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Magda
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Köln

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Insgesamt 326 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2025
Blake, Matthew

Sophie L. (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ich habe bereits Anna O. von Matthew Blake sehr gern gelesen, Sophie L. steht diesem Thriller in nichts nach und konnte mich genauso begeistern.
Olivia ist Gedächtnisexpertin, sie lebt in London mit ihrem sechsjährigen Sohn T.J. Eines Tages bekommt sie einen Anruf aus dem Hotel Lutetia in Paris, ein Kommissar teilt ihr mit, dass ihre Großmutter einen Mord gestanden habe, ihr Name sei nicht Josephine Benoit, sondern Sophie Leclerc, sie habe Josephine 1945 umgebracht und ihre Identität angenommen.
Olivia macht sich sofort auf den Weg nach Paris, wo sie ihre Großmutter im Foyer des Hotel Lutetia neben dem von ihr gemalten berühmten Gemälde Memory vorfindet. Es stellt eine junge Frau mit kahl geschorenem Kopf und in gestreifter Sträflingskleidung dar, sie sitzt im Zimmer 11 des Hotels Lutetia. Durch das Fenster sieht man eine zerfetzte Hakenkreuzfahne. „Bis auf ihre Erinnerungen hat sie alles verloren. Die Welt mag zerstört sein, scheint das Gemälde zu sagen, aber unsere Erinnerungen leben in uns fort.“
Olivia setzt sich mit ihrem Pariser Psychotherapeuten Louis de Villefort in Verbindung. Louis ist ein alter Freund ihrer Großmutter. 1945 war er Medizinstudent und hat KZ-Überlebende im Hotel Lutetia untersucht und behandelt.
In Rückblenden ins Jahr 1945 lernen wir die beiden jungen Frauen Josephine und Sophie kennen und erfahren, was damals vorgefallen ist und warum eine von ihnen sterben musste.
Olivia bemüht sich herauszubekommen, ob ihre Großmutter den Mord in Folge ihrer Demenz gestanden hat oder ob sie die Enkelin einer Mörderin ist. In Paris trifft sie Eduard de Villeford wieder, ihre erste große Liebe. Doch mittlerweile beherrscht Tom ihre Gedanken, der Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte, und der vor Wochen sang – und klanglos aus ihrem Leben verschwand.
Ich fand das Buch sehr spannend, es war interessant zu erfahren, welche Erinnerungen wir behalten und welche unser Gehirn verdrängt, damit wir weiterleben können. Olivia ist eine sympathische Protagonistin, die den frühen Tod ihrer Mutter nie verwunden hat. Nicht ganz auserzählt ist die Geschichte mit Tom, da hätte ich gern mehr erfahren.
Ich habe das Buch teilweise gehört, wunderbar eingelesen von Vera Teltz und Achim Buch. Sehr gerne spreche ich eine Leseempfehlung für beide Bücher von Matthew Blake aus und freue mich auf weitere Thriller aus seiner Feder.

