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Michael Kothe, Autor
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Unterschleißheim bei München
Über mich: 
Michael Kothe, Jahrgang 1953, Diplom-Kaufmann und Wirtschaftsjurist, jonglierte über 30 Berufsjahre lang mit Worten auf Deutsch und Englisch. Davon leben heute seine Bücher und Erzählungen. Seinen Ruhestand genießen er und seine Frau bei München und in Galicien, dem grünen Norden Spaniens. Neben seinen Romanen schreibt er Kurzgeschichten allerlei Genres, die nicht nur seine eigenen Bücher füllen, sondern die Verlage in über zwei Dutzend ihrer Anthologien abgedruckt haben.

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 29.09.2024
Unicorn Chronicles - Einhornherz und Drachenschmerz
Benz, Isabella

Unicorn Chronicles - Einhornherz und Drachenschmerz


ausgezeichnet

Erster Eindruck

Wer wie ich diesen zweiten Band der Dilogie liest, ohne vorher „Einhornblut und Drachenglut“ gelesen zu haben, sollte sich im Internet eine Leseprobe jenes ersten Bandes gönnen. Der Abschnitt „Was bisher geschah“ konzentriert sich auf die Handlung, die Leseprobe führt ins Setting ein und vermittelt Leserinnen und Lesern die konfliktreiche Grundstimmung der Romane. Beides zusammen garantiert ein besseres Sich-Einfühlen und das Sich-Identifizieren mit einer der Hauptfiguren. Hier sticht Évelyne hervor, da Isabella Benz ihr als einziger die Kapitel als Ich-Erzählerin widmet.



Inhalt ohne Spoiler

In der heutigen Zeit mit den Problemen Überbevölkerung, Umweltverschmutzung und Artensterben muss sich die Einhornbändigerin Èvelyne auf mehrere Reisen zwischen Südfrankreich und Paris begeben, um nach ihrem Vater zu forschen. Unterstützt wird sie von Freunden und Verwandten, doch bestürzt sie das Verhalten ihres engsten Freundes und Vertrauten Aiden, der sich verleugnen lässt, seit er sich auf die Seite der Durands geschlagen hat – ihrer Gegner. Ihre zweite Mission ist die Aufklärung einiger Anschläge, die bislang noch keine Menschenopfer gefordert haben. Die Hinweise auf ihren Vater wie auch auf die Verbrechen führen sie in einen Kampf mit Untoten, der vorerst in der Entführung von Évelyns Einhorn Jolie gipfelt. Mit dessen Rettung beginnen die stückweise Enthüllung von Évelynes Herkunft und das Aufdecken einer Intrige, die Milliarden Menschen den Tod bringen soll. Unerwartet erhält sie Hilfe aus dem Lager der Gegner …



Schreibstil

Seine Bindung an Évelyne gewinnt der Leser in etwa der Hälfte der Kapitel durch die Ich-Perspektive, den übrigen Roman teilen sich die Sichten von Aiden und Olive in der dritten Person. Spannend gestaltet die Autorin den Roman auch durch das Verhalten, die Gedanken, Ängste und Hoffnungen Évelynes, die sich für eine 17jährige sehr authentisch anfühlen. Dieser kursiv geschriebene Text unterstützt die Lebendigkeit der häufigen Dialoge. Treffende Vergleiche fernab jeden Klischees sowie eine souveräne Wortwahl heben „Einhornherz und Drachenschmerz“ aus der Masse der Fantasyromane heraus. Die Sprache, deren sich Benz bedient, ist der jeweiligen Situation angemessen und reicht von romantisch und nachdenklich verfassten Passagen über eine lebendige Handlungsvermittlung im besten „Show, don’t tell“ bis zur hektischen Wiedergabe von Panik und Dramatik. Obwohl die Autorin bei der Namensgebung ihrer fast 20 Figuren die Unterscheidbarkeit gewahrt und keine ähnlich lautenden Namen vergeben hat, fiel mir die Zuordnung nicht immer leicht. Das bezog sich weniger darauf, wer nun Einhörnbändiger, Drachenreiter, Phoenixsänger oder Nixenflüsterer war, sondern auf die Familienverhältnisse, die sich teilweise erst zusammen mit Èvelynes wachsenden Erkenntnissen offenbaren. Auch hiervon lebt die Spannung, die sich so weit steigert, dass der Leser mit den Figuren körperlich leidet, hofft und bangt.



Fazit



Mit Einhorn und Drachen hat Isabella Benz eine Dilogie geschaffen, die sich erfolgreich mit den zumeist amerikanischen Bestsellern messen kann. Wer unter Einhörnern keine liebreizenden Geschöpfe mit regenbogenfarbener Mähne und in einer Ponyhofidylle verstehen möchte, findet in diesem Fantasy-Zweiteiler ein Must-Read.

Bewertung vom 29.09.2024
Flammenkönigin
Wolff, Susanne

Flammenkönigin


ausgezeichnet

Alte Verbündete in neuen Kämpfen



Erster Eindruck

Auch wer den Romantasy-Roman Flammenkönigin von Susanne Wolff liest, ohne zuvor in ihrem Buch Sturmprinzessin geschmökert zu haben, findet sich schnell zurecht. Beide Romane sind unabhängig voneinander lesbar und verständlich, jedoch erfreut sich der Leser beider Bücher neben dem Lesevergnügen gleichfalls am Wiedersehen mit alten Bekannten. Doch die Abenteuer, Zwistigkeiten und Intrigen sind neu und kein Abklatsch aus dem vorherigen Band.



