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kaffeeelse
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psychologiebegeiste und Ethnographie liebende Vielleserin

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 23.11.2024
Reichlich spät
Keegan, Claire

Reichlich spät


sehr gut

Misogynie

Claire Keegan wirft hier in „Reichlich spät“ einen Blick nach Irland. Einen leicht dahin plätschernden Blick. Aus den Augen eines Mannes. Einen Blick, der vor Frauenverachtung nur so trieft, ohne dass dies dem Betrachter klar ist. Denn er ist so erzogen und stellt dies natürlich nicht in Frage. Denn für ihn ist dies ja bequem so. Meint er zumindest. Denn das genau dieser plätschernde Blick ihm selbst eine Falle stellt, das übersieht er. Ihm sein eigenes Gefängnis schafft. Dann noch etwas Polemik. Und der Weg zum Incel ist hier sicher nicht weit.

Denn die Frau ist hier natürlich schuld. Hach, wie einfach.

Claire Keegan zeichnet hier ein Bild über Irland. Doch diese verkrachten Existenzen gibt es überall. Sie gab es früher, mit deutlich mehr Macht, siehe vorherige Rezension und sie gibt es heute in der gesamten patriarchalen Welt. Ja, richtig gelesen. In der patriarchalen Welt. Und dies bedeutet, dass das Patriarchat da einen großen Anteil hat.

Genauso wie es bedeutet, dass es auch anders gehen kann. Matriarchal zum Beispiel. Die Gesellschaften der Khasi in Indien, der Mosuo in China, der Zapoteken in Juchitlan in Mexiko und noch viele mehr sprechen über diese andere Gesellschaftsordnung und zeigen diese anderen Welten.

Muss man halt nur wissen. Denn diese patriarchale Vorherrschaft muss so nicht weitergehen, kann so eigentlich auch nicht weitergehen. Es ist halt nur verdammt schwer dagegen vorzugehen.

Denn das Patriarchat wehrt sich natürlich, es möchte seine Macht nicht verlieren.

Und hier mal wieder so eine Frage, die nicht zum Buch passt, aber bei näherer Betrachtung wieder schon. In welchen Parteien sind die Frauen in etwas gleicher Zahl wie männliche Kollegen vertreten? Wenn man dann als Frau die patriarchale Welt verachtet, warum wählt man dann nicht dementsprechend? Wir sind ja mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Weil auch wir Frauen indoktriniert sind. Dies muss Frau nur klar werden!

Und Literatur ist ein guter Weg zum Überwinden der eigenen Grenzen.

Noch dazu, wenn die Literatur so auf dem Silbertablett daherkommt, wie bei Claire Keegan!

Bewertung vom 23.11.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Kaskade oder Cascadia und/oder Mensch und Tier

Auf den San Juan Islands im Bundesstaat Washington leben die ungleichen Schwestern Sam und Elena mehr schlecht als recht mit ihrer sehr kranken Mutter in einem Haus. Einst hatten sie sich bessere Lebensverhältnisse erhofft, aber diese Hoffnungen sind mittlerweile tief begraben. Sie arbeiten im Dienstleistungsbereich für die Urlauber, die diese Inseln aufsuchen/heimsuchen. Interessante Blicke auf den Menschen werden im Umgang der Urlauber mit „ihrem“ Personal geboten. Kurze Blicke. Dennoch aber treffende Blicke. Ebenso, wie in diesem Buch das Sozialsystem der USA beleuchtet wird, also eigentlich wird da wenig beleuchtet, aber vielleicht ist dies ja auch schon die Beleuchtung. Denn wo nichts/wenig ist, kann auch nichts/wenig betrachtet werden.

Nur mal so am Rande. Wenn man dann bei der Lektüre auf unsere Meckerer und Hater schaut, wird einem gleich ganz anders zumute.

Aber gut. Zurück zu den Schwestern. Beide Schwestern berichten in einzelnen Erzählsträngen. Auch darin erkennt man die Unterschiede, die im Alter, aber auch im Charakter begründet liegen. Sie möchten das Haus verkaufen und weg. Wenn die Mutter von ihrem Leid erlöst wurde. Aber ist dieser Gedanke nicht etwas kindlich und steckt hier nicht auch mehr der Wunsch und nicht die Wirklichkeit.