Bewertung vom 21.12.2025
Stern, Anne

Die weiße Nacht


ausgezeichnet

Ich liebe die Bücher der von Anne Stern, sowohl die Fräulein Gold-Reihe, die Semperoper-Trilogie als auch ihre Stand Alone-Romane, ich liebe ihren poetischen Sprachstil und tauche in ihren Büchern sehr gerne in längst vergangene Zeiten ab.
Die Handlung spielt im legendären Kälte- und Hungerwinter des Jahres 1946. Berlin ist von den Alliierten besetzt, die Entnazifizierung und die Nürnberger Prozesse sind im vollen Gange, allerdings ist schon abzusehen, dass viele Mitläufer und Mittäter ungestraft oder mit geringen Strafen davonkommen werden.
Kommissar König hatte die letzten Kriegsjahre wegen Befehlsverweigerung im Gefängnis verbracht, wo seine physische und psychische Gesundheit stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, die Misshandlungen haben ihn ein Auge gekostet, die Augenklappe wird zu seinem Markenzeichen. Er arbeitet in der Mordkommission auf einer Dienststelle, die in der sowjetischen Besatzungszone liegt, sein Chef verdankt seinen Posten seiner kommunistischen Gesinnung.
Am 14. Dezember findet Lou, eine junge Fotografin, eine Frauenleiche in den Ruinen, in denen sie auf der Suche nach Fotomotiven war. Ohne lange zu überlegen fotografiert sie die tote Frau, die inmitten von Schnee liegt. Kommissar König konfisziert den Film und notiert Lous Anschrift.
Lou teilt sich ihre Wohnung mit Bruno, einem alten Freund, der mit ihr und einigen anderen im Widerstand tätig war. Ihr Mann ist verschollen. Ihre Tage bestehen aus der Jagd nach Essbarem oder Heizmaterial. Um nicht vollkommen zu verzweifeln und das Elend um sie herum wenigstens für eine Weile zu vergessen, geht sie ab und zu in eine Tanzbar. Sie ist überglücklich, als ihr die Barfrau eine halbe Dose Kaffeepulver schenkt, denn Kaffee ist ein rares Gut und eigentlich nur im Tausch gegen Zigaretten zu haben.
Justus, 17, hat es in den Kriegswirren nach Berlin verschlagen, er ist ein kluges Köpfchen und erfolgreich auf dem Schwarzmarkt. Die gleichaltrige Berlinerin Gerti macht ihn mit anderen Jugendlichen bekannt, die heimat- und wohnungslos in den Ruinen hausen.
Dann gibt es da noch Gregor, Kriegsgefangener in Russland. Das Lager überlebt er nur dank seiner rumänischen und russischen Sprachkenntnisse. Ich denke, dass sowohl Gregor als auch Justus im nächsten Band größere Rollen zufallen werden.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, Königs Ermittlungen, bei denen Lous Fotos von großem Belang waren, und die Aufklärung der Morde waren unglaublich spannend. Anne Stern beschreibt authentisch die Kälte und das immerwährende Hungergefühl der Nachkriegszeit. Heutzutage sind eine angenehme Zimmertemperatur, durchgehender Zugang zu Wasser und Strom und die Tasse Kaffee am Morgen selbstverständlich, wie anders sah das doch noch vor achtzig Jahren aus.
Mit dem Auftakt der neuen Reihe konnte die Autorin mich wieder begeistern, sie schreibt unfassbar atmosphärisch und bildhaft. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall für Lou und König.

Bewertung vom 09.12.2025
Johann, Petra

Wem du traust (eBook, ePUB)


sehr gut

Seit ich vor einigen Jahren Die Frau vom Strand gelesen habe, zählt Petra Johann zu meinen Lieblingskrimiautorinnen, deswegen habe ich mich sehr auf ihr neues Buch gefreut. Leider konnte Wem du traust meine Erwartungen jedoch nicht erfüllen.
Die 15jährige Sofia verschwindet, nachdem sie den Abend beim Babysitten verbracht hatte. Der kleine Linus ist fast so etwas wie ein Bruder für sie, da Sofia seine Mutter Eva von klein auf gut kennt. Sofias Mutter Susanne und Eva sind beste Freundinnen, sie haben Sofia gemeinsam aufgezogen. Seit einem Jahr ist Susanne mit dem Unternehmer Axel zusammen und vor einigen Wochen sind sie zusammengezogen.
Eva ist mit Daniel verheiratet, die beiden leben mit ihrem Sohn Linus in einem Neubaugebiet. Kriminalhauptkommissarin Heidi Westphal untersucht das Umfeld der beiden Familien und in erster Linie natürlich das der verschwundenen Sofia. Die 15jährige ist kein typischer Teenager wie Heidis Tochter Larissa, Sofia ist Einzelgängerin, sie hat kein Interesse an Make-up und Jungs und engagiert sich in der Redaktion der Schülerzeitung.
Sofias Verschwinden weckt Erinnerungen an einen fünfzehn Jahre zurückliegenden Mordfall. Damals ist die Oberstufenschülerin Jennifer Mann nach einem Clubbesuch ermordet aufgefunden worden, der Täter wurde nie gefasst. Die Schülerzeitung berichtet über den Mordfall.
Wie in ihren anderen Krimis legt die Autorin den Fokus auf die Charaktere, insbesondere auf die beiden Freundinnen Susanne und Eva. Hinter der perfekten Fassade lauern viele Geheimisse. Daniel, der Sofia an dem Abend ihres Verschwindens nach Hause gebracht hatte, steht ganz oben auf der Liste der Verdächtigen.
Meiner Meinung nach hat es zu lange gedauert, bis der Fall an Spannung gewann, die Ermittlungen der Kommissarin plätschern seitenweise ergebnislos vor sich hin. Ihr Privatleben lenkt unnötig von dem Fall ab. Auch mit der Auflösung und dem Ende bin ich nicht sehr glücklich, auch wenn ich es nicht vorhergesehen habe. Für mich ist es leider der schlechteste Krimi von Petra Johann, der bei weitem nicht an ihre anderen Bücher heranreicht.

