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Moe

Bewertungen

Insgesamt 45 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2025
Der Gott des Waldes
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


ausgezeichnet

Dieses Gefühl, von einem Buch eingenommen zu werden, nicht erwarten zu können, zu ihm zurückzukehren, weil man sich als Teil der erschaffenen Welt fühlt und unbedingt Klarheit haben möchte, was wie und warum vor sich geht, habe ich nicht allzu häufig.
Vielleicht weil ich kein klassischer Spannungsliteratur-Leser bin und nicht gezielt nach handlungsgetriebenen Verwicklungen in Geschichten suche. Was auch immer der Grund sein mag; in diesem Fall ging es für mich komplett auf.

Es ging so sehr auf, dass ich das Buch, das nicht gerade mit Schmalheit punktet, in 2-3 Sitzungen genossen habe. Kurz war ich versucht zu schreiben, ich hätte es verschlungen oder weggeatmet, aber das trifft es nicht, denn dafür war es doch zu reichhaltig und kreist eine Woche danach noch zu sehr in meinen Gedanken. Und das ist meiner Meinung nach der höchste Adel, den man einem spannungsgetriebenen Werk ausstellen kann!

Etwaige Klischees, die in Krimis und Thrillern (denn der Verlag bezeichnet das Buch als literarischen Thriller) nur allzu gern verbraten werden, sind hier kaum zu finden. Das gilt sowohl für die Figuren, als auch die Entscheidungen, die sie treffen und die sich daraus ergebenen Konsequenzen.
Es wird sehr viel innerhalb verschiedener Zeitpunkte gesprungen und was anfänglich ziemlich anspruchsvoll wirken mag, entpuppt sich irgendwann als fesselnde Dynamik, die nicht zur Folge hat, dass die Leser mit billigen Cliffhangern stehengelassen werden, sondern dass die Figuren sehr viel Raum bekommen, um sich zu entwickeln und nahbar zu sein (so nah wie es die Autorin zumindest beabsichtigt).

Wenn ich der Geschichte einen Stempel aufdrücken müsste, dann wäre es: glaubwürdig. Keine übertriebenen Gewaltszenen der Gewalt und des Schockierens willen, sondern dramatische und teils tragische Entwicklungen, die daher rühren, dass Menschen Menschen sind und das nicht zwangsläufig etwas Gutes sein muss. Aber die Autorin ruht sich nicht auf Schocksequenzen aus, um ihre Geschichte erzwungen interessant zu gestalten und den Leser zu fesseln, sie erzählt in aller ihr zur Verfügung stehenden Breite von Machtgier, Machtmissbrauch und dem Drang nach Freiheit in einem System, das Andersartigkeit schnell abstraft.

Sie fesselt, ohne abgedroschen und plump zu sein, sie rührt an unserer Empathie, ohne rührselig zu werden. Und vor allem: Sie kreiert eine meisterhafte Spannung, ohne sich der Sensationslust zu bedienen. Für mich schon jetzt ein klares Highlight in diesem Jahr!

Bewertung vom 15.02.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


sehr gut

Eine 102-jährige Frau in der Pension, die sich irgendwie über die Welt wundert und doch im Reinen mit ihr ist.
Ein junger Mann, der sie rüpelhaft-charmant umherfährt und Sprachen erfindet.
Eine Enkelin, die ein Geheimnis hütet und zu sich selbst finden muss.
Margrit, Arthur und Luzie. Geschichten in Geschichten, Schweigen in Sprache und Sprache in Schweigen.

Wenn ich an meine Leseerfahrung denke, dann habe ich zwei Gedanken:
Wow, was für eine wahnsinns-Kraft in dieser Erzählung steckt. Wie wunderschön auf den Punkt die Autorin von ihrer Welt, ihren Charakteren erzählt, wie sehr man sie gern einfach erzählen und erzählen lassen möchte.
Und: Die Charaktere sind vielschichtig, toll, interessant, originell, aber nur zum großen Teil. Und dieser eine Teil hat sehr viel Raum eingenommen, sodass alles, was sich anfänglich aufgebaut hat, einen Dreh bekommen hat, der mir, ja, einfach nicht so richtig schmecken mochte.