Inhalt

Suela, die jugendliche Regentin des Inselstaates Caldéran, trachtet nach einem verheerenden Vulkanausbruch danach, ihren Untertanen ein sorgenfreies Leben wiederzugeben. Notgedrungen stützt sie sich auf ihren Berater Canto, den Hohepriester der Feuergöttin Perén. Doch sind die von ihm initiierten Raubzüge zur See ein adäquates Mittel zum Überleben, oder rufen sie nur den Widerstand der anderen Reiche hervor, sich der Piraterie zu widersetzen? Was kann Suela dem entgegensetzen, und wie geht sie mit der Gefangennahme Arnemons um, des Herrschers von Daramon? Vertrauen und Liebe stehen abgrundtiefer Hass und Misstrauen gegenüber. Als das Inselreich Bajbangho samt seiner Sturmprinzessin Liann auf den Plan gerufen wird, rückt der Widerstreit der magischen Elemente Feuer und Wind immer näher …



Schreibstil

Gewohnt detailverliebt kommt der Roman Flammenkönigin daher. Lebendig geschrieben und gefühlsbetont, was der Dramatik der Geschehnisse keinen Abbruch tut. Befürchtungen, Ängste, Zweifel und Selbstzweifel nehmen großen Raum ein in den Bildern, die Susanne Wolff vor uns ausbreitet. Die Figuren wirken dreidimensional und authentisch, ihre Haltung ist geprägt von den Traditionen, in denen sie aufwuchsen und die sie heute noch umgeben. Damit häuft die Autorin reichlich Konfliktstoff auf, denn auch auf jeder Seite beider Kriegsparteien sind nicht alle Auffassungen gleich. So wirft Wolff ihre Leser in eine Zerrissenheit, wem sie ihre Sympathie zuwenden sollen, doch macht die Schwarz-Weiß-Malerei der Charaktere die Identifizierung mit bestimmten Figuren recht einfach. Dennoch lässt etwa eine unerwartete Läuterung gegen Ende des Romans den Leser eine Weile mit offen stehendem Mund zurück. Wolff spielt dem Leser mit Überraschungen manchen Streich und erhöht dadurch die Spannung, wobei die Twists plausibel bleiben– man muss nur genau hinschauen. Zu weiterem Lesespaß verführen liebevolle Formulierungen abseits jeglicher Klischees wie die folgenden Beispiele: „Am Rande ihrer Gedanken zupften schon wieder die Sorgen um Caldéran.“ und „Das ferne Wummern rann über sie hinweg wie Wasser über gefettetes Leder.“



Fazit



So bildreich, so detailverliebt kommt der Roman daher, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte. Ein Roman über Krieg und Frieden, über Liebe, Treue, Hass und Versöhnung vor dem Hintergrund einer malerischen, aber von Naturereignissen zerstörten Kulisse, in der alle Parteien mit dem Wiederaufbau beschäftigt sind oder waren. Wer beim Begriff Fantasy nicht unbedingt an kriegerische Orks oder Drachenreiter denkt, sondern wem Menschen mit und ohne magische Begabung genügen, dem sei die Flammenkönigin ans Herz gelegt. Ebenso dem demjenigen, der Romantasy bislang als schnulzig empfindet, denn Susanne Wolff wird ihn eines Besseren belehren.

Bewertung vom 29.09.2024
Sturmprinzessin
Wolff, Susanne

Sturmprinzessin


ausgezeichnet

Erster Überblick

Südseeidylle. Der Einfall fremder Segelschiffe auf das karibisch anmutende Inselreich lässt Bilder aus dem Werk »Meuterei auf der Bounty« vor das innere Auge des Betrachters ziehen. Natürlich gänzlich anders als meine Krimis, aber auch anders als mein eigener Fantasyroman zieht Susanne Wolffs »Sturmprinzessin« den Leser nicht durch eine auf Abenteuer ausgerichtete Spannung in ihren Bann, sondern durch ein exotisches Setting, einfühlsam beschriebene, in sich widerstreitende Charaktere und – durch Gefühle. Liebe, Loyalität und Tradition schließen sich oftmals gegenseitig aus, und auf diesem Konflikt beruht die Handlung, die bildreich und einfühlsam vor uns ausgebreitet wird.



Inhalt ohne Spoiler

Wie friedlich könnten die Bewohner des Inselreichs Bajbangho leben, hätte nicht eine Flutwelle große Verwüstung angerichtet und würde nicht Lord Verion, der Herrscher von Daramon, seine Hilfeleistung an die Unterwerfung knüpfen! Liann, Erste Schülerin der ungekrönten Inselkönigin Katesha, verliebt sich gegen ihren Willen in den daramonischen Heerführer Marcian, der zusammen mit seinem Freund Arnemon, dem Sohn und künftigen Nachfolger Verions, die Anordnungen des Lords abzumildern sucht. Sturheit, Missverständnisse und falsch verstandenes Ehrgefühl lassen einen Krieg unvermeidlich scheinen. Besonders Marcian steht im Widerstreit zwischen seiner Loyalität zum Reich Daramon und seinem Herrscher einerseits und der Treue zu seiner Geliebten Liann andererseits. Daramons Kanonen steht die Magie der Banjhee, der Piesterinnen Bajbanghos, gegenüber. Marcian und Liann sehen sich in diesem Konflikt mit ungleichen Mitteln auf unterschiedlichen Seiten …



