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H.8
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Kassel

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 05.03.2025
Dunkle Momente
Hoven, Elisa

Dunkle Momente


ausgezeichnet

Schwarz und Weiß

Bei einem Gewaltverbrechen ist es die Aufgabe der Verteidigung, sich mit der Tat und der Motive des Täters auf eine ganz andere, vielleicht noch intensivere, Art und Weise auseinanderzusetzen. Eine solche Strafverteidigerin ist Eva Herbergen. Sie hinterfragt die Taten, die Persönlichkeit und die Umstände des Angeklagten. Dabei ist die Schuldfrage auch bei Indizien und Beweisen nicht immer leicht zu klären.

In "Dunkle Momente" werden neun Fälle mit teilweise realem Hintergrund erzählt. Für Autorin Elisa Hoven ist es ihr Debüt. Hauptberuflich ist sie Professorin für Strafrecht und gibt dem Buch durch ihr fundiertes juristisches Wissen eine ganz besondere Note. Es wird deutlich, dass man niemanden in Schwarz und Weiß einteilen kann, es nicht nur eine Wahrheit gibt und somit Gerechtigkeit nicht immer rechtens ist.
Dieses Buch ist aufwühlend, spannend, erschütternd und regt zum Nachdenken an.

Bewertung vom 19.02.2025
Die Allee
Anders, Florentine

Die Allee


sehr gut

Star-Architekt

In den 1930er Jahren lernt der junge aufstrebende Architekt Hermann Henselmann die zehn Jahre jüngere Isi kennen, deren Traum es ist auch Architektin werden zu können. Als Isi volljährig ist, heiraten die beiden. Anstatt eine eigene Karriere zu beginnen, bekommt Isi insgesamt acht Kinder mit Hermann und unterstützt ihn bei allen seinen beruflichen Vorhaben. Nach dem Krieg wird er erst Direktor der Bauhaus Universität in Weimar, später Vorreiter der Stadtplanung Ost-Berlins.

"Die Allee" beschreibt die Geschichte einer Familie von ihren zarten Anfängen bis zum Tod des Patriarchs sozusagen von innen heraus, denn Autorin Florentine Anders ist die Enkelin Hermann Henselmanns. Ihre Mutter Isa war eins der acht Kinder der Henselmanns. Allerdings litten die Kinder unter ihrem berühmten Vater sehr. Er war jähzornig, cholerisch und schnell wütend. Dabei schreckte er auch vor Gewalt gegenüber den Kindern nicht zurück. Seiner Frau, mit der er bis zu seinem Tod im Alter von 95 Jahren verheiratet war, war er untreu, hielt seine Affären nicht mal vor ihr geheim.
Hinter solchen Charakterzügen geraten die Entwürfe für prägende Gebäude wie den Berliner Fernsehturm schnell ins Hintertreffen und schmälern aus meiner Sicht den Ruhm als bekannter DDR-Architekt immens.
Nichtsdestotrotz ist "Die Allee" flüssig und spannend zu lesen und informiert über ein großes Stück deutscher Architektur- und Familiengeschichte.

Bewertung vom 18.02.2025
Russische Spezialitäten
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


sehr gut

Muttersprache

Im kleinen Magasin von Dmitrijs Eltern in Leipzig scheint die russische Welt noch heil zu sein. Die Kunden freuen sich über ihr russisches Kleinod und das Heimatgefühl, das die sowjetischen Waren bei ihnen auslösen. Dabei hadert Dmitrij aktuell mit seiner Muttersprache mehr denn je. Denn in seiner Geburtsstadt Kiew, ist die russische Sprache seit Putins Angriffskrieg nicht mehr gern gehört. Umso mehr schmerzt es ihn, wenn seine Mutter russische Propaganda schaut und die Augen vor der Realität verschließt.

"Russische Spezialitäten" ist ein herzerwärmender Roman über die Liebe zur Heimat und die Spaltung der russisch-ukrainischen Welt. Dabei trifft Kapitelman meiner Meinung nach genau den richtigen Ton in einer Mischung aus Wehmut, Verbundenheit und Realität.
Das zentrale Element ist immer wieder die Sprache und die Bedeutung, die dahinter steht, die so oft vieldeutig ist und dabei auch so viel Schaden anrichten kann. Wer bei diesem Buch nur Melancholie erwartet, irrt sich. Denn es ist dem Autor gelungen zu seinem Scharfsinn auch eine ordentliche Prise Humor mit einfließen zu lassen und auf viele Anekdoten trotz aller Tragik mit einem zwinkernden Augen zu schauen.

