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Kim

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 05.06.2024
Imogen, Obviously (eBook, ePUB)
Albertalli, Becky

Imogen, Obviously (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Imogen versucht der perfekte Ally zu sein, den sie selbst ist natürlich absolut hetero – das denkt sie zumindest, bis sie Tessa trifft. Ein College Wochenende das alles verändert und eine Geschichte über Liebe, Sexualität, Selbstfindung und Freundschaft. So könnte man das Buch zusammenfassen.
Die Protagonistin würde ich eher als introvertiert bezeichnen; vieles spielt sich in ihren Gedanken ab, durch die Perspektive werden die Leser*innen hier stets mitgenommen. Die Handlung selbst umfasst nur einen kurzen Zeitraum, weswegen ich anfangs die Sorge hatte, dass Plot und Charakterentwicklung rushed wirken, aber das war nicht der Fall. Viel mehr wirkt gerade Imogens Entwicklung authentisch und nahbar.
Es wird auch deutlich, dass Albertally in Imogen, Obviously persönliche Erfahrungen einbringt, nachdem sie vor ein paar Jahren des Queer-Baitings bezichtigt wurde und sich infolgedessen gezwungen sah, sich zu outen. Mit diesem Hintergrundwissen lesen sich bestimmte Szenen und Entwicklungen nochmal anders. Ich finde es gut und wichtig, dass das Thema thematisiert wurde.
Der einzige kleine Kritikpunkt ist, dass durch die Entwicklung des Plots zumindest bei einzelnen Leuten der Eindruck entstehen könnte, dass Personen, die auf Queerfeindlichkeit hinweisen, „extrem“ sind oder am Ende doch mit ihren Ansichten zu weit gehen. Dort hätte ich mir gerne einen Konterpart gewünscht, obwohl Imogens Reaktionen stets toll sind, weil ich denke, dass es wichtig ist, zu betonen, dass es okay ist, wenn marginalisierte Personen auf so etwas aufmerksam machen, gerade, wenn Personen, die zum Beispiel queernegativ agieren oder sich verhalten, das unbeabsichtigt oder unbewusst tun. Aber das ist wirklich nur eine kleine Anmerkung für ein insgesamt ganz tolles Buch.
Ein weiterer Pluspunkt sind die vielen Facetten von Queerness, die das Buch präsentiert; ich denke, die Figuren bilden viel Potenzial zur Identifikation. Es wirkt zumindest, als wäre das Buch auch für queere Menschen geschrieben, das ist nicht immer der Fall.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich ein großer Fan der Geschichte war und dass ich so etwas gerne gehabt hätte, als ich jung war und mich mit meiner Sexualität auseinandergesetzt habe. Umso mehr freue ich mich, dass mit solchen Büchern vielleicht nachfolgenden Generationen geholfen wird.

Happy Pride!

Bewertung vom 27.04.2024
Reality Show
Freytag, Anne

Reality Show


ausgezeichnet

Wer regiert Deutschland wirklich? Ist es tatsächlich die Regierung? Oder sind es nicht viel mehr die Reichen und Mächtigen, die im Hintergrund bleiben oder am Ende diejenigen sind, die entscheiden was passiert? Eine eindrucksvolle Geiselnahme der mächtigsten Personen Deutschlands, die live übertragen liefert, soll Antworten darauf liefern und den Zuschauer*innen gleichzeitig die Möglichkeit bieten nachträglich für Gerechtigkeit zu fordern, denn mit einer weißen Weste ist niemand von ihnen dort gelandet, wo er*sie jetzt ist.

Ich hatte das Glück ein Vorablesen-Exemplar zugeschickt zu bekommen, weswegen ich das Buch schon lesen konnte. Und ich muss sagen, es war großartig. Die Geschichte spinnt sich aus einer Vielzahl von Perspektiven, was mich zunächst irritiert hatte, weil ich nicht durcheinanderkommen wollte. Allerdings liest es sich wesentlich entspannter, wenn man es einfach hinnimmt, nicht immer direkt die richtige Assoziation zu einem Charakter parat zu haben. Anfangs fühlt es sich ein bisschen so an, als hätte man zig Enden eines Wollknäuels in der Hand, das sich irgendwann mit jedem Kapitel mehr und mehr zu entwirren scheint – und dabei ein paar ganz fantastische Wendungen gibt.

Dabei ist die Aktualität einiger Themen geradezu erdrückend. Ständig kam mir der Gedanke, wie viel Realität in einzelnen Aspekten der Geschichte stecken kann und steckt. Dabei schreckt die Autorin auch nicht davor zurück die ein oder andere Spitze auszuteilen, wenn man sich den Interpretationsspielraum erlaubt. ;)

Bei der großen Anzahl an vorkommenden Perspektiven war es natürlich nicht möglich bei allen in die Tiefe zu gehen, aber das war auch gar nicht nötig, weil es darauf zum Teil gar nicht ankam. Insgesamt hat es gereicht, um lebhafte und echte Charaktere zu zeichnen, die mir sehr in der Interaktion untereinander gefallen haben. (Zwei von ihnen erinnerten mich definitiv in einzelnen Nuancen an Charaktere aus einem ihrer Jugendbücher.) Dabei liebe ich es, dass Anne Freytag stets Wert auf Diversität legt, ohne den Aspekt dabei in den Vordergrund zu drängen oder konstruiert wirken zu lassen. (Wir brauchen immer noch ganz dringend mehr Autor*innen, die genau das tun!)