Schreibstil

Wäre »Sturmprinzessin“ kein Roman, sondern ein Heim, wäre bei dessen Einrichtung die weibliche Hand nicht zu übersehen. Selbst Autor, behaupte ich, kein Mann vermag so gefühlvoll und behutsam zu schreiben, wie es Wolff hier getan hat. Idyllischer Südseezauber steht der Zerstörung der Hauptstadt Daramons diametral gegenüber. Auch in der kriegerischen Auseinandersetzung gelingt es der Autorin hervorragend, die Gefühle und den inneren Konflikt der Anführer – Katesha und Liann auf Seiten des Inselreichs und Marcian und Arnemon auf Seiten Daramons – ebenso feinfühlig und dramatisch darzustellen wie die Liebesbeziehung. Lebendige Dialoge, Selbstgespräche und selbstkritische Gedanken runden die Figurenbeschreibung ab und richten sich nach der jeweiligen Situation – mal entspannt, mal bis aufs Äußerste angespannt. Ein bildreiches, durchgängig ausgeführtes „Show, don’t tell“ reißt den Leser mit.



Fazit



Wer behauptet, die beste Fantasy käme aus Übersee, den belehrt die »Sturmprinzessin« eines Besseren. Mit einem gut durchdachten und konsequent umgesetzten Plot, mit einer der traditionsbestimmten Logik folgend sich unweigerlich zuspitzenden Dramatik, mit der Betonung der inneren Heldenreise der Hauptfiguren und mit einer bildgewaltigen, einfühlsamen Sprache präsentiert uns Susanne Wolff ein im buchstäblichen Sinn zauberhaftes Werk. Einen echten Pageturner mit Bestwertung.

Bewertung vom 29.09.2024
Tanz der Bärenkönigin
Reifenstahl, Sabine

Tanz der Bärenkönigin


ausgezeichnet

Erster Eindruck

Wer in den Werken von Sabine Reifenstahl schmökert, stößt unweigerlich auf queere Elemente. Obwohl queere Literatur weder zu meinen Kernkompetenzen als Leser noch als Autor gehört, war ich gespannt, wie die Autorin in ihrem Fantasyroman „Die Bärenkönigin“ mit dem Genre umgeht. Meine anfangs kritische Erwartung war unangebracht, so feinfühlig und sacht schleicht sich die Liebe zwischen Männern in dieses Buch. Ein schriftstellerisches Kunstwerk, wenn man bedenkt, dass die Ablehnung solcher Zuneigung den gesamten Handlungsverlauf überhaupt erst ermöglicht! Doch gefesselt haben mich allein schon Setting, Handlung und die gefühlvolle Vorstellung der Hauptfiguren.



Inhalt

Als Achtjährige wird Prinzessin Annrai von Ewan, dem König vom Volk der „Bärenhäuter“ in Hochfels, zu seiner künftigen Gemahlin auserwählt, und er gewährt ihr dazu die Gabe der Verwandlung in eine Bärin. Entsprechend verläuft ihre Ausbildung, die mehr eine Kriegerin als die Königin von Weitmark zum Ziel hat. Dennoch stellt sich Annrai nach dem Tod ihres Vaters der Führung des Reiches, das sie auch in vorderster Linie gegen die seelenlosen Horden der finsteren Zauberin Idis verteidigt. Dabei kreuzt sie die Klinge mit Loris, einem hünenhaften Kämpfer, den sie später aus der Gefangenschaft ihres verräterischen Verbündeten befreit. Doch kann ihre aufflammende Liebe der Trennung standhalten, die ihr durch Ewans Eheversprechen und ihre daraus entstehende Verpflichtung an seinem Hofe aufgezwungen wird?



Schreibstil

Gewohnt vielschichtig bereitet Sabine Reifenstahl ihren Roman auf. Aus der Sicht Annrais zeigt das Buch nicht nur ihre eigene Geschichte, die durch dramatische Elemente wie Verhöhnung, Opfer, Kampf, Pflicht und gegen sie gerichtete Intrigen alles andere als einfach verläuft. Neben ihrer Zerrissenheit zwischen ihrer Zuneigung zu Ewan und ihrer Liebe zu Loris muss sie sich dafür einsetzen, dass die verpönte gleichgeschlechtliche Liebe in ihrem Reich der Toleranz weichen soll, um endlich einen allumfassenden Frieden zu ermöglichen. Auch das erleichtert es dem Leser, sich mit Annrai oder anderen Figuren zu identifizieren. Facettenreich, immer feinfühlig und bildreich gestaltet Reifenstahl die Fantasywelt, ihre Bewohner und deren Leben zwischen Entbehrung, Furcht und Hoffnung. Zahlreiche Figuren ziehen so ins Blickfeld des Lesers, wobei zwei schriftstellerische Dogmen stärker als in vielen Romanen zur Geltung kommen: „Show, don’t tell!“ und „Kill your Darlings!“ Bildhaft, spannend und authentisch bleibt die Sprache allemal, und wenn eine vom Leser liebgewonnene Figur fällt, bleibt ein Stückchen Leere, das sich jedoch sofort mit fesselnden Momenten füllt. Symbolisch für die Verluste, aber auch für bevorstehende Siege mag das Schachspiel stehen, dass Annrai in mehreren Kapiteln mit einigen ihrer Vertrauten spielt. Erst allmählich lüftet die Autorin die Geheimnisse um den Fluch der Bärenhäuter und offenbart nur in kleinsten Schritten die Beziehungen der Figuren zueinander und ihre miteinander verknüpften Schicksale. So bleibt der Roman fesselnd und lesenswert bis zur letzten Seite.