Bewertung vom 12.02.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


ausgezeichnet

Jugenderfahrungen

Am ersten Tag der großen Ferien steht der 15-jährige Christoph Kramer auf einer Party seiner großen Liebe Debbie gegenüber. Der schüchterne Junge tut sich schwer Debbie seine Gefühle zu gestehen und doch kommt es irgendwie zu seinem ersten Kuss überhaupt. Dabei schien Debbie doch immer so unerreichbar für ihn. Meint sie es wirklich ernst?

Der frühere Fußballprofi und Weltmeister Christoph Kramer schreibt über seine persönlichen Erfahrungen als Teenager im Jahrhundertsommer 2006. "Das Leben fing im Sommer an" ist ein gefühlvolles und atmosphärisches Buch über Teenagersorgen, die erste Liebe und die scheinbar unendliche Freiheit der Jugend. Die Charaktere der Jugendlichen werden vielschichtig dargestellt. Tiefgründige Dialoge darf man nicht erwarten, wären aber auch in diesem Zusammenhang unpassend. Mir hat das Buch insgesamt sehr gut gefallen und dadurch Lust auf den Sommer bekommen!

Bewertung vom 12.02.2025
»Wenn Ende gut, dann alles« / Svetlana und Tommi ermitteln Bd.1
Klüpfel, Volker

»Wenn Ende gut, dann alles« / Svetlana und Tommi ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Tolles Team

Der mehr oder weniger erfolglose Schriftsteller Tommi lebt im alten Wohnmobil seines Vaters. Gemeinsam mit dem Wohnmobil hat er auch Putzfrau Svetlana übernommen, die sich regelmäßig um seinen kleinen Haushalt kümmert. Bei dieser Gelegenheit hat sie auch das kleine hilflose Mädchen am Waldrand entdeckt, derer sich die beiden angenommen haben. Die Kleine wird in einem Heim untergebracht und Svetlana und Tommi machen es sich nun zur Aufgabe die Mutter zu finden.
"Wenn Ende gut, dann alles" ist ein humorvoller und anekdotenreicher Krimi wie man ihn von Volker Klüpfel erwartet. Svetlanas ukrainischer Akzent ist ausgeklügelt umgesetzt und macht aus ihr eine ausgesprochene sympathische und herzliche Person. Überhaupt sind die Charaktere alle besonders detailliert und breitgefächert dargestellt, sodass sie durch ihre Eigenheiten die Geschehnisse bereichern. Ich hoffe, es wird in Zukunft noch mehr Ermittlungen für dieses außergewöhnliche Team geben!

Bewertung vom 30.01.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


ausgezeichnet

Trauerbewältigung

Für Marlene ist eine Welt zusammen gebrochen. Jahrzehntelang war sie glücklich mit ihrem Mann Rolf verheiratet. Als er jedoch eine Tumordiagnose bekommen hat, bringt er sich selber um - alleine, ohne Marlene mitzunehmen.
Für die Witwe beginnt eine Zeit voller Trauer, Wut und Unverstehen. Den erhofften Abschiedsbrief hat Rolf bei Marlenes bester Freundin weit weg in Wien deponiert. Wie gut, dass ihr ehemaliger Schüler Jack ihr behilflich ist und mit ihr die Reise zu den offenen Fragen antritt.

Dieses Buch hat mich schwer beeindruckt! Die Geschichte hat mich abgeholt und mitgenommen in nachvollziehbare Emotionen und Handlungen. Es besticht durch seine Einfachheit und gleichzeitige Komplexität, die die Gefühlsregungen mitsich bringen.
Die Hauptfigur Marlene ist darüberhinaus sehr sympathisch und menschlich und es gibt bei all der Trauer trotzdem auch immer wieder Situationen, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Bewertung vom 29.01.2025
Klapper
Prödel, Kurt

Klapper


ausgezeichnet

Teenager

Bär ist neu in Klappers Klasse. Klapper ist der Außenseiter. Nur Bär, das große selbstbewusste Mädchen, will etwas mit ihm zutun haben. Seine größte Leidenschaft sind Computerspiele. Auch Bär versteht etwas davon. Gemeinsam bauen sie an ihrer eigenen virtuellen Welt. Zuhause läuft es für die beiden auch nicht gut. Jeder hat seine Probleme. Nur darüber reden fällt ihnen schwer.