Bewertung vom 29.11.2025
Hurst, Heidrun

Mord auf der Klosterinsel


ausgezeichnet

Mord auf der Klosterinsel von Heidrun Hurst ist das dritte Buch der Autorin, das ich gelesen habe. Ich lese gerne ihre historischen Romane, die mich in eine weit zurückliegende Zeit versetzen.
Bodensee, 842: Abt Walahfrid Strabo leitet das Kloster auf der Insel Reichenau. Er wird von den Inselbewohnern verehrt und ist bei seinen Mitbrüdern beliebt. Seine junge Nichte Lindberga ist verwitwet, gemeinsam mit ihrer Magd Ava und deren Baby Folcard bewohnt sie eine Hütte im Dorf. Lindberga findet das erste Mordopfer am Ufer des Bodensees. Der Mann ist übel zugerichtet worden, er sieht aus, als ob sich wilde Tiere über ihn hergemacht hätten.
Es bleibt nicht bei einem Opfer, innerhalb weniger Monate werden weitere Menschen grausam ermordet, die scheinbar nichts gemein haben, es sind Männer und Frauen, junge und alte.
Die Dorfbewohner glauben, dass sich ein Werwolf auf der Insel herumtreibt und verdächtigen den Köhler, der im Gesicht und am ganzen Körper stark behaart ist.
Der für die Rechtsprechung zuständige Vogt erweist sich als inkompetent. Als der Verdacht auf den Abt fällt, nimmt er diesen in Gewahrsam, und Walahfrid muss seine Unschuld nachweisen.
Ich fand den historischen Krimi spannend und atmosphärisch und bin gern in das Klosterleben eingetaucht, habe den Abt im Kräutergarten, in der Schreibkammer und bei den Mordermittlungen beobachtet. Seine Aufzeichnungen haben ihn zum Täter geführt, dessen Identität mich sehr überrascht hatte.
Die Autorin hat die Atmosphäre im Kloster authentisch eingefangen, des Öfteren musste ich an Der Name der Rose denken. Etwas Schwierigkeiten hatte ich mit den vielen altertümlichen Namen und kam aufgrund der Ähnlichkeiten durcheinander, wie zum Beispiel bei Grimald und Gerold.
Im Nachwort erfahren wir, dass die Handlung in historischen Kontext eingebettet ist und der Benediktinermönch Walahfrid Strabo einer der bekanntesten Dichter, Schriftsteller und Gelehrten seiner Zeit war.
Sehr gern empfehle ich den Roman sowohl Leser*innen von Kriminal- als auch von historischen Romanen weiter.