Fazit



Mich als Fantasyfan luden das mittelalterlich anmutende Ambiente und die mystisch-magisch bestimmte Handlung ohnehin zum Träumen und zum Mitfiebern und Mitleiden ein. In der Aufmachung nicht so spektakulär, aber amerikanischer Bestseller-Fantasy zumindest ebenbürtig finde ich „Die Bärenkönigin“ von Sabine Reifenstahl. Ein verständliches und nicht überladenes Setting ermöglicht ein entspanntes Lesen, das träumerische Eintauchen in die Welt von Weitmark und Hochfels und das Mitfühlen nicht nur mit den Hauptfiguren. Als weiteren Pluspunkt bewerte ich das zarte, weil unterschwellige Werben um Toleranz gegenüber Menschen, die wir nicht gänzlich unseren üblichen Normen unterwerfen wollen. Alles in Allem beste Fantasy, zu deren erwarteten Elementen sich die Forderung nach Aufgeschlossenheit gesellt.

Bewertung vom 29.09.2024
Wie Spuren am See - Das Juwel
Baillon, Sibylle

Wie Spuren am See - Das Juwel


ausgezeichnet

Wechselbad der Gefühle



Erster Eindruck

Dass der Roman Wie Spuren am See – Das Juwel von Sibylle Baillon gleich mit zwei Paukenschlägen beginnt, überrascht nicht nur die Hauptfiguren Bella und Chris, sondern auch denjenigen Leser, der Band 1 und 2 genossen hat. Obwohl jeder Band voneinander unabhängig lesbar und keine Fortsetzung des vorherigen ist, stellt dieser Roman Bezüge zu bereits bekannten Figuren und Begebenheiten her. Dem, der dieses Buch als erstes liest, entgeht dadurch nichts, die Leser der Reihe finden aber durch ihre Erinnerung umso leichter ins Setting.



Inhalt

Während Isabella und Chris unbeschwert ihr Leben in der von Ada geerbten Villa am Bodensee genießen, meldet sich Isas alte Freundin Rita zu Besuch an – mit Bernd, Isabellas früherem Lebensgefährten, den sie wegen dieser Erbschaft und wegen Chris verlassen hatte. Überraschend harmonisch verläuft das Zusammensein – dem gemeinsamen Interesse der beiden Männer an einem geheimen Besuch Napoleons in Lindau geschuldet. Und einem dort wohl verloren gegangenem Kleinod: dem Juwel, das dem Buch seinen Namen gab. Fast zeitgleich bringt ein Besucher Isabella aus dem seelischen Gleichgewicht, indem er Anspruch auf die Villa anmeldet. Trotz aller Sehnsucht zum Haus und zu Adas Vergangenheit will sie ihm ein rechtmäßiges Erbe nicht streitig machen. Doch ihre Zweifel werden durch zwei Todesfälle genährt …



Schreibstil

Gewohnt bildhaft zeigt Sibylle Baillon in der Ich-Erzählung das Auf und Ab von Isabellas Gefühlen, die reichlich Grund zur Wallung erfahren. Treffend formuliert sind die Befürchtung, Bernd würde während seines Besuchs Rachegelüste für ihre Trennung ausleben, und das befreiende Aufatmen, als Isa sein herzlich-kumpelhaftes Verhalten Chris gegenüber erlebt. Genauso lebendig zieht die Autorin dem Leser die Zerrissenheit vor Augen, den eigenen Anspruch aufs Erbe mit gut erklärter moralischer Begründung zurückzustellen, wie auch die Zweifel an der Identität ihres Kontrahenten. Mir persönlich nahm die Leichtigkeit dieses Zurücksteckens zu viel Raum ein, es unterstützt aber die Handlung, die mit passenden und authentisch klingenden Formulierungen Romantik, Historie, Dramatik und Elemente der Kriminalliteratur miteinander verknüpft. Der Dichte von Handlung und Gefühlen wird die Autorin jederzeit gerecht, indem sie spannende Szenen der Jetztzeit mit dramatischen Rückblenden und teils längeren Passagen von Isabellas Innenschau abwechselt. Gerade bei Letzterer ist es kein Monolog, sondern aufgelockertes Gespräch mit den übrigen Figuren. Besonders vermeintliche Nebensächlichkeiten machen die Dialoge authentisch, sei es das schwäbische „Griaß Godd“ oder die Anrede, die ja nach Sprecher „Isa“ oder „Bella“ lautet. Häufige Vergleiche abseits aller Klischees lassen das Setting leben, erlauben sogar dem Bodensee ein Eigenleben und ziehen den Leser in ihren Bann. Alles in allem so voller Gefühl, dass sich niemand den Befürchtungen, den Zweifeln, aber auch dem Mitleiden und der Erleichterung Isabellas und der Neugier von Chris und Bernd entziehen kann.