Dieses Buch erzählt eine Geschichte von Teenagern in der Schwebezeit zwischen Kind sein und Erwachsen werden, wie sie tausend- wenn nicht millionenmal auf der Welt vorkommt. Aber für Klapper ist es etwas besonderes, denn es ist seine Geschichte, die eines Einzelgängers. Einer Person, die von seiner Umwelt selten und wenn dann nur negativ wahrgenommen wird. Nur Bär scheint das alles nicht zu interessieren, so wie sie sich generell häufig über Konventionen hinwegsetzt.
"Klapper" ist ein sehr lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt und noch eine Weile nachhallt.

Bewertung vom 13.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


sehr gut

Große Dialoge

Der bekannte Schriftsteller von Liebesromanen, Eduard Brünhofer, lernt während einer Zugfahrt die mittelalte Catrin kennen. Es entspinnt sich ein Gespräch, das über eine normale Unterhaltung zwischen Fremden hinausgeht und vor allem seitens Catrin werden viele intime und direkte Fragen gestellt. Und am Ende nimmt das Gespräch eine Wendung, die zu keiner Zeit vorhersehbar war.

"In einem Zug" ist ein sehr philosophisches Buch und lebt von seinen Dialogen, die den Großteil ausmachen. Unterbrochen werden diese Dialoge nur hin und wieder durch die Gedanken Brünhofers zum Gespräch. Ohne es zu beabsichtigen zieht er dabei tiefgründige Schlüsse über die Liebe, Beziehungen und das Leben im Allgemeinen. Man lernt zwei sehr gegensätzliche Persönlichkeiten kennen und verstehen und hat ab einem gewissen Punkt das Gefühl, selbst ein Reisender durch die eigenen Gedanken zu sein.

Bewertung vom 10.01.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


ausgezeichnet

Toll erzählt

Franz Escher wartet in seiner Wohnung auf den Elektriker, der ihm eine neue Steckdose anbringen soll. Während er wartet, beginnt er ein Buch über einen Mafia-Aussteiger zu lesen. Dieser sitzt im Gefängnis und liest ein Buch. Im Buch des Mafioso geht es um einen Franz Escher, der auf den Elektriker wartet.

Wolf Haas ist die große Kunst gelungen zwei ineinander verwobene Geschichten zu erzählen, wobei diese eigentlich gar nicht getrennt sondern als eins anzusehen sind und aufeinander aufbauen. Obwohl das Buch sehr harmlos beginnt, ist der Schreibstil sehr gut zu lesen und baut schnell Spannung auf. Beim Versuch das Konstrukt zu durchdenken, stößt man schnell an seine Grenzen, aber das macht den Reiz von "Wackelkontakt" aus. Es handelt sich dabei um keinen richtigen Krimi, aber auch um keine normale Erzählung. Mir hat dieses Buch ausgesprochen gut gefallen und ich bin begeistert von dieser Idee und ihrer Umsetzung!

Bewertung vom 03.01.2025
Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
Decker, Anika

Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben


ausgezeichnet

Aus dem Leben

Nina ist mit knapp 50 Jahren nah an den Wechseljahren und seit ihrer Scheidung steht ihr Liebesleben eher auf dem Abstellgleis. Bis sie bei einer Feier ihres Ex-Mannes und dessen junger neuer Frau den 30-jährigen David kennen lernt und alle Prinzipien über Bord wirft.
Doch anstatt sich für Ninas wiedergefundenes Selbstbewusstsein und Körpergefühl zu freuen, macht ihr Familie ihr eher Vorwürfe und Vorhaltungen.

Anika Decker ist ein grandioser und realitätsnaher Roman gelungen, der jede Menge Lebenswitz und Humor beinhaltet, ohne dabei ins Lächerliche zu rutschen.
In den Protagonistinnen kann man sich durchaus wiederfinden und ihre Probleme und Gefühle nachvollziehen.
Es werden vor allem unterrepräsentierte weibliche Themen angesprochen, sowie die Metoo-Bewegung unterstützt. Damit gelingt auch der schwierige Spagat zwischen Unterhaltung und der Anregung zum Nachdenken. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung, weil es viel mehr dieser Bücher geben sollte!