Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1979 Bewertungen
Bewertung vom 16.12.2024
Unmöglicher Abschied
Kang, Han

Unmöglicher Abschied


ausgezeichnet

Das Ereignis, über das nicht gesprochen werden durfte

Als Han Kang den Literaturnobelpreis gewann war ich sehr erfreut und liest man auch nur die ersten 60 Seiten ihres neuen Romans, erkennt man, wie verdient das war.

Die Protagonistin reist ihrer guten Freundin zuliebe, die im Krankenhaus liegt, von Seoul zu deren Haus auf der Insel Jeju, um ihren Vogel zu versorgen. Es ist eine beschwerliche Reise durch unwirtliches und winterliches Gebiet, fast eine Odyssee, die sie mit Flugzeug, Bus und zuletzt zu Fuß durch die Nacht unternimmt. Dabei kommen ihr viele Erinnerungen.
Schon bald wird angedeutet, dass viele Menschen, die hier leben, viele ihrer Verwandten verloren haben, denn kurz vor Beginn des Koreakriegs kam es zu Massakern an der Bevölkerung. Das Jeju-Massaker 1948 war ein Ereignis, das verschwiegen wurde.
Han Kangs Prosa bricht einmal mehr das Schweigen, wie sie es schon in Menschenwerk tat.
Literatur aus Südkorea kann für viele Leser etwas sehr Spezielles sein, aber Han Kangs bringt universell gültiges ein.

Der Roman hat kontemplative Momente, er ist sehr verinnerlicht und nachdenklich. Das hat mir in dieser Form sehr gut gefallen.

Bewertung vom 11.12.2024
Paradies
Morrison, Toni

Paradies


sehr gut

Paradies ist der erste Roman, den Toni Morrison veröffentlichte, nachdem sie den Literaturnobelpreis bekam. Die Erwartungen waren hoch. Umso schöner, dass das Buch jetzt neu rausgebracht wurde.

Das Buch zeigt Oklahoma und eine Stadt mit ungewöhnlicher Geschichte. Der Anfang ist drastisch. Dann wird auch die Vorgeschichte gezeigt und damit die Charaktere eingeführt. Das sind insbesondere einige Frauen, die in einem Kloster nahe dieser Stadt leben. Man lernt sie und ihr oft hartes Schicksal im Verlaufe des Buches gut kennen.
Es ist kein einfaches Buch, doch eins, über das man lange nachdenken kann.
Ich würde es in der mittleren Bedeutung von Toni Morrison einordnen. Damit ist es auf jeden Fall lesenswert.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle endlich auch mal erwähnen, wie ansprechend die Cover der Neuausgaben von Toni Morrison gestaltet sind.

Bewertung vom 10.12.2024
Liebe
Morrison, Toni

Liebe


ausgezeichnet

Die bewundernswerte amerikanische Schriftstellerin Toni Morrison war nicht umsonst eine Literaturnobelpreisträgerin, denn die Handlungen ihrer Bücher sind hochkomplex gestaltet. Das gilt auch für Liebe.
Es dauert eine Weile, bis man die Zusammenhänge in den Schilderungen herausfindet. Das ist auch ein Reiz des Buches. Vielleicht ist es aber auch der Grund, warum Liebe eines der weniger bekannten Bücher von Toni Morrison ist.

Außerdem sind die Figuren sehr interessant. Es sind vorwiegend Frauen: Heed, Christine, May, Junior. Dann ist da noch eine Frau, die sich nur L nennt.
Die vielleicht eigentliche Hauptfigur ist Bill Cosey und schon zu Beginn des Buches verstorben.
Zentral wird dann aber die Beziehung zwischen Heed und Christine. Einst Freundinnen, später Feinde, leben sie lange zusammen in einem Haus.

Toni Morrison zeigt die Figuren in aller Tiefe und auch ihre schwierigen Beziehungen.

Fazit: Eine komplizierte, aber meisterhafte Romankomposition und Figuren, die man so schnell nicht vergisst.

