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Dr. Dr. Daniel Gerte

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Bewertung vom 03.12.2022
Nullus Diabolus - nullus Redemptor
Thöle, Reinhard

Nullus Diabolus - nullus Redemptor


ausgezeichnet

Zur Bewältigung der gegenwärtigen Kirchenkrise können Transformation und Innovation zu einem möglichen Ausweg führen. Dabei werden theologische Gehalte vermittels methodischer Innovationen transformiert und auf diese Weise den zeitgenössischen Denk- und Sprachwelten angepasst. Der Zweck scheint die Mittel zu heiligen: Intendiert wird eine Christusbegegnung, die frei von historischen Altlasten und systematischen Korsetten dem alltäglichen Leben der Menschen gerecht werden kann. In seinem neuen Buch mahnt Reinhard Thöle eindringlich an, dass ebendies zu einer unmittelbaren Preisgabe und Überwindung der bewährten, erfüllenden Gehalte des christlichen Glaubens führt. Besonders im liturgischen Geschehen zeigt sich die Anverwandlung menschlicher Kategorien in einem dem traditionellen Verständnis nach von Gott gnadenhaft geschenkten, heilbringenden Vollzug. Was aber kann eine Alternative sein?

Reinhard Thöle setzt sich für eine „mythopoetische Rebellion“ der Liturgie und somit für die Reintegration eines geläuterten Mythos-Begriffes ein. Dieser Ansatz mag an Karl Jaspers erinnern: Für Jaspers war der Mythos ein Medium der eingegrenzten, menschenmöglichen Entschlüsselung der Transzendenz in der Gestalt von Chiffren. Obwohl die Chiffre-Konzeption zu kritisieren ist, da sie letztlich in Beliebigkeiten mündet, setzte Jaspers das qualitativ Eine voraus und identifizierte Transzendenz mit Gott. Für ihn traf im Mythos die menschliche Existenz auf das ewige Sein, wenngleich die gegebene Distanz darin erhalten blieb. Mit Reinhard Thöle wäre zu überlegen, wie die „Wahrheit des Mythos“ (Kurt Hübner) eine speziell christlich verstandene Wahrheit des Mythos sein kann.

Mit Blick auf gottesdienstliche Entwicklungen ist zu fragen: Wozu ist Liturgie gut, wenn bei der Planung und Durchführung zunehmend und konsequent weltliche Maßstäbe angelegt werden? Das Anliegen des Buches ist zu begrüßen, denn die Lebenswirklichkeit der Menschen ernst zu nehmen bedeutet auch, entgegen manch liturgischen Verzerrungen eine Sphäre für das zu schaffen, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat (vgl. 1 Kor 2,9).