Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
westeraccum
Wohnort: 
Sauerland

Bewertungen

Insgesamt 208 Bewertungen
Bewertung vom 22.07.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


gut

Sam und Elena leben unter prekären Verhältnissen im Nordwesten der USA. Die Krankenkosten für ihre Mutter zehren alles auf, was die beiden Schwestern mühsam verdienen. Aber irgendwann wird sicher alles gut, wenn die Mutter gestorben ist und das wertvolle Grundstück verkauft wird und beide ein neues Leben irgendwo anders beginnen können. Wirklich?
Doch diese Träume liegen in weiter Ferne. Das Leben ändert sich allerdings, als ein großer Bär auf der Insel auftaucht und Elena für ihn so etwas wie Liebe empfindet. Sie füttert ihn heimlich und sucht die Begegnung mit ihm. Sam warnt sie immer wieder, sie spürt auch so etwas wie Eifersucht auf das Tier, sieht aber auch die Gefahr, die von ihm ausgeht. Bis das Unglück geschieht...
Mich hat das Buch etwas verwirrt zurück gelassen. Sicher gibt es eine tiefere Bedeutung in dem Text, aber ich habe sie nicht verstanden. Eine Geschichte von Liebe, Familie und Abhängigkeit - aber ich bin ratlos.

Bewertung vom 21.07.2024
Artemisia Gentileschi und Der Zorn der Frauen
Jaskulla, Gabriela

Artemisia Gentileschi und Der Zorn der Frauen


sehr gut

Artemisia Genteleschi gilt als die bedeutendste Malerin des Barock, aber sie hatte kein einfaches Leben. Ihr Vater, der selbst ein bekannter Maler in Rom war, entdeckte früh das Talent seiner Tochter und förderte es, sicher auch aus finanziellen Gründen, denn sie trug so zum Haushaltseinkommen bei. Nach einer Vergewaltigung durch ihren Lehrer strengt der Vater einen Prozess an und verheiratet Artemisia nach Florenz. Dort malt sie weiter und erreicht einen gewissen Bekanntheitsgrad, geht bei den Medici ein und aus und hat wechselnde Männerbekanntschaften. Trotz ihres Erfolges plagen sie immer wieder Geldsorgen.

Gabriela Jaskulla gelingt es sehr gut uns die Malerin und ihr Werk nahe zu bringen. Ihre Bildbeschreibungen sind sehr plastisch, aber es hilft auch, sich im Netz Fotos der kraftvollen Bilder anzusehen und auf die Kleinigkeiten zu achten, die Jaskulla im Buch erwähnt. Gentileschi war ihrer Zeit oft weit voraus, als selbstständige Künstlerin hatte sie es schwer sich in der Männerwelt zu behaupten. Die Konkurrenz durch Maler wie Rubens oder Velasquez war groß und es ist schade, dass man sie heute oft "nur" mit der Vergewaltigungsgeschichte assoziiert. Sie hatte eine ganz eigene Bildsprache und war mit ihrem Spiel von Licht und Schatten herausragend.

Durch das bewegte Leben Artemisias ist das Buch spannend und ich habe es genossen mit ihr durch ihr Zeitalter zu gehen.