Jedenfalls erscheint ein Bär auf der Bildfläche und beide Schwestern haben unterschiedliche Sichten und gehen unterschiedlich mit dieser Situation um. Wobei ich hier etwas zweifele. Denn Elenas Handlungen zeigen für mich eine gewisse Unstimmigkeit. Sie passen meines Erachtens eher zu einer Stadtbewohnerin, als zu einer Bewohnerin des ländlichen Raums. Sie haben etwas Mystisches, Entrücktes und auch der Bär handelt durchaus nicht artgerecht. Wodurch eine Art Magie entsteht.

Ein Roman, der vielleicht der Leserschaft einen Blick auf den menschlich verklärten Blick auf das Wilde nahebringen möchte, ihn aber gleichzeitig auch karikiert, ebenso wie dieses Buch auch die Angst der Menschen ad absurdum führt. Denn auch diese Angst vor den Tieren ist überzeichnet und passt eher zu einer Stadtbewohnerin, als zu einer Bewohnerin des ländlichen Raums.

Der Titel ist auch interessant gewählt, dachte ich doch erst, dass die Handlung wie eine Kaskade von Ereignissen verläuft, bis zu dem fulminanten, wie auch imposanten, aber auch schockierenden Ende. Andererseits habe ich gerade gelesen, dass die Gegend in der Nordwestküste Nordamerikas, die Grenzregion von Kanada und den USA, die die Staaten British Columbia in Kanada , und die Staaten Washington und Oregon in den USA umfasst, Cascadia genannt wird. Eine Bioregion, die über eine noch recht intakte Natur mit einigen Reservaten und auch eine ansehnliche menschliche Besiedlung verfügt, so dass gerade dieses Thema Mensch und Tier und ihre Beziehungen gut zum Buch passt.

Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen, es ist spannend geschrieben, ist in der Handlung recht eigenwillig und mit einer gehörigen Portion Magischer Realismus versehen. Die Dynamik in der Schwesternbeziehung fand ich gut ausgeleuchtet. Und gerade durch diese etwas anders aufgebaute Geschichte bin ich sehr neugierig auf den Vorgänger geworden. Als Buch zu mir gewandert, steht es nun im Regal mit seinen ganzen Freunden und wartet darauf, dass Madame endlich Zeit hat. 😊

Bewertung vom 23.11.2024
Skalpjagd
Buchholz, Frauke

Skalpjagd


ausgezeichnet

Profiler oder Psychotherapeut?

Nach seinem letzten Fall ist der Profiler Ted Garner zum Nachdenken gekommen, er gemeinsam mit seiner Frau. Denn wenn man dem Tod von der Schippe springt, dass macht etwas mit einem, leider selbst erlebt, von daher völlig glaubhaft. Das Bisherige wird aus einem anderen Auge betrachtet, die Wichtigkeiten verschieben sich.

Und so quittiert Ted Garner den Polizeidienst, macht eine psychotherapeutische Praxis auf. Als Profiler ist dies sicher auch eine Möglichkeit. Schließlich schaut er aus einer völlig anderen Perspektive auf die Täter, wächst mit der Zeit der ausgeübten Tätigkeit, ebenso wie man mit den Lebensjahren an Erfahrung reicher werden sollte. Klappt mal besser und mal schlechter, ich weiß.

Er fährt in den Westen von Kanada, nach British Columbia zu einem Therapeutenkongress. Auf mich wirkt Ted so, als würde er immer noch nicht recht mit seiner jetzigen Situation zusammengewachsen sein. Er hadert irgendwie. Das wirft die Frage auf wie er zu dem Entschluss des Berufswechsels gekommen ist. Am Abend nach dem anstrengenden Tag trifft er in einer Bar auf Dr. Hofstätter, sie kommen ins Plaudern und der etwas unstete Ted lässt sich von der interessanten Therapeutin überreden an einer indianischen Zeremonie teilzunehmen. Dabei konsumiert er nicht nur den schon bekannten Alkohol, sondern irgendwie auch ein paar psychogene Pilze.

Nach einem Trip erwacht Ted in dem Tipi, in dem die Zeremonie stattfand, in der Hand ein blutiges Messer und neben sich eine skalpierte Leiche. Der Horrortrip beginnt also erst!