Fazit

Auch wenn der Roman leichtfüßig verfasst ist, leiden weder Spannung noch Dramatik. Ein „blaues Buch“, das durch sein Setting mit blauem Himmel und blauem See Urlaubsstimmung verbreitet, findet seine Liebhaber unter all jenen, die einen unterhaltsamen Mix aus Gefühl und Krimi-Spannung suchen – gepaart mit einem detailverliebten Schreibstil und einer angenehmen Portion Selbstironie. Auch Band 3 der Bodenseesaga Wie Spuren am See – Das Juwel empfehle ich reinen Gewissens allen Romantikern, die neben Gefühlen auch Abenteuer und vor allem Überraschungen lieben.

Bewertung vom 29.09.2024
Wie Spuren am See - Die Rückkehr
Baillon, Sibylle

Wie Spuren am See - Die Rückkehr


ausgezeichnet

Erster Eindruck



Etwas neidisch las ich dieses Buch, nachdem ich schon beim ersten Kapitel erkannte, dass ich mir als Autor von Krimis und Fantasyromanen Baillons Vielfalt an bildhaften Vergleichen und die Dichte ihrer Gefühlsbeschreibungen in meinen Genres nicht erlauben darf. „Die Rückkehr“ ist das zweite Buch aus der Bodensee-Reihe, das ich – mit zeitlichem Abstand zum ersten – genossen habe. Wieder beeindruckten mich der einfühlsame Schreibstil, der mich ins Setting hineinzog, und die Dramatik, die hier schon anfangs zutage tritt und die sich später verdichtet. Es ist eine andere Spannung als in Kriminalromanen – in diesem Werk zwingen Mitgefühl und Neugier zum Weiterlesen, außerdem einfach die Freude am Ausdruck und an der Detailverliebtheit, mit denen uns die Autorin begegnet.



Inhalt

Wir kennen Isabella und Chris vom Bodenseeband „Die Erbin“. Isabella hat ihren nüchternen, kleinbürgerlichen Mann verlassen und lebt zusammen mit ihrem Geliebten, dem lebensfrohen und lebhaften Chris, in der von ihrer Großtante Ada geerbten Villa, als eines Morgens die betagte Gudrun um Hilfe bittet. Vor ihrem gewalttätigen, alkoholsüchtigen Mann geflohen sucht sie nun Beistand bei ihrer alten Freundin Ada, ohne von deren Tod erfahren zu haben. Ihr Auftauchen und Isabellas Wunsch zu helfen werfen nicht nur organisatorische Probleme auf, sondern übertragen Gudruns Ängste auf Isabella und stellen die Liebe zwischen ihr und Chris vor eine ernsthafte Zerreißprobe. Die Konflikte verschärfen sich, als weitere Personen ins Bild treten, die eine enge Beziehung zu Adas Vergangenheit haben …



Schreibstil

Sanft, mit viel Gefühl und mit treffenden Stimmungsbildern stellt uns Sibylle Baillon auch in diesem Werk nicht nur Figuren vor, die sich wegen der unterschiedlichen Handlungsebenen mannigfachen Herausforderungen stellen müssen, sondern beschreibt in Einzelheiten die Handlungsorte, Tätigkeiten und Hintergrundgeschichten auf eine Art und Weise, die auch nüchterne Leser in ihren Bann zieht. So mutiert etwa Gudruns profaner Kauf einer Bahnfahrkarte in einem der ersten Kapitel zu einem Abenteuer, das ihr gesamtes Elend, ihr Leiden unter ihrem Mann und die Schwere ihrer Entscheidung zur Flucht offenlegt. Häufige Dialoge spiegeln Gefühlswelten und Konflikte treffend wider und überraschen nicht nur den Leser, sondern manchmal die Figuren selbst – etwa durch fremde Ansichten in Unkenntnis der Hintergründe. In manchen Kapiteln überwiegt das Aufdecken von Gemütszuständen wie Verzweiflung, Zweifel, Hilfsbereitschaft, Hoffnung und Zuneigung und lässt den eigentlichen Handlungsstrang in den Hintergrund treten. Diese Abwechslung ist ein Anreiz mehr, sich von diesem Buch vereinnahmen zu lassen.



Fazit

Obwohl der Roman außerhalb der Kernkompetenz meines eigenen Schreibens liegt, zolle ich Sibylle Baillon für „Wie Spuren am See – die Rückkehr“ Respekt und ein großes Lob. Wieder ist es ihr gelungen, durch stimmungsvolle Bilder, durch unaufdringliche Charakterbeschreibungen und durch die gefühlsbetonte und doch spannende Haupthandlung ihre Leser gefangen zu nehmen. Das Buch empfehle ich jedem, der fernab literarischer Hektik Ruhe sucht, indem er sich zurücklehnen und beim Wechselbad von Idylle und Dramatik entspannen möchte.

Bewertung vom 23.09.2023
Ylva
Kutscher, Nathalie C.

