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Käthe

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 25.08.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


ausgezeichnet

Was ist eigentliche eine Stellersche Seekuh und wie sieht sie aus? Die junge finnische Autorin Iida Turpeinen nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise durch die Zeit und über die Kontinente. Trotz des zuerst sehr sachlich und abgeklärt klingenden Erzählstils, hat mich die Geschichte gepackt und ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Letztendlich passt der Ton der Erzählung zur Geschichte und dem gesamten Aufbau des Buches.
Die Stellersche Seekuh, eine längst ausgestorbene Tierart, die grob zur Familie der Manatis gezählt werden kann, steht im Mittelpunkt des Romans. Anhand von drei Zeitebenen beschreibt die Autorin die Entdeckung, Erforschung und letztendlich die Ausrottung dieses friedliebenden Geschöpfes.
Mich hat fasziniert, wie gut Turpeinen die persönlichen Geschichten der Forscher, Sammler, Wissenschaftler und vor allem auch der vielen Frauen, die meistens in den Erzählungen von Forschungsreisen oder wissenschaftlichen Entdeckungen unsichtbar bleiben, zum Leben erweckt. Die Stellersche Seekuh steht dabei zwar im Mittelpunkt und dennoch stellvertretend für die menschgemachte Veränderung der Natur seit Beginn der Neuzeit.

Bewertung vom 18.08.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


ausgezeichnet

Ava ist Mitte vierzig, an einem Donnerstag im Mai trifft sie im Supermarkt auf Kieran und verknallt sich Hals über Kopf in den fast 20 Jahre jüngeren Mann. Aus einer zu Beginn etwas hitzigen Schwärmerei wird eine Affäre, aus der sich aber ziemlich schnell eine starke gegenseitige Verbindung und Liebe entwickelt.
Warum empfinde ich den Roman als mutig, wenngleich die Story (salopp gesagt "frustrierte Hausfrau über Vierzig findet über die Liebe zu einem Jüngeren wieder zu sich") gar nicht so atemberaubend neu ist?
Mutig finde ich, wie Vera Zischke den Zwiespalt zwischen den eigenen Gefühlen und den Bewertungen der Menschen, sowohl im unmittelbaren Umfeld als auch von völlig Fremden, aufzeigt. Na klar kann man sich immer wieder das Mantra von "Was andere über mich denken und sagen" aufsagen, aber letztendlich gelingt es den wenigsten Menschen ein Leben genau so zu führen.
Außerdem taucht immer wieder die Frage auf, wie erstrebenswert es ist, ein Leben genau so zu führen. In all unserem Handeln sind wir nie alleine, das was wir täglich sagen, machen und tun, hat auch immer einen Einfluß auf das Leben anderer Menschen. Das merkt auch Ava, die immer wieder vor eine Entscheidung gestellt wird: Für oder gegen ihre Kinder, ihren Ehemann, ihre Liebe zu Kieran, ihrem eigenen Lebensglück. Leicht sind diese Entscheidungen nie, vor allem weil Ava das Leben der Menschen, das sie beeinflußen könnte, nicht negativ prägen möchte. Leicht sind diese Entscheidungen aber auch nicht, weil das Verhalten von Frauen häufig auch heute noch immer anders bewertet wird als das der Männer.
Mutig finde ich in diesem Zusammenhang auch Avas Gedanken zur Mutterschaft. "Ich weiß nur, dass man seine Kinder lieben und Mutterschaft trotzdem hassen kann".
Auch wenn die Figuren manchmal etwas zu klischeehaft gezeichnet sind, ich habe das Buch sehr gerne gelesen und Avas kindliche Freude am Leben und Lieben gefeiert. Ein kleiner Bonus: Das Cover ist haptisch und visuell sehr schön gestaltet.

