Abgetakelt

ausgezeichnet

Regionalkrimis brauchen nicht langweilig oder gar überflüssig sein. Nicht jeder Fall, der in einer bestimmten Region angesiedelt ist, stellt automatisch ein nur regional begrenztes Ereignis dar. So geschehen im aktuellen Küstenkrimi „Abgetakelt“.
Andre Bawars übersprudelnde (und nebenbei mörderische) Wismar-Betrachtung ist ein Kaleidoskop menschlichen Miteinanders an den provinziellen Rändern der Republik. Dort, wo die Uhren langsamer ticken. Dort, wo die Polizisten noch Mundart reden. Dort, wo Touristen zum einzigen Farbtupfer im grauen Alltag werden. Wenn ein Urlauber schwarzer Hautfarbe unmittelbar nach einem Gewaltverbrechen im Küstennebel auftaucht, bimmeln in der Hansestadt die Glocken auf Sturmflutniveau.
Man möchte meinen: Bawars irrwitzige Killer-Posse spielt eher zufällig im kleinen Wismar. Hier und da erfährt man zwar ein paar lokale Gegebenheiten, doch ist das nur schmückendes Beiwerk. Der Tod im Altenheim ist keine regionale Veranstaltung. Das macht den Roman so stark.
Das Geniale sind die Alten. Liebevoll gezeichnet, mit Selbstironie und Pfiffigkeit gewappnet, können sie im Seniorenstift ihren grausigen Abgängen so oder so nicht entgehen. „Wer einen wohl berührt, wenn man erst tot ist?“ Berührend die Lebensschicksale und sehr gut nachvollziehbar die Pflegesituation, das Altern und schließlich das Sterben. Das Buch ist davon derart durchdrungen, dass man zwischenzeitlich fast vergisst, dass auch ein blutrünstiger Serientäter noch zur Strecke gebracht werden muss...
Eine Mischung aus Realsatire, Sozialkritik und Kriminalstudie um das letzte große Geheimnis des Menschen: seinen eigenen Tod.

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