Bewertung vom 26.11.2025
Norton, Graham

Eine wie Frankie


ausgezeichnet

Graham Norton zählt zu meinen Lieblingsautoren, ich habe schon einige seiner Bücher gelesen und habe mich schon sehr auf sein neues Buch gefreut.
Die 84jährige Frankie erzählt ihre Geschichte ihrem jungen Pfleger Damian. Sie hat über zwanzig Jahre in New York gelebt, wo sie ein erfolgreiches Restaurant führte und mit einem berühmten Künstler verheiratet war. In New York wurde aus Frances Howe Frankie Haffen.
Frances‘ Eltern starben bei einem tödlichen Autounfall, als sie elf Jahre alt ist. Sie wird von der Schwester ihrer Mutter und deren Mann, einem Reverend der Church of Ireland aufgenommen. Die beiden sind streng konservativ und schenken ihrer Nichte kaum Liebe und Zuneigung. Mit 19 wird sie mit einem älteren Domkapitular verheiratet, bereits nach kurzer Zeit endet die Ehe in einem Fiasko. Francis geht nach London, wo ihre beste Freundin Norah lebt.
Bereits kurze Zeit später verschlägt es die Freundinnen nach New York, wo Frankie als Köchin im französischen Restaurant Pomme arbeitet und ihre große Liebe Joe Haffen kennenlernt. Das Restaurant wird von Joe von den Wänden und Türen über die Deko und die Beleuchtung bis hin zu den Speisekarten künstlerisch gestaltet. Das außergewöhnliche Interieur weckt das Interesse eines Galeristen, der Joe zu einer großen Karriere verhilft. Doch seine Ehe zerbricht, Jahre später muss Frankie in einer Nacht und Nebel-Aktion New York verlassen. Nach Frankies Tod erwartet Damian eine große Überraschung, die sein Leben umkrempeln wird.
Dieses Buch des Autors war anders als seine anderen Bücher, da es nicht in Irland, sondern in New York spielt. Das fand ich persönlich etwas schade, da ich auf die leicht düstere und mythische Irland-Atmosphäre eingestellt war, die nur auf den wenigen Seiten vor Frances‘ Auswanderung nach Amerika zutage tritt.
Frankie bewegte sich in New York in Künstlerkreisen, Joe und sie verkehrten mit berühmten Persönlichkeiten wie Andy Warhol, Donald Judd oder Jasper Johns. Einige ihrer Freunde starben in den Achtzigern an Aids. Das erinnerte mich an damalige Schulversammlungen mit Vorträgen über Aids, bei denen Kondome verteilt wurden. Wie schön, dass Aids mittlerweile therapierbar ist!
Auch wenn ich die typischen Irland-Vibes vermisst habe, habe ich Eine wie Frankie gern gelesen, es hat mich nach New York der Sechziger bis Achtziger Jahre gebracht. Graham Norton hat einen bildhaften und fesselnden Schreibstil, gerne empfehle ich sein neues Buch weiter und vergebe fünf Sterne.

Bewertung vom 23.11.2025
Nicholls, David

Drei auf Reisen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Drei auf Reisen von David Nicholls ist eine Neuauflage des bereits 2014 veröffentlichten Romans und das zweite Buch, das ich von dem Autor gelesen habe. Ich mag seinen ruhigen, unaufgeregten und tiefsinnigen Schreibstil.
Es ist die Geschichte der fast 25jährigen Beziehung eines ungleichen Paares.
Es gibt wenig, das Douglas und Connie verbindet: Er ist ein in sich gekehrter Wissenschaftler, während sie gerne auf Partys geht, wechselnde Männerbekanntschaften hat und ihre künstlerische Ader auslebt. „Die meisten Leute, die eine Beziehung eingehen, tragen eine Akte mit sich herum, die unterteilt ist in Schwärmereien, Flirts, erste Lieben, große Lieben und Affären. Im Vergleich zu meinem linierten DINA-A4-Blatt hatte Connie einen dreiteiligen Aktenschrank.“ Trotzdem verlieben sie sich ineinander, heiraten und werden Eltern eines Sohnes.
Albie ist von Anfang an ein Mama-Kind. Douglas findet keinen Zugang zu ihm, die beiden sind wie Wasser und Feuer und geraten ständig aneinander.
Als Albie 17 ist, sieht Connie keinen Sinn mehr in einer Fortsetzung der Ehe. Doch vor der endgültigen Trennung will die Familie noch eine Europa-Tour machen. Albie lässt sich nur widerwillig auf die Reise ein. Bereits bei der ersten Station in Amsterdam lässt er die Eltern nach einem Streit mit seinem Vater stehen und geht seine eigenen Wege. Douglas nimmt sich fest vor, sich mit Albie auszusöhnen und Connie endlich von seinen Vaterqualitäten zu überzeugen. Er folgt Albie von Italien nach Spanien, bis es endlich in Madrid zu einer Vater-Sohn-Begegnung kommt.
Ich habe das Buch gern gelesen und Douglas‘ Bemühungen verfolgt, seine Ehe und die Beziehung zu seinem Sohn zu retten. Viele seiner Aussagen haben mich zum Nachdenken gebracht: „Die Ehe ist keine Ebene, sie ist voller tiefer Schluchten, riesiger gezackter Felsen und verborgener Gletscherspalten. Es gibt eintönige, ausgedörrte, scheinbar nicht enden wollende Streckenabschnitte.“
Ich muss gestehen, dass es mich gewundert hat, dass die Ehe so lange gehalten hatte. Es mag sein, dass sich Gegensätze anziehen, aber auf lange Sicht gilt doch viel mehr das Motto Gleich und gleich gesellt sich gern.
Der Roadtrip mit dem Zug hat mir gut gefallen, ich kenne viele der erwähnten Sehenswürdigkeiten, habe auch schon in Madrid Churros gegessen und stand fasziniert vor La Guernica.
Sehr berührt hat mich der Todesfall und die Trauer, die die beiden ihr Leben lang begleitet.
Sehr gerne empfehle ich diese Geschichte einer Beziehung von zwei sehr unterschiedlichen Menschen weiter und vergebe fünf Sterne.

