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Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 06.03.2024
Papa ruft an
Bielendorfer, Bastian

Papa ruft an


sehr gut

Mit humoristischen Büchern, tue ich mir ja eigentlich immer sehr schwer, vor allem weil viele der Comedians seit Jahren immer nur Stereotypen bedienen, also immer nur über eine Personengruppe die Witze schreiben, oder auf der Bühne erzählen.

Bastian Bielendorfer sagte mir mal wieder nichts, aber dies liegt einfach auch daran, dass ich mich um dieses Genre nicht besonders kümmere. Heute Morgen war mir einfach mal nach etwas Lustigen und dann fiel mir „Papa ruft an“ in die Hände.

Der Gedanke war, ok, dann lese ich mal zwei oder drei Kapitel und dann ist gut. Ich hatte im Vorfeld die Befürchtung, das würde mir so oder so zu plump sein. Er werde immer nur Witze auf Kosten seiner Eltern, Hund oder Freundin machen und gut.

Ja, er macht Witze über seine Eltern, der Mops, ist auch ein beliebtes Thema und die Gespräche mit seiner Freundin kommen auch nicht zu kurz, aber es ist wirklich kurz und witzig, teilweise mit einer Prise schwarzen Humors.

Es ging dann immer weiter. Ich habe über die Hauptfigur mindestens genauso oft gelacht, wie über seinen Vater, der mir vor allem im Haushalt echt vor Lachen den Atem geraubt hat.

Die kurzen witzigen Geschichten waren immer wieder ein Kracher, weil Bastian Bielendorfer es auch immer wieder geschafft hat, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Mir ging es dann wirklich so, dass ich immer wieder dachte: „Nur noch eine Story.“. Es war wie bei einer Tüte Chips, hat man erstmal angefangen, dann will man immer mehr.

Man stellt sich den Hauptakteur als Robbe vor, als er noch ein Kind war, und das Kostüm „leider“ gerissen ist, oder die Familienurlaube z.B. in der Türkei und die Druckmittel, die Eltern irgendwie immer gegen die Kinder haben, wenn sie es darauf anlegen. Es ist so herrlichkomisch und manchmal auch ein wenig vertraut.

Ludger ist auch so eine Gattung Waldorfkind, wo man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Er schafft es aber immer wieder, Bastian als den Verlierer dastehen zu lassen. Sehr geschickt der Kleine.

Mein Fazit ist, der Autor hat teilweise einen feinen Humor, und mir ging es so, dass ich immer schnell weiterlesen wollte. Atemnot vor Lachen, war sehr oft gegeben. Zum Ende hin, konnte ich nicht mehr so recht. Vielleicht war das ganze Buch auf einen Rutsch doch eine Reizüberflutung. Man sollte doch besser etwas Dosieren, wie mit der Tüte Chips, wenn man sie auf einmal isst, bekommt es einem meistens nicht so gut.

Ich weiß aber eines, ich werde mir den Autoren merken.  Wenn ich die Möglichkeit habe, diesen Autoren mal live zu erleben, werde ich diese auch wahrnehmen. Es ist leichte Unterhaltung mit einem feinen schwarzen Humor - mehr kann man von einem Buch dieses Genres nicht erwarten, denn Lachen ist das Ziel. Zudem habe ich trotzdem über verschiedene Dinge nachgedacht und nicht nur herzhaft gelacht.

Bewertung vom 17.12.2023
Krisenstaat Türkei
Kazim, Hasnain

Krisenstaat Türkei


sehr gut

Manchmal wünscht man sich vor der Buchmesse einfach nur mehr Zeit oder weniger interessante Bücher, wobei letzteres eigentlich keine Option ist. Krisenstaat Türkei war so ein Fall. Ich habe es gerade mal geschafft mir ein paar Stichpunkte zu machen, und dann war auch schon der Tag des Interviews und ich hatte nicht das ganze Buch gelesen. Nun ist Hasnain Kazim für mich kein Unbekannter, ich durfte ihn schon bei meinem ersten Mal Buchmesse erleben. Er ist ein Mensch, der, wenn man ihn so sieht, doch im ersten Moment sehr weich erscheint. Doch wenn man dann mit ihm spricht sieht man dieses Feuer in den Augen. Er lebt das Journalist sein und dabei will er immer fair sein. Er möchte die positiven Seiten genauso wie die negativen aufzeigen.

