidungen waren sehr realistisch und ihre Gedanken nachvollziehbar und oft sehr wahr. Der Schreibstil war für mich so wunderbar passend, dass ich einfach durch die Geschichte getragen wurde und das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Während des Lesens habe ich mich gefragt, wie wohl das Ende des Buches sein würde und befürchtet, dass es mir die Geschichte schlussendlich doch vermiesen könnte, wenn es einfach nicht passt. Das geschah glücklicherweise nicht. Ich war zufrieden damit, es hat das Buch gut abgeschlossen und die Geschichte darf bei mir noch ein bisschen nachhallen.
Eine absolute Leseempfehlung meinerseits!

Bewertung vom 25.05.2025
Bradley, Kaliane

Das Ministerium der Zeit


ausgezeichnet

1845 brach eine Expedition unter der Leitung von John Franklin in die Arktis auf, um die Nordwestpassage zu durchsegeln und somit den schnellsten Schiffsweg zwischen Europa und Asien aufzuzeigen. Diese Expedition sollte scheitern und keiner der 129 Teilnehmer überlebte. Unter Ihnen First Lieutenant Graham Gore.
Die Autorin Kaliane Bradley lässt in einem London der nicht allzu fernen Zukunft die Möglichkeit des Zeitreisens bestehen. Graham Gore wird wie einige andere Menschen, die in ihrer Zeit durch Unglücke, Krankheiten oder Krieg verstorben wären, aus der Vergangenheit geholt. Um die Anpassung in der neuen Umgebung zu erleichtern, werden ihnen die sogenannten „Brücken“ zur Seite gestellt; Regierungsbeamt:innen, die sie rund um die Uhr begleiten, damit sich die „Expats“ in ihrem zweiten Leben zurechtzufinden lernen.
Die Autorin spielt in ihrem Buch ein sehr ausgeklügeltes Gedankenspiel, das mich auf mehreren Ebenen angesprochen hat. Sie nutzt die Möglichkeit des Zeitreisens, um gesellschaftspolitische Themen anzusprechen. Der unterschiedliche Umgang der Expats mit den Entwicklungen der modernen Zeit ist sehr interessant und regt zum Nachdenken darüber an. Vieles davon sind Errungenschaften, die sich für sehr viele Menschen in Europa positiv ausgewirkt haben, manche stehen jedoch noch immer auf fragilen Füßen. Der Klimawandel hat ebenfalls in der Zukunft mit voller Härte zugeschlagen und nicht nur extreme Wetterphänomene, sondern auch humanitäre Notsituationen mit sich gebracht. Ein erschreckend realistischer Ausblick!
Die historische Figur des Graham Gore, über den eigentlich nur wenig bekannt ist, wird von der Autorin als aufgeschlossener, intelligenter, vielseitig talentierter und überaus humorvoller Mensch dargestellt. Die romantische Beziehung der beiden Protagonist:innen entsteht deshalb wenig überraschend, ließ mich aber nur noch mehr mit ihrer Geschichte mitfiebern. In kurzen Kapiteln wird auch zur Franklin-Expetition zurückgesprungen. Die Verknüpfung von historischen Fakten und Fiktion haben für mich einen besonderen Reiz ausgemacht.
Kaliane Bradley schreibt sehr einnehmend, intelligent, verarbeitet gesellschaftlich relevante Themen und verpackt sie in einem (un)möglichen Plot. Mich hat sie mit ihrem Buch absolut begeistert und ich kann es von ganzem Herzen weiterempfehlen.