Bewertung vom 23.11.2025
Huhs, Antje

Zuhause ist vorübergehend geschlossen


ausgezeichnet

Aufgrund von Personalmangel und Streik der Pflegefachkräfte werden im Landkreis Parchenau die Heime geschlossen, die betagten und teils pflegebedürftigen Bewohner müssen von ihren Angehörigen abgeholt werden oder werden an Privathaushalte verteilt. Margrit ist für die Verteilung der Heimbewohner zuständig. Die Empörung in der Bevölkerung ist groß, kaum jemand ist bereit, eine fremde Person auf unbestimmte Zeit bei sich zu beherbergen.
Als Milosz möchte seinen Vater abholen möchte, muss er feststellen, dass dieser bereits abgeholt wurde. Er bittet seine frühere Schulkameradin Margrit, ihm bei der Suche nach seinem Vater zu helfen.
Herr Jankowski wurde dem Haushalt von Annett und Stefan zugeteilt. Kurzerhand beschließt Annett, den 93jährigen im Zimmer ihres 15jährigen Sohnes Bela unterzubringen. Bela ist nicht begeistert, während seine 8jährige Schwester Levke gern Zeit mit dem neuen Mitbewohner verbringt „Stell dir mal vor, du bist alt und niemand will dich haben.“
Nachdem Herr Jankowski sich bei Levke als Peter vorstellt, er aber laut der Akten Ivo heißt, überlegt Annett, ob der alte Herr dement ist oder nicht der, der er vorgibt zu sein.
Lennart, 25, ist Pflegefachkraft. Er lebt in einer WG und ist in seine Mitbewohnerin Nuca verliebt. Das Fernsehen lädt ihn zu einer Talkshow ein, in der er mit einigen Experten, darunter der Gesundheitsministerin, über die Situation in der Pflege sprechen soll. Nach der Talkshow steigen seine Followerzahlen auf Instagram in astronomische Höhen.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, das Thema Pflegenotstand ist brandaktuell. Als wir vor einiger Zeit der Stadt die Wohnfläche unserer Immobilie angeben mussten, haben wir überlegt, was der Sinn dieser Befragung ist, ob wir Geflüchtete zugeteilt bekommen, wenn wir genug Platz haben? Insofern kommt mir das Szenario in dem Buch nicht ganz abwegig vor. Der Schreibstil ist bildhaft und dialogreich, mit interessanten Einblicken in das Leben einer deutschen Durchschnittsfamilie, einer WG und einer alleinstehenden Verwaltungsangestellten. Das Buch endet an Weihnachten und ist auch deswegen bestens als Lektüre für den Advent geeignet.

Bewertung vom 23.11.2025
Stern, Anne

Der Preis der Freiheit / Fräulein Gold Bd.8


ausgezeichnet

Anne Stern zählt zu meinen Lieblingsautorinnen, ihre historischen Romane versetzen mich in vergangene Zeiten und erinnern stets daran, dass sich die Geschichte wiederholt und die Menschen nicht aus der Vergangenheit lernen…
Das Buch habe ich größtenteils gehört, wunderbar eingelesen von Anna Thalbach - ich liebe es besonders, wie sie die Männerstimmen spricht.

1932: Hulda wird Hebamme im Gefängnis Barnimstraße. Die zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte hochschwangere Anna Marwitz ist ihr sehr sympathisch. Als eine Gefangene ermordet wird, fällt der Verdacht auf Anna und Kommissarin Irma Siegel ermittelt. Dabei rollt sie auch Annas Fall neu auf.