Warum erzähle ich das eigentlich? Weil ich nun das Buch richtig gelesen habe, also komplett, Seite für Seite, Wort für Wort. Herr Kazim hat so vieles geschrieben über ein Land, welches reich an Kultur ist, vieles erfunden hat und dessen Ärzte, allen voran Ibn Sina, der Arzt, dem ich bei dem Buch der Medicus das erste Mal begegnet bin, äußerst fortschrittlich und nicht so rückständig wie unsere Bader im Mittelalter.

Das Buch erklärt so vieles über das Denken in der Türkei, dem eigenen Selbstverständnis dieses Landes. Man erfährt vieles über die Parteien in diesem Land, aber als erstes lernt man etwas über die Geschichte und die Entstehung dieses Staates. Als erstes kommt Atatürk. Es wird erläutert, wie dieses Land dann durch ihn entstanden ist und wie es zu diesem Personenkult um ihn gekommen ist.

Es wird erklärt, warum es die 10% Hürde bei den Wahlen gibt. Dies hängt mit den Kurden zusammen, welche ja auch ihre eigenen Parteien haben, und diese wollen die Türken nicht in ihrem Parlament in Ankara haben.

Der Autor beleuchtet aber auch das schwierige Verhältnis zur IS und auch zu den Nachbarn Syrien, Iran und Irak. Man kann durch die Erklärung dieser Zusammenhänge etwas besser verstehen, warum und wieso Erdogan sich zum Präsidenten gemacht hat, bzw. gewählt wurde, und wie dies überhaupt entstehen konnte. Denn das alles ist nur durch die Geschichte des Landes und der Region ein wenig zu verstehen.

Ganz diffus wird es beim Thema Deniz Yücel oder Mesale Tolu. Man kann es, auch wenn man dieses Buch liest, kaum verstehen, was man aber versteht ist, dass der Autor die Türkei verlassen musste, denn soweit es bekannt ist stand er auf der gleichen Liste wie die beiden oben genannten Journalisten. Also auch er wurde als Mitglied einer Terroristischen Organisation geführt, nur weil er kritisch aus der Türkei berichtet hat.

Es sind viele Dinge, die einem zum Kopfschütteln bringen, aber viele Dinge versteht man auch etwas besser. Man erkennt z.B., dass man die Türkei mögen kann, aber trotzdem Dinge kritisieren kann und auch dürfen sollte.

Ich schätze z.B. meine ehemaligen Arbeitskollegen sehr, egal ob sie Türken, Kurden oder was auch immer sind. Es sind viele tolle Erlebnisse in meinem Kopf geblieben. Ich habe aber eines gelernt durch dieses Buch, also außer dass ich sehr gerne mal in die Türkei reisen würde, wenn es wieder ruhiger geworden ist, und zwar wurde mir immer klarer wie gefährlich Populisten sind und wie schnell man ihnen auf den Leim gehen kann, und wie schwer es ist, Journalist zu sein, wie schnell sich das politische Klima ändern kann und wie glücklich wir uns schätzen können, in einer Demokratie wie unserer zu leben. Ich finde, wir sollten einfach unsere Demokratie mehr schützen und auch mal Farbe bekennen und nicht jedem Populisten, egal wie er sich verpackt, vertrauen und hinterher laufen.

Ich finde dieses Buch ist gerade in der heutigen Zeit ein sehr wichtiges, da man in diesem Werk alles kompakt beisammen hat und man sich nicht alles zusammen suchen muss. Das ganz besondere für mich ist, dass Hasnain Kazim es schafft, nicht alles schlecht zu machen, sondern er versucht Kritik zu äußern, aber dabei immer fair zu bleiben – etwas, was in der heutigen Zeit einfach viel zu selten ist.

Bewertung vom 16.09.2023
Die Optimierer
Hannig, Theresa

Die Optimierer


ausgezeichnet

Also mit dem Satz „Ein Preisgekröntes Debüt!“, verschreckt man mich ja eher, als dass ich angezogen werde! Somit war eigentlich auch geplant, dieses Buch nach hinten zu legen - aber da war ja noch das Interview mit der Autorin auf der Buchmesse. Dies bedeutete also, zumindest mal anlesen ist angesagt!