Denn Margrit, eine weltgewandte und gleichzeitig in sich ruhende Persönlichkeit hat so viel Witz und Charme. Sie ist nicht nur der Katalysator für eine andere, noch (gewissermaßen) größere Geschichte, sie hat eine wunderbare Dynamik zu der Welt um sie herum. Sie hat insbesondere eine wunderbare Dynamik zu Arthur, kontert seine schwarz humorigen, bissigen Bemerkungen und nimmt unaufdringlich viel Raum ein.
Arthur ist ein - scheinbar - völlig unbekümmerter und liebenswürdig-dreister Mann mit sehr spezifischen Interessen. Er erfindet Sprachen, eine Sprache ist Sigé - das Schweigen. Passenderweise, denn das Aufbrechen von Schweigen ist ein großes Thema in diesem Roman.
Während diese zwei Figuren also für mein Empfinden vielschichtig und, vielleicht auch in ihrer Gewöhnlichkeit, außergewöhnlich waren, konnte ich dieses Urteil Luzie, der Enkeltochter mit schwerwiegenden Erfahrungen, leider nicht zusprechen.
Luzie war für mich die Blaupause eines Instagram-Teenagers. In ihrer Sprache, ihren Ansichten, ihren Handlungen. Und dabei klammere ich alle destruktiven Handlungen aus, die sich aus ihren traumatischen Erlebnissen ergeben haben.
Denn ja, das ist ihr Thema. Sich einer Welt zu öffnen, in der sie aufs Tiefste verletzt, gedemütigt, entwürdigt wurde.
Dennoch, ich konnte mich nicht dem Gefühl entziehen, dass ich Luzie kenne. Hunderte und tausende Male. Wenn ich Social Media öffne, dann ist da mindestens eine Influencer Luzie. Hoffentlich nicht eine, die ähnliche Erfahrungen machen musste, aber eine, die sich auf eine bestimmte Art verhält und spricht und ist.

Und das ist schade, angesichts der Tatsache, dass mir die anderen Figuren anfänglich völlig fremd waren, ich sie erst einmal kennenlernen musste und sie dann ins Herz schließen konnte, nicht das Gefühl hatte, von "so jemandem" schon ewig oft gelesen oder gehört zu haben.

Und da das Schweigen hier in so wundervoll umschriebener Art und Weise ganz viel Raum bekommt, mal bewertet wird, mal nicht, ist es für mich auch das Schweigen, die Stille, die leisen Momente, die dieser Erzählung ihre Kraft verleihen. Denn nochmal: Wow, Katharina Hagena kann erzählen und beschreiben und Situationen illustrieren, ohne überhaupt jemanden zu Wort kommen lassen zu müssen.

Bewertung vom 11.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


sehr gut

Daniel Glattauer ist einer dieser Autoren, deren Bücher ich lese, ohne vorher wissen zu wollen, worum es geht. Denn er ist zudem einer dieser Autoren, die einen derart (selbst-) ironischen Wortwitz in den Büchern versprühen, dass die Geschichte schon nebensächlich ist. Zumindest fast.
Von niemand anderem hätte ich aber gerne von einer zufälligen Zugbegegnung gelesen, die sehr willkürlich wirkt, aber tief in die Figurenköpfe (und den Autorenkopf?..) blicken lässt.

Denn viele Gedanken, die der Protagonist so hegt, wirken aus der Ferne wie auf Glattauer selbst geprägt (Autor, der früher Liebesromane schrieb und sich aufgrund der sich verändernden Lebensphase nicht mehr dafür begeistern kann; Verlag, der den renommierten und lukrativen Autor zu neuen Werken drängt, sich aber nicht mit verändern möchte). Alles nur spekulativ, vielleicht bediene ich damit auch nur ein fernes Klischee und letztendlich spielt es für die Geschichte auch keine Rolle.