Bewertung vom 02.12.2024
Zweckfreie Kuchenanwendungen
Jo-Ann, Yeoh

Zweckfreie Kuchenanwendungen


sehr gut

Sukhin und Jinn

Es ist interessant, mal einen Roman aus Singapur zu lesen. Ein Glossar am Ende des Buches hilft einen bei einigen speziellen Begriffen.
Yeh Jo-Ann hat einen skurrilen Sinn für Humor. Das äußert sich vor allen durch den Protagonisten, den Lehrer Sukhin.
Sukhin ist ein eigenwilliger Typ, aber dafür habe ich viel übrig.
Elementar für die Handlung ist die liebevolle Beziehung zwischen Sukhin und Jinn. Mein einziger Einwand wäre, dass Jinn als Charakter anfangs zu verhalten bleibt. Sie nimmt nicht so die Perspektive ein wie das Sukhin tut. Daher blieb sie mir anfangs fremd. Das gibt sich aber zum Ende hin.
Die Quintessenz des Buches ist das Thema, dass man die Entscheidung, wie man sein Leben gestalten will, treffen muss.

Bewertung vom 01.12.2024
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


sehr gut

Loretta Darling
Es sind die fünfzigern Jahre. Margaret aus England will unbedingt in die USA, nach Hollywood und sie ist entschlossen sich durchzusetzen. Als Maskenbildnerin für die Stars.
Das Cover gefällt mir gut und genau so, wie die Frau mit Hut und dem spöttischen Blick darauf aussieht, habe ich mir die Protagonistin beim Lesen vorgestellt.
Margarete nennt sich schließlich Loretta Darling.
Ihre originelle, schlagfertige Erzählstimme dominiert den Text. Sie nimmt die Umgebung mit kritischen Blick wahr, hat immer auch ihren Vorteil im Blick.
Das Erzähltempo ist recht hoch, das passt zur Handlung.
Katherine Blake hat einen filmreifen Stil. Man glaubt beim lesen, die Szenen direkt vor sich zu haben.
Mutig, so eine egozentrische Hauptfigur einzusetzen, das erinnert mich an Emma Clines Protagonistin aus Die Einladung.
Doch Loretta hat auch eine weiche Seite, die sich darin zeigt, dass immer wieder Briefe an ihre Schwester nachhause schreibt.Erst am Ende erfährt man dazu noch etwas entscheidendes.

Bewertung vom 30.11.2024
Freiheit
Merkel, Angela;Baumann, Beate

Freiheit


sehr gut

Ein Rückblick

Freiheit von Angela Merkel ist eine Biografie, die nicht nur Angela Merkels Karriere als Bundeskanzlerin zeigt sondern auch ihre Entwicklung von Jugend an, noch in der DDR.

Gerade dieser erste Teil hat mich schon überzeugt,

Eigentlich war ich skeptisch von der Autobiografie, doch durch Merkels Veranstaltung mit Anne Will im Deutschen Theater war ich dann doch interessiert.

Beeindruckend auch, dass Merkel wie ihr Buch selbst geschrieben hat und nicht irgendein anonymer Ghostwriter. Durch Beate Baumann hatte sie Unterstützung.

Allerdings gibt es relativ wenig Erkenntnisse. Die ganz großen Überraschungen bleiben aus.
Als Rückblick auf ein Politikerleben funktioniert es!

1 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.11.2024
Der Teezauberer
Arenz, Ewald

Der Teezauberer


sehr gut

Die Kunst des Teewegs

Ewald Arenz Buch Der Teezauberer von 2002 ist letztes Jahr auch in einer Erfolgsausgabe neu erschienen. Es ist fast mehr Novelle als Roman und erzählt von Tee wie von der Liebe.
Jakob lebt mit Marietta und seiner kleinen Tochter zusammen. Dennoch drängt es ihn auf reisen. Eine Art Midlifekrise. Er will mehr Leben und mehr neues spüren. Das könnte ihn seine Beziehung zu Marietta kosten.
Zwischen den Kapiteln sind kurze Abschnitte über die Geschichte des Teehandels eingebunden. Das ist keine schlechte Idee, doch das Buch bietet zu wenig Raum. So bleibt dieser Aspekt des Buches doch begrenzt.
Manche Sätze des Buches sind wirklich fein formuliert, manchmal ist auch Pathos zu spüren.
So ganz habe ich den Zauber nicht gespürt, aber interessiert hat mich das lesenswerte Buch sehr.