Bewertung vom 27.07.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


sehr gut

Als ich den Klappentext des Buches gelesen habe, war klar: Das will ich lesen! "Linda ist fünfzehn und würde am liebsten vor ein Auto laufen. Doch noch halten zwei Menschen sie davon ab: ihr einziger Freund Kevin […] und Hubert, sechsundachtzig Jahre alt."
Ich bin mit dem Buch nicht enttäuscht worden, die Autorin liefert eine Coming of Age-Geschichte, die rührt und dennoch durch Lindas Ironie und Komik besticht. Besonders ihre Beobachtungen und Spitznamen haben es mir angetan.
Vor allem aber wird die schleichende Veränderung Huberts durch die Demenz äußerst real, aber mit viel Wärme dargestellt. Hier merkt man, dass die Autorin lange in der Pflege mit demenzkranken Menschen gearbeitet hat.
Anders als jedoch der Klappentext verspricht ("Bis das Schicksal ihre Pläne durchkreuzt...") findet sich kein wirklicher Twist in der Story. Dies führte für mich beim Lesen dazu, dass ich etwas anderes erwartet hatte, während die Geschichte bis zum Ende eher vor sich hin plätschert. So werden auch einige Beziehungen und Charaktere nicht richtig entfaltet. Linda begegnet, neben Kevin, Hubert und dem Nachtfalter auch noch ein paar anderen Menschen, doch die verschwinden, so sehr sie zuvor auch noch eine Rolle spielten, dann einfach spurlos.
Zum Ende hin wird aber auch wieder das Thema des gesamten Buches wieder aufgenommen: Die Bedeutung unserer Beziehung zueinander, auch wenn wir uns für unbedeutend halten (und es im Großen und Ganzen wahrscheinlich auch sind).

Bewertung vom 13.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

"Und Großvater atmete mit den Wellen" erzählt die Geschichte von Konrad und Sigrid, die sich inmitten der Wirren des 2. Weltkriegs auf Java kennen lernen. Erneut greift Trude Teige ein Thema auf, dass kaum in der Öffentlichkeit bekannt ist. Und das ist auch die große Stärke dieses Romans. Eindrücklich schildert die Autorin die Grausamkeiten der japanischen Besatzer an den Soldaten und vielen hauptsächlich europäischen Zivilisten auf Java. In ihrem Nachwort erläutert sie, dass es sich bei der Handlung zwar um Fiktion handelt, die generellen Geschehnisse aber auf einer weitreichenden Recherche von Quellen und Sekundärliteratur zu den Kriegsgefangenenlagern auf Java beruhen.
Dennoch bleibt der Roman an vielen Stellen deutlich hinter dem Vorgänger "Und Großmutter tanzte im Regen" zurück. Während sie hier Spannung und Emotionen erzeugen kann, vermisse ich dies in diesem Roman an vielen Stellen - oft lassen die Beschreibungen mich, trotz der expliziten Inhalte, seltsam gefühllos zurück. Auch die unterschiedlichen Perspektiven, die sie in ihrem Vorgängerroman aufgreift, und mit denen sie deutlich machen kann, dass Schuld und Unschuld oft zu vereinfachte Zuordnungen sind, werden im neuen Roman kaum deutlich. Die Perspektive der indonesischen Nationalisten zum Ende des Romans werden z.B. überhaupt nicht aufgegriffen.
Trotzdem bin ich froh, dass ich das Buch gelesen habe, v.a. weil die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs im pazifischen Kriegsraum mir nicht so bewusst waren.

Bewertung vom 27.03.2024
Gussie
Wortberg, Christoph

Gussie


gut

Ich war total überrascht, dass Konrad Adenauers solch eine emanzipierte, intelligente und starke Ehefrau hatte. In den Geschichtserzählungen zu Adenauer taucht sie kaum auf und wie man nun erfährt - völlig zu unrecht. Aus diesem Grund gebührt dem Autor zuerst einmal ein großes Lob, dass er die Geschichte dieser tollen Frau erzählt.
Leider hat mir der Erzählstil ganz oft nicht so gefallen, stellenweise habe ich Passagen überlesen, weil mich die Erzählweise nicht gepackt hat. Gefallen haben mir die kurzen Ausschnitte aus Briefen zwischen Gussi und ihrem Vater, oder zwischen ihr und Konrad Adenauer als Einleitung zu den Kapiteln. Noch besser hätte ich aber Original-Zitate aus den Briefen gefunden, auch wenn die Ausschnitte dann vielleicht nicht so passgenau zu den Kapiteln gepasst hätten. Dass die Story prinzipiell keiner chronologischen Erzählung folgt ist ok, allerdings habe ich mich manchmal gefragt, in welcher Zeit man sich nun befindet, da die Briefe wohl nicht immer die zeitliche Angabe vorgeben.