Die Stimmung im Land ist schlecht, hohe Arbeitslosenzahlen, hohe Inflation, wachsender Antisemitismus, mit dem auch Hulda und ihre Familie konfrontiert werden. Die NSDAP triumphiert bei den Reichstagswahlen, während die anderen Parteien zerstritten sind.

Huldas Mann bekommt ein Stellenangebot an der Universität Göteborg, ihr Vater denkt über eine Ausreise nach Palästina nach. Doch Hulda hängt an Schöneberg und ihrer Arbeit als Hebamme und vor allem will sie ihre Tochter Meta, die gerade erst eingeschult wurde, nicht entwurzeln.

Jedes Jahr im November fiebere ich dem neuen Fräulein Gold-Band und dem Wiedersehen mit Hulda und ihrer Familie und Freunden entgegen. Ich habe sie alle ins Herz geschlossen: Huldas beste Freundin Jette, den Kioskverkäufer Bert und seinen Freund Arnold, Huldas ehemalige Vermieterin Margret Wunderlich und natürlich die kleine Meta und ihren Großvater Benjamin.

Ich bin froh, dass die Reihe weiter geht und Band 9 im November 2026 erscheint, was ich aus der am Ende angehängten Leseprobe schließe.

Sehr gerne empfehle ich die Reihe weiter, lasst euch nicht davon abschrecken, dass es schon acht Bände gibt, ich bin erst in Band 4 eingestiegen und habe mich sehr schnell in Schöneberg am Winterfeldtplatz zurechtgefunden.

Bewertung vom 20.11.2025
Keweritsch, Katja

Das Flüstern der Marsch


ausgezeichnet

Ein großartiger Familien- und Frauenroman! Die Handlung spielt auf mehreren Zeitebenen und erzählt die Geschichte von Annemie, Mona, Freya und Janne im Zeitraum zwischen 1965 und 2024.
Annemie ist Monas Großmutter und Jannes Schwiegermutter. Mit ihrem Mann Karl hat sie drei Kinder großgezogen: Sabine, Stefan und Sven. Sabine ist elf Jahre älter als ihre Brüder. Direkt nach dem Abitur hat sie ihr Elternhaus in der Marsch verlassen, um ins Ausland zu gehen. Ihre Tochter Mona lebt in Hamburg, Sabine war ihre Karriere immer wichtiger als ihr Kind, weswegen die beiden ein kühles und distanziertes Verhältnis haben.
Sven ist erfolgreicher Geschäftsmann mit wechselnden Freundinnen, während Stefan mit Janne verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern ist, das dritte ist unterwegs. Janne schmeißt den Haushalt und kümmert sich um die Kinder, während sich Stefan tagsüber auf seinen Beruf und abends auf seine Tätigkeit bei der freiwilligen Feuerwehr konzentriert.
Als Mona ihre Großeltern in ihrem Haus in der Marsch besucht, findet sie nur ihren Großvater Karl vor, ihre Großmutter Annemie ist verschwunden. Nachdem sie nach einer großangelegten Suche nicht gefunden wird, scheinen sich alle damit abzufinden, Karls demnächst anstehender 80. Geburtstag soll wie geplant gefeiert werden.
Mona findet in Annemies Handtasche ein Babyfoto, das weder Sabine noch einen ihrer Brüder zeigt. Als sie Karl auf das Foto anspricht, wimmelt dieser sie ab.
Dann gibt es da noch Freya, die ich lange nicht einordnen konnte. Sie hat zwar einen Bezug zur Marsch, aber scheinbar keinen zu Karls und Annemies Familie.
Annemies Erlebnis in ihrer frühen Jugend hat mich sehr berührt. Sie wurde mit Karl, dem reichen Bauern und künftigen Bürgermeister verheiratet, die beiden haben drei Kinder großgezogen, doch ihr Herz war gebrochen, sie konnte ihren Kindern keine Liebe schenken. Sie hat sechzig Jahre lang gewartet, um ein Geheimnis aus ihrer Jugend aufzudecken – nur um zeitgleich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass auch Karl sein Leben lang ein schwerwiegendes Geheimnis vor ihr verborgen hatte.
Es hat mich erschüttert zu lesen, wie Karl und Annemie das Schweigen und ihre unverarbeiteten Traumata an ihre Kinder und Enkel vererbt haben.
Interessant fand ich Jannes Leben als Tradwife, ein Trend, der seit einiger Zeit durch die Sozialen Medien geht. Sie geht einerseits in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter auf und versucht sich als Mom-Influencerin, steht andererseits aber am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Ich habe Das Flüstern der Marsch sehr gern gelesen, das Buch bietet viel Diskussionspotential. Nicht unerwähnt lassen möchte ich noch die poetischen Beschreibungen der Marsch, die für die Protagonistinnen über Jahrzehnte hinweg eine Zuflucht dargestellt hatte, die sie mit ihren Problemen und Geheimnissen wie eine liebevolle Mutter aufgenommen hat.
Sehr gerne vergebe ich fünf Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 17.11.2025
Kaiser, Vea