Dann wurde es draußen dunkel und das „Anlesen“ waren 150 Seiten. Es waren die Seiten der totalen Überwachung durch den Staat, in dem wir Linsen im Auge tragen,  um ins Internet zu kommen oder um von A nach B zu kommen, die mich so fesselten. Wir schlüpfen also in den Lebensberater Samson Freitag, der mehr oder weniger der optimale Beamte und dem Staat, der BEU, treu ergeben ist. In seinen Augen ist alles perfekt.

Zumindest bis seine Freundin bei ihm auszieht und seine Eltern verbotenerweise Fleisch essen, was in der BEU verboten ist. Da die Fleischproduktion zu viele Weideflächen benötigt und die BEU sich komplett abgeschottet hat. Die Verwendung von Land ist daher stark reglementiert, wie auch noch vieles andere mehr.

Soweit so interessant. Diese totale Überwachung und den beschriebenen glasigen Blick kennt man ja schon irgendwie. Beobachtet einfach mal jüngere Menschen auf der Straße mit ihrem starren Blick auf das Smartphone. Ja und mit Facebook und Konsorten kann man auch jeden Schritt der Menschen verfolgen. Hat schon Überwachungspotential, oder?

Zwischendurch habe ich noch das Video von der Buchpremiere gesehen und war begeistert. Kleiner Tipp: Seht es euch bei Youtube oder bei der Autorin auf der Homepage an.

Aufgrund der Art der Überwachung und der Beschneidung der Freiheit, war ich wieder recht schnell bei 1984, aber es fehlten mir ja noch 154 Seiten und man sollte sich nicht zu schnell ein Urteil erlauben.

Man lernt auf einmal etwas über die Schwarmintelligenz der Roboter und schwupp war ich mit der kompletten Überwachen der Bürger, mit einem Sozialpunktesystem und der Schwarmintelligenz der Roboter bei einer Mischung von besagtem Klassiker von George Orwell und den Borg. Für den Fall, dass sie nicht jedem bekannt sind, die Borg sind eine Spezies aus der Star Trek Reihe, die ebenfalls untereinander verbunden sind und keine individuelle Intelligenz zeigen, sondern nur im Kollektiv agieren, wie bestimmte Roboter in dem Buch von Theresa Hannig.

Jetzt komme ich mal langsam zum Ende. Also das mit dem anlesen war bei diesem Buch wirklich schwer, da man schnell in die Geschichte gezogen wird. Man fiebert mit Samson Freitag mit und entwickelt relativ schnell negative Gefühle gegen den führenden Politiker der Optimierer Partei. Man wird zwischenzeitlich komplett auf die falsche Fährte gesetzt. Ich habe dann auf den letzten Seiten verstanden, warum dieses Buch preisgekrönt ist. Das Buch regt sehr zum Nachdenken an und lässt sich trotz allem auch sehr gut lesen, daher hoffe ich, dass dieses Buch seine Leser findet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2023
Ein Mensch brennt
Ljubic, Nicol

Ein Mensch brennt


sehr gut

Ich gestehe, mit dem Buch tue ich mir so richtig schwer. Mein Umfeld hat dies nicht nur einmal gemerkt, da ich immer wieder über das Buch sprechen möchte, weil mich dieser Roman nicht richtig loslässt. Am Anfang dachte ich wirklich, dass dieser Hartmut Gründler fiktiv ist, denn wie krank muss man sein, dass man sich selbst ansteckt?

Ziemlich krank dies kann ich schon jetzt sagen, denn Hartmut Gründler gab es wirklich. Er war wirklich ein Aktivist, der den Bund für Umweltschutz (BfU) mitgegründet hat. Jetzt stößt dieser Mensch zur fiktiven Familie Kelsterberg und da im Besonderen auf die Mutter von Hanno. Bei ihr trifft Hartmut auf offene Ohren und sie hilft ihm bei seinem Kampf gegen die Atomlobby.

Gut, dass eine Mutter ihr Kind mit auf eine Demo nimmt, alles im grünen Bereich und gut so, auch wenn es in diesem Fall wohl zu oft vorkam. Wenn dann der 9-Jährige Hanno von Tübingen nach Kassel mit genommen wird, da der liebe Hartmut ja im Hungerstreik ist, den er nicht in ihrem Haus machen konnte, da Hannos Vater dagegen war, dann finde ich das schon einen Schritt zu weit. Hannos Vater ist der komplette Gegenentwurf zu Hartmut. Er ist einer der gerne Fleisch isst, schnell Auto fährt, ein „paar“ Kilo zu viel auf den Rippen hat, eine Baufirma hat und der sagt, die Atomkraft sei sicher.