Was für die Geschichte eine Rolle spielt ist, dass sich zwei Figuren begegnen, die, was Generation und so ziemlich alle anderen Merkmale angeht, komplett unterschiedlich sind, sich aber auf kleinstem Raum große Details erzählen und anfreunden. Was dabei noch wichtiger ist, sind die zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Kommentare, die, mal weise, mal bitter, mal grotesk, auf alle Fälle aber oft urkomisch sind. Das ist die Situationskomik, für die ich den Herrn Glattauer aus der Ferne platonisch liebe.

Weil ich eben Liebesgeschichten in den meisten Fällen nicht mag, außer er erzählt in "Gut gegen Nordwind" von einer Liebe, die nicht sein kann/will/darf mit seinem ihm eigenen Sprachwitz.
Weil zufällige Zugbegegnungen, aus denen sich Liebe und/oder Freundschaft entwickelt, wahnsinnig schnell in den Kitsch abdriften können, es aber hier einfach nicht tun, sondern einfach das Gefühl von behaglicher Nähe zu den Figuren (nicht unbedingt die Figuren untereinander) und ihren Gedanken besteht. Und der Zeitgeist mit allen mehr oder weniger anstrengenden Diskursen widergespiegelt wird, ohne aufdringlich und penetrant zu sein und schon gar nicht einseitig.
Und weil ich lange, sehr lange, nicht mehr so herzlich beim Lesen gelacht habe und auch niemals für möglich gehalten hätte, dass Zuggespräche, die von einem unbeteiligten Dritten belauscht werden (Grüße an den netten Italiener in der Geschichte), derart komisch sein können.

Bewertung vom 16.02.2024
Der Wortschatz
Gugger, Rebecca

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Eine spritzige Hommage an die Kraft der Worte!

Oscar kann sich glücklich schätzen, er macht eine Entdeckung, die ihm zuerst unbedeutend und langweilt vorkommt, sich aber als eine der prächtigsten und mächtigsten überhaupt herausstellt: Ein riesengroßer Wortschatz.
Und was man damit alles machen kann: Er lässt Dinge ihre Form und Farbe verändern, man kann ihnen damit sehr viel oder ganz wenig Bedeutung zumessen. Worte vermögen die Welt zu verändern, weshalb man behutsam mit ihnen umgehen und sie weise wählen sollte, dieses kleine Plädoyer steckt zudem, richtigerweise, zwischen den Zeilen.
Im Vordergrund steht aber doch ihre positive Wirkung und es macht wahnsinnigen Spaß, den Wortideen zu folgen, die von fantasievollen, spritzigen Bildern begleitet werden. Hier steckt also nicht nur eine wichtige Botschaft, sondern ganz viel Liebe zwischen den Buchdeckeln und beides vermag mit Sicherheit anzustecken.
Ein humorvolles und spaßiges Bilderbuch über die Macht der die Fantasie beflügelnden Worte!

Bewertung vom 06.05.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


ausgezeichnet

"Wenn die letzte Feder verschwunden und dein Frauenkörper ausgewachsen ist, denk dran, dass du im Innern ein Vogel bleibst. Du hast das Fliegen nicht vergessen. Denn was ist mehr Frau, als den Tod und das Leben, Himmel und Erde gleichzeitig in sich zu bergen, zu fliegen und zugleich an die Erde gebunden zu sein?" (S. 231)

"Als wir Vögel waren" ist im englischsprachigen Raum der Literaturbegeisterten schon jetzt ein Hit, insbesondere in den Kreisen, die ich verfolge.
Geschichten vor ungewöhnlicher Kulisse, zumindest ungewöhnlich gemessen an den Orten, die für gewöhnlich die euphorischen Leserherzen höher schlagen lassen, Elemente des magischen Realismus, fundamentale Fragen um Leben und Tod, Emanzipation von festgesetzten (Familien-) Systemen. Alle Elemente in einen Topf gegeben und es kommt ein mir wohlmundender Cocktail dabei heraus. So dachte ich.