Interessant spinnt die Autorin die Geschichte um den smarten Ted Garner weiter und wieder konnte sie mich vollkommen überzeugen. Absolut spannend, sehr interessant, mit einer gehörigen Portion Einblick in die indianische Denke, die indianische Lebenswelt, entführt Frauke Buchholz die Leserschaft nun nach British Columbia, in die Lebenswelten der indianischen Bewohner der Nordwestküste. Übrigens ist die Nordwestküste eines der interessantesten Kulturareale, die die Amerikas bieten. Nur mal so am Rande. Und die handelnden Personen. Nun, was soll ich sagen, ich bin Fan von Ted Garner!

Was mir sehr gefallen hatte! Auch Sophie LeRoux ist weiter eine wichtige Person in Teds Leben. Was mich sehr freut! Denn dort knistert es. Ich liebs!

Bewertung vom 23.11.2024
Die goldene Stunde
Versteeg, Wytske

Die goldene Stunde


ausgezeichnet

Diktatur, Flucht und fragile Sicherheit

Hier gab es mal wieder einen Schatz aus dem Hause Wagenbach zu bewundern. Die niederländische Schriftstellerin Wytske Versteeg ermöglicht der Leserschaft in ihrem Buch „Die goldene Stunde“ einen Blick in eine Diktatur. Was heute ja anscheinend dringend notwendig ist, da ja wieder viele über stärkere Regierungen nachdenken.

Mari, Ahmad und Tarik sind die Protagonisten in diesem Buch. Jeder der drei kämpft mit seinen Dämonen.

Ahmad ist damals aus seiner Heimat geflohen. Er floh vor der staatlichen Willkür, vor staatlicher Gewalt. Namentlich wird dieses Land, aus dem Ahmad flieht, nicht genannt, dennoch gibt es viele Hinweise, die darauf hindeuten, dass Syrien gemeint ist. Es wird eine Bevölkerung gezeichnet, die unserer nicht unähnlich ist. Auch hier bemerken die Menschen die Ungerechtigkeiten, auch hier begehren sie auf. Jedoch geht hier der Staat mit ungeahnter Grausamkeit gegen die eigene Bevölkerung vor. Das ist etwas, was schwer zu ertragen ist, dennoch zeigt dieses Buch ja das wahre Leben auf. Ein Leben, das sich genau so in vielen Teilen der Erde abspielt. Etwas, was uns wohlstandsverwöhnten Europäern klar sein muss, klar sein sollte.

Ahmad flieht nun aus dieser für ihn gefährlich gewordenen Welt. Er flieht nach Europa. Er flieht in die Niederlanden. Wobei dieses Land meines Erachtens nur exemplarisch für unsere sogenannte Willkommenskultur steht. Denn die Flüchtlinge müssen erst durch diese Auffangstationen an den Außengrenzen der EU, was weiteres Leid verursacht. Nun könnte man sagen, die Einreise in unsere Länder des Friedens und des Wohlstands muss ja irgendwie geregelt werden. Ja, dass muss es. Aber geht das nicht menschlicher, geht das nicht etwas umsichtiger? Aber gut. Es ist, wie es ist. Genießen wir unsere Sicherheit in den europäischen Landen. Wer weiß, wie lange wir diese noch haben werden. Die Rechten erstarken an vielen Orten und gefährden mit ihren polemischen Slogans unsere Sicherheit und viel zu viele fallen darauf herein. Menschenfänger. Erst gibt es das Zuckerbrot. Und dann? Wer mit wachen Augen in die Geschichte schaut, wird wissen, was dieses Dann bedeuten kann.

Ahmad kommt nun in den Niederlanden an, ist traumatisiert, trägt eine Schuld mit sich. Er konnte dieser Hölle in seiner Heimat entkommen. Doch was ist mit seiner Familie, was ist mit seinen Freunden? Ja, Ahmad trägt nicht nur das Grauen des Erlebten in sich, er krankt auch noch an den Unsicherheiten, die seine Familie, sein Umfeld betreffen. Was verstehbar ist! Wenn man sich nur etwas mit den Schicksalen der Menschen befasst, empathisch auf sie schaut. Und nicht den Hass gewinnen lässt.