Ylva


sehr gut

Gelungener Genremix aus Lesbian omance und Fantasy

Für Eilige:

Gespannt war ich auf den Genremix aus Lesbian Romance und Fantasy. Wie von Nathalie C. Kutscher gewohnt, erwartete mich auch in „Ylva – die verlorene Königin“ eine einfühlsam und liebevoll geschilderte Beziehung, bei der sich die Erotik dezent im Hintergrund hält. Die abenteuerliche Fantasy zeigt sich lebendig und recht gewaltarm.



Inhalt:

Während Ylva als Kind zu ihrem Schutz vor dem Weltenwolf Yadaei vom Königshof ihres Vaters einem abgelegen lebenden Clan anvertraut wird, wächst Nara zur Kriegerin heran, Yadaei soll den Eroberungsdrang ihres Volkes unterstützen und das Königreich Aluja von Ylvas Vater unterwerfen. Als Kinder begegnen sie sich in ihren Träumen, bei ihrem ersten Zusammentreffen sind sie in den Zwanzigern. Bis dahin haben sich ihre unterschiedlichen Verhältnisse zu Yadaei gefestigt. Doch ist ihre Rolle als Wolfshüterin anders, als sie sich vorgestellt haben.



Schreibstil:

Nathalie C. Kutscher legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung ihrer beiden Protagonistinnen. Entsprechend einfühlsam ist der Roman geschrieben: Personen, Landschaften und Handlungen zeigen sich von ihrer besten Seite, lassen den Leser teilhaben am Schicksal zweier Hüterinnen und ihn eintauchen in eine Welt, die sich aufteilt in das wohlhabende Reich Aluja und die eher karge und unwirtliche Heimat der übrigen Völker, Stämme und Clans. Kutschers Sprache lebt von den Zweifeln und Ängsten der beiden Frauen und von ihrem Gefühl, dass ihre Schicksale untrennbar miteinander verwoben sind. Wie auch immer sie ihren Sinn für Frieden und Gerechtigkeit finden – inhaltlich und sprachlich ist das Buch ein dezenter Appell an Toleranz und Friedfertigkeit. Dementsprechend wird auch die handlungsbestimmende Gewalt nicht in blutrünstigen Szenen ausgebreitet, sondern zurückhaltend aus Ylvas Sicht gezeigt.



Fazit:



Nathalie C. Kutscher zeigt durch ihr Cross-Over von Fantasy und Lesbian Romance, dass sie nicht mit dem Altmeister der Fantasy in einen Wettstreit getreten ist. Doch muss sich wohl jeder Fantasyroman an Tolkiens „Herrn der Ringe“ messen lassen, regelmäßig ist das Niveau jenes bildgewaltigen Epos‘ schwer zu erreichen. „Ylva – die verlorene Königin“ holt den Abstand gehörig auf. Das große Plus ist die Ruhe, denn anders als in vielen Werken jonglieren keine Götter mit Welten, und keine blutrünstigen Königssöhne hetzen unendliche Heere aufeinander. Vielmehr eröffnet sich dem Leser eine Gefühlswelt, die von unterschiedlichen Traditionen geprägt ist. Zwischen Mythos und Mystik um den Weltenwolf tritt der Kampf um Aluja sehr in den Hintergrund, für mich ein Grund, dem Roman auf der üblichen Skala von fünf Punkten nur vier zu geben. Jedem, der beim Genre Fantasy nicht auf das Erleben „männlicher“ Zerstörungswut aus ist, sondern sich eine sanfte und gefühlsbetonte Erzählung mit mystischen Elementen wünscht, kann ich Kutschers Roman empfehlen und vermute, dass solche Leser sich auch an den liebevoll gezeichneten Städteansichten im Anhang erfreuen werden.

Bewertung vom 23.09.2023
Wie Spuren am See - Die Erbin
Baillon, Sibylle

Wie Spuren am See - Die Erbin


ausgezeichnet

Bestwertung für Plot und Schreibstil. Fesselnd!



Erster Eindruck

Obwohl ich Kriminalromane lieber lese und schreibe als Liebesromane, hat mich Sibylle Baillons „Wie Spuren am See – Die Erbin“ vom ersten Kapitel an magisch angezogen. Ein sympathisch blumiger Schreibstil offenbart die Gefühle der Protagonistin Isabella, in der sich Leserin und Leser sofort wiederfinden können. So beflügeln ihre Gedanken und die Dialoge die Fantasie, die unweigerlich der Handlung vorauseilt. Gelegentliche Widersprüche zwischen einer aus Gewohnheit vorbestimmten Absicht und der spontan entgegengesetzt getroffenen Entscheidung verführen durch sanfte Ironie zum Schmunzeln.