Dass es da einiges an Konfliktpotential geben wird, ist wohl vollkommen klar. Zu allem Überfluss nimmt die Mutter auch den kleinen Hanno mit, als sie Hartmut in Hamburg besucht, nachdem sich dieser verbrannt hat - und der 9-Jährige Hanno sieht den verbrannten Hartmut. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass dies einen bleibenden Eindruck bei dem Kind hinterlassen hat, der gewiss nicht förderlich war.

Dies alles und noch einiges mehr hat mich so sehr bewegt, dass ist dachte „O Gott, wie krank ist dies denn?“ Der Autor schafft es, den Figuren so eine Tiefe zu geben, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, dies ist eine reale Familie, es muss einfach so sein, auch wenn die Mutter irgendwie so richtig verbohrt ist und am Ende noch etwas anderes rauskommt.

Und nein, die beiden waren kein Liebespaar, sondern einfach nur Aktivisten. Aufgrund der Tiefe, der Figuren bin ich mir noch immer auch nach 24 Stunden nicht so wirklich sicher, was fiktiv ist und was Realität in diesem Roman und genau das macht für mich das Besondere an diesem Roman aus. Er lässt einen noch Stunden später nicht wirklich los und man lernt nebenbei doch einiges an deutscher Geschichte, die gerade in der Zeit der RAF und frühen Öko-Bewegung in meinem Geschichtsunterricht ein wenig zu kurz gekommen ist. Ich könnte vieles über diesen Roman schreiben, aber dann würde ich viel zu viel über die Story schreiben und nur selbst lesen ist das richtige.

Ich würde mich sehr darüber freuen, mehr von den Autoren zu lesen, denn er hat einen wirklich sehr intensiven Schreibstil und ich denke er kann viele wichtige Themen in einen guten Roman verpacken. Und gerade deswegen sollte er auch gelesen werden.

Bewertung vom 27.08.2023
Und du kommst auch drin vor
Bronsky, Alina

Und du kommst auch drin vor


sehr gut

Wie oft kommt es eigentlich vor, dass man ein Buch liest und denkt, schreibt der Autor über mich? So ging es der 15-Jährigen Kim. Sie hat alles was die Autorin geschrieben hat auf sich bezogen, aber auch so gedreht, bis es gepasst hat.

Da war die Mutter, die nach der Trennung von ihrem Mann die Kalorien extrem gezählt hat, der Vater, der mit seiner neuen Freundin zusammengezogen ist. All dieses findet sich in dem Buch aber auch in Kims Leben. Schon während der Lesung hat Kim das Gefühl, dass die Autorin über sie schreibt, dass dieser Roman über sie, Kim, handelt, da die Autorin genau die Ausdrucksweise von Kim getroffen hat.

Dass dies dann zu kleinen Komplikationen führen kann, ist vollkommen normal. Auch ich sitze ja gelegentlich mal da und komme aus einem Buch nicht richtig raus, das Setting hier hat aber eine ganz andere Qualität. Und bei Kim passt halt alles wirklich zu gut zusammen.

Jetzt bin ich ja, wie so oft, nicht die wirkliche Zielgruppe, aber ich kann erkennen, ob es ein Buch ist, welches zu fesseln weiß oder ob es einen eher abstößt. Bei mir war es so, dass dieses Buch mich sehr schnell in die Geschichte gelassen hat. Ich konnte sehr rasch und schlüssig nachvollziehen, warum Kim sich von dem Buch so angesprochen gefühlt hat. Dies passiert, glaube ich, jedem Leser, egal in welchem Alter. Manche Bücher sprechen einen sofort an und manche, na ja, eher nicht, weswegen das Rezensieren auch immer eine subjektive Sache ist. Es gibt Zeiten, da spricht einen das Buch an und dann gibt es Zeiten, da spricht es einen überhaupt nicht an. Genau so ging es auch der Klasse von Kim. Die war nicht angetan von dem Buch, aber Kim dafür umso mehr, auch wenn sie sich geschämt hat, dass sie liest.