Am Geschmack lässt sich hier auch nichts aussetzen. Doch ist es ein Geschmack, der mich wehmütig an das Erlebte zurückdenken lässt, mich wieder nach Trinidad versetzt, Szenen auf dem Friedhof hell erleuchten lässt? Vermutlich eher nicht. Es war solide, ich hatte ein angenehme Zeit, ein paar Szenen, die mich, zumindest während des Lesens begeisterten, allerdings schon jetzt, eine Woche danach, verblasst sind. Für mich hat weder sprachlich, dramaturgisch oder thematisch etwas herausgestochen. Kein besonderer Kniff, der mich über das Gelesene sinnieren ließ, keine Elemente, die mich innerlich jubeln ließen.
Was aber nicht heißt, dass Buch nicht lesenswert wäre. Gerade Lesende, die sich an den magischen Realismus wagen möchten, ohne sich gleich in völlig abstruse Szenarien zu begeben, sei dieses Buch empfohlen.
Denn emanzipatorische Geschichte der Figuren und die dysfunktionalen Familien stehen hier im eigentlich Fokus, das Matriarchat, zumindest auf der einen Seite, ist ein zentrales Thema.

Bewertung vom 02.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


sehr gut

Ein messerscharfes Portrait unserer aktuellen (Meinungs-) Kultur

Daniel Glattauer ist wieder da. War er je wirklich weg? Vermutlich nicht, aber die Zeiten zwischen seinen Büchern sind, egal wie lang sie ausfallen, zu lang. „Die spürst du nicht“ ist also definitiv nichts, was auf die Zeit zwischen den literarischen Erzeugnissen Glattauers zutrifft.

Worauf es zutrifft: Menschen, die inmitten einer Gesellschaft – unserer Gesellschaft leben und trotzdem unsichtbar sind. Weil sie es sein wollen, weil unsere Gesellschaft es so will, weil sie es sein müssen.

„Die spürst du nicht“ erzählt eine dieser Geschichten. Die Geschichte eines jungen Mädchens, das seiner Heimat entrissen wurde, um sich in einer völlig fremden österreichischen Welt zu arrangieren. Und durch einen Unfall in der Obhut einer angesehenen österreichischen Familie ums Leben kommt.

Das Buch ist ein Kommentar auf Internet-Kommentare (und, typisch Glattauer, wahnsinnig dialog-authentisch), ein Spiegel unserer Gesellschaft und der Medienlandschaft und ein gut gemeinter Hinterntritt an all jene, die wegschauen, einfach, weil es einfacher und bequemer ist. Und jene, die sich ein Urteil bilden, weil das sehr viel leichter ist, als sich mit Fakten und anderen Perspektiven auseinanderzusetzen.

Leichtigkeit, Wortgefechte und die alles bereichernde Prise Humor wird man auch hier finden, allerdings nicht so einnehmend, wie in anderen Werken des Autors. Der Tod des Mädchen verändert das Leben der Figuren schlagartig und die beobachtenden Menschen haben alle eine Meinung, die anhand von Internetkommentaren widergegeben werden. Jeder nutzt seine Strategien, um das Geschehene zu verarbeiten oder zu verdrängen; wie auch immer ausgeartete Flucht, das unbedingte Verlangen nach irgendeiner Art von Gerechtigkeit und Wiedergutmachung, Ignoranz, Beschönigung, Trauer, Wut, Depression.

Glattauer schreibt wieder zwar kurzweilig und sehr (!) unterhaltsam, aber inhaltsschwer. Er würzt das Geschriebene mit Humor, ohne es darin einzubetten und zeichnet ein messerscharfes Portrait unserer modernen Gesellschaft und (Internet-) Kultur. Mit sehr viel Spannung und Freude habe ich auch sein aktuelles Werk genossen und bin gespannt auf alles, was da noch kommen mag!

Bewertung vom 07.11.2022
Das Gesetz der Natur
Winter, Solomonica de

Das Gesetz der Natur


weniger gut

Die Autorin, die schon im zarten Alter von 16 ihr erstes Buch schrieb, welches hier zu Lande durchaus einige Fans für sich gewinnen konnte und Aufmerksamkeit generierte, wartet nun, einige Jahre später, mit einer neuen Geschichte auf.

