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digitus
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Schwäbische Alb

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2024
Broken Crystal
Miller, Tobias

Broken Crystal


sehr gut

Reichweite um jeden Preis

Die junge Crystal MacCray hat sich einer Klimaaktivisten-Gruppe angeschlossen. Das wäre noch nichts Besonderes wenn nicht ihre milliardenschweren Eltern sie gerne wieder zurück nach Hause holen würden, sie durch ihre Drogenabhängigkeit unberechenbar wird und sich die Gruppe im Kampf um Reichweite zu einer terroristischen Vereinigung entwickelt.

Ein alternder Legionär wird auf die junge Frau angesetzt, soll sich in die Gruppe der Ökoaktivisten einschleichen. Er merkt bald, dass die Sache außer Kontrolle gerät. Ein ominöser Sponsor kommt ins Spiel, der eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt und ein neuer Aktivist taucht auf, der die Führung der Gruppe übernimmt und eine noch nicht gekannte mörderische Konsequenz in die Aktionen bringt.

Die Rahmenhandlung dieses Thrillers ist ein Interview an einem konspirativen Ort, in dem der Agent seine Geschichte erzählt und warum er ganz oben auf der Fahndungsliste des FBI steht.

Tobias Miller ist ein Meister seines Fachs. Das Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute. Auch wenn nicht alles aufgelöst wird, eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 23.09.2024
Bis in alle Endlichkeit
Kestrel, James

Bis in alle Endlichkeit


ausgezeichnet

Film Noir im 21. Jahrhundert

Schon das letzte Buch von James Kestrel "Fünf Winter" war so fesselnd, dass ich es kaum aus den Händen legen konnte. Deswegen hatte ich große Erwartungen an "Bis in alle Endlichkeit". Und während "Fünf Winter" in der Zeit des 2. Weltkrieges spielte, bewegt sich die Geschichte des Privatdetektivs Lee Crowe in der Jetztzeit.

Claire Gravesend liegt tot auf einem verbeulten Luxusauto in einem herumtergekommenen Viertel von San Francisco. Crowe wird von der Mutter der Toten beauftragt, die Umstände des Todes zu erhellen. Und während die Polizei von einem Selbstmord ausgeht, verdichten sich für Crowe die Hinweise auf ein Tötungsdelikt.

Letztlich geht es um Menschen, die um jeden Preis Alterung und Tod vermeiden wollen und dabei auch über Leichen gehen.

Ungemein spannend, toll konstruiert und meisterhaft erzählt. Absoluter Lesetipp.

Bewertung vom 12.08.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


ausgezeichnet

Fliehen oder Kämpfen?

Wir begegnen auf den ersten Seiten des Buches Benjamin Oppenheim, einen Züricher Juden, verheiratet und zusammen lebend mit Marina und den Kindern, auch wenn sie schon voneinander getrennt sind und er viel Zeit bei seiner Freundin Julia verbringt.

Das zentrale Thema ist Angst, Angst vor einem Krieg, der im Osten bereits tobt und der näher rücken könnte. Angst davor, dieser Bedrohung begegnen zu müssen, zu fliehen oder zu kämpfen.

Und Ben, ein eher glück- und brotloser Drehbuchautor wirkt völlig verloren in dieser Welt. Die beiden Frauen in seinem Leben sind die Lebenspraktischen.

So organisiert Marina schließlich die Flucht der Familie nach Brasilien, wo sich Ben als Wiedergänger von Stefan Zweig erlebt.

Und so geht es in diesem Roman um Existenz und Identität, um Flucht oder Standhalten, Heimat und Nomadentum, Herkunft und Zukunft, Aufbruch und Ankunft. Mit dem Link zum Angriffskrieg auf die Ukraine hat der Roman eine bedrückende Aktualität.

Lewinsky hat eine sehr gewinnende Erzählweise. Mir hat die Lektüre Freude gemacht. Ein eher stilles aber sehr intensives Buch.

Bewertung vom 15.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


ausgezeichnet

Mich hat schon das Cover gefangen, tolles geheimnisvolles Gesicht mit 30s-Make-Up und ein klassischer Drei-Buchstaben-Namen als Titel.

Und von Anfang an toll erzählt, immer aus der Sicht eines Protagonisten bzw. einer Protagonistin.

Eve fährt nach Hollywood und mischt dort die Reichen und Schönen auf. Es ist die Zeit, in der der seinerzeit teuerste Film und der kommerziell erfolgreichste Film der Geschichte gedreht wird: "Vom Winde verweht".