Dass die Autorin manche Dinge einfach überspitzt wie z.B. das Petrowna und Kim bei der Autorin einbrechen, ist wohl der literarischen Freiheit geschuldet. Es wäre ja noch schöner, wenn ich bei Autoren, wie z.B. Herrn Uhlmann hier in Gießen, einbrechen würde, nur weil es mich juckt, wie der neue Roman denn so wird.

Aber, und dies finde ich klasse, Frau Bronsky schafft es, das ganze logisch aufzubauen und man kann selbst als Mann und sicherlich älter als Kim und ihre beste Freundin Petrowna erkennen, warum dieses Buch Kim so anspricht und warum sie so reagieren. Ganz ehrlich, ich hätte Kim nicht nur ein Mal am liebsten zugerufen: „Beziehe dies nicht alles auf dich!“, aber auf der anderen Seite kann man doch froh sein, wenn ein Buch einen so mitnimmt und derart fesselt. Das ist es, was gute Bücher nun Mal machen. Sie nehmen einen mit und ich muss sagen, gerade dieses Thema hat mir doch sehr zugesagt. Und so kann sich wohl jeder Leser irgendwann in dem Buch selbst finden, wenn man sich nur einfach einmal fallen lässt.

Bewertung vom 10.08.2023
Das erste Opfer / Oxen Bd.1
Jensen, Jens Henrik

Das erste Opfer / Oxen Bd.1


sehr gut

Oxen, tja was soll ich über ihn schreiben? Niels Oxen ist ein Soldat, der unter PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) leidet und mal wieder ein Held, mit einer gewissen psychischen Störung. Das wird ja immer mehr, war mein erster Gedanke. Dann fing ich an, es zu lesen und irgendwie fängt es sehr bedrückend an. Ein Mann der Containern geht, dabei erwischt wird und mit seinem Hund redet.

Dann der Verkehrsunfall in Spanien und ein Mann, der beim Kanu fahren ermordet wird. Der Inlandsgeheimdienst von Dänemark kommt dazu und der Mann, der sich eben noch aus den Containern der Supermärkte ernährt hat, entpuppt sich als  ehemaliger Polizist und anfangs erwähnter Kriegsheld, der sich jetzt in den Wäldern aufhält, die Hans-Otto Corfitzen gehören, der im dortigen Schloss wohnt.

Alles etwas strange, wie auch Margrethe Franck, die Geheimdienstmitarbeiterin. Man fühlt sich wie Oxen ein wenig überfordert und fragt sich, wer ist eigentlich hier der Gute und wer der Böse?

Und spätestens, wenn man sich diese Frage gestellt hat, ist man in der Geschichte drin und dies ohne, dass man es im ersten Moment so wirklich gespürt hat. Man riecht den Wald, die Umgebung versetzt sich immer mehr in die Person Oxen, fragt sich, wann endlich der Frühling einkehrt und warum es denn immer noch regnet.

Oxen vertraut niemanden mehr und so geht es auch dem Leser, da alle Personen prägnante positive und negative Eigenschaften haben. Es war irgendwie alles klar und doch verworren. Ich konnte die Ängste von Oxen spüren. Ich konnte verstehen, warum er den Fall unbedingt lösen wollte.

Es war die ständige subtile Präsenz des Geheimbundes zu spüren, auch wenn er nicht erwähnt wurde. Alles in allem war es schwer von dem Buch loszukommen und als ich das Buch beendet hatte war meine spontane Frage: Wo ist der zweite Band?

Es gibt noch offenen Fragen und man spürt, dass der Fall noch nicht ganz abgeschlossen ist. Es ist nun mal das erste Opfer und irgendwie habe ich das Gefühl, es können noch etliche dazu kommen.

Es ist eine Trilogie und ich glaube gerade darin steckt der Reiz, dass man weiß, da ist ein Ende, aber das Ende ist nicht in diesem Roman, im ersten Band, sondern da kommt noch etwas. Es ist eindeutig ein starker Auftakt, vor allem weil die Personen so genau gezeichnet sind. Sie sind nicht eindimensional, sondern vielschichtig. Wahrscheinlich muss der Held eine so starke Vita haben, so viel mitgemacht haben, denn ansonsten wäre er mit diesem Fall überfordert.

