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Benutzername: 
Margot Klein
Wohnort: 
Bad Neuenahr

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Bewertung vom 22.08.2011
Der Sonnenfürst
Röhrig, Tilman

Der Sonnenfürst


ausgezeichnet

Ein literarisches Glanzstück
„Der Sonnenfürst“ – ein außergewöhnlicher Roman über eine außergewöhnliche Zeit!
Schon im unvermittelten Anfang öffnet uns der Autor den Vorhang der Rokoko-Bühne in Brühl einen Spalt: Hinter der Kulisse lernen wir den überaus vorsichtigen Kurfürsten Clemens August und sorgsam ausgewählte Menschen seines Vertrauens kennen, denn überall „ lauern Gift, Mord und Intrigen“… Ruhelos wacht der sympathische Diener, der Zwerg Albert le Grand, Tag und Nacht wie ein Schutzengel über das gefährdete Leben seines Herrn. So werden wir direkt mit dem Menschen Clemens August vertraut, der als bedeutender Herrscher von politischen Ränkespielen umgarnend umworben wird. Seine abendliche Klage über die verlogene Hofetikette, über Schein und Sein der politischen Bühne, seine vehemente Ablehnung der Sprache der Galanterie und sein überzeugtes Bekenntnis zur Sprache des Herzens entfacht unsere Empathie. So können wir auch seine tiefe Freundschaft zu dem Adeligen Johann von Roll begreifen und mit Clemens August mitleiden, als sein Vertrauter in einem durch ein Komplott provozierten Duell heimtückisch ermordet wird. Kunstvoll hat der Autor den Tod Johanns in der eindrucksvollen Beschreibung der Falkenjagd, im „Federwirbel und Flügelschlagen“, vorausgedeutet. So gelingt es dem Autor, dass wir nach diesem dramatischen Anfang Clemens Augusts gefährdeten Lebensweg im Dickicht der politischen Lager achtsam begleiten wollen. Der tragische Verlust seines geliebten Freundes- das Unwiederbringliche- berührt unser Herz; die Hiobsbotschaft verkehrt sein Leben, der Blick auf sein Portrait als einst stolzer Herrscher spiegelt eindrucksvoll seinen Lebensbruch…Werden nun bittere Trauer, unerbittliche Verbrechensaufklärung und finstere Rachegedanken sein Leben ausschließlich prägen? Die Wahrheitssuche beginnt...… Um seinen Herrn aus dem Sog seiner zerstörerischen Trauer zu retten, führt Albert ihm die schöne Harfenistin, Mechthild von Brion, eine außergewöhnlich sympathische, selbstbewusste, begabte und „klare“ Frau, zu. Hier können wir uns auf besonders zarte „Textkompositionen“, wo Sprache und Musik im Wechselspiel synästhetisch verschmelzen, freuen und erleben, wie das Duo in der Stimmung der ergreifenden Musik-Texte von Händel und Bach sich gefühlvoll begegnet, sich schätzen und lieben lernt, erstarrte Gefühle erwachen, Gleichklang…Zwischen einer unvollendeten Kantate „schlängelt“ sich erwartungsvoll der Zug der kurfürstlichen Karawane nach Bayern: Von dem Klosterbesuch bei der verehrten Seherin Crescentia erwartet der barockreligiöse Clemens tröstliche Auskunft über Johanns Seele, und auf der Hofbühne in Bayern versucht sein ungleicher Bruder, Karl Albrecht, ihn durch honigsüße Schmeicheleien auf seine politische Seite zu locken…
Dabei wird der Leser zusammen mit Clemens in ein berauschendes Spektakelfeuerwerk an illustren bayrischen Schlössern „eingetaucht“… Hier lernen wir auch den teuflischen Rädelsführer Ignaz von Törring kennen, der als eiskalter Drahtzieher im politischen Intrigenspiel seine fast schachmatten Spione zu willenlos gefügigen Läufern beugt: Bayrisches Weiß und Blau: die Löwengrube der geheimen Spionagetreffen mit einem außergewöhnlichen Herrscherpaar: ein durchtriebener Macho und ein köstliches, aber auch bedauernswertes „Flintenweib“…
Amüsieren können wir uns auch auf einer Kahnpartie zweier verdeckter Spione- selbst Opfer und Täter im Intrigennetz- bei der die schillernde Rokoko-Lady Aloysia, die auch die Geheimsprache der Schönheitspflästerchen genau kennt und sie zu „sprechen“ pflegt, an einem verschwiegenen Ort durch verführerische Fußlümmelei ihrem Mit- und Gegenspieler seine Geheimnisse raffiniert zu entlocken weiß…
Wird sie auch Clemens August bei dem ausgeklügelten Spionageauftrag auf die falsche Fährte schmeicheln?
Der Leser kann gespannt sein, welche Schicksalswendungen die Protagonisten auf ihrer verstrickten Lebensbühne erfahren werden...Ein wunderbarer Roman!

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