Eve freundet sich mit Olivia de Havilland an, und als diese durch freizügige Fotografien, deren Entstehung sie nicht erklären kann, erpresst wird, macht sich Eve - unterstützt von einem alternden Ermittler - auf die Jagd nach dem Erpresser.

Das alles ist so fesselnd erzählt, dass man den Band kaum aus der Hand legen möchte. Die Personen werden plastisch geschildert ...

Eine wunderbare Mischung aus satirisch anmutender Gesellschaftsskizze des Vorkriegsamerika und einer spannenden Kriminalgeschichte.

Lesetipp.

Bewertung vom 20.06.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


ausgezeichnet

Ein toller Roman für die Generation X

Für mich als "Zeitgenosse" der beiden Protagonisten in "Man sieht sich" ist dieses Buch ein echtes Vergnügen, weil ich vieles wieder entdeckt und wieder erkannt habe.

Friederika und Robert könnten Schulkamerad:innen sein. Den Soundtrack zu diesem Buch findet man erst, wenn man es fertig gelesen hat, weil er sich auf den hinteren Vorsatzseiten findet. Er läuft bei mir (als Spotify-Playlist) gerade auf Heavy Rotation ... hach ...

Alle, die heute in ihren 50ern sind, werden sich in diesem Buch wiederfinden. Die beiden Hauptfiguren sind plastisch und sympathisch geschildert, die Situationen in die sie geraten, ebenso. Der Roman ist - selbst wenn Schweres geschildert wird - ein Wohlfühlbuch, das einen als Leserin und Leser mitnimmt.

Für mich schon jetzt das Buch des Jahres 2024. Dass etliche Rezensionen Längen beklagen, kann ich nicht so recht nachvollziehen; mir erscheint das, was man als Länge sehen kann, stimmig und gut. Genau wie auch das Happy End ...

Bewertung vom 25.05.2024
Allzumenschliches
Meurisse, Catherine

Allzumenschliches


weniger gut

Halbgar

Eigentlich eine witzige Idee, die Botschaften der großen Philosophinnen und Philosophen in zweiseitige Comics zu packen. Eine Art "Sophies Welt" für Graphic-Novel-Conaisseurs.

Die Leseprobe hatte Appetit auf mehr gemacht, aber dann springt der Funke nicht über.

Als Leser habe ich mich durch die Bildergeschichten gequält. Nur wenn man zumindest Halbwissen über die Werke der erwähnten Philosophinnen und Philosophen hat, kann man die Pointen erahnen.

Und ja: Catherine Meurisse ist eine großartige Künstlerin, das Handlettering von Olav Korth ist stimmig, das Cover mit dem Caspar-David-Friedrich-Zitat ist eine Wucht, aber das ist - zumindest für mich - schon alles. Schade.

Vielleicht habe ich aber einfach den richtigen Zugang nicht gefunden. Mir hat die Lockerheit gefehlt um allgegenwärtig vorhandene philosophische Inhalte ins Leben zu holen ... Schade.

Bewertung vom 08.04.2024
Was das Meer verspricht
Blöchl, Alexandra

Was das Meer verspricht


ausgezeichnet

Die Welt bleibt stehen

Ganz große Klasse. Für mich (bis jetzt) mein Buch des Jahres.

Alexandra Blöchl erzählt die Geschichte von Vida (nicht umsonst mit der Konnotation "Leben", die auf einer kargen und einsamen Nordsee-Insel lebt und im Laden ihrer Eltern arbeitet. Sie soll den Sohn vom Nachbarhof heiraten. Alles scheint auf leidlich zufriedenstellende Art vorgezeichnet.

Und dann taucht eine junge Frau auf, die den verlassenen Hof in Sichtweite gekauft hat und herrichtet. Was als schüchternes Herantasten beginnt, entwickelt sich zur Liebesbeziehung zwischen den jungen Frauen, die Horizonte eröffnet, aber auch viel infrage stellt.

Und dann kehrt Vidas Bruder Zander auf die Insel zurück und spätestens ab diesem Zeitpunkt ist nichts mehr wie es war.

Die Autorin zeichnet ihre Figuren plastisch und lässt uns tief in das Seelenleben der Ich-Erzählerin blicken. Das Buch ist ebenso anregend wie packend.

Absoluter Lesetipp.