Bewertung vom 15.07.2024
Mitternachtsschwimmer
Maguire, Roisin

Mitternachtsschwimmer


ausgezeichnet

Dieses Buch ist für mich eines der besten in diesem Sommer.
Evan ist vom Leben gebeutelt, seine kleine Tochter ist gestorben und er gibt sich die Schuld daran. Seine Ehe zerbricht, er lässt seine Frau und den tauben Sohn in der Stadt zurück und nimmt eine Auszeit in dem kleinen Ort Ballybrady an der Küste. Dort wird er vom Corona-Lockdown überrascht und ist gezwungen zu bleiben, er muss sich mit der Situation arrangieren. Er lernt Grace kennen, eine seltsame, eigenständige Frau, die nachts allein im Meer schwimmt und die Touristen kritisch sieht. Dann muss er auch noch seinen Sohn Luca bei sich aufnehmen, zu dem er ein schwieriges Verhältnis hat.
Das Buch entwickelt sich ganz langsam und bedächtig. So langsam wie sich die Beziehung zu Grace entwickelt, so langsam und vorsichtig nähert sich Evan seinem Sohn an. Während er vorher nur dessen Defizite bemerkte, findet er jetzt einen Zugang zu dem lebhaften, neugierigen Jungen, der viele einzigartige Qualitäten besitzt. Das ist wunderbar zu lesen, manchmal sehr traurig und zu Herzen gehend, manchmal lustig und übermütig, aber immer warmherzig und empathisch. Auch die Nebenfiguren sind eindrücklich beschrieben und sehr nah am richtigen Leben, man muss sie einfach lieben.
Man wünscht sich, dass die Gemeinschaft alle Probleme übersteht und alles gut wird.
Das Buch wäre auch ein wunderbarer, unkitschiger Filmstoff, wenn ihn der richtige Regisseur in die Finger bekommt!

Bewertung vom 02.07.2024
Dunkler Abgrund
Lillegraven, Ruth

Dunkler Abgrund


ausgezeichnet

Was für eine Karriere! Clara Lofthus hat zwei Menschen umgebracht und nun wird sie norwegische Justizministerin! Was für Außenstehende wie der Höhepunkt einer gut geplanten Laufbahn aussieht, setzt die alleinerziehende Mutter von Zwillingen unter Druck und sie lehnt den angebotenen Personenschutz ab, um niemanden nah an sich heranzulassen. Nur ihr Fahrer und Leibwächter Stian bekommt Zugang zu ihr. Als kurz nach der Amtsernennung ihre beiden Söhne entführt werden, ist er ihre einzige Stütze und sie muss sich ihm anvertrauen.
Das Buch ist nach "Tiefer Fjord" der zweite Band der Geschichte von Clara Lofthus. Ich hatte den ersten Band nicht gelesen, aber nach einer kurzen Eingewöhnung und dem Sortieren der zahlreichen Namen kam ich auch so klar, denn es werden die Ereignisse des Vorgängerbandes raffiniert in die neue Handlung eingearbeitet.
Das Buch ist geschickt komponiert und die handelnden Personen erzählen abwechselnd ihre Sicht der Dinge. Das macht das Lesen zwar nicht einfacher, gibt der Story aber mehr Volumen.
Die Spannung trägt bis zum überraschenden Ende und man darf gespannt auf den dritten Band sein!

Bewertung vom 26.05.2024
Krähentage
Cors, Benjamin

Krähentage


sehr gut

Dieses Buch mit dem neuen Ermittlerpaar Mila Weiss und Jakob Krogh ist nichts für schwache Nerven. damit beginnt eine neue reihe des Krimiautors Benjamin Cors und am Anfang müssen erst einmal viele Figuren eingeführt werden, die man nicht gleich einordnen kann. Das macht den Beginn etwas unübersichtlich.
Weiss und Krogh sind die Chefs einer neuen Ermittlungseinheit, die schwere Gewaltverbrechen aufklären soll. Die Gruppe hat sich noch nicht gefunden, als schon der erste Mordfall auftaucht und man sich mitten in die Arbeit stürzen muss. Der Staatsanwalt, der viel Druck macht, ist auch nicht gerade hilfreich. Grausam wird es, als zwei Mordopfer gefunden werden, deren Leichen zusammen mit Krähen in einem Raum eingesperrt waren und von ihnen verletzt wurden. Beide Personen wurden aber nachweislich noch nach ihrem Tod in der Öffentlichkeit gesehen.
Parallel zu den Ermittlungen blickt man auch in den Kopf des Mörders, was das Buch zusätzlich spannend macht, da man als Leser den Ermittlern immer einen Schritt voraus ist.
Ich fand das Buch spannend und auch geheimnisvoll, denn beide Ermittler haben ihr Päckchen zu tragen und das Buch endet auch mit einem Cliffhanger, was ich nicht so gern mag.
Insgesamt habe ich mich gut unterhalten gefühlt.

