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Benutzername: 
Tine
Wohnort: 
Moosburg/Kärnten

Bewertungen

Bewertung vom 11.05.2009
Mein Leben unter Serienmördern
Morrison, Helen; Goldberg, Harold

Mein Leben unter Serienmördern


weniger gut

Diese Dame hat ein Buch veröffentlicht und nach 30 Jahren Berufserfahrung den Anspruch erhoben, "streng wissenschaftlich vorzugehen".
Leider habe ich aber von Seite 1 bis 350 keine für mich nachvollziehbaren, wissenschaftlichen Thesen in „Mein Leben unter Serienmördern“ gefunden, hier steht Effekthascherei und offensichtlich unreflektierte Verallgemeinerung im Zentrum.
Vielmehr verlässt die Autorin den Pfad der Wissenschaft bereits, indem sie das Verhalten der von ihr interviewten Täter bewertet und u.a. als „unmenschlich“ oder „abscheulich niederträchtig“ tituliert.

Helen Morrison spricht von „dem“ Serienmörder, geht in keinster Weise auf Unterschiede der unterschiedlichen Tätertypen (planend/nicht planend; psychotisch/nicht psychotisch) ein, sieht eher eine genetisch bedingte „Sucht zum Morden“, die scheinbar plötzlich, quasi von einem Tag auf den anderen virulent wird. Weiters negiert sie mögliche Auslöser (Stressfaktoren im privaten, beruflichen oder persönlichen Umfeld des Täters), die zur Eskalation der Gewalt(phantasien) und somit z.B. zum Beginn einer Mordserie führen.
Zudem erkennt Mrs. Morrison bei Serienmördern als Solches kein Motiv, worauf sie wiederum auf die genetische Prädisposition schließt. Sexuelle Beweggründe, bzw. das Schwelgen in sexuell-gewaltsamen Phantasien lange vor dem Eskalieren klammert die Autorin völlig aus, wobei dies bei den dargestellten Fällen der offenkundig sexuell-sadistischen Täter wie z.B. John Gacy oder Robert Berdella schon fast fahrlässig wirkt. Die Täter scheinen sexuelle Befriedigung durch Macht und uneingeschränkte Kontrolle über ihre Opfer zu erlangen - für Mrs. Morrison sind Morde weitgehend Verbrechen aus Wut und/oder Experimentierfreudigkeit.
Für sie erscheint es nachvollziehbar, dass Serienmörder als solche geboren werden. Auch traumatische Lebensereignisse wie Misshandlung/Missbrauch oder Vernachlässigung der Täter im Kindesalter möchte die Autorin nicht als mögliche Erklärungen für spätere Delinquenz anerkennen. Natürlich wird niemand ernsthaft behaupten, dass Personen, die in ihrer Kindheit missbraucht oder misshandelt werden, später zwingend zu Serienmördern werden. Dass jedoch bei einer überwiegenden Mehrheit der gefassten Mörder traumatische Ohnmachtserlebnisse in ihrer Kindheit/Jugend recherchiert wurden, kann wohl kaum Zufall sein.

Zusätzlich wird von der Autorin genau beschrieben, bzw. durch Gesprächsausschnitte aus Kontakten mit den Tätern unterlegt, wie Opfer vergewaltigt, verstümmelt, gefoltert und ermordet werden. Natürlich alles nur, um ihre "wissenschaftlichen Theorien besser verständlich zu machen", wie Mrs. Morrison meint.
Warum es nicht ausreicht, gegenüber dem Leser z.B. von "schrecklichen Verstümmelungen/Vergewaltigungen" zu sprechen, anstatt genau zu beschreiben, ob ein Opfer mit einer Möhre oder einem Stock vergewaltigt wurde, wird wohl kaum wissenschaftlich zu argumentieren sein.

Man könnte noch seitenweise über die fragwürdigen Darstellungen von Helen Morrison schreiben. Wenn man wie ich, als kriminalpsychologisch interessierter Laie die Sichtweisen von weltweit angesehenen Profilern wie R. Ressler, J. Douglas oder T. Müller verfolgt hat, wirkt dieses Buch im direkten Vergleich wie ein billiger Kriminalroman.
Absolut nicht empfehlenswert!

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