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Prof. Dr. Fritz Siemsen
Wohnort: 
Bochum

Bewertungen

Bewertung vom 30.06.2019
Einstein und Heisenberg
Kleinknecht, Konrad

Einstein und Heisenberg


ausgezeichnet

Schlägt man das Buch „Einstein und Heisenberg“ von Konrad Kleinknecht auf,
so begegnet einem sofort die klare Strukturiertheit des
Inhaltsverzeichnisses. Dieser Eindruck begleitet den Leser bis zur letzten
Seite dieses Buchs über die Begründer der modernen Physik. Der Autor, Prof.
Kleinknecht, ist bekannt durch seine Arbeiten zur Verletzung der
Materie-Antimaterie-Symmetrie und geehrt mit vielen Preisen, z.B. der
Stern-Gerlach-Medaille. Zudem ist er Gründungsvorsitzender der
Heisenberg-Gesellschaft.

In seinem Buch hat er das Werk und den Werdegang der beiden Physiker
entwickelt. Er stellt dar, welche physikalischen Fragen Einstein und
Heisenberg bewegten und welche Anregungen sie in ihrer Schulzeit und im
Studium bekommen hatten, ihr Aha-Erlebnis, ihren Schaffensrausch und die
Vollendung ihrer Arbeiten. Einstein wurde schon als Schüler durch seinen
Onkel mit den Maxwell-Gleichungen so vertraut gemacht, dass er später an sie
die Mechanik mit der speziellen Relativitätstheorie angepasst hat.
Kleinknechts Entwicklung der Entdeckungs-Geschichte ist ideal, um die
Grundgedanken der modernen Physik zu verstehen, deren Reiz und Schwierigkeit
es ist, dass sie unserer naiven Weltsicht widerspricht: Die Zeit ist nicht
absolut. Die Realität ist nicht vor der Messung schon da. Das Begreifen der
neuen Ideen von Einstein und Heisenberg wird durch die Klarheit und Kürze
der Darstellung Kleinknechts erleichtert. Eine Fülle an technischen,
philosophischen und historischen Miniaturen und Ideen bereichert den Text.

Kleinknecht schildert feinfühlig und sorgfältig auch viele Details des
politischen Engagements der beiden Physiker. Einstein war von Kindes Beinen
an Pazifist. Die wilhelminische autoritäre Art stieß ihn vor dem Krieg ab
und ebenso die nationalistischen Torheiten der Professoren im Krieg. Aber
als Deutschland nach 1918 verfehmt war, setzte er sich für eine
Verständigung der Kriegsgegner ein, voll Hoffnung auf ein republikanisches
Deutschland. An Arnold Sommerfeld schrieb er 1918: "es ist wahr, dass ich
von dieser Zeit mir was erhoffe. Ich bin der festen Überzeugung, das
kulturbewusste Deutsche auf ihr Vaterland bald wieder so stolz sein dürfen
wie je - mit mehr Grund als vor 1914."

Folgenschwer war Einsteins Brief an den Präsidenten der USA, Franklin Delano
Roosevelt, in dem er auf die Gefahr hinwies, dass in Deutschland eine
Atom-Bombe entwickelt werden könnte. - Heisenberg fuhr 1939 von den USA
trotz vieler Angebote aus Liebe zur Heimat zurück. Im Krieg stellte sich die
Frage, ob in Deutschland eine Atombombe gebaut werden sollte. Kleinknecht
zeigt, dass Heisenberg es richtig eingeschätzt hatte, dass Deutschland mit
den geringen Mitteln und unter den Bombenangriffen nicht in der Lage gewesen
wäre, vor Kriegsende eine solche Bombe zu bauen. Darum haben die deutschen
Physiker nicht mit Nachdruck an dem Projekt gearbeitet, sondern in der Zeit
auch kosmische Strahlung und Ähnliches erforscht.

Einsteins Glaube ist der der Aufklärung. Heisenberg hat den göttlichen
Urgrund in der Einfachheit der physikalischen Grundgesetze und in der
Schönheit der Musik erlebt. In jungen Jahren hat er aktiv bei der
Jugendbewegung mitgemacht. Das innige Verhältnis der beiden Physiker zur
Musik ist in einem eigenen Kapitel entwickelt. - Nach 1945 arbeiteten
Einstein und Heisenberg vergeblich an einer Weltformel. - Heisenberg
engagierte sich für die deutsche Wissenschaftspolitik, denn er betrachtete
sie als Mittel zur Verständigung zwischen den Völkern. Dafür arbeitete er
bis zum Schluss.

Das Buch ist besonders empfehlenswert für Oberstufenschülerinnen
und -schüler, für Lehrende der Physik, für an Philosophie Interessierte und
für alle, die unsere Zeit begreifen wollen. Das Buch ist in gut
verständlichem und schönem Deutsch geschrieben und verzichtet gänzlich auf
mathematisches und physikalisches Vorwissen.