Ich würde mich freuen, wenn der zweite Band morgen in meine Hände fallen würde, aber das bleibt wohl Wunschdenken. Der Wunsch kommt wohl daher, dass der Autor eine Story schreibt, die man richtig gut nachverfolgen kann, und auch wenn man noch nie in Dänemark war, kann man sich die Umgebung sehr gut vorstellen - zumindest dann, wenn man gelegentlich mal in den heimischen Wald und mit offenen Augen durch die Welt geht. Dass man nach diesem Buch über Geheimbünde nachdenkt, liegt wohl in der Natur der Sache. Das Buch regt die Phantasie auch in dieser Richtung an.

Bewertung vom 06.08.2023
Grimms Morde
Kinkel, Tanja

Grimms Morde


sehr gut

Als ich das erste Mal von „Grimms Morde“ gehört habe, dass Tanja Kinkel über die Gebrüder Grimm einen Roman schreibt, konnte ich als Hesse meine Freude kaum unterdrücken. Mit Annette von Droste-Hülshoff und ihrer Schwester Jenny hat Frau Kinkel noch zwei weitere berühmte Personen in die Geschichte verwoben. Ich muss gestehen, ich wusste nicht, dass diese Personen überhaupt miteinander in Kontakt standen. Dieser Kontakt muss wirklich sehr rege gewesen sein, zumindest kommt dies in dem Buch so rüber und wird auch durch Quellenangaben am Ende des Buches belegt.

Frau Kinkel hat sich dem Mätressentum der Hessischen Kurfürsten angenommen, und daraus dann einen Mordfall mit Bezug auf ein Märchen der Gebrüder Grimm kreiert. Es ist zwar fast peinlich, aber dieses Märchen war mir unbekannt. Kennt hier jemand das Märchen der drei schwarzen Prinzessinnen? Es ist ja fast zu erwarten gewesen, dass die Gebrüder Grimm hatten dieses Märchen von Jenny von Droste-Hülshoff hatten. Dass ich von alldem keine Ahnung hatte, verbuche ich einfach unter dem Aspekt: wieder was gelernt.

Es war eine absolute Überraschung für mich, dass Frau Kinkel auch noch die alte Leihbibliothek Krieger in Marburg erwähnt, da ich durch Zufall wusste, dass dies die alte Buchhandlung Elwert in der Oberstadt in Marburg, direkt neben dem Oberstadt Aufzug – jetzt Lehmanns Universitätsbuchhandlung, ist.

Dass der Krimi immer interessanter und man immer mehr in das Kassel von 1821 eingesaugt wird, ist ein positiver Nebeneffekt und nicht zu unterschätzen, denn man möchte ja wissen, wer die ehemalige Mätresse des alten Kurfürsten umgebracht hat. Mit zunehmender Dauer wird es ein Pageturner, der einen nicht mehr loslassen will. Um es mal direkt zu sagen, teilweise störten mich die Anrufe von Freunden und Bekannten, weil man so sehr in die Geschichte eingesaugt wird. Für das genervte „Ja“ möchte ich mich bei allen Betroffenen entschuldigen.  Wenn sie das Buch selber lesen, werden sie es verstehen, warum jeder Anruf stört.

Am Anfang habe ich mir mit der Sprache wirklich ein wenig schwergetan, da sie nicht so unbedingt leicht lesbar daherkommt. Wie so oft muss man sich auf den Schreibstil der Autorin einlassen.  Er ist nicht wirklich schwer, sondern man hat das Gefühl, in der Zeit ein wenig zurückgedreht zu werden. Es sind einfach Kleinigkeiten, wie die Zitate und Ausdrucksweisen der damaligen Zeit. Frau Kinkel hat sich dem ein wenig angepasst, ob nun gewollt oder ungewollt, es passt einfach. Der ganze Fall ist so aufgebaut, als wäre er wirklich geschehen, als wäre man dagewesen. Dies habe ich ja schon bei „Schlaf der Vernunft“ festgestellt, und nun wieder. Frau Kinkel kann einen Fall so in die reale Geschichte einbauen, dass man meint, dies muss es genauso gegeben haben. Auch hier sind wieder starke Frauen am Werk, wie auch schon bei „Manduchai“, um nur ein Beispiel zu nennen. Generell ist keine der Personen irgendwie schwach oder eindimensional, sondern selbst Wilhelms und Jacobs Schwester Lotte kommt irgendwie toll rüber.