Bewertung vom 17.03.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


sehr gut

Jörg Hartmann beschreibt in "Der Lärm des Lebens" vom Beginn seiner Schauspielkarriere, von seiner Kindheit in Herdecke, der Demenz und dem Tod seines Vaters und dem chaotischen Familienalltag einer Patchwork-Familie. Der rote Faden seiner Erzählung scheint dabei die Krankheit und der Tod des Vaters zu sein. In Rückblicken reflektiert Hartmann seine Betroffenheit über den physischen und psychischen Verfall seines Vaters bis zu dessen Tod. Die innere Zerrissenheit des Autors zwischen der beruflichen Karriere und dem Wunsch für den Vater da zu sein, werden in diesen Kapiteln sehr deutlich. So greift er immer wieder auf die Rolle des Vaters zurück - aufgewachsen im sozialen Milieu der Arbeiterschaft im Pott und in einer liebevollen und humorigen Familie, die ihn letztendlich zu dem Mensch werden lässt, der er ist und den er u.a. auch manchmal in seinen Rollen verkörpert.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, die Beziehung zu den Eltern und die Heimatgefühle kann ich sehr gut nachvollziehen. Und trotz dieses doch sehr anrührenden Themas musste ich an vielen Stellen laut lachen oder zumindest leise schmunzeln. Der Humor Hartmanns (auch ein Erbe des Vaters) scheint an vielen Stellen (nicht nur den im Ruhrpott-Dialekt beschriebenen) durch. Außerdem weiß ich jetzt endlich woher der Hengstey-See seinen Namen hat.

Bewertung vom 10.09.2023
Perlenbach
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach


gut

Mit Perlenbach erzählt die Autorin die Vorgeschichte des Romans "Ginsterhöhe", die sich allerdings auch gut unabhängig voneinander lesen lässt.
Interessant und positiv fand ich, dass mit dem Roman die Zeit der Industrialisierung in dem kleinen Eifel-Ort Monschau zum Thema gemacht wird. Zeitgeschichtliche Romane zur NS-Zeit oder zum Nachkriegsdeutschland findet man haufenweise in den Bücherregalen, während dieser sehr spannende Zeitraum häufig ausgespart bleibt. Durch die Tagebuch-Einträge der jungen Gouvernante erhält man immer wieder einen Einblick in damalige tagespolitische Ereignisse. Diese Einträge ähneln zwar eher kurzen Zeitungsmeldungen und ich bezweifle, dass man reele Tagebucheinträge solcher Art findet, nichtsdestotrotz erhält man nettes "unnützes Wissen" dieser Zeit.
Insgesamt lässt sich das Buch gut lesen und man schmökert sich in die Zeit hinein, auch wenn die Charaktere - wie auch schon in "Ginsterhöhe" - etwas einseitig bleiben und die Story ein wenig konstruiert und schmonzettig ist.

Bewertung vom 10.09.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


ausgezeichnet

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es ist berührend, einfühlsam und trotz der prekären und traurigen Lebenssituation von Billie voller Lebensmut.
Billie wächst zusammen mit ihrer Mutter in einer kleinen Plattenbauwohnung in einer Stadt am Fluß auf. Die Armut, in der sie aufwächst, wird nie direkt benannt, äußert sich aber in jeder Beschreibung. Elena Fischer schafft es allerdings mit wenigen Worten Billies Leben als arm und gleichzeitig als reich darzustellen. All das, was ihre Mutter ihr materiell und finanziell nicht bieten kann, gibt sie ihr hundertfach mit ihrer Liebe und ihrer Fantasie zurück. Dieser andere Blick ist für mich das, was dieses Buch besonders macht.
Doch alles ändert sich, als plötzlich Billies ungarische Großmutter auftaucht und die Mutter stirbt. In dieser Lebenskrise begibt sie sich auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater. Die zweite Hälfte des Romans beginnt nun etwas konstruiert zu wirken, was wirklich sehr schade ist, da die Geschichte so gut erzählt beginnt.
Trotzdem ein Buch, das man gelesen haben sollte.