Inhalt ohne Spoiler

Als Isabella von einer überraschenden Erbschaft erfährt, denkt sie zuerst an einen Scherz. Ada, die ihr eine Villa bei Lindau vermacht hat, ist ihr gänzlich unbekannt. Ihr Mann Bernd drängt sie, das Anwesen ungesehen zu verkaufen, da es seiner Ansicht nach eine Belastung darstellt. Obwohl Isabella zustimmt, fasst sie spontan den gegenteiligen Entschluss, bricht unvermittelt auf und findet sich 400 km weiter in einem Setting wieder, das an die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Sofort beginnt sie mit der Suche nach Anhaltspunkten, die Adas Schicksal beleuchten. Nach kurzer Zeit nimmt die Suche detektivische Züge an und führt zu einem so nicht erwarteten dramatischen Höhepunkt. Besondere Hilfe verspricht sie sich von ihrem Nachbarn Chris, dessen burschikose Art so gänzlich anders ist als Bernds nüchterner, manchmal pedantischer Charakter …



Schreibstil

Dass in dem Roman drei Künstler aufeinander treffen, spürt der Leser, sobald die Figuren auftreten: Isabella, Hauptfigur und Fotografin, der Schriftsteller Chris, und – in Rückblenden – Ada, zu Lebzeiten eine begnadete Schauspielerin und Malerin. Lebendig, gewürzt mit vielen Dialogen, die häufig vor Ironie sprühen oder philosophische Aspekte ausbreiten … Gedanken, Fantasien und Gewissensbisse der Protagonistin reihen sich aneinander und werden zu einem literarischen Feuerwerk aus farbenfrohen Bildern. Bunt, aber nie grell, eher pastellfarben und gegen Ende mit dramatisch dunklen Grautönen. Baillon versteht es, die Gefühlswelt Isabellas vor den Lesern so auszubreiten, dass denen die eigenen unterdrückten Träume, die Selbstzweifel und deren Überwindung ins Bewusstsein drängen. Unweigerlich identifiziert man sich mit Isabella. Was mir auffiel, ist das stetige Vorwärtsstreben in der Handlung. Auch ruhige Passagen sind auf eine Art und Weise geschrieben, die – zum Gemütszustand Isabellas passend – nur wenig Entspannung erlauben. Handlung und Schreibstil lassen den Leser nie verharren, auch bei einer im Grunde ruhigen Beschreibung von Adas Villa und ihren Gemälden richtet sich der Blick nach vorn und sucht nach den Auflösungen der Rätsel um Adas Schicksal und um Isabellas Bestimmung. Der Gebrauch unvollständiger Sätze, der Wechsel zwischen Normal- und Kursivschrift untermalen bestens die zur Sucht werdende Neugierde und die innere Zerrissenheit der Hauptfigur. Dazu kommt eine sich langsam aufbauende Dramatik. Und wie könnte man das treffender zum Ausdruck bringen als durch eine Erzählung aus der Ich-Perspektive?



Fazit



Für Liebhaber des Genres und auch für mich, der ich durch mein eigenes Scheiben nicht anders kann als analytisch zu lesen, ist manches vorhersehbar, was im Buch erst später offengelegt wird. Der Lesefreude tut dies indes keinen Abbruch, vielmehr fiebert man gerade deshalb mit den Figuren mit. Einerseits, weil sie einem ans Herz gewachsen sind, andererseits, um die eigenen Prognosen bestätigt zu wissen. Auf diese Weise fesselt „Wie Spuren am See“ sowohl Fantasie als auch Neugier – vom Mitfühlen mit den Sympathieträgern ganz zu schweigen. Sibylle Baillons Buch empfehle ich nicht nur Genrefans, sondern allen, die sich durch das Eintauchen in literarisch wiedergegebene fröhliche Bilder in Pastelltönen entspannen und die erleben wollen, wie sich die Dramatik letztendlich zum Guten wendet. Der Liebesroman hat die Bestnote redlich verdient.

Bewertung vom 23.09.2023
Tief
Croft, Mike

Tief


gut

Gewollt und nicht gekonnt

Erster Eindruck:

Da hat jemand Frank Schätzings Werk „Der Schwarm“ überarbeitet! Der Unterschied: Nicht die Natur richtet sich gegen den Menschen, der im Begriff ist, sie zu vernichten, sondern sie bittet ihn darum, die von ihm angerichteten Schäden wiedergutzumachen.



Inhalt:

Als ein einzelner Pottwal am Strand von Brighton in Großbritannien aufläuft, richten sich alle Bemühungen, auch die des Meeresbiologen Roddy Ormond, auf seine Rettung. Wenige Tage, nachdem das Tier erfolgreich seinem Element zurückgegeben wurde, werfen sich 78 Wale unterschiedlicher Spezies wieder auf den Strand. Bevor sie gerettet werden können, sterben sie. Hier kommt der Antagonist Rattigan ins Spiel, ein nach außen hin wohltätiger Milliardär. Nicht nur seine dunklen Geschäfte werden nach und nach dem Leser enthüllt, sondern auch sein Hass auf Ormond, den er seit ihren Studientagen kennt und dem er damals die Freundin ausgespannt hat. Erst spät erkennt Ormond in der Aktion der Wale einen Hilferuf, doch kann er sich nicht gegen die Medien und die Politik durchsetzen, die die Ursache dafür bislang erfolgreich vertuschen konnte.