Bewertung vom 28.11.2024
Zauberberg 2
Strunk, Heinz

Zauberberg 2


sehr gut

Der Sound des Heinz Strunk

Heinz Strunk ist ein Phänomen in der deutschen Literatur. Zwischen seinem Mix aus Comedy und Anspruch traut er sich alles zu. Jetzt sogar Thomas Manns Zauberberg, ein ehrfurchteinflößendes Werk.
Darin gerät ein Mann in die Faszination eines Kurbetriebs und bleibt jahrelang in Davos.
Bei Heinz Strunk geht es erst einmal etwas schlichter zu. Der Protagonist, Jonas Heidbrink, begibt sich auch auf eine Kur, aber nicht auf Davos.
Dennoch ist die Klinik eine kleine abgeschlossene Gesellschaft für sich. Aber Patienten kommen, Patienten gehen. Jonas fällt es anfangs nicht leicht, sich einzuleben.

Jonas ist ein typischer Strunk-Charakter. Eigentlich intelligent, ist er teilweise auch verpeilt.
Seien Gedankengänge sind für den Leser amüsant. Heinz Strunk arbeitet die Peinlichkeiten des alltäglichen Lebens klar heraus. Das gilt auch für die Absurditäten des Alltags.
Manche Passagen sind zwar gut gemacht, doch oft wirkt Jonas in seinen Gedankengängen zu schlicht. Das wundert mich, da er doch so ein erfolgreicher Mann ist.

Einige gute Formulierungen in Zauberberg 2 bleiben hängen, doch was Thomas Mann bot, kann Strunk nicht liefern. Es fehlt an Komplexität, die Dialoge sind zu schlicht, die Nebenfiguren zu eindimensional.

Irgendwie macht Strunk dann doch zu wenig aus dem Stoff. Seine letzten Romane Es ist immer so schön mit dir und Ein Sommer in Niendorf sowie seine Kurzprosa hatten mich mehr überzeugt.

Aber der typische Heinz Strunk-Sound ist da und deshalb lohnt es sich, den Zauberberg 2 zu lesen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.11.2024
Hoffnung
Blom, Philipp

Hoffnung


gut

Briefe über Hoffnung

Dieses Buch ist noch neu und doch hat sich in der Welt schon wieder einiges geändert, die eigentlich jede Hoffnung tötet: Trumps Wiederwahl, die Ampel zerbricht, wirtschaftliche Krisen in einigen Bereichen etc.

Zunächst steht für mich die Frage nach der Definition von dem Begriff Hoffnung. Hoffnung ist wichtig, kann auch Chance sein. Aber Blom gibt keine direkte, klare Definition vor.

Manchmal ist Bloms Text sehr persönlich, z.B. wie er den Tod eines Freundes schildert.

Bei Philipp Bloms Erzählweise hat mich gewundert, dass er mich in dem Text persönlich anspricht wie in einem Brief. Oder an wen wendet er sich? Das ist leicht verwirrend und nicht die Form, die ich mir gewünscht hätte. Zum teil finde ich es unangemessen bzw. unangenehm.

Davon abgesehen ist der philosophische Ansatz ganz gelungen.

Bewertung vom 18.11.2024
Das kleine Café der zweiten Chancen
Ota, Shiori

Das kleine Café der zweiten Chancen


weniger gut

Reise in die Vergangenheit um die Gegenwart zu ändern

Die Autorin übernimmt die Idee der „Bevor der Kaffee kalt wird“-Reihe. Hier wie da wird für die Dauer eines Kaffees in die Vergangenheit gereist.
In Shiora Otis Roman ist im Gegensatz zu der Reihe das oberste Ziel, die Vergangenheit zu ändern.
Und da der Roman wie ein Jugendroman ist, ist es die Jugendliche Himari, die in der Vergangenheit rumpfuscht, um die Gegenwart zu ändern.
Himari ist eine unsichere, schüchterne Jugendliche, die eine neue Schule besucht und Anschluß sucht. Dieser Aspekt wird gut transportiert.

Shiora Oti ist anscheinend eine japanische Manga-Künstlerin und sie übernimmt diesen Stil für ihren Roman. Dass heißt, es gibt kurze, abgehackte Dialoge und eine wirre Handlung, in der alles irgendwie durcheinander geht. Dadurch wird der Roman schwer lesbar.
Zudem fehlt es sehr an Tiefgang.
Hoffentlich gibt es keine Fortsetzung.

Das kleine Café der zweiten Chancen ist ein Buch, das vermutlich eher für jüngere Leser geeignet ist.