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels


ausgezeichnet

Das Buch habe ich vor meiner Reise nach Wien angefangen. Ich muss zugeben, dass sich die ersten hundert Seiten gezogen haben, doch ich bin froh, dass ich durchgehalten habe, denn nach dem holprigen Anfang wurde ich bestens unterhalten.
Vea Kaiser erzählt die Geschichte der Angelika Moser, die als Buchhalterin des Grand Hotel Frohner 3,3 Millionen Euro unterschlagen hat.
Angelika stammt aus einfachen Verhältnissen, ihre Mutter ist Hausmeisterin in einem Gemeindebau. Jedes Jahr schauen sich Mutter und Tochter die Eröffnung des Opernballs im Fernsehen an, niemals wäre Erna Moser auf die Idee gekommen, dass ihr Enkel eines Tages zu den Debütanten gehören wird, die den Opernball eröffnen.
Angelika tritt ihre erste Stelle als Buchhalterin im Hotel Frohner an. Nach einem delikaten Vorfall hat sie beim Direktor einen Stein im Brett, er schließt sie ins Herz und beauftragt sie damit, seine privaten Ausgaben über die Hotelbuchhaltung abzurechnen, dabei darf sie auch für sich etwas abzweigen.
Angelika wird Mutter eines Sohnes, ihr Freund Freddy ist ein „Filou“, wie der Wiener sagen würde. Er will sich nicht binden, und kümmert sich nur, wenn ihm gerade danach ist, um seinen Sohn Basti.
Angelikas Mutter Erna leidet an fortschreitender Demenz und kann auch nicht bei der Kinderbetreuung aushelfen. Angelika muss für die Betreuung ihrer Mutter und ihres Sohnes sorgen, und fängt an, fingierte Rechnungen zu erstellen, die der Direktor unterschreibt.
Als Basti in die Pubertät kommt, muss sie ihm finanziell mit zwanzig Tausend Euro aus der Patsche helfen.
Ich denke, dass jede Mutter für Angelika Verständnis hat, mir war sie sehr sympathisch. Ursprünglich wollte sie sich das Geld nur ausleihen, sie ist nur nicht dazu gekommen, es zurückzugeben. Ich konnte nachvollziehen, dass es für sie verlockend war, sich aus der Hotelkasse zu bedienen, zumal sie den Überblick über die persönlichen Ausgaben der Hotelierfamilie hatte. Allein für die Loge beim Opernball wurden mal eben sechzehn Tausend Euro ausgegeben und eine der zweiundzwanzig von den Frohners dort bestellten Flaschen Champagner kostete so viel wie Bastis Kinderbetreuung für einen Monat.
Beim Lesen habe ich mich oft köstlich amüsiert, am meisten über die Sprüche des alten Direktors, aber auch über seine Schwiegertochter Lizzy und Bastis Freundin Jenny, und last but not least über Angelikas Lebensabschnittsgefährten. Sehr unterhaltsam fand ich die Eskapaden der Gäste, Angestellten und der Hotelierfamilie.
Das Buch enthält viel Wien-Lokalkolorit, am Ende gibt es sogar ein kleines Wienerisch-Wörterbuch. Der Junior bewohnt eine Suite mit Blick auf den Stephansdom, in New York vermisst er das Kunsthistorische Museum und die Peterskirche. Erna Moser zündet in der Karlskirche eine Kerze an, Basti jobbt im Billa und einer von Angelikas Lebensgefährten ist Zuckerbäcker. Von mir eine große Leseempfehlung für diesen Wiener Leckerbissen, den ich mit viel Vergnügen verschlungen habe.