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Prof. Dr. Ernst Liebhart
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Marburg

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Bewertung vom 20.10.2009
Dass ich sein kann, wie ich bin
Tauschwitz, Marion

Dass ich sein kann, wie ich bin


ausgezeichnet

Marion Tauschwitz: Dass ich sein kann, wie ich bin. Hilde Domin. Biografie, Palmyra, 2009.

Ich liebe H.D.s Gedichte schon lang, aber von Ihrem Leben hatte ich wenig gewusst – was in ihrem Fall ein Mangel ist. Nicht nur, daß sie Jüdin war, politisch hellsichtig, mit 21 geflohen, auf abenteuerlichen Wegen schließlich in der Dominikanischen Republik gelandet (daher ihr Künstlername). Vor allem aber 56 Jahre verheiratet mit einem absolut katastrophalen Typen, einem haltlosen, narzisstischen Schönling, über jedes Maß egozentrisch, kaum sozialisierbar – was sie von Anfang an realistisch sah. Aber sie liebte ihn, trennte sich nur vorübergehend, als er sie geprügelt hatte. Ein Großteil ihrer Gedichte sind Liebesgedichte für ihn, z.T. aus ihren Briefen. Er verbot ihr, Gedichte zu schreiben (er wollte der Dichter sein) – sie unterwarf sich zeitweilig, arbeitete als seine Sekretärin (er war Altertumswissenschaftler). Er brauchte sie, hielt aber ihre Gegenwart nicht aus, „forschte“ den größten Teil der Jahre in Mexiko, hatte Af­fären, sie verlor ein Kind, also ungefähr alle Katastrophen. Aber immer wieder erstanden ihre Liebe, ihre Poesie neu. Sie kümmerte sich um seine Jobs, um die Aufführung seiner Stücke (die nicht anerkannt wurden), auch noch nach seinem Tod. Die letzten fünfzehn Jahre waren sie dann mehr zusammen, machten Urlaubsreisen, und sie setzte sich mit ihrer Dichtung durch. Er starb in ihren Armen, während sie einander küssten. Sie überlebte ihn 18 Jahre, starb 2006, bis zuletzt auf Lesereisen. Diesen Sommer wäre sie 100 geworden. Sie ist in Köln geboren, hat vor allem in Heidelberg studiert (gehörte zum engeren Schülerkreis von Karl Jaspers) und nach ihrer Rückkehr aus dem Exil dort gelebt. (Viele Adressen, die man kennt, wenn man eine Weile in HD war; ihr Lieblingslokal war das am Schloß­brunnenweg.) Der gemeinsame Grabstein, oben am Bergfriedhof, mit ihrem Text: „Wie setzten den Fuß in die Luft und sie trug“.

Die Biographie, hervorragend recherchiert und geschrieben, 550 Seiten (kürzer kann sie nicht sein); die Autorin war die letzten Jahre H.D.s Freundin, Helferin, Sekretärin. Nebenbei ist dies auch ein Lehrbuch für verzweifelnde Liebende. Und für solche, die „Erfüllung“ suchen. Die - merkwürdig boshafte - Besprechung von Ulla Hahn in der ZEIT wird dem Werk in keiner Weise gerecht. Auch ein Teil ihres gigantischen Briefwechsels mit ihrem Mann (Die Liebe im Exil, Fischer, 1931-1959) - ein gewiß doppelsinniger Titel - wurde kürzlich publiziert. Die Gesammelten Gedichte neuerdings in einer schönen, schmalen Ausgabe. (Fischer, 2009). Marion Tauschwitz, eine kluge, lebendige, herzliche Dame, liest derzeit vielerorts aus der Biografie und aus H.D.s Werk.

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