Vergleicht man den Erstling, der auch mich zur gegebenen Zeit sehr gut erhalten konnte und mich die Autorin im Blick behalten ließ, mit „Das Gesetz der Natur“, so ergeben sich, retrospektiv betrachtet, kaum Parallelen. Während „Die Geschichte von Blue“ damals mit einem Stil und einer Wendung überzeugen konnte und mir auf Grund dessen im Gedächtnis blieb, erscheint das aktuelle Werk hingegen sehr blass und eher mühselig in seiner breit erzählten Form. Der Stil sehr aufgesetzt und gewollt, repetitiv, die vermeintlich melodische Sprache eher deplatziert. Kein Thema scheint hier so recht aus erzählt und zu Ende gedacht worden zu sein.

Worauf ich mich bei dem Werk gefreut habe: Eine apokalyptische oder dystopische Geschichte mit einer Außenseiter-Figur, die sich auf Grund ihres schweren Erbes behaupten muss und sich zu emanzipieren lernt. Was ich bekommen habe: Eine Geschichte, dessen Szenario kurz umrissen wird, dessen System fast gar nicht erklärt wird und irgendwann sowieso keine Rolle mehr spielt. Eine Hauptfigur, die durchaus ausgegrenzt wird, sich aber irgendwann (und so einige Male fragte ich mich trotz der Länge der Geschichte (!): Wann ist das bitte passiert?) zur strahlenden (Anti-?) Heldin erhebt und von den Menschen, die sie ob ihrer Andersartigkeit verachten, auf eine Empore gehoben wird. Warum? Nun, so ganz klar wird das nicht, denn unsere Hauptfigur bleibt trotz aller Voraussetzungen, die ihr gegeben sind, unglaublich blass. Die Autorin versucht ihr anhand von Dialogen eine Unnahbarkeit zu verschaffen, die sie eher sehr belanglos und langweilig erscheinen lassen, eindimensional, träge. Und bei aller Kritik muss ich noch hinzufügen, dass die Dialoge an sich bereits eine große Schwäche waren, da sie sehr uninspiriert wirkten, die Autorin sich innerhalb dieser sehr, sehr, sehr gerne wiederholt hat und teilweise nur Phrasen aneinandergereiht, ohne relevante Inhalte hinzuzufügen oder der Geschichte anderweitig voranzuhelfen.

Insgesamt war es also ein sehr mühevolles Vorankommen innerhalb der Geschichte, denn hier gab es kaum etwas, das einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte oder interessant oder gut ausgearbeitet war. Der Stil las sich mühselig, Sprachbilder waren wenig gut eingebettet und die Hauptfigur erschien in ihrem Verhalten nicht konsequent.

Leider fällt es mir schwer, einem Buch, das von den Lesenden so viel Zeit für sich einfordert, aber kaum etwas zurückgibt, etwas Positives abzugewinnen und so muss ich diese Leseerfahrung für mich doch insgesamt als negativ bewerten.

Bewertung vom 17.07.2022
Ich bin Joy / Joy Applebloom Bd.1
Valentine, Jenny

Ich bin Joy / Joy Applebloom Bd.1


sehr gut

Hier kommt Joy; Alltagsmagierin, Optimistin und Frohnatur.

So spritzig bunt, wie das Cover vermuten lässt, geht es auch in der Geschichte zu. Denn Joy ist eine liebenswerte Figur, die in ihren Menschen immer das Gute sieht, bis sie auf ihre Endgegnerin trifft: Die neue Lehrerin in ihrer neuen Heimat, die sich ganz offenbar an Joys quirligem Charakter stört.
Denn unsere 9-jährige Hauptfigur hat ihr Leben lang mit ihrer Familie eine Art Nomadenleben geführt. Sie und ihre Schwester wurden zuhause unterrichtet und haben sich ihr Wissen zudem praktisch angeeignet, Länder bereist, Kulturen kennengelernt, die Welt erfahren. Ein Leben, das die Familie sehr genossen hat, bis der englische Großvater, den Joy bisher nur einmal gesehen hat, bedürftig wird und die Familie beschließt, sich ihm anzunehmen. Das Nomadenleben verurteilt er, weshalb nur noch England als neuer Lebensmittelpunkt für die Familie bleibt.