Es ist ein Krimi, der die Probleme der Gesellschaft aufzeigt, welche 1821 nicht nur in Kassel herrschten, sondern auch in den vielen anderen kleinen Staaten in Deutschland. Ich bin schon jetzt gespannt auf das, was Frau Kinkel als nächstes anfasst und ich denke und hoffe, dass sie mich überraschen wird, wie auch mit dem Mörder bei „Grimms Morde“. Für mich war es spannend, überzeugend und lehrreich, diesen historischen Roman zu lesen und es hat mich auch neugierig gemacht auf Annette von Droste-Hülshoff, die Gebrüder Grimm und die Zeit in der sie lebten. Was will man mehr?

Bewertung vom 16.07.2023
Grandhotel Angst (eBook, ePUB)
Garnier, Emma

Grandhotel Angst (eBook, ePUB)


sehr gut

Nachdem ich ja schon letztes Jahr gesagt bekommen habe, dass das Grandhotel Angst rauskommt, habe ich mich umso mehr gefreut, als es endlich da war.

Gut, oft ist es ja so, dass ich mich auf etwas besonders freue, und dann gibt es eine Enttäuschung - außer bei einer Buchmesse oder einem Gespräch mit einem Autor.

Aber diesmal, ja diesmal, begebe ich mich mit Emma Garnier an die Riviera des Jahres 1899 und schlüpfe in die Figur der Nell, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Es sind ihre Flitterwochen, die sie mit ihrem Mann Oliver im Grandhotel Angst verbringt. Das erste was ich gemacht habe, war nach dem Grandhotel zu googlen und ja, dieses Hotel gab es wirklich.

Was die Autorin zumindest in dem Buch schafft, ist das Hotel in meinem Kopf auferstehen zu lassen, mit den Angestellten, dem Luxus, dem Garten um das Hotel und was sie noch alles in dieser Richtung beschreibt. Langsam wurde ich in die Geschichte gesaugt. Schritt für Schritt entwickelt man ein Gefühl für den Fluch, der auf dem Hotel lastet. Aber ist es wirklich der Fluch, der Nells Ehe schon in den Flitterwochen gefährdet? Ist es nicht viel mehr die fehlende Ehrlichkeit in der Ehe, die es Olivers geschäftlichem Gegenspieler leicht macht, Zweifel in Nell zu sähen, weswegen sich die beiden zusehends entfremden, und ja, das geht wirklich so schnell, wenn man in einer Beziehung nicht ehrlich ist. Dies kann einiges zerstören. Ich weiß, dass dies recht schnell geht und man dadurch sehr bald an seinem Gegenüber zweifelt.

Und auch der Luxus kann das Ganze nur begrenzt überspielen, zumal Nell den Luxus gar nicht haben will. Dies wird immer deutlicher im Laufe der Erzählung. Sie zweifelt immer wieder an sich selbst, da sie ihrem Mann ja einfach nur glauben möchte.

Wer aber denkt, dass es so einfach ist mit dem Gut und Böse in der Geschichte und es sei doch klar, dass Oliver der alleinige Böse ist, bzw. dass er überhaupt böse ist, den muss ich nun enttäuschen. Gerade diese zwei Seiten der Medaille machen das ganze Buch so interessant.

Es sind immer wieder Kleinigkeiten, die den Unterschied machen, die dazu führten, dass ich es nicht geschafft habe, das Buch wegzulegen. Mag es der Baedeker – Reiseführer sein, der schon damals eine wichtige Rolle gespielt hat, oder einfach kleine Beschreibungen der Gegend und deren Eigenheiten, wie z.B. die Sache mit den Palmen und dem Palmsonntag, mit solchen Kleinigkeiten schafft es die Autorin, eine tolle Atmosphäre in die Geschichte zu zaubern. Es gibt auch immer wieder kleine Überraschungen, die das ganze wie ein Ü-Ei wirken lassen. Es hat Liebe, Drama und überraschende Wendungen, alles Zutaten, die eine gute Story zu einer tollen Story machen. Ich bin wirklich erfreut, dass dieses Buch endlich in meinem Bücherregal steht, und ich es gelesen habe.