Er trifft auf hilfsbereite Geister. Menschen voller Mitleid. Aber auch auf Menschen mit Erwartungshaltungen. Das ist etwas zutiefst menschliches, Erwartungshaltungen zu haben. Wenn man sich nicht ausreichend hinterfragt. Denn wenn man dies tut, erkennt man, oder kann man erkennen, dass genau diese Erwartungshaltungen auch voller Gift stecken. Denn mit Erwartungshaltungen kann man sich, aber auch seiner Umwelt das Leben immens schwer machen. Muss man erkennen. Ist halt nur nicht einfach. Einer dieser hilfsbereiten Geister ist Mari. Sie nimmt Ahmad auf. Sie ist voller tiefer Gefühle. Doch was passiert, wenn zu viel Druck auf eine Seele trifft, die schon genug Druck in sich trägt?

Ahmad verschwindet, hinterlässt Mari aber Aufzeichnungen. Aufzeichnungen in Arabisch. Mari ist nun verunsichert, hinterfragt sich, kommt auch einigen Antworten nahe. Aber nicht allen. Und so reißt sie in das Herkunftsland von Ahmad. Und trifft auf Tarik. Und hier schließt sich der Kreis, denn Tarik gehört zu den Kräften, die der Diktatur erst die Macht ermöglichen. Er krankt an seiner Schuld. Findet in Mari die Möglichkeit sich zu hinterfragen, erkennt ganz neue Gedanken in sich.

Ein intensives Buch! Wie ich es aus dem Hause Wagenbach schon gewohnt bin. Ein beeindruckendes Buch. Auch Francesca Melandri und Omar Robert Hamilton haben mich mit ihren Büchern tief beeindruckt, auch diese beiden Bücher stammten aus dem Hause Wagenbach. Ein Verlag, wo man genau hinschauen sollte. Ich kann nur sagen, Wagenbach-Liebe!!!

Bewertung vom 23.11.2024
Frida Kahlo und die Farben des Lebens / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.11
Bernard, Caroline

Frida Kahlo und die Farben des Lebens / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.11


sehr gut

Die Welt der Frida Kahlo

Frida Kahlo, Malerin, Sozialistin, Feministin, Idol und unerschöpfliches Thema. Ja, das muss man so sagen. Frida ist für mich ein unerschöpfliches und immer sehr inspirierendes Thema. Auch wenn die Beleuchtung ihrer Person hier etwas unterhaltend erfolgt. Dennoch kann ich mich fallen lassen in Fridas Welt, dennoch sehe ich sie vor mir. Denn Frida ist halt Frida.


Ja, was soll man sagen, wenn man Frida verehrt. Dies hier ist keine hohe Literatur. Die Dialoge sind manchmal schon sehr schnulzig. Dennoch dreht sich das Buch ja um Frida und da kann ich wahrscheinlich nicht völlig neutral bewerten. Denn Fridas Welt will man beschreiten, durch jedwede Augen betrachten. Von Frida will ich alles lesen. Und auch ein unterhaltendes Buch entfaltet diesen Frida-Zauber.


Denn diese On-Off-Beziehung mit Diego Rivera hat ja auch einen etwas unterhaltend-schnulzigen Beigeschmack. Für die Betrachter. Für die Außenstehenden. Wenn man in dieser Geschichte drinsteckt, wird dies alles andere, aber niemals schnulzig gewesen sein. Im Dreieck springende Gefühle. Ein heikles Thema. Aber eben auch ein Thema, wo wir mitreden können. Denn das Thema Liebe, seine Irrungen und Wirrungen, kennen wir wohl alle. Wenn man drinsteckt, ist es das pure Feuer, wenn die Liebe besteht, ist es herrlich, wenn sie vergeht, denkt man sich manchmal, nie wieder. Aber irgendwann kommt das Feuer wieder auf Besuch. Und das Spiel beginnt erneut.


Nun ist Frida aber nicht nur die On-Off-Beziehung. Sie ist viel mehr. Vielleicht ist die Lektüre über diese charismatische Frau gerade deshalb auch immer ein Gewinn. Denn man kommt ihr näher, durchlebt im Buch mit ihr die Stationen ihres Lebens.


Und dies hat mir gefallen, eine weitere Reise durch die Welt der Frida Kahlo. Ein weiterer inspirierender Blick auf das Leben einer starken Frau.