Bewertung vom 31.03.2024
Sommerhaus am See
Poissant, David James

Sommerhaus am See


sehr gut

Dieses immense Licht

David James Poissant ist ein begnadeter Erzähler, der in diesem Buch eine Familiengeschichte erzählt und dabei vor allem die Abgründe der Protagonistinnen und Protagonisten erzählt.

Wir lernen das Elternpaar Lisa und Richard kennen, im bzw. kurz vor dem Ruhestand, sowie ihre Kinder Michael und Thad mit den jeweiligen Partner:innen.

Alle werden ausführlich vorgestellt und so geschildert dass man sie förmlich vor sich sieht. Viel Unausgesprochenes, viel Leidvolles, viel Unerlöstes ...

Dass es am Ende trotz aller Zerrissenheit ein Happy End gibt, ist nicht unschlüssig, lässt mich aber dennoch irgendwie unzufrieden zurück. Ein offeneres Ende wäre mir stimmiger erschienen, aber es ist wie es ist.

Die Meisterschaft von Poissant und seiner Übersetzerin Sibylle Schmidt wird auf jeder Seite deutlich und deswegen ist das "Sommerhaus am See" trotz der Einschränkung ein Lesetipp

Bewertung vom 18.03.2024
Der Wald
Catton, Eleanor

Der Wald


sehr gut

Sei löwenkühn und stolz

Ganz offenkundig soll dieses Buch zum Bestseller aufgebaut werden mit einer großen Anzeigenkampagne in Printmedien und sozialen Netzwerken. Seit ein paar Tagen kann man dem Titel kaum mehr ausweichen ...

Aber "Der Wald" ist packend geschrieben. Er lebt von der plastischen Schilderung seiner Protagonist:innen: Mira und Shelley, zwei Aktivistinnen einer neuseeländischen Guerilla-Gardening-Initiative, Tony, einem Ex-Aktivisten, dem der Kurs der Initiative inzwischen zu lax und zu unpolitisch ist und schließlich Robert, einem aalglatten Milliardär, aus den USA, der hauptsächlich seinen eigenen Vorteil im Blick hat.

Klingt nach einer Idealismus vs. Kapitalismus Geschichte, die man in unterschiedlichen Plattitüde-Stufen schon x-mal gelesen hat. Das Spannungsfeld Umweltschutz gegen Profit zieht sich durch die über 500 Seiten.

Der nuancierten Erzählweise der Booker-Preisträgerin Eleanor Catton und der Übersetzung durch Meredith Barth und Melanie Walz ist es zu verdanken, dass das Buch nie langweilig wird und selbst der Bösewicht bei aller Kaltschnäuzigkeit und allem Zynismus liebenswerte Züge bekommt.

Für mich (trotz der Marketingkampagne, die mich eher irritiert) ein Lesetipp.

Bewertung vom 05.03.2024
Elyssa, Königin von Karthago
Vallejo, Irene

Elyssa, Königin von Karthago


ausgezeichnet

Troja und Karthago - Aeneas und Elyssa

Das Buch hat ein wunderschön gestaltetes, aufwändig teils golden gedrucktes und typisch klassisches Diogenes-Verlag-Cover. Schon allein das spricht mich an ...

Und dann erzählt die spanische Autorin Irene Vallejo ebenso poetisch wie wortgewaltig die Aeneis neu. Aus weiblicher Sicht bekommen die ewig aktuellen Themen Krieg, Flucht und Liebe neue Akzente.

Die einzelnen Kapitel werden jeweils aus der Sicht der Protagonist:innen erzählt: Aeneas, Anna (ein Flüchtlingsmädchen, das von der Königin aufgenommen wurde und prophetische Fähigkeiten hat) sowie Elyssa, die Königin von Karthago. Und dann spielt auch noch Eros, der Gott der Liebe, bei dieser Inszenierung mit, schaut zu, lenkt und kommentiert.

Zwischendrin kommt noch Vergil, der Dichter selbst zu Wort, der mit seiner Rolle als von Kaiser Augustus abhängiger Hofdichter hadert und mit einer Schreibhemmung kämpft.

Mich hat selten ein Buch so gefangen genommen. Ich konnte es kaum aus der Hand legen und bin tief eingetaucht in diese im Wortsinne sagenhafte Handlung.

Für mich bereits jetzt mein Buch des Jahres!

Die teils drastischen Schilderungen des Krieges sind stimmig, aber nichts für Zartbesaitete. Dennoch ist das Buch eine gleichermaßen inspirierte wie inspirierende Lektüre.

Volle Punktzahl und unbedingter Lesetipp.