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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Tiana
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 8 Bewertungen
Bewertung vom 02.04.2024
Kantika
Graver, Elizabeth

Kantika


gut

Der Roman Kantika beginnt bereits mit einer sehr schönen Sprache, die mich schon in der Leseprobe überzeugt hat, für die man jedoch auch ein bisschen Konzentration mitbringen darf. Man erfährt einiges über das sephardische Leben, sowohl in der Türkei als auch an Orten des Exils, wobei mir die Schilderungen manchmal allerdings zu schablonenhaft wirkten. Die erste Hälfte des Romans fand ich bald etwas langatmig, fast hätte ich nicht weitergelesen. Ab der zweiten Hälfte wird es dann interessanter, es ist nicht mehr bloße Erzählung von Ereignissen, sondern die Hauptfigur Rebecca sieht sich nun Widerständen ausgesetzt und muss Entscheidungen treffen und Stärke zeigen. Dennoch kam ich beim Lesen nie an den Punkt, an dem mir die Hauptfigur oder sonst eine Figur wirklich etwas bedeutet oder ich wirklich mitgefühlt hätte. Es kommen sehr viele Figuren vor, doch keine lässt wirklich in ihr Innerstes blicken und selbst Rebecca ist mir leider nicht wirklich ans Herz gewachsen. Insgesamt bin ich froh, dass ich drangeblieben bin, hätte mir jedoch stellenweise ein bisschen mehr Besonderheit gewünscht.

Bewertung vom 15.01.2024
Wellness
Hill, Nathan

Wellness


sehr gut

Nathan Hill hat mit Wellness einen wirklich kurzweiligen und nachhallenden Roman geschrieben. Er webt geschickt Phänomene unserer Zeit in die Geschichte ein (z.B. Fitness/Tracking von gesundheitlichen Werten, Polyamorie, Anfälligkeit für Verschwörungstheorien), ohne dass es gewollt aktuell daherkommt - sondern alles, was Teil unserer Zeit ist, ist auch ein Teil von Jacks und Elizabeths Zeit und beeinflusst ihr Leben und ihr Miteinander auf natürliche und nicht immer einfache Weise.

Immer wieder werden auch Szenen aus der Vergangenheit bzw. Kindheit und Jugend von Jack und Elizabeth beschrieben, sodass wir zunehmend verstehen, wieso sich beide in bestimmten Situationen so verhalten, wie sie sich verhalten, und wie ihr Miteinander zu dem geworden ist, was es ist. Das ist psychologisch wirklich gut gemacht und interessant. In meiner Wahrnehmung hat dieser Aufbau jedoch auch dazu geführt, dass Jack und Elizabeth meist als einzelne Figuren und nur selten zeitgleich als Paar im Roman auftauchen. Ihr tatsächliches Miteinander blieb so für mich im Hintergrund, sodass ich bzgl. ihres weiteren Schicksals als Paar gar nicht so sehr mitgefiebert habe (für ihr jeweiliges Glück als Einzelpersonen jedoch schon). Ich bin mir nicht sicher, ob Nathan Hill das beabsichtigt hat oder ob ich mir da mehr gewünscht hätte. Trotzdem eine klare Leseempfehlung für alle, die einen unterhaltsamen und zugleich gehaltvollen, aktuellen Gesellschaftsroman lesen möchten.

Bewertung vom 09.10.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


sehr gut

Nach der Leseprobe war ich sehr gespannt auf Alex Schulmans „neuen“ Roman (der ja tatsächlich schon vor vier Jahren erschienen ist). Ich war gespannt auf seine eigene Reise, zu den Wurzeln zu seiner Wut.
Wir folgen ihm dann auf seiner Recherche durch seine Familiengeschichte. Zwischendrin werden Kapitel eingeschoben, die ein entscheidendes Jahr in der Beziehung seiner Großeltern beschreiben. Am Anfang fand ich es etwas schleppend, weil ich weder Geschichte noch Schreibstil sehr besonders fand. Doch nach und nach wollte ich wissen, wie es weitergeht. Die Geschichte hat mich doch noch in den Bann gezogen, weil es eine wahre Geschichte ist, die sich bis auf die heutige Generation in Schulmans Familie auswirkt. Ich weiß nicht, ob die gleiche Geschichte mich noch beschäftigen würde, wenn sie rein fiktional gewesen wäre. Wer sich über Familiengeschichten und Konflikte zwischen Generationen interessiert, wird dieses Buch jedoch bestimmt gern lesen.

Bewertung vom 25.08.2022
Intimitäten
Kitamura, Katie

Intimitäten


sehr gut

„Intimitäten“ von Katie Kitamura beginnt sanft und entfaltet sich kaum merklich zu einem aufwühlenden Roman, der mich jedoch mit offenen Fragen zurücklässt.
Zunächst einmal: die Sprache ist wunderbar und anspruchsvoll. Kitamura gelingen tolle Beschreibungen von Momenten, Begegnungen (und Gemälden). Sie hat eine feine Beobachtungsgabe für das Unsichtbare im Leben. Immer wieder gibt es Szenen, Begegnungen, Gedanken der Protagonistin, die sich bedeutungsschwer anfühlen, wie eine Schlüsselszene für das Kommende. Doch im Nachhinein löst sich das niemals ein, das in mir als Leser Ausgelöste verpufft. Rückblickend sehe ich den Zusammenhang der einzelnen Ereignisse nicht ganz. Manche Figuren erscheinen mir sinnlos (wenn auch interessant!). Und ich weiß nicht, was eigentlich die Intention der Autorin war, was sie mit diesem Roman aussagen wollte. Ich denke noch darüber nach, ob das wichtig ist, denn insgesamt fand ich diesen Roman wunderbar geschrieben, und die einzelnen Seiten haben mich teilweise tief berührt und nachdenklich gemacht.