Bewertung vom 17.05.2025
Blum, Susann

Mystery Eye


ausgezeichnet

Dieses Jahr gestaltet sich das Feriencamp, auf das die fünfzehnjährige Tammy gezwungenermaßen mitfahren muss, anders als in den Jahren davor. Nicht nur fühlt sie sich zu alt dafür, sie trifft auch auf den gleichaltrigen Isaac und entdeckt, dass sie trotz aller Unterschiede eines teilen: sie können sich telepathisch miteinander unterhalten und sehen beide ein mysteriöses blaues Auge, wenn sie sich berühren. Tammy, die der ganzen Sache auf den Grund gehen möchte, zieht den widerspenstigen Jungen mit in ein Abenteuer, mit dem beide so nicht gerechnet haben, bei dem sie aber auch auf Verbündete treffen und Freundschaften entstehen.
Mich hat die Geschichte von Anfang an gepackt. Der Einstieg erfolgt ohne viel Umschweife und der Schreibstil der Autorin Susann Blum ist äußerst angenehm und flüssig zu lesen. An der Verwendung einiger spezieller Ausdrücke kann man die schweizerische Herkunft der Autorin erkennen. Ich mag es sehr, wenn Sprache lebendig und örtlich geprägt ist.
Mir war Tammy, aus deren Sicht der Großteil der Story erzählt wird, sehr schnell sympathisch, da sie in ihren Gedanken und ihrer Haltung viel Humor mitbringt. Manches davon ist zum Augenrollen typisch „Teenie“, was von einer guten Beobachtungsgabe und einem guten Einfühlungsvermögen der Autorin in Menschen dieses Alters zeugt. Je mehr das Buch voranschreitet, umso mehr Platz nimmt der Fantasy-Aspekt ein. Die Jugendlichen müssen sich durch viele Schwierigkeiten kämpfen und dabei nimmt das Erzähltempo ordentlich an Fahrt auf. Tammys Hin- und Herspringen zwischen telepathischer und verbaler Kommunikation während der actionreichen Handlung war etwas herausfordernd zu lesen, für die Story jedoch wichtig.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen! Es ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen ansprechend geschrieben und eine gute Mischung aus Fantasy, actiongeladener Handlung und Zwischenmenschlichem. Ich kann es mit voller Überzeugung weiterempfehlen!

Bewertung vom 01.05.2025
Harlow, Clare

Magic of Moon and Sea. Die Diebin der vielen Gesichter


ausgezeichnet

Istas Vater ist verschwunden. Das Mädchen macht sich auf, um ihn zu suchen und zieht deshalb in die Stadt. Dort findet sie zwar keine Spuren von ihm, wird jedoch selbst in ein Abenteuer gezogen, das damit beginnt, dass sie nur durch die Hilfe eines zwielichtigen Mannes vor einem Monster gerettet werden kann. Alexo raubt dem Kind seinen wertvollsten Schatz, die Klarinette ihres Vaters und erpresst sie damit. Ista besitzt eine besondere „Gezeitengabe“. Sie kann ihre Form wandeln und soll für Alexo wertvolle Gegenstände stehlen. Nachdem immer mehr Grilks auftauchen und Menschen verschwinden, freundet sich Ista mit Nat an, der als Sohn einer Reporterin ebenfalls aufklären möchte, was hinter den Angriffen steckt. Sie begeben sich in ein Abenteuer, in dem nicht alles so ist, wie es scheint.
Das Buch spielt in einem schön ausgearbeitetes Fantasy-Setting. Istas Welt wird von den Gezeiten bestimmt, die die Stärke der Magie beeinflussen. Mit dem Mond nimmt sie ab oder zu und es scheint, als ob die jüngere Generation insgesamt mit mehr Magie ausgestattet ist als ältere Menschen. Istas Gabe, verschieden Gestalten annehmen zu können, ist dazu noch eine sehr besondere Kraft. Sie ist ein absolut mutiges Mädchen, das beharrlich danach strebt ihren Vater zu finden und Geheimnisse aufzudecken und eine Protagonistin, die einem schnell ans Herz wächst. Auch zu den anderen Figuren findet man schnell Zugang und durch den leicht und flüssig zu lesenden Schreibstil der Autorin, schafft es die Geschichte den Leser oder die Leserin rasch in den Bann zu ziehen, zumindest ist es mir so ergangen. Ich konnte das Buch nur schwer zur Seite legen, denn die Spannung, die die aufzudeckenden Ereignisse mit sich bringen, fesselte mich.
Die Storyline ist wirklich gut ausgearbeitet und durchdacht, sodass auch ich als Erwachsene große Freude am Lesen hatte und das Buch aus ganzem Herzen weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 24.04.2025
Fagan, Deva