Bewertung vom 23.11.2024
Verlorene Sterne
Orange, Tommy

Verlorene Sterne


ausgezeichnet

Familienepos und mögliche Zukunft

Tommy Orange hatte mich mit seinem Vorgänger „Dort dort“ tief getroffen. Dieser Blick auf die Indigenen der USA mit diesem Showdown beeindruckte mich tief. Was bedeutet es in einem Land zu leben, dass in der Vergangenheit versucht hat, dein Volk zu vernichten, dass dich deines Landes beraubt hat und für das du ein Bürger zweiter Klasse bist. Interessante Blickwinkel. Man könnte im Gestern verharren und ewig wütend und unglücklich sein. Mit Recht und völlig nachvollziehbar. Man könnte sich auf eine Zukunft fokussieren und das Weiter in den eigenen Blick rücken. Könnte man. Aber eigentlich ist es doch die Frage wie viele Rückschläge ein Mensch verkraften kann. Oder? Denn wenn man ewiger Benachteiligung ausgesetzt ist, macht dies natürlich etwas mit den Betroffenen. Und dies ist in der Geschichte der Indigenen der Amerikas immer wieder beobachtbar. Schon in „Dort dort“ hatte Tommy Orange, selbst ein Indigener, ein Angehöriger der Cheyenne und Arapahoe, auf dieses Dilemma geblickt. Sehr intensiv geblickt.

Mit „Verlorene Sterne“ rundet er nun „Dort dort“ noch ab. Denn in diesem intensiven Familienepos rechnet er grandios mit den USA, mit der Vergangenheit und mit dem Heute ab. Er lässt einige Protagonisten des Vorgängers in „Verlorene Sterne“ erneut auftreten, erzählt die Geschichte einer Familie der Cheyenne. Am Anfang steht der Horror des Massakers von Sand Creek, welches ein Glück nur kurz angeschnitten wird. Denn dieser Horror, dem die Südlichen Cheyenne damals ausgesetzt waren, würde eine Zukunft verneinen. Dieses Geschehen damals zu verzeihen, dürfte den Indigenen sehr schwerfallen. Und auch dem uninformierten Leser dürfte es danach sehr schwer fallen positiv in die Zukunft zu schauen. Denn was damals in Sand Creek mit den Indigenen passierte, übertrifft fast jeden vorstellbaren Horror. Wen es interessiert, lest „Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses“ von Dee Brown, dort schildern Augenzeugen das unmenschliche Geschehen von Sand Creek und von noch vielen anderen Orten in den jetzigen USA.

Zurück zum Buch, „Verlorene Sterne“, ein Familienepos, welches fast zweihundert Jahre einer Cheyenne-Familie schildert. Sand Creek im Jahre 1864 ist der Beginn, das Heute ist das Ende. Das Geschehen vor „Dort dort“ wird geschildert und das Geschehen danach, die „Verlorenen Sterne“ umschließen „Dort dort“ und beide Bücher bilden eine Einheit. Beide Bücher zeigen was Unterdrückung und Rassismus mit den Cheyenne gemacht haben. Beide Bücher stehen exemplarisch für die Taten weißen Eroberer und deren Folgen für die Indigenen, für die Cheyenne und alle anderen Stammesgruppen in den USA, in Kanada, eigentlich in den Amerikas. Tommy Orange feiert damit in den USA Erfolge und dies ist richtig so. Denn hier gehört etwas geradegerückt. Gerade in diesem Wahljahr 2024.

Tommy Orange schreibt in seinen Büchern über die Sucht, ein großes Problem für die Indigenen, resultierend aus langjährigem Fehlverhalten. Fehlverhalten im Damals und Fehlverhalten im Heute. Die Sucht, eine Erkrankung, die die Indigenen dahinrafft, dieser Tod auf Raten. Die Sucht, eine Erkrankung, die die indigenen Strukturen schwächt, eine Erkrankung, die in den Familien weitergegeben wird. Die Sucht, ein weiterer Krieg. Eine weitere Vernichtung.

Aber Tommy Orange schreibt auch über eine Möglichkeit zur Umkehr, zeigt damit die Hoffnung, die die Indigenen sicher umtreibt.