Bewertung vom 03.06.2022
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


ausgezeichnet

„Bekenntnisse eines Betrügers“ ist der erste Roman von Rahul Raina und macht Lust auf mehr. Am Anfang hat sich die Story für mich noch ein wenig überladen angefühlt, doch als ich mich an das rasante Tempo und den Detailreichtum gewöhnt hatte, las sich der Roman wie ein Kinofilm - und ich wette, genau das wird er auch bald werden. Es ist zugleich eine humorvolle Satire über Indien, aus der doch die Liebe zu diesem Land spricht. Rahul Raina spielt ein Klischee nach dem anderen aus (ohne klischeehaft zu sein!), und bestätigt es voller Humor und scharfzüngiger Intelligenz. Hier schreibt jemand, der auch über sich selbst lachen kann, und das macht das Buch so sympathisch, auch wenn sich die Charaktere alle Mühe geben unsympathisch zu sein (sie sind herrlich!).
Wer einfach mal den Alltag vergessen und in eine gut ausgeklügelte, rasante, witzige Kinogeschichte einsteigen will, ist hier goldrichtig.

Bewertung vom 17.03.2022
Chopinhof-Blues
Silber, Anna

Chopinhof-Blues


ausgezeichnet

„Chopinhof-Blues“ ist ein sehr gutes Debüt von Anna Silber, das durchaus auch in einem größeren Verlag hätte erscheinen können. Ich hoffe, dass es weite Kreise zieht.
Die Sprache ist sehr ausgefeilt und hat zugleich einen ganz eigenen Ton. Anna Silber lässt uns für eine Weile am Leben von Katja (und ihrem Bruder), Ádám (und seiner Frau und seinem besten Freund), Esra (und ihrer Mitbewohnerin) teilhaben. Die Figuren sind lebendig, wir lernen ihre Ängste kennen, ihre Sorgen und ihre Träume. Wir verstehen, warum sie sich so verhalten, wie sie es tun, uns wünschen ihnen so sehr, dass sie für sich gute Entscheidungen treffen. Als am Ende alle einander im Chopinhof bei einem Kindergeburtstag begegnen, gleichen die Szenen einem Theaterstück. Wir sehen die Figuren nun auch aus den Augen der anderen Figuren und erkennen darin so unzweifelhaft eben jene, dass es zugleich unangenehm und höchst amüsant ist. Wirklich großes Kino - tolles Debüt!

Bewertung vom 15.03.2022
Die Diplomatin
Fricke, Lucy

Die Diplomatin


gut

„Die Diplomatin“ von Lucy Fricke lässt sich sehr zügig lesen - in nur zwei Stunden war ich durch. Der große Pluspunkt ist dabei nicht nur die geübte Sprache der Autorin, sondern auch die Tatsache, dass es nicht langweilig gewesen ist, sondern mich als Leser beinahe unbemerkt bis zum Ende getragen hat.
Die politischen und diplomatischen Hintergründe sind sehr verständlich für Außenstehende dargestellt. Jemand, der kaum Berührungspunkte mit solchen Themen hat, fühlt sich definitiv nicht überfordert. Immer noch aktuelle Themen werden angerissen, bieten eine Grundlage dafür, sich bei Interesse selbst weiter damit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig werden die moralischen Zwickmühlen der Diplomatie gut ausgearbeitet.
Was mir leider nicht gut ausgearbeitet erschien, waren die Figuren selbst. Fred (die Hauptfigur) kam mir austauschbar vor, als Trägermaterial für die Geschichte drum herum. Ja, sie weiß sich zu wehren und trifft Entscheidungen, doch was sie wirklich antreibt und sie so entscheiden lässt, wie sie es tut, das kommt einfach nicht raus. An manchen Stellen erschien mir das Erzählte beinah willkürlich. Im letzten, kurzen Teil des Romans begleiten wir die Hauptfigur noch mit in ihre Heimat und das erschien mir beinahe unnötig, denn die Geschichte war ein paar Seiten vorher bereits auserzählt.

Bewertung vom 01.03.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


ausgezeichnet

Schon auf den ersten Seiten von Aja Leuthners „Via Torino“ war ich verliebt ihn ihren Schreibstil. Sie schreibt wortgewandt, mit ganz eigenen Bildern, wie eine kluge und zugleich warmherzige Beobachterin. Nicht nur die drei Hauptfiguren, sondern auch die Nebenfiguren sind eindringlich dargestellt, sie und ihre Geschichten gehen nah und hallen nach. Ich fühle mich, als hätte ich sie wirklich kennengelernt und Zeit mit ihnen verbracht. Die Geschichte ist auch clever aufgebaut, so dass zwischen den Kapiteln aus wechselnden Perspektiven und Zeitpunkten immer gerade so viel angedeutet wird, dass neue Fragen auftauchen, die man unbedingt durch Weiterlesen beantworten will.
Einziges Manko: ich war mir vor allem zu Beginn nicht immer gleich sicher, ob wir uns gerade in Deutschland oder in Italien befinden und auch bei „Mutter“ und „Tochter“ musste ich immer wieder kurz überlegen, wer gerade gemeint ist, je nachdem, aus wessen Perspektive gerade geschrieben wurde. Trotzdem empfehle ich dieses Buch uneingeschränkt, es war eine große Lesefreude!