Game of Noctis - Spiel um dein Leben


ausgezeichnet

In Pias Welt dreht sich alles ums Spielen. Jede Person ab zwölf Jahren hat eine Punktebewertung, die niemals auf null sinken sollte, denn das würde bedeutet, dass man aus dem Spiel genommen wird und als Diener für die Spieler in der Stadt oder auf der Gesindeinsel arbeiten muss. Das geschieht mit Pias Großvater und das Mädchen ist von nun an auf sich allein gestellt. Um ihren Opa aus der Knechtschaft zu befreien, muss sie seinen Punktstand erhöhen und dazu benötigt sie sehr viel Geld. Da ergibt sich für Pia die Chance am jährlichen großen Spiel, das sehr riskant und mit einem hohen Preisgeld versehen ist, teilzunehmen. Mit ihren MitstreiterInnen versucht sie alles, um zu gewinnen und dabei entdecken sie die Geheimnisse, die hinter den magischen Spielen stecken.
Die Autorin erschafft in ihrem Buch die magische und fantastische Stadt Dantessa, die mit ihren Kanälen, Gondeln und italienisch klingenden Namen an Venedig erinnert. Die Geschichte liest sich flüssig und leicht und ist meiner Meinung nach für Lesende ab zehn Jahren gut geeignet. Auf die Themen Freundschaft, Teamwork, Vertrauen und den Weg in die Selbständigkeit wird ein Hauptaugenmerk gelegt. Das Spielerteam besteht aus unterschiedlichen Charakteren, die alle ihren eigenen Charm besitzen. Obwohl die Kinder schon einiges in ihren Leben durchgemacht haben, wird die Geschichte nicht zu düster.
Mir ist immer wieder der Vergleich des Punktestandes der SpielerInnen und der Likes oder Follower in der realen Welt in den Sinn gekommen. Ich denke, dass das auch jüngere LeserInnen zum Nachdenken anregen kann. Das Buch ist sozialkritisch (nur durch die Arbeit der Menschen auf der Gesindeinsel, können die anderen den Spielen nachgehen; die Reichen haben bessere Chancen einen höheren Punktestand zu erlangen, weil sie für eine bessere Spielerausbildung aufkommen können; ...) Die Autorin hat mit diesen Vergleichen zur realen Welt eine Ebene eingezogen, die das Buch zu etwas Besonderem macht. Ich kann es daher weiterempfehlen!

Bewertung vom 31.03.2025
Lugbauer, Eva

Schwimmen im Glas


ausgezeichnet

Eva Lugbauer erzählt in ihrem Roman von Lore und ihrer Familie. Hauptsächlich behandelt sie darin die Kindheit des Mädchens, die ungefähr in den 1980er und 1990er Jahren in einem Dorf in Österreich stattfindet. In kürzeren Sequenzen springt sie auch zur erwachsenen Lore, die von ihrer Kindheit geprägt, nicht von ihr losgelassen wird.
Viel Unausgesprochenes gibt es in der Familie. Besonders all das, was der Großvater nicht sagt, bleibt Lore in Erinnerung. Das, wofür der alte Mann keine Worte findet, handelt meist vom Krieg. Mit patriarchalischem Gehabe und starren Strukturen und Werten will er den Ton in der Familie angeben. Die Frauen gehen je nach Generation und Lebensumfeld unterschiedlich damit um. Die Großmutter fügt sich, Tante Ursula akzeptiert es nicht und kämpft dagegen an und Lore wächst heran, indem sie sehr genau beobachtet und kluge Fragen stellt, auf die sie leider oft keine oder keine befriedigende Antwort erhält und deshalb sehr oft in sich selbst zu ihren Antworten finden muss.
Mir sagt der Schreibstil der Autorin sehr zu. Die oft kurzen Sätze und Gedankensprünge machen die in der dritten Person geschriebene Geschichte zu einer interessanten Reise in den Alltag und besonders in die Gefühls- und Gedankenwelt von Lore und einigen ihrer Familienmitglieder.
Mich hat dieser Roman sehr berührt. An vielen Stellen konnte ich in meiner Erinnerung ähnliche Szenen wiederfinden. Das Unverständnis gegenüber den patriarchalischen Strukturen, das „Das-Ist-Halt-So“ und das unaufhaltsame Gefühl, dass das so aber überhaupt nicht sein sollte, kamen mir nur allzu bekannt vor. Der Text transportiert für mich eine etwas düstere und eingeengte Stimmung, der ich mich kaum entziehen konnte, und die ich als tragend für das gesamte Buch empfand.
Ein Buch voller Erkenntnisse einer Heranwachsenden, die aus der Beobachtung der Generationen vor ihr entstehen und die sie nie ganz loslassen. Für mich ein Volltreffer.