Bewertung vom 21.05.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


gut

Bisher kannte ich nur die Krimis von Romy Fölck und die gefielen mir sehr gut. Nach diesem Buch muss ich allerdings sagen: "Schusterin, bleib bei deinen Leisten!"
Die Geschichte von Thea, Benno und Jule ist dermaßen kitschig und überzogen unrealistisch, dass mir die Tränen kommen. Schade, denn das Buch ist wirklich gut geschrieben, aber es geschehen Wunder über Wunder und alles wird gut.
Thea zieht mit gut 50 Jahren aus Portugal zurück nach Deutschland zu dem brummigen Benno auf den alten Hof in der Lüneburger Heide. Benno hat starke finanzielle Probleme auf seinem Gnadenhof für Tiere und als dann auch noch die verletzte Jule auftaucht, die auf dem Weg nach Amsterdam ist, bringen die beiden Frauen alles auf dem Hof durcheinander.
Innerhalb weniger Tage kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen, doch dann setzen sich alle mit den Problemen ihrer Vergangenheit auseinander und -schwupp! - alles fügt sich, die Liebe zieht ein und der Himmel hängt voller Geigen. Die Guten sind gut und die Schlechten sind schlecht, pure Schwarzweißmalerei. Da hätte ich auch gleich einen Lore-Roman lesen können!

Bewertung vom 14.05.2024
Was der See birgt / Ermittlungen am Gardasee Bd.1
Koppelstätter, Lenz

Was der See birgt / Ermittlungen am Gardasee Bd.1


gut

Lenz Koppelstätter war mir von seinen Südtirol-Krimis her bekannt. Nun hat er eine neue Serie auf den Markt gebracht, die am Gardasee spielt und in der die Polizeireporterin Gianna Pitti die Hauptrolle spielt.

Wie das ist zu Beginn einer neuen Reihe - erst einmal müssen die Figuren eingeführt und der Schauplatz erkundet werden. Dabei ist der Gardasee natürlich wegen seiner Schönheit und der vielfältigen Landschaft prädestiniert für ein paar dekorative Leichen.

Hier liegt ein Toter im Hafen von Riva und Gianna kennt ihn als Reporterkollegen. Aber statt mit ihrem Wissen zur Polizei zu gehen, ermittelt sie auf eigene Faust und bringt sich damit gehörig in Gefahr. Die Spur führt zu der ehemaligen Villa des Dichters Gabriele d'Annunzio, in der seltsame Dinge vor sich gehen. Zum Glück hat Giannas leicht dementer Onkel Francesco noch einige Beziehungen...

Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich das Buch für einen Anfängerkrimi gehalten. Es wurden einfach zu viele Handlungsstränge und Personen in das schmale Buch hineingepackt und darunter leiden sowohl die Lesbarkeit als auch die Übersichtlichkeit. Die letztendliche Auflösung erfolgt fast überhastet, als hätte der Autor das Buch ganz schnell abgeben wollen. Interessant waren die Hintergrundinformationen zur italienischen Geschichte und der gelungene Lokalkolorit, aber das rettet das Buch auch nicht.

Nach der Beendigung des Buches möchte ich mich jetzt gern am Gardasee auf einen Caféstuhl setzen und mich bei einem Espresso mit Seeblick erholen.

Bewertung vom 03.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


ausgezeichnet

Leider hatte ich das erste Buch von Trude Teige "Als Großmutter im Regen tanzte" nicht gelesen, aber ich kam gut in diesen Band hinein und man muss das erste Buch nicht gelesen haben.
Während es im Vorgängerband um die Geschichte von Tekla, der Großmutter der Erzählerin, geht, beschäftigt sich das neue Buch vor allem mit Konrad, dem Großvater.
Er war Seemann und sein Schiff wurde im 2. Weltkrieg im Indischen Ozean von den Japanern zerstört. Er überlebte nur knapp und kam dann in diverse Lager der Japaner auf der Insel Java. Dort lernte er die Krankenschwester Sigrid kennen und lieben, doch sie wurden getrennt und versuchten unter schwersten Umständen zu überleben. Für die Japaner zählten Menschenleben nicht, sie verhielten sich grausam und oft sehr brutal gegenüber den Europäern. Nicht alle überlebten diese schwierigen Umstände.
Das Buch ist hervorragend lesbar geschrieben, die Charaktere authentisch und man fühlt mit den Menschen. Manche Szenen sind schwer zu verkraften und gehen unter die Haut, manche sind aber auch sehr berührend. Teige schafft es, dass man mit fiebert und mit hofft, aber auch die Verzweiflung und Not der Menschen fühlt.
Dabei hält sich Teige ganz nah an die Vorgänge während des Krieges auf Java und sie hat erstklassig recherchiert. Auch wenn viele Vorfälle sehr bedrückend sind, so schimmert doch immer der Wert von Mitmenschlichkeit durch, die sich durch nichts beirren und unterdrücken lässt. Dadurch macht das Buch Hoffnung.
Es gibt eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 22.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