Bewertung vom 23.11.2024
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


sehr gut

Ein weiterer Blick auf Frida Kahlo

Noch ein unterhaltender Blick auf Frida Kahlo. Man könnte ja denken, dass das Buch „Frida Kahlo und die Farben des Lebens“ und dieses Buch hier „Ich bin Frida“, etwas miteinander zu tun haben. Aber so ist es nicht. Beide Bücher sind abgeschlossene Romane, die nur eines gemeinsam haben, den Blick auf unsere geliebte Frida.

Warum Caroline Bernard zwei unterhaltende Bücher zum Thema Frida Kahlo geschrieben hat, nun, man könnte da irgendetwas hineininterpretieren, man kann dies aber auch lassen. Und einfach die Reise zu Frida Kahlo genießen.

Hier in diesem Buch blickt Caroline Bernard auf eine gewachsene Frida. Frida hat mehr erlebt, ist reifer geworden und lebt dies auch aus. Natürlich ist es immer noch ein unterhaltender Roman, aber man merkt auch der Schreibe an, dass Frida stärker und selbstbewusster geworden ist, was mir recht gut gefallen hat.

Nickolas Muray hat in Fridas Leben Bedeutung erlangt, sie switcht in ihren Gefühlen zwischen ihrem Mann Diego und Nickolas hin und her. Dieses Gefühlschaos thematisiert Caroline Bernard in ihrem Roman über Frida Kahlo, genauso wie es auch um ihr Wachsen in der Kunstwelt geht. Absolut interessant.

Ob dies nun genauso in Fridas Kopf/in Fridas Leben passierte. Zu manchem möchte man ja sagen, bei manchem möchte man sagen, Frida, lauf. Wie es nun wirklich passierte? Die Briefe geben hier sicher viele Antworten.

Dennoch ist auch dieses Buch hier wieder ein schöner Ausflug in die Welt der Frida Kahlo. Ein unterhaltender Ausflug in die Welt der Frida Kahlo.

Bewertung vom 23.11.2024
Eine Frau
Aleramo, Sibilla

Eine Frau


ausgezeichnet

Ein Blick auf die Weiblichkeit, ein Blick auf die Misogynie

Der Roman „Eine Frau“ ist ein intensives Buch. Dieses Buch blickt auf ein Frauenleben in einer vergangenen Zeit, dieses Buch blickt auf ein Frauenleben in einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft. Frauen müssen ihre eigenen Wünsche aufgeben, gehören ihren Männern, sind ihnen ausgeliefert. Werden darüber krank, aber auch das interessiert nicht, nur der Mann steht im Fokus der Welt, die Männer für sich selbst erschaffen haben. Ein wütend machendes Buch. Aber auch ein nachdenklich machendes Buch. Denn manches Gestrige hier im Buch scheint gar nicht so fern und auch manches patriarchale Denken ist immer noch in so manch einem Kopf zu finden. In Köpfen von Männern, aber leider auch in den Köpfen von Frauen, Verräterinnen des eigenen Geschlechts, wie ich finde. Aber gut.

Unsere heutige Freiheit haben wir mutigen Frauen zu verdanken, die feministische Sichten für sich und für andere erkämpften. Mutige Frauen, die dafür hohe Preise gezahlt haben.

Wie Sibilla Aleramo. 1876 geboren, 1960 gestorben. Eine vollkommen andere Zeit. Eine Zeit in der ich feministisches Denken wenig verortete, obwohl die Suffragetten ja auch zeitlich in etwa hierhin gehören. Aber deren Tun sich ja hauptsächlich in Großbritannien und den USA abspielte und nicht in der italienischen Provinz, wie das Leben der Sibilla Aleramo. In Mailand geboren und aufgewachsen, zieht Sibilla mit ihrer Familie 1881 in die mittelitalienische Provinz, bis 1891/1893 hat sie noch ein recht gutes Leben, doch dann holt sie das Schicksal der italienischen Frauen ein und ihr Kampf beginnt. In dem Buch wunderbar beschrieben, sehr dunkel, sehr ergreifend, sehr traurig und absolut intensiv. Denn Sibilla hat ihren Willen und nach und nach findet sie Wege, die ihr helfen selbstbestimmt zu leben. Allerdings zahlt sie einen hohen Preis dafür!

Ein Buch, welches ich dringend der Leserschaft ans Herz legen möchte. Ein Buch, von dem ich mir wünsche, dass es möglichst viele Leser erreicht. Denn es öffnet Augen und Hirn, gerade in der heutigen Zeit, in der rückwärtsgewandte Kräfte wieder versuchen uns Frauen einen Platz zuzuweisen, den wir nicht wollen!