Bewertung vom 17.03.2025
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


sehr gut

Diese Familiengeschichte erstreckt sich über mehrere Generationen von 1924 bis 2025, also über hundert Sommer. Sie handelt von Frauen, die alle mit den verschiedenen Herausforderungen, die ihre Generation und ihre Lebenswelt mit sich bringen, umgehen müssen. Elisabeth ist über 90 und beginnt von der bisher totgeschwiegenen Vergangenheit ihrer Eltern und ihrer Tante zu erzählen. Anja und ihre Tochter Lena sind zuerst geduldige, später leidenschaftliche Zuhörerinnen. Die Erzählungen lösen bei den drei Frauen viele Gefühle aus, es bringt sie näher zusammen und lässt sie die aktuellen weltpolitischen Geschehnisse differenzierter betrachten. Durch das Wissen um die Stärke und den Mut, den die Frauen ihn ihrer Ahnenreihe bewiesen haben, bleibt es nicht nur bei der inneren Veränderung. Sie sehen sich und ihre Vergangenheit in einem neuen Licht und gehen mutig neue Wege.
Die Autorin Katharina Fuchs hat einen schönen Weg gefunden, die Geschichte der Familie aufzurollen. Die Großmutter Elisabeth hat fast ihr ganzes Leben ein Geheimnis aus vielen Fakten der Familiengeschichte gemacht. Als sie jedoch aus gesundheitlichen Gründen umziehen muss und ihre alte Wohnung von ihrer Tochter und Enkelin entrümpelt wird, kommen mit den Erinnerungsstücken auch die Worte ans Tageslicht. Während Elisabeth über das Leben ihrer Tante Clara in den 1920er und 1930er Jahren in Berlin berichtet, sehen und erleben Anja und Lena die Umwälzungen und auch Parallelen im Jahr 2024. Anfangs wirkten die Sprünge zum aktuellen Zeitgeschehen abrupt auf mich, in Laufe des Buches werden sie mehr Teil der Geschichte und ich fühlte mich nicht mehr aus dem Lesefluss gerissen. Katharina Fuchs lässt ihre Protagonistinnen real wirken und gibt ihnen nachvollziehbare Gefühle. Stellenweise aber sind sie und das Geschehen etwas klischeehaft. Auch der Schreibstil ist den Großteil des Buches über angenehm zu lesen.
Die Autorin nahm mich mit auf eine Reise durch eine Familiengeschichte, verband sie gut mit der Gegenwart, ließ die Protagonistinnen Stellung beziehen und zeigte auf, das gern aus der Geschichte gelernt werden darf.

Bewertung vom 26.02.2025
Rundell, Katherine

Impossible Creatures - Das Geheimnis der unglaublichen Wesen / Archipel-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Als Christopher seinen Großvater, den er seit vielen Jahren nicht gesehen hat, in Schottland besucht, verändert sich sein Leben, seine Welt und einfach alles wovon er bisher dachte, dass es Realität sei. Er findet heraus, dass er aus einer langen Linie von Hütern stammt, die den Durchgang zu einem magischen Reich beschützen. In dieses gelangt der Junge, um mit dem Mädchen Mal herauszufinden, was die Magie nach und nach zerstört und mit ihr die magischen Wesen.
Schon der Aufbau des Buches vermittelt Spannung. Gleich am Anfang ist eine Aufzeichnung von den unterschiedlichen mythischen Wesen und ihren Eigenschaften angeführt, das sogenannte „Bestiarium“. Es wird von schönen Zeichnungen begleitet. Die zu Beginn sehr kurzen Kapitel gewähren Einblicke und Vorschauen in die Geschehnisse. Sie enden meist offen, womit das Interesse aufrecht bleibt und man einfach gerne weiterlesen möchte.
Die Welt, die sich die Autorin Katherine Rundell erdacht hat, ist voller mehr oder weniger bekannter Fabelwesen und wunderbarer Abenteuer, in denen aber auch viele Gefahren lauern. Ihr Erzählstil ist passend für Jugendliche und Erwachsene, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das Buch auch wirklich schon für 10-Jährige geeignet ist. Es werden einige Kämpfe und Verwundungen recht genau beschrieben, auch der Tod wird nicht ausgespart. Immer wieder werden Parallelen zwischen dem drohenden Untergang des Archipels und den realen Bedrohungen für unsere Erde gezogen, was der Geschichte eine moderne Relevanz gibt. Zwischendurch wird es auch mal düster. Es ist auf jeden Fall keine „Sonnenschein-Fantasy“-Lektüre. Die ProtagonistInnen sind gut ausgearbeitet, ein bisschen klischeehaft, aber das passt für die Entwicklung der Geschichte gut. Diese verläuft nicht ganz geradlinig, es geschieht Überraschendes und somit bleibt sie spannend.
Dieses Buch hat mir außerordentlich gut gefallen. Ich als Erwachsene wurde richtiggehend in den Bann der Geschichte gezogen, war fasziniert von den Wundern und Gefahren, denen sich die ProtagonistInnen gegenübersahen und ich hatte Spaß am Lesen. Die ProtagonistInnen wuchsen mir ans Herz und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung.
Meine volle Empfehlung!