Bewertung vom 09.07.2023
Hessen zuerst!
Faber, Dietrich

Hessen zuerst!


gut

Dietrich Faber kennt man, wenn man aus Gießen und Umgebung kommt. Selbst die Oma sagt „Ei, der war aach schoo bei uns in de Kirch in Dabringe“. Spätestens dann wird einem klar, ok den muss man mal lesen. Wenn ihn selbst die Oma kennt und der eigene Onkel, dann sollte man langsam mal die Bildungslücke auffüllen, auch wenn man den Autoren sehr wohl als Teil des Duos FaberhaftGuth kennt.

So kam das Buch gerade mal wieder zur rechten Zeit. Dann das Thema, es könnte aktueller nun wirklich nicht sein. Gut, die Partei Hessen zuerst, oder wie meine Oma sagen würde: Hesse erscht – so viel Zeit muss sein – gibt es noch nicht, aber in der Zeit einer AfD, warum sollte es da nicht auch eine Art AfH (Alternative für Hessen) geben die sich halt Hessen zuerst nennt. Sie könnte sich genauso gut Bayern zuerst oder Sachsen zuerst nennen, dies ist nun wirklich egal! Es könnte jedes Bundesland sein. Somit war es für mich einfach ein Muss, das Buch zu lesen.

Der Nachbar und Freund von Henning Bröhmann, dem ex-Polizisten aus dem Vogelsberg, ist einer der führenden Köpfe dieser „Partei“. Tja, das erinnerst schon stark an die Realität, denn fast jeder hat momentan zumindest einen im Bekanntenkreis, der sagt das die AfD ja so toll sei - und nein, sie ist nicht toll! Ganz im Gegenteil, obwohl es momentan doch einige glauben

Als der Bürgermeister des Ortes tot aufgefunden wird, ist das Geschrei groß ist. Es wird vermutet, dass dies die Flüchtlinge im Heim waren - vollkommen klar und leider gang und gäbe.

Dass man gelegentlich in die Gedankenwelt eines Hessen, mit den Hochs und Tiefs, hineingeführt wird, ist klar. Es ist nun mal ein Hessenkrimi. Dass mir der Dialekt des Buches nicht schwer fällt, ist auch klar, da ich ja aus besagtem Bundesland komme - und dann auch noch vom Dorf. Wenn man die Wanderung am Anfang des Buches anschaut und den Gasthof, welcher dort beschrieben wird, ja, dies kann einem wirklich noch passieren, vor allem im Vogelsberg. Aber, und dies ist mir wirklich wichtig, man kann in solchen Gaststätten verdammt gut essen und man wird immer satt.

Auch wenn wir Hessen vielleicht etwas stoffelig daherkommen, so haben die meisten doch das Herz am rechten Fleck. Jetzt komme ich dann mal zu meinem Fazit, Henning Bröhmann, der Ex-Kommissar, stolpert mehr oder weniger in den Fall hinein. Er merkt einfach, dass da etwas nicht stimmt. Seine ehemaligen Kollegen glauben es ihm nicht. Als Leser muss sich gelegentlich das Lachen ein wenig verkneifen. Man erkennt sich und seine Umgebung durchaus wieder und bekommt auch gelegentlich den Eulenspiegel vorgehalten.

Dietrich Faber schafft es, ein ernstes Thema amüsant zu verpacken, mit einigen lustigen Personen, die man einfach gernhaben muss. Und es ist irgendwie schade, dass doch einige Personen in der Geschichte sterben. Da sehe ich ein kleines Manko in der Story und zwar hatte ich im letzten Drittel des Buches das Gefühl, er muss nun die Geschichte so biegen, dass es passt. Ich hätte es besser gefunden, wenn er diese Kurve schon etwas früher im Buch bereits angeschnitten hätte. Aber wichtig finde ich, wie deutlich er die einfache Masche beschreibt, mit der Populisten arbeiten. Wie sie Ängste schüren, wo eigentlich noch keine Ängste sein sollten, da es keine Vernünftigen Gründe gibt. Und dies schafft er einfach klasse, mit einem Augenzwinkern und einem lachenden Menschen, der dann vielleicht eher mal darüber nachdenkt, da man doch den Spiegel vor die Nase gehalten bekommt. Genau dies finde ich enorm wichtig und gut. Ich werde auf alle Fälle darauf achten, was Dietrich Faber als nächstes anpackt.