Für Joy und ihre große Schwester fühlt sich die neue Beständigkeit zuerst wie ein Gefängnis an. Joy, die zudem durch ihren fröhlichen und ausgeglichenen Charakter glänzt, stößt im starren Schulsystem an ihre Grenzen, wird traurig, wütend und verzweifelt an der Konformität, der Eingesperrtheit und Trennung von der Natur. Bis sich ganz plötzlich jemand zu erkennen gibt, der ihr sehr wohlgesonnen zu sein scheint und mit dem Joy die Alltagsmagie Schicht für Schicht wieder zu Tage führt.

Der Name unserer Titelfigur ist hier Programm, denn es macht Spaß, die Geschichte zu erfahren und Joy in die Eingliederung in ein System zu begleiten, in das sie nicht so recht zu passen scheint. Und ganz glücklich mag auch die Autorin mit dem Schulsystem nicht zu sein und vorallem nicht mit der Behandlung von Kindern, die in dieses, aus welchen Gründen auch immer, nicht passen. Denn eine leichte Kritik lässt sich hier wahrnehmen.
Ein weiteres Thema, das sich gen Ende präsentiert, ist der Umweltschutz, aber die Naturverbundenheit selbst ist hier das gesamte Buch über spürbar, das ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass unsere Heldin die zahlreichen Facetten der Natur während ihres Aufwachsens hautnah miterlebt und lieben und schätzen gelernt hat.

Da es sich hierbei um den ersten Teil einer Trilogie handelt, lohnt es sich sicherlich, Joy weiterhin zu begleiten, denn sie ist nicht nur liebevoll und ungewollt humorvoll, man kann für sich auch die ein oder andere Lehre aus der Geschichte ziehen. Und es kann sicher nicht schaden, ein bisschen JOY in sein Leben zu lassen.

Bewertung vom 16.07.2022
Der Mann, der vom Himmel fiel
Tevis, Walter

Der Mann, der vom Himmel fiel


gut

"Der Mann, der vom Himmel fiel" oder eigentlich "Das androgyne antheanische Wesen, das ganz bewusst und geplant auf die Erde kommt" ist ein weiterer Roman des bereits verstorbenen Autoren Walter Tevis, der hier zu Lande durch die Verfilmung seines Romans "Das Damengambit" Aufmerksamkeit auf sein Werk generieren konnte.
Zeichnet sich allerdings das Damengambit durch ein großes Charakterisierungstalent aus, so ist hier, vermutlich aufgrund der Kürze der Geschichte, sehr viel weniger davon zu spüren.

Die Menschheit durch die Augen anderer Wesen, seien es irdische oder solche, denen die Erde fremd ist, gespiegelt zu sehen, bietet immer viel Potenzial für spannende philosophische und durchaus kritische Ansätze, aber ebenso wertschätzende Perspektiven. Kein unbeliebtes Motiv in der Literatur, vor allem in der Science Fiction. Die Herangehensweisen sind so vielfältig wie die Aussagen selbst; ob humorvoll, offen kritisch und dramatisch oder ja, auch durchaus kitschig, wenn der Wert des Menschen an der Fähigkeit zu lieben bemessen wird.

Wo reiht sich nun Tevis 1963 erschiener Roman ein? Für mich wurde die Geschichte durchzogen von einer ständig aufkochenden Melancholie, die sich auch in der Aussage gut widerspiegelt.
Denn Thomas Jerome Newton, das antheanische Wesen (denn obwohl er große Ähnlichkeiten mit einem Menschen hat, ist er in seiner Physiologie und seiner Intelligenz den Menschen zum größten Teil um einiges überlegen, was ihm auch durchaus bewusst ist), kommt mit einer Mission auf die Erde, mit hoffnungsvollem Blick. Doch diese Einstellung bröckelt immer weiter, je länger er zwischen den Menschen lebt. Und obwohl er alle menschlichen "Schwächen" wie Begehren und Impulsivität oder einfach eine ausgeprägte Emotionalität an sich im Grunde nicht hat, deprimiert ihn die Situation derart, dass er dem Alkohol verfällt (hier eine Parallele zum Damengambit).

