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Bewertungen
Insgesamt 6 BewertungenBewertung vom 22.10.2024 | ||
Das Buch fährt auf der üblichen neurokognitiven materalistischen Schiene. Die Erfahrungen von Bewahrung, Führung und göttlicher Hilfe werden als narrativer Wahn abgetan. Anstelle des Gebets tritt die Bewusstseins-Meditation. Ihr Ziel ist es, ein Selbstbewusstsein ohne Ich zu erlangen (S. 19). Schon dieser innere logische Widerspruch weist auf den Unsinn des Ansatzes hin. Es ist ein vulgärbuddhistisches, modisches Sich-Annähern an ein vermeintliches Nichts, das als Heilmittel für das universale Leiden angeboten wird. Dass zusätzlich Drogen wie LSD empfohlen werden, um dem Glück auf die Sprünge zu helfen, verwundert nicht. Der ganze Ansatz ist weder in sich stimmig, noch lebensbejahend, sondern gefährlich. Er führt in eine emotionale Sackgasse, an deren Ende die Verzweiflung steht. |
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Bewertung vom 18.10.2024 | ||
Eine sehr persönlich geschriebene autobiographisch anmutende Einleitung fasziniert durch die schonungslose Darstellung. Die vielen folgenden Zitate zeugen von breiter Literaturkenntnis. Das Buch will Mut machen, das Alter positiv zu sehen. Gewiss birgt das Alter auch Chancen der Reflexion und Lebensgestaltung. Es sind jedoch dazu viele Bedingungen zu nennen, die bei der Autorin kaum zur Sprache kommen: materielle Sicherheit, Freunde, Familie, Gesundheit, Lebenskraft. Die andere Seite des Alters, die Phillip Roth als"Massaker" erzählt, fällt unter den Tisch. Schade! Vielleicht ist es typisch Frau, dass das Alter großartig erlebt werden kann. |
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Bewertung vom 27.01.2016 | ||
Das Buch bietet dreierlei: 1. eine historische Studie zu Karl Follen, Karl Ludwig Sand und den Mord an August von Kotzebue, 2. Eine lebendige Darstellung der Erlanger Universitätsszene, speziell im germanistischen Seminar auf dem Hintergrund der politischen Unruhen des Jahres 1977, 3. eine Liebesgeschichte des Helden Hellmut Buchwald, deren Ausgang allerdings tragisch für den Helden erzählt wird. Das Buch ist sachlich hervorragend recherchiert. Bezüglich Follens hätte man allerdings die Rolle seines Bruders Adolf Follen etwas stärker berücksichtigt und auch das Wartburgfest von 1817 noch einbezogen gewünscht. Follen und die Karlsbader Beschlüsse geraten auf den letzten Seiten des Buches in den Hintergrund. Dies ist aber kein Schade, denn die damalige germanistische Situation, die politischen Morde des Jahres 1977 und vor allem die Liebesbeziehungen des Helden nehmen umso mehr Raum ein. Schließlich endet das Werk mit der verzweifelten Suche des Helden nach seiner großen Liebe Judith. Wer die 1970er Jahre in Erlangen miterlebt hat, wundert sich, wie genau Zeller den Zeitgeist damals trifft. Im Übrigen handelt es sich um einen Schlüsselroman, den der Kundige leicht entschlüsseln kann. Die Universität Winkeln ist nichts anderes als die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Dass die Stadt selbst Erlangen ist, wird deutlich, wo z.B die Gaststätte "Deutsches Haus", die Bismarckstraße und der Langemarckplatz (S. 27) erwähnt werden. Auch die "Philosophentürme" mit ihrem Sichtbeton sind atmosphärisch genau getroffen. Kurt Wölfel kommt als Curd Schäfel vor, Karl Bertau als Karl-Joseph Feineis |
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Bewertung vom 14.01.2016 | ||
Die schrecklichen Kinder der Neuzeit Das Buch lässt erst im letzten Kapitel die Katze aus dem Sack: Es geht dem Verfasser darum, dass die Menschen der Gegenwart endlich eine Perspektive für die Zukunft entwickeln. Der bloße Egoismus, den etwa Stirner propagiert, führt zum Untergang. Die These von der Bastardisierung seit der Neuzeit ist interessant, aber nicht wirklich tragfähig, da durchaus die "Filiation" bis 1914 in Kraft war. Originell ist der Gedanke schon, zumal es in der Shakespeare-Zeit viele Bastard-Dramen gab und das Gefühl virulent war, welches Shakespeare in die Worte fasste "The world is out of joint". Nicht ganz nachvollziehbar ist die These des Verfassers, dass Jesus ein Bastard gewesen sei und das Christentum die Bastardisierung befördert hat. Die historisch-kritische