Bewertung vom 23.11.2024
Kleopatras Grab
Schreiber, Constantin

Kleopatras Grab


sehr gut

Das Gestern und das Heute

Ein gut gelungener Krimi ist „Kleopatras Grab“ in meinen Augen!

Die griechisch stämmige Kommissarin Theodora Constanda ermittelt in der ägyptischen Stadt Alexandria, sie wirkt stark und hat ihre Ecken, ist interessant, hat einen tollen Job, schaut als griechische Frau auf das arabische Ägypten. Schon mal richtig gut gemacht.

Alexandria als Kulisse, sehr gut, eine richtig gute Wahl, denn so kann man gleich einiges Wissen in dem Buch unterbringen, was Constantin Schreiber richtig gut gelingt.

Geheimnisse aus der Antike, was der Titel ja schon andeutet, runden das Buch dann noch perfekt ab. Ein gut gelungenes Konglomerat wie ich finde.

Dazu ist die Mörderhatz auch spannend gelungen, die Seiten fliegen förmlich an meinen Augen vorbei. Wieder so ein Buch, wo man überlegt, schlafen gehen oder noch ein Kapitel lesen. Meist habe ich mich für das Kapitel entschieden, falls Fragen dazu aufkommen.

„Kleopatras Grab“ kann ich nur empfehlen, eine neue und sehr lesenswerte Krimi-Reihe erscheint hier, wie ich finde. Interessant gezeichnete Ermittler, eine exzellente und imposante Kulisse und ein richtig spannender Fall, der Blicke ins Gestern und ins Jetzt ermöglicht.

Lesen!

Bewertung vom 23.11.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Ein weiterer Blick auf die Schwestern

Caroline Wahl hatte mich ja schon mit „22 Bahnen“ begeistert. Mit „Windstärke 17“ schafft sie dies erneut. Wieder gibt es diesen Blick auf Tilda und Ida, diesmal steht jedoch Ida im Fokus.

Es sind einige Jahre vergangen, Tilda hat den Absprung geschafft, ist verheiratet, lebt mit ihren Kindern in Hamburg. Ida war noch bei ihrer Mutter, hat dem Leben der suchterkrankten Mutter weiter beigewohnt, hat dem Leben der Mutter weiter beiwohnen müssen. Was das mit dem Kind macht, kann sich wohl nur der Betroffene vorstellen. Caroline Wahl schafft es mich wieder mit ihrer einfachen, jugendlich rotzigen Sprache zu beeindrucken, mir diesen Werdegang der anderen Tochter vors innere Auge zu führen und sie schafft es vor allem mich wieder zu faszinieren. Wieder bekommt man intensive Einblicke auf diesen Kampf, der in uns innewohnt und der manchmal zum Ausbruch kommt.

Die Mutter verliert ihren Kampf, sie resümiert und kommt zu einem Entschluss. Dies verändert Ida`s Leben vollkommen. Doch zu einem erwachsenen Umgang ist die junge Ida natürlich nicht fähig, sie bricht aus und landet auf der Ostseeinsel Rügen. Die Flucht hat sie hergetrieben und dennoch passiert hier das Leben. Wunderschön zu Papier gebracht von Caroline Wahl.

Ehrlich gesagt hatte ich etwas Angst vor diesem Buch. Ich wollte diesen schönen Geist von „22 Bahnen“ nicht beschädigt wissen. Doch meine Angst war vollkommen unbegründet. Caroline Wahl schafft es vollkommen überzeugend den Geist von „22 Bahnen“ zu erhalten und in die „Windstärke 17“ zu überführen. Tildas Weg und Idas Weg breiten sich in diesen Büchern überzeugend und recht intensiv aus, für mich wäre es recht interessant auch den Blick auf die Mutter der beiden zu bekommen. Ich bin neugierig, ob mir dieser Wunsch erfüllt wird und wie dann in diesem Wunschbuch die Sprache ausfällt und ob mich diese Sprache dann genauso anzündet, wie es Caroline Wahl in diesen beiden Büchern, in diesen beiden Coming of Age Romanen geschafft hat.

Wunderbar!

Unbedingt beide Bücher lesen!