Schreibstil:

Wie im Thriller üblich, fehlt die „innere Heldenreise“, also die Charakterentwicklung der Protagonisten. Nicht nur die Handlung, sondern auch die Sprache gibt ein rasches Tempo vor, sodass die gut 380 Seiten am liebsten „am Stück“ verschlungen werden wollen. Zahlreiche Dialoge wechseln mit eher kurzen Berichtssequenzen und recht vielen Selbstreflexionen ab. Auch der Wechsel der Perspektiven – einschließlich der Sicht und Gedanken des Pottwals Blackfin – macht den Thriller lebendig. Leider krankt die erste Hälfte des Romans an zahlreichen Wiederholungen schon ausgedrückter Vermutungen, und obwohl die Handlung samt Ergebnis schon früh vorhersehbar ist, versucht Croft beinahe krampfhaft, den Leser im Ungewissen zu lassen. Die Figuren sind durch ihre jeweilige Innenschau plastisch und lebendig dargestellt, wobei Rattigans kapitelfüllende Zerrissenheit zwischen Wohltätigkeit und Verbrechen und zwischen übertriebener Liebe zu seiner Tochter Ally und sein Hass auf Ormond übertrieben anmutet und nur dadurch erklärt werden kann, dass man ihn als Psychopathen einstuft. Hier wäre weniger mehr gewesen.



Fazit:

Wer Schätzings „Schwarm“ nicht kennt, mag mit „TIEF“ zufrieden sein, allen anderen Lesern ist der Thriller nicht zu empfehlen. Da schon früh zu erkennen ist, wie alle Handlungsstränge enden, wird die künstlich verschleppte Offenbarung zum Lesehindernis. Die erste Hälfte des Buches verzettelt sich in der Einführung der Figuren und Schauplätze und kommt einfach nicht auf den Punkt. Außerdem spielt Croft mit den in amerikanischen Actionfilmen beliebten Klischees, was alte Bekannt- und Liebschaften angeht, und so wirkt die Logik mancher Handlungen arg konstruiert. Daher landet „TIEF“ nur im Mittelfeld, der Roman hinkt zu sehr hinter Schätzings Original hinterher.

Bewertung vom 23.09.2023
Das Reich der Macht / Jack Ryan Bd.25
Clancy, Tom;Cameron, Marc

Das Reich der Macht / Jack Ryan Bd.25


sehr gut

Spannung trotz fehlenden Tiefgangs



Erster Eindruck

Thriller leben von Hektik, da ist Die Welt der Macht keine Ausnahme. Wie setze ich eine Handlung um Menschenhandel, Prostitution und politische Ränkespiele um? Mit der Beschreibung von Gewalt und einer passenden derben Sprache.



Inhalt ohne Spoiler

Während ein chinesischer Minister mit seinen Vertrauten Intrigen zum Wohle Chinas und zu seinem eigenen spinnt, setzt Amerikas Präsident Jack Ryan senior alles daran, seine Geheimdienste möglichst im Vorfeld jedes Vorgehen gegen die Vereinigten Staaten aufdecken zu lassen. Zur selben Zeit bekämpft Jack Ryan junior in den USA einen chinesischen Mädchenhändlerring. Irgendwann laufen die Handlungsfäden zusammen.



Schreibstil

Thriller leben von Hektik, ihnen ist immanent, dass der Leser nicht zum Atemholen kommen, sondern das Buch in einem Rutsch durchlesen soll. Auch Marc Cameron als Nachfolgeautor des 2013 verstorbenen Tom Clancy hält sich strikt an diese Regel. Egal, wer in der komplexen Handlung im jeweiligen Kapitel das Heft in der Hand hält, er trägt dazu bei, dass sich die Ereignisse überschlagen. Die Sprache, deren sich die Figuren befleißigen, passt zum Setting, in dem sie sich bewegen. Jack Ryan jr. und seine Kameraden vom Campus, einer privaten Geheimorganisation zum Wohle Amerikas, befleißigen sich eines derben Jargons mit nicht nur gelegentlichem Griff zur Fäkalsprache. Wen wundert’s, sind doch ihre bösen Gegenspieler recht gewalttätig, und da helfen keine frommen Sprüche. Gesitteter geht es in den Teppichetagen sowohl in Peking wie auch in Washington zu. Während der intrigante chinesische Minister auch Tötungsbefehle in wohlgesittete Worte zu kleiden weiß, bedient sich Jack Ryan sr. als Präsident nicht nur seinem persönlichen Bodyguard gegenüber eines sehr jovialen Tons. Neben diesen sprachlichen Feinheiten beeindruckt auch die Menge an statistischer Information über Menschenhandel, Wirtschaftsdaten und andere, was eine gründliche Recherche vermuten lässt – überprüft habe ich die Angaben nicht.



Fazit

Wegen der massenhaften Klischees kann ich mich der Erwartung nicht erwehren, die ich auch mit den Büchern von Dan Brown über die Abenteuer Professor Dr. Robert Langdons verbinde: Hat man eines gelesen, kennt man alle. Dennoch hält einen die Spannung im Griff. Gelungen ist die Beschreibung der unterschiedlichen Settings, hier entsteht Kopfkino. Einen weiteren Pluspunkt heimst der Thriller ein für die eingestreute Statistikinformation. Abstriche mache ich jedoch wegen der Klischees und der fehlenden Tiefe bei der Darstellung der Figuren. Zudem ist die Handlung mit reichlich vielen Beteiligten auf so viele Ebenen verteilt, dass ich recht schnell nicht mehr einzelne Figuren verfolgt habe, sondern nur noch die handelnden Institutionen. Wer Thriller mag und vor der ausgeprägten Darstellung von Gewalt und vor derber Ausdrucksweise nicht zurückschreckt, ist mit Die Macht der Welt gut bedient. Zarteren oder anspruchsvolleren Gemütern kann ich das Buch nicht empfehlen.