sehr gut

Die Bücher von Friedrich Ani sind für mich immer Höhepunkte des Lesejahres, nur bei diesem Buch war es leider anders.
Schon der Aufdruck "Roman" auf dem Schutzumschlag weist darauf hin, dass es sich nicht um einen Krimi mit dem Privatermittler Tabor Süden handelt, den man aus vielen Büchern von Friedrich Ani kennt.
Als Leo Ahorn verschwindet, wartet seine Frau Viola ein paar Tage, bevor sie Süden einschaltet, um Leo suchen zu lassen. Doch Süden hat keinen Erfolg. Stattdessen wird Leos Leiche in einem Kofferraum entdeckt, Fariza Nasi (auch eine alte Bekannte) ermittelt. Süden verschwindet damit von der Bildfläche.
Das Buch liest sich sehr zäh, manchmal fielen mir wirklich die Augen zu. Verspricht der Anfang des Buches noch so etwas wie Spannung, dümpelt der Text später sehr langatmig vor sich hin und ich musste mich fast zwingen weiterzulesen.
Positiv sind wieder die wunderbaren Formulierungen, die sensible Herangehensweise und das tiefe Verständnis, das Ani für seine Figuren aufbringt. Er verurteilt nicht, er beobachtet und beschreibt sehr genau. Sätze wie "Ihr maßlos hilfloser Blick barmte ihn." findet man heute nicht mehr in Büchern, sie begeistern mich immer wieder. Ähnliche Formulierungen findet man oft und man muss sie eigentlich mehrfach lesen. Diese Qualität ist Anis großer Pluspunkt.
Leider hat mich das Buch insgesamt enttäuscht. Zu Anis unbestreitbarer schriftstellerischer Qualität findet sich in diesem Buch leider keine Geschichte, die mich erfreute. Wirklich schade!

Bewertung vom 18.03.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Perceval Everett hat Mark Twains Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn aus einer anderen Perspektive erzählt und die hat es in sich.
Der Sklave Jim spielt in dem Originalbuch nur eine Nebenrolle, hier wird er zur Hauptperson. Er kann lesen und schreiben, was für Sklaven streng verboten ist, er lehrt die Kinder heimlich die Hochsprache zu sprechen und nicht nur das verstümmelte "Nigger-Englisch", das die Weißen von den Sklaven erwarten. Als er verkauft und von seiner Familie getrennt werden soll, flieht er auf eine Insel im Mississippi und Huck Finn folgt ihm. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg in die Freiheit, aber der ist schwer zu finden.
Nachdem ich vor einigen Jahren das Buch "Underground Railroad" gelesen hatte, glaubte ich, dass mich nichts mehr erschüttern kann. Aber dieses Buch ging mir an die Nieren. Die Sklaven wurden in den Südstaaten der USA nicht wie Menschen behandelt, sie waren nichts als Kapital, das man nach Belieben und Laune foltern, verkaufen oder töten konnte. Diese Einstellung bemerkt man ja noch heute. So erlebt es auch James und er entkommt nur mühsam den Sklavenjägern. Das Buch ist erstklassig geschrieben und faszinierte mich von der ersten bis zur letzten Seite. Dabei hat es auch leichte und heitere Seiten.
Ein besonderes Lob verdient der Übersetzer Nikolaus Stingl, dem es gelang die Atmosphäre des Buches auch in deutscher Sprache zu vermitteln.
Manchmal ist das Buch sehr brutal, aber es ist unbedingt lesenswert.