Und auch wenn unsere Hauptfigur sich irgendwann mit Blick auf die Menschheit eingestehen muss "die Tiere ringsum, die ihre eigene Umwelt verschmutzten und ihren eigenen Mist fraßen, letzten Endes glücklicher und weiser waren als er." (S. 133), gelingt es ihm nie, dieses vermeintliche Glück selber zu erfahren.

Letztendlich geht es also um jemanden, der zutiefst einsam und unverstanden in einer Gesellschaft lebt, in der er für sich genommen nicht akzeptiert wird. In der er nur überleben kann, indem er brilliert und außerordentliche Dinge tut, die zu außerordentlichem Reichtum führen, welcher ihm Macht verleiht und ihn über die Menschen stellt, sodass sie ihn nicht angreifen können.

Für ein anspruchsvolles Science-Fiction Buch reicht dies aber, aus meiner Sicht, heutzutage nicht mehr aus, um einen Wiedererkennungswert zu haben. Und für eine Charakter- oder Gesellschaftsstudie fehlt es vielleicht an Umfang. Im zeitlichen Kontext betrachtet mag der Roman wichtig gewesen sein, aber aus heutiger Perspektive kann ich darin leider wenig erhellendes finden.

Bewertung vom 06.06.2022
Tod im Trödelladen
Grue, Anna

Tod im Trödelladen


weniger gut

Beworben wird das Buch als „Hygge“-Krimi. Ziemlich ironisch, wenn man bedenkt, wofür das Schlagwort, das mittlerweile auch hierzulande gemütliche und heimelige Stimmung verbreiten soll, steht; eine gesellige (oder nicht gesellige, je nach Vorliebe) Atmosphäre voller Harmonie, stimmig gezaubertem Ambiente und einer Auszeit von der Realität. Von Mord und anderen Verbrechen war mir hierzu bislang nichts bekannt, aber man lernt nie aus. Ob sich das Buch zudem als Krimi klassifizieren sollte, sei mal dahingestellt, aber nun gut.

Damit, dass der Verlag unsere Protagonistin als „neue Miss Marple“ vorstellt, tut er sich sicherlich auch keinen Gefallen. Denn was sie auszeichnet ist, dass sie eine herzliche und mütterliche, aber vor allem unfassbar dicke (90 unglaubliche Kilo verteilen sich hier auf 1,63 m und damit reiht sie sich in die Riga der anderen, Zitat „Fettsäcke“ ein) und, Überraschung, keine Kostverächterin und sehr leidenschaftliche Esserin, die jedem Normalgewichtigen Kalorien in den Rachen schieben möchte. Dafür zeichnet sie, und auch eine Traube anderer Figuren, eine große Portion Sensationslüsternheit aus. Hyggeliger wird’s nicht.

Die Parallelen zu Miss Marple lassen sich wohl am ehesten darin wiederfinden, dass beide ein entsprechendes Alter haben, weiblich sind und gerne ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken. Mit dem Unterschied, dass Anne-Maj ihre Nase vor allem in allerlei Köstlichkeiten steckt und das Land Dänemark mit ihrer exorbitant ausgearteten Figur belästigt, was die Autorin nicht müde wird, uns klarzumachen.

Abgesehen davon habe wir eine ganz nette, aber wirklich nicht herausragend beschriebene Dynamik zwischen den Figuren im Trödelladen, einen Mordfall, der kaum nach einem aussieht und Beziehungsgeschichten, die mal mehr, mal weniger interessant sind. Wer sich an allen oben genannten Punkten nicht stört und keine wahnsinnig ausgeklügelte Ermittlerarbeit erwartet, sondern einfach Menschen beim Dorfleben beobachten möchte, sei hiermit vielleicht gut beraten.