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Bewertung vom 17.05.2022
Lieben
Espedal, Tomas

Lieben


weniger gut

Bislang hatte ich keinen der 9 vorherigen Bändes von Tomas Espedal gelesen - das muss ich vorausschicken. Ich bin also, anders als Espedal-Kenner, nicht mit dieser Figur 'Ich' durch ihr Leben gegangen, sondern habe dies Buch kürzlich geschenkt bekommen. Des viel versprechenden Titels wegen? Da dem Bändchen nirgendwo zu entnehmen ist, dass die anderen neun vorausgesetzt werden, und da auch der Text das weder erfordert noch nahelegt, habe ich unvoreingenommen begonnen zu lesen. Mit diesem Fazit:
Stilistisch interessant - okay. Dennoch hat das Buch mich zunehmend gelangweilt. Der Ich-Erzähler liebt vor allem, oder sogar nur, eine einzige Person: sich selbst. "Ich" ist nicht empathisch (etwa Aka gegenüber), geschweige denn solidarisch mit ihr oder gar verantwortlich gegenüber dem Kind, das sie von ihm erwartet... Er ist aber auch keine interessante Negativfigur, er wirkt nicht einmal zerrissen, sondern von sich selbst sehr eingenommen und damit recht zufrieden. Der fast monumentale Titel 'Lieben' klingt vielversprechend - der Text rechtfertigt ihn meines Erachtens leider nicht. Wo liebt 'Ich' jemanden? Hat er Vali geliebt oder sie ihn? Es wird an keiner Stelle gefüllt. Und Aka? Möglicherweise liebt sie 'Ich', aber er?? Siehe oben.
'Ich' ist meines Erachtens keine tragische Gestalt, sondern eine traurige, weshalb man ihn durchaus bedauern mag. 'Ichs' zahlreiche und oft unvereinbare Aussagen über die Dinge der Welt, des Lebens und Sterbens wirken auf mich beliebig und somit - pardon - geschwätzig. Folglich möchte ich am Schluss gar nicht wissen, ob er von der Brücke springt oder nicht. Es ist beliebig.