Methode hat ja gerade erwiesen, dass über die Herkunft Jesu keine tragfähigen Aussagen möglich sind. In diesem Kapitel weist das grandios geschriebene Buch doch erhebliche Schwächen auf. Erstaunlich ist die breite Literaturkenntnis des Verfassers, der die aktuelle Literatur im französischen und angelsächsischen Raum ebenso verarbeitet wie die deutsche Philosophie und Soziologie. Wer seinen Fremdwortschatz und die Metaphernkenntnis auffrischen möchte, sollte zu diesem Buch greifen. Die These, dass aus dem Hiatus der Generationen jeweils überschüssige und oppositionelle Kräfte freigesetzt werden, regt zum Denken an und wirft ein grelles Licht auf die Gegensätze zwischen den Epochen. Der Aspekt der Kontinuität darf jedoch auch nicht vergessen werden. |
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Bewertung vom 16.11.2014 | ||
Wiedersehen mit den Siebzigern Das Buch liest sich spannend, und ich finde mich in der Universitätsszene im Deutschland der 70er Jahre wieder. Ein wenig ermüdend ist das überbordende französische Geistesleben in Paris geschildert. Vielleicht verstehe ich auch zu wenig von den Postmodernen, den Strukturalisten und Poststrukturalisten. Sie rücken mir auch nach der Lektüre nicht näher, am ehesten Deleuze. Wirklich interessant wird das Buch dort, wo es persönliche Begegnungen erzählt, etwa die Szene mit Heinz und Hannelore Schlaffer in Marburg oder mit Foucault in Paris. Über die Liebe zu französischen Mädchen, eine mögliche Verlobung oder gar Heirat erfährt man so gut wie nichts. Schade, denn von einer Mischung zwischen Zeitgeschichte und Autobiographie hätte ich mir mehr Autobiographisches gewünscht! Oft kommt mir der Verfasser vor wie ein großer Kopf voller Lesewut und Philosophen, der auf einem Holzstock aufgebunden ist. Hat dieser Kopf einen Unterleib? Trotzdem: ein hochgelehrter, teilweise auch witzig geführter Diskurs, der einen wehmütig nach den alten Zeiten macht. Ralph P. Crimmann |
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Bewertung vom 01.09.2012 | ||
Der Held des Romans, der Ornithologe Lewadski, steht im Mittelpunkt. Er ist sterbenskrank und gönnt sich einen glanzvollen Abgang im Hotel "Imperial" in Wien. Dort trifft er zufällig einen nicht ganz so Alten, mit dem er ein Konzert im Musikverein besucht. Das Buch besticht durch die Reflexionen Lewandskis, die retrospektive Erzähllweise, aber auch durch die phantastischen-phantasievollen Durchbrechungsschübe aus der Realität heraus, die dann aber wieder auf realistischen Boden zurücktransformiert werden. Auch wenn die Erzählerin behauptet, sie sei nicht von Bulgakow inspiriert worden, jedenfalls nicht bewusst - so beim Erlanger Poetenfest im August 12 - ,so kommen dem Leser doch literarisch-produktive Einflüsse von "Master i Margarita" in den Sinn. Allerdings kommt der Teufel nur am Rande vor. Das Buch ist eine Homage an die Freude. Deshalb wird immer wieder der Schlusschor von Beethovens neunter Sinfonie zitiert. Auch das Coctail-Kapitel - ziemlich am Schluss - lässt Freude, Genuss und Sinnlichkeit in Einem aufscheinen. Dass Lewadski am Ende stirbt und sich an seine Mutter Martha erinnert, bringt den Leser auch in eine andere Welt. Diese andere Welt erfüllt die Versprechen der irdischen Welt, die ja doch nur ein Vorspiel, eine Summe unerfüllter Versprechen sei. An dieser Stelle hat das Buch ein altes barockes Thema - Memento Mori - aufgenommen. So schließt sich der Kreis zwischen Vormoderne und Neo-Neoromantik. Nach der Meinung Lewadskis und doch auch der Autorin muss die rationalistische Aufklärung überwunden werden. Die Autorin meinte in Erlangen, dass da eine Schraube zu wenig angezogen worden sei im 18. Jahrhundert. Sie hat zweifellos recht, dass die Aufklärung sehr trocken sein kann und dass sie vor allem droht in einTerrorsystem des Geplanten umzukippen. Ob wir freilich in einer neuen Neoromantik angekommen sind, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht wäre es aber wünschenswert. Ich gratuliere Marjana Gaponenko zu ihrem Werk, das die deutsche Sprache im Kontext von Ornithologie, Coctailkunde und Lebensphilosophie auf eine neue Stufe hebt. 6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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