Bewertung vom 10.09.2023
Das Licht zwischen den Schatten
Beck, Michaela

Das Licht zwischen den Schatten


gut

Drei Geschichten über Menschen, die sich, über acht Jahrzehnte erzählt, miteinander verbinden. In einzelnen Kapiteln wird, nicht chronologisch sondern im Wechsel zueinander, vom Schicksal von Konrad, Brigitte und André berichtet.
Konrad, der noch vor dem 2. Weltkrieg geboren wurde und sich später zwischen Anhängerschaft und Widerstand zum NS behaupten muss. Brigitte, die ihre frühe Kindheit zuerst im NS und dann in der DDR erlebt, bevor sie mit ihren Eltern in die BRD flüchtet und André, der als talentierter Kunstspringer mit seinen Adoptiveltern die 70er und 80er Jahre der DDR verbringt und dennoch nach seiner wahren Vergangenheit sucht.
So gerne und enthusiastisch ich die ersten Seiten dieses 800-Seiten-Schmökers gelesen habe, schnell wurde mir klar, das Buch liest sich wie eine TV-Serie im Abendprogramm. Das muss erst einmal nichts Schlechtes heißen, aber gerade zum Ende hin wird die Story so unglaubwürdig, dass ich mir wie vor einer schlechten Soap-Opera vorkam. Nazis in Brasilien, RAF-Touristen in Jordanien und immer wieder sehr platt und vorurteilsgeladene Charaktere. Vielleicht hängt mein Missfallen auch damit zusammen, dass mir nicht eine einzige Person im ganzen Roman sympathisch war, aber am Ende habe ich mich echt geärgert. Zusammengefasst, die erste Hälfte des Buches ist ok, die zweite ziemlich überladen und hanebüchen.

Bewertung vom 27.06.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


sehr gut

Familie Schönwald kommt in Berlin zur Eröffnung des "kweeren" Buchladens von Tochter Karolin zusammen. Bereits zu Beginn wird deutlich, dass alle Familienmitglieder ihre eigene Geschichte mitbringen, die sich im Verlauf des Romans entfaltet.
Die Schönwalds, das sind Hans-Harald und Ruth, die drei Kinder Chris, Karolin und Benni. Hans-Harald, der Staatsanwalt a.D., der irgendwie immer alles am laufen halten, klären und schlichten möchte, bleibt am Ende doch seltsam nichtssagend. Ruth, unglücklich über den Verlauf ihres Lebens, versucht alles unter den Teppich zu kehren: Nichts ist so wichtig um thematisiert zu werden, die Vergangenheit schon gar nicht. Dieses (Ver)Schweigen geben sie (un)bewusst an ihre Kinder weiter, die alle drei unterschiedlich und doch auch wieder ähnlich auf Krisen reagieren. Chris, der seinen Rauswurf von der Uni und seine Arbeit als Trump-Unterstützer zu verheimlichen versucht. Karolin, die Schwierigkeiten mit Nähe und Distanz in menschlichen Beziehungen hat und ihre Homosexualität verleugnet, und Benni, der sich der Harmonie zuliebe allen unterordnet. Dass diese explosive Mischung am Ende hochkocht, ist voraussehbar. So kommt es am Ende dann auch (ohne zu viel zu verraten) zu einem Showdown, bei dem dann endlich das ein oder andere gesagt wird und so manches Geheimnis gelüftet wird.
Insgesamt gelingt Oehmke ein kluges Buch mit facettenreichen Charakteren und einem feinsinnigen Humor, auch wenn die Ausführungen (v.a. bei Chris) stellenweise etwas langatmig sind und das Ende etwas dick aufgetragen wirkt. Wer Familienporträts und Dialoge wie bei "Gott des Gemetzels" mag, der ist hier gut beraten.

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