Unterdessen bin ich immer wieder überrascht, wie wandelbar Anne Freytag in der Art uns Weise ist, wie sie schreibt und wie sie Geschichten aufbaut, konstruiert und ihnen Ausdruck verleiht, während ihr Stil dennoch jedes Mal erkennbar ist. Ich kann das wirklich nicht besser beschreiben. Das Buch ist, wie gefühlt alle ihre anderen Bücher, grandios und ich muss mich wirklich zusammenreißen hier nur zu rezensieren und nichts über den Inhalt zu verraten, weil ich echt gerne über das Buch sprechen würde.

„Reality Show“ ist das, was der Klappentext verspricht und doch ganz anders. Es zeichnet eine Realität, die sehr wahr sein könnte und dadurch umso fesselnder ist. Spannend bis zur letzten Seite empfehle ich allen einen Blick ins Buch zu werfen und sich drauf einzulassen.

Bewertung vom 30.10.2021
The Girls I've Been
Sharpe, Tess

The Girls I've Been


ausgezeichnet

Nora gerät in einen Banküberfall, und das ausgerechnet mit ihrem Ex- und besten Freund Wes und ihrer neuen Liebe Iris. Doch die Geiselnehmer merken bald, dass sie sich mit der Falschen angelegt haben, den Nora, Tochter einer bekannten Trickbetrügerin, weigert sich tatenlos zuzusehen.

Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, hatte ich einen queeren, actionreichen und unterhaltsam lockeren Roman erwartet. Diese Erwartungen wurden definitiv erfüllt; und auch wieder nicht, denn darüber hinaus ging die Thematik doch tiefer und wurde stellenweise ernster als ich gedacht hatte.

Der Roman gibt den Lesenden viel Zeit Nora kennenzulernen. Immer wieder wirft die Autorin den Lesenden Bruchstücke aus Noras Vergangenheit, Gegenwart und Gedankenwelt hin, die sich ähnlich einem Puzzle nach und nach zusammensetzen lassen und eine facettenreiche Persönlichkeit zeigen, die zu so manchen Überraschungen fähig ist. Ähnlich ist es bei Iris und Wes, die zwar nicht ganz so sehr unter die Lupe genommen werden, deren Persönlichkeit aber wunderbar eingeflochten wird, sehr direkt und gerne auch mal subtil. Ich persönlich mochte alle, jede*n für sich und alle drei zusammen.

Thematisch steht natürlich der Banküberfall und Noras Vergangenheit im Vordergrund, trotzdem werden gleichzeitig sehr wichtige Themen angesprochen. Nora selbst ist bisexuell und der Umgang und die Darstellung ihrer Sexualität hat mich als queere Person wahnsinnig gefreut, denn einerseits war Noras Sexualität vordergründig durch ihre Beziehung zu Iris sichtbar, gleichzeitig wurde darauf verzichtet – wie es so häufig in der Literatur und anderen Medien passiert – diese Sexualität zu problematisieren oder abseits einer (bestehenden) Liebesbeziehung zum Thema zu machen. Auch nimmt die Geschichte Abstand von den Quotenregel („Wenn es schon queere Charaktere gibt, dann bitte nur einen oder maximal zwei als Paar!“), was ziemlich nice ist.

Ein weiteres Thema, das mir noch nie in einem Roman begegnet ist, dass im Leben vieler Menschen mit Uterus super präsent ist – und an dieser Stelle sei mir dieser klitzekleine Minispoiler verziehen, aber ich finde das echt wichtig zu erwähnen – ist die Krankheit Endometriose, die zwar keine zentrale, aber doch nicht wegezudenkende Rolle in der Geschichte spielt. Tess Sharpe erfüllt hiermit in einem fiktionalen Jugendroman einen Bildungsantrag, wie ihn viele Biologielehrende an weiterführenden Schulen nicht auf die Kette bekommen. Ich weiß, das klingt ein bisschen polemisch, wollte ich aber mal gesagt haben.

Deswegen und wegen vieler anderer Gründe, die den Rahmen dieser Rezension sprengen würden, möchte ich ganz uneingeschränkt eine Empfehlung für „The Girls I’ve been“ von Tess Sharpe aussprechen; für alle, die einfach nur Action und Spannung wollen und für die, die auch ein bisschen mehr wollen.


Und auch, wenn ich es in meiner Rezension nicht erwähnt habe, möchte ich zum Ende eine Inhaltswarnung für folgende Themen aussprechen:
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häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung